Leitsatz (amtlich)
1. Zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit darf der Versicherungsträger als Heilbehandlung auch Kostenzuschüsse zum Zahnersatz jedenfalls dann gewähren, wenn der Kostenzuschuß noch vor der Eingliederung des Zahnersatzes vom Versicherungsträger zugesagt worden ist.
2. Bei der Festsetzung der Kostenzuschüsse hat der Versicherungsträger in den Jahren 1962 - 1963 nicht davon ausgehen dürfen, daß er grundsätzlich an die Mindestsätze der Preugo gebunden sei.
Leitsatz (redaktionell)
Die Gewährung von Heilmaßnahmen, die das Rentenversicherungsrecht bei Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu deren Erhaltung vorsieht, erstreckt sich auch auf die Versorgung mit Zahnersatz, verpflichtet den Rentenversicherungsträger aber nicht, insoweit die gesamten Kosten zu tragen; auch eine anteilmäßige Übernahme der Zahnersatzkosten in Form eines Zuschusses oder einer Kostenerstattung ist mit dem Rentenversicherungsrecht vereinbar.
In welchem Umfang sich der Rentenversicherungsträger an Zahnersatzkosten im Rahmen der RVO §§ 1236, 1237 beteiligt, hat er nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden; die Entscheidung muß erkennen lassen, von welchen Überlegungen bei der Kostenbeteiligung ausgegangen wurde. Das Ermessen ist nicht fehlerfrei ausgeübt, wenn bei der Bemessung des Zuschusses davon ausgegangen wurde, daß anstelle der tatsächlich berechneten Kosten nur diejenigen Beträge zuschußfähig seien, die in Betracht gekommen wären, wenn vertragliche Beziehungen zwischen Rentenversicherungsträger und Zahnarzt bestanden hätten. Der Rentenversicherungsträger kann sich nicht durch Berufung auf "Richtlinien" der Prüfung solcher Einzelfälle entziehen, in denen besondere Umstände vorliegen; spezielle berufliche Bedürfnisse können zB einen höheren Zahnersatzzuschuß rechtfertigen.
Normenkette
RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1237 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 13 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 14 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 1965 aufgehoben.
Das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. September 1964 wird auf die Berufung der Beklagten dahin geändert, daß die Beklagte dem Kläger einen neuen Bescheid über die ihm zu erstattenden Zahnersatzkosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zu erteilen hat.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Rechtsstreit zu zwei Drittel zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte Kosten des Klägers für Zahnersatz zu übernehmen hat.
Der Kläger ließ sich im Herbst 1962 auf seine vier oberen Schneidezähne Porzellanmantelkronen ( Jacketkronen ) aufsetzen, um seinen Beruf als Blasmusiker (Oboist) weiter ausüben zu können. Der Zahnarzt berechnete ihm dafür 443,- DM (120 DM je Krone + 43,- DM für den Aufbau eines Zahnes wegen zu schwacher Wurzel = 523,- DM abzüglich eines Kostenanteils der DAK von 80,- DM).
Schon vor der Zahnbehandlung hatte sich die Beklagte bereit erklärt, nach § 13 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Kosten des Zahnersatzes bis zur Höhe der 1 1/2-fachen Grundgebühr der Preugo Teil III (je Krone 60,- DM) unter Anrechnung sonstiger Zuschüsse zu übernehmen. Entsprechend verfuhr sie in ihrem Bescheid vom 23. Januar 1963, sie übernahm 160,- DM (240,- DM abzüglich 80,- DM) und überwies dem Zahnarzt diesen Betrag. Die Übernahme der Restkosten lehnte sie - auch im folgenden Widerspruchsbescheid vom 13. März 1963 - ab, weil ihre Beihilfe nicht nach den wirklichen Kosten, sondern nach den Mindestsätzen der Preugo mit einem Aufschlag von 50 % berechnet werde. Durch Urteil vom 17. September 1964 hob das Sozialgericht (SG) Reutlingen beide Bescheide auf; es verurteilte die Beklagte, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Übernahme der Zahnersatzkosten in Höhe von 443,- DM zu erteilen. Die Beklagte habe nicht den individuellen Verhältnissen des Klägers Rechnung getragen; nach dem vom SG eingeholten Gutachten sei der Zahnersatz für die Berufsausübung erforderlich gewesen; die Beklagte müsse deshalb die Beihilfe in der beantragten Höhe (443,- DM) gewähren. Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Das LSG verneinte einen Ermessensfehler der Beklagten bei der Kostenübernahme. Die Beklagte habe Kostenersatz nur in der in ihren Richtlinien vorgesehenen Höhe zu gewähren brauchen. Ihre Leistungen bei den Rehabilitationsmaßnahmen nach § 13 AVG seien erheblich höher als die Beihilfen nach § 84 AVG. Damit trage sie der besonderen Lage der Versicherten, die zur Berufsausübung einen gut sitzenden Zahnersatz brauchten, ausreichend Rechnung (Urteil vom 16. November 1965).
