Leitsatz (amtlich)
1. Ein "Beruf", in dem ein schädigungsbedingter Einkommensverlust eingetreten sein muß (BVG § 30 Abs 3 und 4 S 1), setzt im allgemeinen eine existenzsichernde Tätigkeit voraus. Im Ausnahmefall ist das Durchschnittseinkommen nach BVG§30Abs3u4DV § 2 Abs 2 Buchst c (Nr 3) entsprechend dem erforderlichen Arbeitsaufwand zu kürzen.
2. Der nach BVG § 30 Abs 4 S 1 zu ermittelnde Einkommensverlust ist nicht nur für die Höhe des Berufsschadensausgleichs, sondern schon für die Voraussetzung iS des BVG § 30 Abs 3 maßgebend.
3. Die rechtskräftige Entscheidung, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht nach BVG § 30 Abs 2 wegen besonderen beruflichen Betroffenseins höher zu bewerten ist, legt nicht zugleich bindend fest, daß der Beschädigte in seinem Beruf keinen schädigungsbedingten Einkommensverlust iS des BVG § 30 Abs 3 und 4 erlitten hat.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 S. 1; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 2 Abs. 2 Buchst. c Fassung: 1974-04-11; BVG § 30 Abs 3 u 4 u 5 DV § 2 Abs. 2 Nr. 3 Fassung: 1977-01-18; BVG § 30 Abs. 2; SGG § 141 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 31.10.1978; Aktenzeichen L 4 V 1214/77) |
SG Kassel (Entscheidung vom 30.09.1977; Aktenzeichen S 7 V 107/76) |
Tatbestand
Die Versorgungsverwaltung anerkannte bei dem 1921 geborenen Kläger, der in diesem Verfahren einen Berufsschadensausgleich begehrt, als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ua die Versteifung des rechten Fußgelenks in Hackenfuß- und Klumpfußstellung und die Versteifung sämtlicher Zehen des rechten Fußes mit Verlagerung der vierten und fünften Zehe fußrückwärts; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde, auch unter Berücksichtigung des Berufes als Landwirt, mit 50 vH bewertet (Bescheid vom 3. Oktober 1953). Im Bescheid vom 27. März 1958, durch den eine Neufeststellung (§ 62 BVG) abgelehnt wurde, verneinte das Versorgungsamt ein besonderes Betroffensein als Landwirt. Der Widerspruch blieb erfolglos. Der Kläger war nach dem Besuch der Volksschule im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb tätig. Er übernahm diesen im Jahre 1950 mit 5,96 Hektar (ha) Eigentum und 1,2 ha Pachtland. Seit November 1970 ist der Kläger als Lagerarbeiter beschäftigt. Die Landwirtschaft umfaßte in den Jahren 1971/ 72 4,84 ha; davon bearbeitete der Kläger noch 2,103 ha; 2,59 ha waren verpachtet und 0,147 ha als Geringstland und Unland anzusehen. 1975 bearbeitete der Sohn K-A einen Teil des Landes; ein anderer Teil war verpachtet, ein weiterer lag brach. Auf Anträge von Februar und März 1971 lehnte die Versorgungsverwaltung es ab, eine höhere Rente wegen einer Verschlimmerung der Schädigungsfolgen (Bescheid vom 4. Februar 1976) und wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren (Bescheid vom 11. Februar 1976). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) die Klage zurückgenommen, soweit sie die Erhöhung der Rente betraf. Die Verwaltung erklärte, erneut prüfen zu wollen, ob die MdE bis zum 30. November 1970 wegen besonderen beruflichen Betroffenseins höher zu bewerten ist. Im anhängig gebliebenen Verfahren hat das LSG den Beklagten verurteilt, ab 1. Februar 1971 Berufsschadensausgleich nach dem Vergleichseinkommen des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 7 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) zu zahlen (Urteil vom 31. Oktober 1978): Der Kläger habe wegen der Schädigungsfolgen als mindestens gleichwertiger Bedingung seinen Beruf als Landwirt aufgegeben. Trotz der