Mit der zugelassenen Revision beantragte der Kläger (sinngemäß),
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger rügte eine Verletzung des § 13 AVG. Die Beklagte dürfe sich nicht auf Richtlinien berufen, welche die besondere Bedeutung des Zahnersatzes für Blasmusiker außer acht ließen; sie müsse in solchen Fällen eine individuelle Prüfung vornehmen.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet.
Auch wenn die Beteiligten nur über die Höhe des Zuschusses streiten, muß der Senat zunächst prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Gewährung dem Grunde nach erfüllt sind; die Erhöhung einer gesetzlich unzulässigen Leistung könnte der Kläger von der Beklagten nicht verlangen.
Der Kläger stützt sein Begehren um Gewährung eines höheren Kostenzuschusses auf § 13 Abs. 1 AVG. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte, wenn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten u.a. infolge von Krankheit gefährdet oder gemindert ist und voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, Maßnahmen in dem in § 14 bestimmten Umfang gewähren. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG kann der Senat davon ausgehen, daß die Erwerbsfähigkeit des bei der Beklagten versicherten Klägers infolge einer Zahnerkrankung gefährdet war und durch eine zahnärztliche Behandlung mit Überkronung der vier oberen Schneidezähne erhalten werden konnte. Die Beklagte war deshalb befugt, Maßnahmen in dem in § 14 bestimmten Umfang zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit zu gewähren. Solche Maßnahmen erstrecken sich nach § 14 Abs. 1 AVG auf "Heilbehandlung, Berufsförderung und soziale Betreuung". Die Heilbehandlung umfaßt gemäß Abs. 2 "alle erforderlichen medizinischen Maßnahmen", mithin auch die Versorgung mit Zahnersatz. Im vorliegenden Falle geht es allerdings nicht um die Gewährung von Zahnersatz, sondern um die Erstattung der dafür aufgewendeten Kosten. Wie der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 27. Juni 1967 - BSG 27, 34 und Urteil vom 24. Juli 1968 - 1 RA 383/65) ist jedoch auch der erkennende Senat der Auffassung, daß die Beklagte als "Heilbehandlung" nach den §§ 13, 14 AVG auch Kostenzuschüsse zu zahnärztlichen Behandlungen (Zahnersatz) gewähren darf. In seinem Urteil vom 3. März 1964 (BSG 20, 226) hat der 4. Senat des BSG die gesetzliche Regelung der Rehabilitation schon insgesamt als umrißhafte Regelung bezeichnet, die an vorgefundene Gegebenheiten anknüpfe und dem Versicherungsträger für die Ausgestaltung der Rehabilitation bewußt einen weiten Spielraum einräume; der 4. Senat kam deshalb zu der Auffassung, daß sich besonders der Begriff der "Heilbehandlung" nicht in rein medizinischen Verrichtungen erschöpfe. Dem tritt der erkennende Senat bei. Es kann darum nicht außer Betracht bleiben, daß die Beklagte schon vor der Rentenreform von 1957 Kostenzuschüsse zum Zahnersatz aus