Umstrukturierung der Landwirtschaft könne nicht nach allgemeiner Erfahrung davon ausgegangen werden, daß er ohne die Schädigung seinen Beruf gewechselt hätte. Er habe wegen des Schädigungsleidens als Landwirt nur unter Aufbietung von besonderer Energie und Tatkraft und mit der Gefahr der Verschlimmerung arbeiten können. Erst als im Alter von 49 Jahren seine Leistungsfähigkeit allgemein nachgelassen habe und er deshalb nicht mehr die Belastungen, die durch die Schädigungsfolgen bedingt seien, mit erhöhtem Energieaufwand hätte kompensieren können, sei er aus der Landwirtschaft ausgeschieden. Der Einkommensverlust ergebe sich nach § 30 Abs 4 BVG. Diese Bestimmung gelte nicht nur für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs, sondern auch für die Feststellung einer Einkommensminderung. Den tatsächlichen Einkünften des Klägers von 826,- DM müsse ein Einkommen nach der Besoldungsgruppe A 7 BBesG gegenübergestellt werden, da der Kläger über fünf Jahre selbständiger Landwirt gewesen sei.
Der Beklagte rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§§ 62, 128 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), der Verpflichtung zur Amtsermittlung (§§ 103, 106 SGG), der Grenzen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG), der Rechtskraft des SG-Urteils hinsichtlich des besonderen beruflichen Betroffenseins (§ 141 Abs 1 SGG) und des § 30 Abs 3 und 4 BVG iVm den §§ 2 und 5 der Durchführungsverordnung (DV) zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG. Das LSG hätte die Verwaltung auf die mögliche Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung aufmerksam machen müssen. Dieser Senat vertrete seit einigen Jahren die Auffassung, es bestehe bei Kleinlandwirten ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß sie als Gesunde in die Industrie abgewandert wären. Falls der Beklagte auf die Änderung dieser Rechtsprechung hingewiesen worden wäre, hätte er entsprechende Beweisanträge gestellt dafür, daß die Bewirtschaftung von ca 5 ha keine Existenzgrundlage für den Lebensunterhalt bilde und somit keine Berufsausübung iS des § 30 Abs 2 bis 4 BVG sei. Er hätte weiter unter Beweis gestellt, daß Betriebe dieser Größe zu etwa 70 % aufgegeben worden seien und daß eine solche Landwirtschaft nur eine halbe Arbeitskraft benötige. Das LSG hätte sich auch mit der aus dem Akteninhalt ersichtlichen schlechten Nutzbarkeit der Grundstücke (Bl 415, 431, 432 der Beschädigtenakten), dem extrem niedrigen Einheitswert von 6.200,- DM und dem unterdurchschnittlichen ha-Satz befassen müssen. Es hätte dann nicht mit Wahrscheinlichkeit annehmen können, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Kleinlandwirt geblieben wäre. - Aus den Akten sei außerdem ersichtlich, daß er nach wie vor seinen Betrieb nebenberuflich mit Hilfe seines arbeitslosen Sohnes bewirtschafte und im Unternehmerverzeichnis geführt werde (Bl 480, 498, 505 bis 507 der Beschädigtenakten). - Das LSG habe die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils mißachtet, indem es ein besonderes beruflichen Betroffensein des Kläger als Landwirt bejaht habe. Der Kläger habe die Stelle als Lagerarbeiter nicht wegen schädigungsbedingter Behinderungen, sondern wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Lage übernommen. Unter dem 22. März 1969 habe er an den Fragekasten des Landwirtschaftlichen Wochenblatts geschrieben, "er könne sich schlecht über Wasser halten, weil keine Absatzmöglichkeit bestehe". Ein vom LSG angenommenes altersbedingtes Nachlassen der Energie sei nicht erkennbar. - Ein Einkommensverlust nach § 30 Abs 3 BVG müsse konkret nachgewiesen werden. Bei landwirtschaftlichen Kleinbetrieben lasse sich regelmäßig kein Einkommensverlust feststellen (Urteil vom 10. Oktober 1972 - 9 RV 748/71). Ab November 1970 sei kein schädigungsbedingter Einkommensverlust, sondern eine entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Situation eingetreten. Aus 5 ha schlechten Landes könne niemand das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 BBesG erwirtschaften. Selbst wenn man der gegenteiligen Rechtsansicht des LSG zum Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 7 BBesG folge, könne das Vergleichseinkommen lediglich mit der Hälfte dieser Besoldungsgruppe angesetzt werden. Die Bewirtschaftung des kleinen Betriebes beanspruche nämlich nur eine halbe Arbeitskraft. Die Hälfte der Besoldungsgruppe A 7 BBesG liege jedenfalls unter dem tatsächlichen Verdienst als Lagerarbeiter.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. Oktober 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die gerügten Verfahrensfehler sind nach seiner Auffassung nicht gegeben.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, und der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Berufsschadensausgleich wegen eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes im Beruf eines Landwirts zugesprochen; es ist davon ausgegangen, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie dem betätigten Arbeitswillen und Ausbildungswillen weiterhin als selbständiger Landwirt tätig wäre (§ 30 Abs 3 und 4 BVG in der hier maßgebenden Fassung des 3. Neuordnungsgesetzes vom 28. Dezember 1966 - BGBl I 750 - und des 2. Anpassungsgesetzes vom 10. Juli 1970 - BGBl I 1029 -). Dieser Rechtsmaßstab ist für die Beurteilung von Verfahrensfehlern maßgebend (BSGE 2, 84, 87).
Das angegriffene Urteil enthält keine Ausführungen darüber, ob die landwirtschaftliche Tätigkeit, die der Kläger bis November 1970 ausgeübt hat und die er nach der Überzeugung des LSG ohne die Schädigungsfolgen fortgesetzt hätte, einen Beruf im Sinne des § 30 Abs 3 und 4 BVG darstellt. Die Nachprüfung von Rechtsfragen durch das Revisionsgericht setzt aber voraus, daß das Berufungsurteil eindeutige Feststellungen tatsächlicher Art enthält (SozR Nr 6 zu § 163 SGG; BSGE 46, 250, 251 = SozR 3100 § 30 Nr 37).
Der Einkommensverlust muß bei einer Tätigkeit eintreten, die als "Beruf" bezeichnet werden kann (BSGE 30, 48, 49 f = SozR Nr 40 zu § 30 BVG). Dies folgt aus dem Gebrauch der Worte "Berufsschadensausgleich" in Abs 3, "in dem Beruf besonders betroffen" in Abs 2, worauf Abs 3 Bezug nimmt, und "Berufsgruppe oder Wirtschaftsgruppe" in Abs 4. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist "Beruf" eine auf Dauer vorgesehene Arbeit, die den Lebensunterhalt sichern und als Existenzgrundlage dienen soll. In diesem Sinn hat bisher das BSG den Begriff im Zusammenhang mit § 30 Abs 2 BVG verstanden (BSG, BVBl 1970, 100 f; SozR 3100 § 30 Nr 29; BSGE 46, 1, 2 = SozR 3100 § 30 Nr 35). Grundsätzlich wird mit gleicher Bedeutung die Berufstätigkeit in § 30 Abs 4 Satz 1 BVG gemeint sein, in der nach Abs 3 ein Einkommensverlust schädigungsbedingt eingetreten sein muß. Davon ist das BSG bisher stets ausgegangen. Der gegenwärtige Fall könnte allerdings eine Einschränkung dieses Grundsatzes gebieten. Wenn ein Beschädigter ausnahmsweise sich zur Sicherung seines Lebensunterhalts mit einer Erwerbstätigkeit begnügt, die nach allgemeinen Vorstellungen nicht für eine Existenzgrundlage ausreicht, dann kann er trotzdem in diesem Tätigkeitsbereich