Rehabilitationsgründen gewährt hat (vgl. ihre Richtlinien vom 2. Juni 1955, Angestelltenversicherung 1955, S. 135); zu berücksichtigen ist auch, daß die gesetzliche Krankenversicherung, die medizinische Maßnahmen regelmäßig nur als Sachleistungen vorsieht, - im Gegensatz zur Unfallversicherung, zur Kriegsopferversorgung und zur Sozialhilfe - beim Zahnersatz gleichfalls nur Kostenzuschüsse gewährt (Abschnitt I Nr. 4 des Verbesserungserlasses vom 2. November 1943; BSG 22,67). Solange die Beklagte ihren Versicherten nicht - etwa auf Grund von Vereinbarungen mit kassenzahnärztlichen Vereinigungen (vgl. § 20 Abs. 1 AVG) - Zahnärzte zur Durchführung der zahnärztlichen Rehabilitationsmaßnahmen bereitstellt, darf sie sich daher auf die Gewährung von Zuschüssen beschränken. Das ist jedenfalls dann zulässig, wenn noch vor der Eingliederung des Zahnersatzes eine Zusage des Kostenzuschusses eingeholt und erteilt wird - wie es hier der Fall war -. Dann ist nämlich auch der Kostenzuschuß noch eine Maßnahme "zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit" (§ 13 Abs. 1 AVG), d.h. eine von vornherein diesem Rehabilitationszweck dienende Maßnahme.
Begehrt der Kläger demnach die Erhöhung einer zulässigen Leistung, so hat er jedoch keinen Anspruch auf vollen Kostenersatz; die Höhe des Kostenzuschusses steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (BSG 27, 34).
Der Senat kann deshalb nur prüfen, ob die Beklagte bei der Festsetzung der Höhe die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Im vorliegenden Fall ist die Festsetzung der Höhe nicht frei von Ermessensfehlern gewesen.
Ermessensfehler sind entgegen der Auffassung des LSG nicht schon deswegen auszuschließen, weil die Zuschüsse der Beklagten nach § 13 AVG ihre einschlägigen Beihilfen nach § 84 AVG wesentlich übersteigen. Das ist hier ohne Bedeutung (BSG 27, 39), weil für beide Leistungen jeweils andere Gesichtspunkte maßgebend sind.
Zu ihren Erwägungen für die Festsetzung der Zuschußhöhe hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren und vor den Tatsacheninstanzen nur dargelegt, sie habe entsprechend ihrer Verwaltungspraxis (z.Zt. der Zahnbehandlung und Bescheiderteilung) die Zuschüsse nicht nach den wirklich entstandenen Kosten, sondern nach den Mindestsätzen der Preugo mit einem Aufschlag von 50 % berechnet. Damit läßt sich die Festsetzung der Zuschußhöhe nicht rechtfertigen.
Der Beklagten kann zwar nicht versagt werden, den Kostenzuschüssen zum Zahnersatz möglichst einheitliche Sätze zugrundezulegen. Diese Sätze müssen aber rechtlich einwandfrei zustandegekommen sein. Das ist nicht der Fall gewesen. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich, daß sie bei der Festsetzung ihrer Zuschüsse in der in Betracht kommenden Zeit (1962/63) geglaubt hat, sie sei grundsätzlich an die Mindestsätze der Preugo gebunden. Eine solche Bindung hat in Wahrheit nicht bestanden.
Nach § 1 der VO des Bundesministers des Inneren vom 23. Dezember 1957 (abgedruckt bei Sixtus-Haep, Zahnärztliches Gebühren- und Vertragsrecht, Teil 2 S. 38) standen den Zahnärzten in der Bundesrepublik vor dem Inkrafttreten der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 18. März 1965 für ihre berufsmäßigen Leistungen die in der Preugo (Preußische Gebührenordnung vom 1.5.1924) in der jeweils gültigen Fassung vorgesehenen Gebühren zu. In § 2 Abs. 1 der Preugo war geregelt, in welchen Fällen die Mindestsätze der Preugo anzuwenden waren. Sie galten vor allem, wenn "nachweislich Unbemittelte die Verpflichteten" waren und ferner, wenn "die Zahlung aus Mitteln der Träger der Angestelltenversicherung zu leisten" war (die weiteren Anwendungsfälle scheiden hier aus). Die Beklagte hält offenbar den letzten Fall für gegeben. Die Zahlung, d. h. die Bezahlung des Zahnarztes ist jedoch nicht aus ihren Mitteln zu leisten gewesen. Die Beklagte hat, wie schon ausgeführt, keine Sachleistungen gewährt, sie hat die Beschaffung des Zahnersatzes vielmehr den Versicherten überlassen und sich auf die Gewährung von Kostenzuschüssen beschränkt. Sie selbst hat also zu den Zahnärzten in keiner vertraglichen Beziehung gestanden, deshalb ist der Zahnarzt auch nicht von ihr, sondern von dem Versicherten zu bezahlen gewesen. Für die Gebühren des von dem Versicherten in Anspruch genommenen Zahnarztes sind aber nicht die Mindestsätze der Preugo, sondern nach § 3 der Preugo, d. h. innerhalb der darin festgesetzten Sätze, die besonderen Umstände des einzelnen Falles, insbesondere die Beschaffenheit und Schwierigkeit der Leistung, die Vermögenslage des Zahlungspflichtigen, die örtlichen Verhältnisse usw. maßgebend gewesen.
Die Beklagte hat deshalb bei der Festsetzung ihrer Zuschüsse nicht davon ausgehen dürfen, daß sie grundsätzlich an die Mindestsätze der Preugo gebunden sei. Dieser unzutreffende Ausgangspunkt kann die allgemeine Zuschußhöhe wesentlich beeinflußt haben. Er kann dazu geführt haben, daß die Zuschüsse allgemein zu niedrig bemessen worden sind; sie dürften wohl regelmäßig die wirklichen Kosten beträchtlich unterschritten haben. Die Unbilligkeit der Festsetzung nach den Mindestsätzen der Preugo hat die Beklagte offenbar selbst erkannt und deshalb im Laufe der Zeit Aufschläge, zunächst von 50 %, später von 100 % gemacht. Den Aufschlag hat sie mit verwaltungsökonomischen Gründen, mit Großzügigkeit oder "mit Rücksicht auf die meist höhere Liquidation wegen der Schwierigkeit der zahnärztlichen Leistungen" (vgl. § 2 Abs.1 der Preugo) begründet. Mit den Aufschlägen hat die Beklagte jedoch nur die Auswirkungen ihres falschen Ausgangspunktes mildern können; selbst damit dürften die Zuschüsse immer noch wesentlich niedriger als die nach § 3 der Preugo rechtmäßigen Forderungen der Zahnärzte gewesen sein. Ihren falschen Ausgangspunkt hat die Beklagte dadurch jedenfalls nicht aufgegeben.
Soweit die Beklagte von einheitlichen Sätzen ausging, mußte sie sich zudem eine Abweichung im Einzelfall stets offenhalten. Das war besonders dann geboten, wenn die Sätze allgemein niedrig festgesetzt waren. Der Prüfung der besonderen Umstände des Einzelfalles durfte sich die Beklagte in keinem Fall entziehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten nötigen weder der Sinn und Zweck des § 13 AVG noch Prinzipien der Sozialversicherung zur durchgängigen (ausnahmslosen) Anwendung einheitlicher Zuschußsätze. Die besonderen Bedürfnisse der Versicherten bei der Rehabilitation können gerade im Rahmen der Heilbehandlung so vielfältig sein (BSG 20, 228), daß sie nur durch eine den Belangen des jeweiligen Versicherten angepaßte Rehabilitation gemeistert werden können; das gesetzliche Ziel der Rehabilitation bedingt darum stets eine Würdigung des Einzelfalles. Ausnahmen von einer allgemeinen Verwaltungsübung sind immer geboten, wenn die besonderen Umstände des Falles das rechtfertigen (BSG 27, 39).