einen rechtserheblichen Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs 3 und 4 BVG erleiden; er müßte aber diese auf Dauer angelegte Arbeit mit gleichem Ernst betreiben oder anstreben wie andere einen üblichen Beruf. Allerdings besteht in solchen Fällen regelmäßig ein Mißverhältnis zwischen dem tatsächlich ohne die Schädigungsfolgen in dem betreffenden Beruf erzielbaren Einkommen und dem Durchschnittseinkommen, das nach dem Pauschalierungssystem des Absatzes 4 für einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich maßgebend ist. Das braucht sich jedoch nicht unangemessen zugunsten des Beschädigten auf eine solche Versorgungsleistung auszuwirken. Vielmehr wird praktisch eine derartige Tätigkeit, die für eine Existenzgrundlage nicht ausreicht, auch nicht die volle Arbeitskraft erfordern. Dann ist nach § 2 Abs 2 Buchst c DV zu § 30 Abs 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968 (BGBl I 194) - jetzt Nr 3 - bloß ein Teilbetrag des Durchschnittseinkommens, der dem erforderlichen Aufwand an Arbeitskraft entspricht, für die Berechnung maßgebend.
Im gegenwärtigen Fall ist es nach allgemeiner Erfahrung sehr fraglich, ob der Betrieb des Klägers eine Lebensgrundlage bilden konnte. Bei einer Größe von 5 ha trifft dies im allgemeinen nicht zu (BSGE 46, 1, 8). Entscheidend ist die wirtschaftlich verwertbare Nutzfläche. Deshalb muß erforscht werden, ob der kleine Betrieb den Unterhalt der Familie des Klägers gewährleisten konnte (§§ 103, 106 SGG). Einen wichtigen Hinweis kann die Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Alterskasse geben. Nach § 14 Abs 1, § 1 Abs 3 Satz 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) ist grundsätzlich jeder landwirtschaftliche Unternehmer beitragspflichtig, dessen Betrieb eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet. Gemäß § 1 Abs 4 GAL ist eine Existenzgrundlage insbesondere gegeben, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des Unternehmens eine Mindesthöhe erreicht, die von der landwirtschaftlichen Alterskasse im Einvernehmen mit dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen nach billigem Ermessen aufgrund der örtlichen oder bezirklichen Gegebenheiten festzusetzen ist. Die Mindesthöhe nach dem Arbeitsbedarf ist unter Berücksichtigung der Kulturarten zu bemessen und kann sich entweder nach der Zahl der Arbeitstage oder nach der Flächengröße richten. Der Beschluß der landwirtschaftlichen Alterskasse über die Mindesthöhe konkretisiert den Begriff der Existenzgrundlage. Diese wird bei Erreichen der festgesetzten Höhe unwiderlegbar vermutet (BSGE 43, 215,216 = SozR 5850 § 1 Nr 2). Eine dauerhafte Existenzgrundlage kann jedoch auch ausnahmsweise bestehen, wenn die festgesetzte Mindesthöhe nicht überschritten wird. Voraussetzung ist dann, daß das landwirtschaftliche Unternehmen unter normalen Umständen geeignet ist, den Unterhalt einer Landwirtsfamilie zu sichern (BSGE 19, 65, 66 f = SozR Nr 7 zu § 1 GAL). Die im Recht der landwirtschaftlichen Altershilfe für die Beitragspflicht maßgebende Betriebsgröße hat allerdings einen anderen Sinn als die berufliche Voraussetzung für einen Berufsschadensausgleich und steht in einem anderen rechtlichen Zusammenhang. Gleichwohl könnte für den Regelfall auch bei der Entscheidung über den Beruf im Sinn des § 30 Abs 3 und 4 BVG jenes Bewertungsmerkmal einen Hinweis bieten. Der Beschädigte müßte, falls sein Betrieb keine Existenzgrundlage böte, überzeugend darlegen, warum er sich mit einer solchen Betriebsgröße als Grundlage für einen Beruf begnügt hat oder hätte.
Im Fall des Klägers ist für die Beurteilung der Zustand vor der Aufnahme der Tätigkeit als Lagerarbeiter (November 1970) entscheidend. Das LSG hätte der Frage nachgehen müssen, wie groß der Betrieb zu diesem Zeitpunkt gewesen ist. Dabei kann es von Bedeutung sein, ob der Kläger gepachtete Grundstücke bearbeitet hat (vgl § 1 Abs 4a Satz 4 GAL). Nach den gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen umfaßte der Betrieb im Jahre 1950 5,96 ha Eigenland und 1,20 ha Pachtland. Es hätte nahegelegen, die Akten der landwirtschaftlichen Alterskasse auszuwerten, gegebenenfalls Nachforschungen über die Größe des Hofes und den erforderlichen Arbeitsbedarf im Herbst 1970 zu betreiben und zu klären, ob der Arbeitsbedarf oder der Einheitswert die Mindesthöhe nach § 1 Abs 4 GAL erreicht hat.
Das LSG durfte im übrigen - nach seiner eigenen Auffassung - dem Kläger nur dann einen Berufsschadensausgleich entsprechend dem Vergleichseinkommen der Besoldungsgruppe A 7 BBesG zusprechen, wenn er ohne die Schädigungsfolgen hauptberuflich weiterhin Kleinlandwirt geblieben wäre (§ 30 Abs 4 BVG, § 2 Abs 1 Buchst c, § 5 Abs 1 und 2 DV). Diese tatsächliche Voraussetzung hat das Gericht unter Verletzung der Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) und der Pflicht zur Sachaufklärung (§§ 103, 106 SGG) festgestellt. Bei dieser Beweiswürdigung wäre zu bedenken gewesen, daß landwirtschaftliche Kleinbetriebe seit der Währungsreform im Jahre 1948 in sehr großer Zahl aufgegeben worden sind (vgl BSGE 46, 1, 2 f mwN). Weiter ist in diesem Fall besonders zu berücksichtigen, daß der Kläger verschiedene kleinere Grundstücke, die teilweise weit voneinander entfernt liegen und von schlechter Qualität sind, bewirtschaftete. Bei dieser Sachlage erscheint das Verbleiben eines gesunden Landwirts in seinem Beruf unwahrscheinlich. Das LSG durfte unter diesen Voraussetzungen seine Überzeugung nicht allein darauf stützen, daß der Kläger erst 1970 im Alter von 49 Jahren den Beruf des Landwirts aufgegeben hat. Dies mag zwar ein Indiz für die vom Berufungsgericht unterstellte Berufsentwicklung sein. Jedoch hat das Gericht nicht alle erheblichen Umstände gegeneinander abgewogen, wie dies geboten gewesen wäre (zB BSG SozR Nrn 40 und 56 zu § 128 SGG). Bedenken gegen die Annahme, der Kläger wäre ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich über 1970 hinaus Landwirt geblieben, ergeben sich insbesondere aus folgendem: Er hatte im Einkommensfragebogen im Oktober 1973 angegeben, daß er nebenberuflich zusammen mit seinem Sohn den Grundbesitz von 5 ha und 3 ar bewirtschafte und daß er kein Land verpachtet habe. Nach der Mitteilung der Stadt S vom 3. Dezember 1974 bearbeitete der Sohne eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 5,3 ha. In der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 1978 hat der Kläger erklärt, er habe die Landwirtschaft praktisch im November 1970 aufgegeben; er bewirtschafte nur noch ungefähr einen Morgen. Das LSG hätte zusätzlich erforschen müssen, ob und, gegebenenfalls, weshalb der Kläger ohne die Schädigungsfolgen trotz der besonders ungünstigen Situation seines Betriebes und entgegen der allgemeinen Zeitströmung weiter hauptberuflich seinen Hof bewirtschaftet hätte (BSGE 41, 65, 68 = SozR 3100 § 30 Nr 10). Dabei können die industrielle und allgemeine wirtschaftliche Situation sowie die Arbeitsmöglichkeiten im Raum S oder auch familiäre Gründe eine Rolle spielen. Erkenntnisse darüber könnten durch Auskünfte der Stadt S und des Amtes für Landwirtschaft und Landentwicklung über die Entwicklung der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe gewonnen werden. Außerdem wären der Kläger und sachkundige Zeugen zu befragen. Auch hätten die Akten der landwirtschaftlichen Alterskasse ausgewertet werden müssen, um zu ermitteln, ob der Kläger Beiträge geleistet oder ob er den Betrieb abgemeldet hat. Da die Bescheinigungen der Landwirte P B vom 20. April 1975 und F M vom 9. Juni 1975 über die Dauer der Pacht ungenau sind, hätten außerdem diese Personen als Zeugen vernommen und hätte der Kläger über die genaue Zeit der Verpachtung, den Viehbestand und Maschinenbestand im Herbst 1970 bis zur mündlichen Verhandlung und die berufliche Tätigkeit seines Sohnes befragt werden müssen.