Der Versicherungsträger muß die Versicherten nur im Grundsatz gleichbehandeln; diesen Grundsatz verletzt er nicht, wenn er bei unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnissen auch unterschiedliche Zuschüsse gewährt (Urteil des 1. Senats vom 24. Juli 1968 unter Hinweis auf BSG 9, 232, 236, 237).
Der Betrachtung des Einzelfalles kann die Beklagte auch nicht mit der Begründung ausweichen, daß sie dann häufig zahnärztliche Fachgutachten beiziehen müsse, um die Erforderlichkeit der Maßnahmen und ihrer Kosten zu prüfen.
Die Beklagte muß in jedem Falle die Erforderlichkeit der Maßnahmen und Kosten prüfen; sie muß darauf achten, daß die aufgewendeten Kosten wirklich der Rehabilitation dienen. Bei dieser Prüfung könnte sich die Beklagte im übrigen durch angestellte Zahnärzte oder Vertragszahnärzte beraten lassen.
Die Beklagte hätte daher noch auf die Verhältnisse des Einzelfalles eingehen müssen. Dabei konnte der verschiedene Grad des medizinischen oder beruflichen Bedürfnisses des Versicherten nach Versorgung mit Zahnersatz eine Rolle spielen. Schon in ihren Richtlinien vom 2. Juni 1955 (Angestelltenversicherung 1955, S. 135) hatte die Beklagte zwei Fallgruppen von Versicherten unterschieden, denen sie für festsitzenden Zahnersatz Beihilfen gewährte: Versicherte, bei denen die ausreichende Wiederherstellung der durch den Zahnverlust eingebüßten Funktionen ohne den Zahnersatz nicht gewährleistet ist, und Versicherte, bei denen die Eigenart der Berufsausübung den Zahnersatz unbedingt erfordert (z.B. Bühnenkünstler, Blasmusiker). Die gleichen Fallgruppen finden sich in den Richtlinien vom 19. November 1963 (Angestelltenversicherung 1964, S. 24). Der Fall, daß die Eigenart der Berufsausübung den Zahnersatz "unbedingt erfordert", dürfte wohl zur obersten Dringlichkeitsstufe gehören. In einem solchen Fall erscheint es jedoch kaum angängig, wenn dem Versicherten - wie hier - von den Kosten der Zahnbehandlung (523,- DM) nicht einmal die Hälfte (160,- DM von der Beklagten, 80,- DM von der Krankenkasse = 240,- DM) erstattet werden.
Schließlich hat die Beklagte übersehen, daß dem Kläger für den Aufbau eines Zahnes wegen zu schwacher Wurzel zusätzliche Kosten entstanden sind. Diese Leistung hat der Zahnarzt beim Kostenvoranschlag noch nicht geltend machen können, weil sich die Notwendigkeit des Zahnaufbaues nach der Erklärung des Zahnarztes erst während der Behandlung ergab. Bei der Endabrechnung hat der Zahnarzt zusätzlich 43,- DM dafür berechnet. Diese Leistung wäre selbst nach der Preugo besonders zu vergüten gewesen (§ 9 i.V.m. Teil III B Nr. 46). Eine individuelle Prüfung war somit auch wegen dieser zusätzlichen Leistung angezeigt. Eine solche Prüfung hat die Beklagte auch im Rechtsstreit nicht nachgeholt.
Die Bescheide der Beklagten können daher keinen Bestand haben, das SG hat sie zu Recht aufgehoben. Es durfte die Beklagte nur nicht zur Erteilung eines neuen Bescheides über eine Kostenerstattung von 443,- DM, d. h. zu einem vollen Kostenersatz verurteilen. Auf die Revision des Klägers ist sonach das Urteil des LSG aufzuheben und das Urteil des SG zu ändern. Die vom SG ausgesprochene Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verurteilung zu neuer Bescheiderteilung bleiben bestehen; bei der neuen Bescheiderteilung hat die Beklagte aber nun die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts zu beachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hielt eine Kostenteilung für angemessen; die Beklagte wurde deshalb verurteilt, die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Rechtsstreit zu 2/3 zu erstatten.
Fundstellen