Schließlich hätte das LSG widerspruchsfrei und vollständig darlegen müssen, welche Gründe für seine Überzeugung maßgebend gewesen sind (§ 128 Abs 1 Satz 2 SGG).
Das angefochtene Urteil ist wegen der aufgezeigten wesentlichen Verfahrensmängel, die die Revision zutreffend gerügt hat und auf denen das Berufungsurteil beruht (§§ 162, 163, § 164 Abs 2 Satz 3 SGG), aufzuheben. Das LSG hat die unterlassene Sachaufklärung und Beweiswürdigung nachzuholen.
In sachlich-rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht folgendes zu beachten:
Entgegen der Auffassung der Revision hat das LSG mit der Prüfung, ob der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb wegen des Schädigungsleidens nur unter Aufbietung von besonderer Willenskraft und mit der Gefahr der Verschlimmerung der Schädigungsfolgen führen konnte, nicht gegen die Rechtskraftwirkung verstoßen. Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten nach § 141 Abs 1 SGG, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Streitig waren im Verfahren der ersten Instanz mehrere Ansprüche (im prozeßrechtlichen Sinn): die Gewährung einer höheren Rente aufgrund einer Verschlimmerung der Schädigungsfolgen und wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins sowie von Berufsschadensausgleich wegen eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes. Nachdem der Anspruch auf eine höhere Beschädigtenrente (§§ 62, 30 Abs 1 und 2, § 31 Abs 1 und 2 BVG) infolge der Klagerücknahme rechtsverbindlich abgelehnt worden war (§§ 77, 102 SGG), war das LSG bei der Entscheidung über den Berufsschadensausgleich nicht an die Regelung gebunden, daß der Kläger keine höhere Rente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins beanspruchen kann. Diese Leistungen sind verschiedenartig und selbständig; ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich setzt keine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs 2 BVG voraus (BSGE 33, 60, 61 = SozR Nr 47 zu § 30 BVG mwN). Für die Kausalität zwischen Schädigungsleiden und Berufsaufgabe kann es allerdings entscheidend bedeutsam sein, ob der Beschädigte seinem Beruf nur unter Aufwendung von außerordentlicher Tatkraft nachgehen konnte. Falls dies zu bejahen ist, besteht ein starkes Anzeichen dafür, daß die Schädigungsfolgen neben schädigungsunabhängigen Umständen zumindest eine annähernd gleichwertige Ursache gewesen sind, den Beruf nicht mehr auszuüben. Insoweit war die von der Revision beanstandete Prüfung des LSG durchaus geboten. Die gleiche tatsächliche Voraussetzung kann wohl ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinn des § 30 Abs 2 BVG begründen (BSG SozR 3100 § 30 Nr 22, S. 96), jedoch eben in Bezug auf eine andere Versorgungsleistung und damit mit einer anderen Rechtsfolge.
Das LSG ist weiterhin zutreffend davon ausgegangen, daß der Einkommensverlust nicht durch eine individuelle Prüfung über die konkrete Höhe des Einkommens aus der Landwirtschaft zu ermitteln ist. Falls der landwirtschaftliche Betrieb die Existenzgrundlage gebildet hat und schädigungsbedingt aufgegeben worden ist, muß nach ausdrücklichen Vorschriften die Besoldungsgruppe A 7 BBesG als Vergleichseinkommen des Klägers herangezogen werden. Der Einkommensverlust ist pauschalierend nach dem durchschnittlichen Berufserfolg festzustellen (BSGE 45, 227, 234 = SozR 3100 § 30 Nr 33 mwN; SozR 3100 § 30 Nr 42, S. 186 mwN). Im Unterschied zu § 30 Abs 2 BVG wird in Abs 3 und 4 der individuelle Maßstab wesentlich durch einen durchschnittlichen ergänzt. Nicht nur die Höhe des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich, sondern bereits ein durch die Schädigungsfolgen eingetretener wirtschaftlicher Schaden als Voraussetzung des Anspruchs ist gemäß § 30 Abs 4 BVG pauschal zu ermitteln (BSG aaO). Der Gesetzgeber hat sich aus Gründen einer vereinfachten Bearbeitungsweise für diese Regelung entschieden, die eine gleichmäßige Rechtsanwendung gewährleistet und ein Eindringen in die persönlichen Verhältnisse vermeidet (BSG aaO). Die Pauschalierung nimmt es in Kauf, daß im Einzelfall von einem größeren Einkommensverlust als dem tatsächlich eingetretenen ausgegangen wird (BSGE 47, 220, 223 = SozR 3100 § 30 Nr 40).
Der erkennende Senat ist nicht etwa in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 1972 - 9 RV 748/71 - (VdK-Mitt. 1972, 546) von dieser ständigen Rechtsprechung abgewichen. In dem Urteil wird ua ausgeführt, der Kläger habe nicht im einzelnen dargelegt, inwiefern die Schädigungsfolgen ihn an einer ertragreicheren Organisation seines landwirtschaftlichen Betriebes unter den gegebenen besonderen Verhältnissen gehindert haben sollen. Deshalb habe sich das LSG auf den allgemeinen Erfahrungssatz stützen dürfen, in Kleinbetrieben wie dem des - damaligen - Klägers von 8.8419 ha sei wegen der allgemein ungünstigen Lage in der Landwirtschaft regelmäßig ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht festzustellen. Hiermit wird nicht in Frage gestellt, daß ein Einkommensverlust pauschalierend nach § 30 Abs 4 BVG zu ermitteln ist. Der Senat hat lediglich auf die erhebliche Schwierigkeit hingewiesen, eine schädigungsbedingte Einkommenseinbuße im Vergleich zu dem Durchschnittseinkommen eines Landwirts nachzuweisen, wenn ein Kleinbetrieb nicht aufgegeben, sondern weitergeführt wird. Auch das Urteil des 10. Senats vom 1. Dezember 1978 - 10 RV 79/77 (BSGE 47, 220, 222 f) steht zu dieser Rechtsprechung nicht im Widerspruch. Es heißt in dem Urteil ua, nach der Judikatur des Senats sei § 30 Abs 4 BVG für die Höhe des Berufsschadensausgleichs, nicht aber für seine Voraussetzungen von Bedeutung. Mit diesem begründenden Satz, der in einem speziellen Zusammenhang steht, wollte der 10. Senat nicht erkennbar von der bisherigen Rechtsprechung allgemeingültig abweichen. Er hätte sich sonst mit der entgegenstehenden Auffassung des BSG auseinandergesetzt und hätte bei einer Abweichung den Großen Senat gemäß § 42 SGG angerufen. Dies wäre insbesondere deshalb zu erwarten gewesen, weil er noch in seiner eigenen Entscheidung vom 15. Dezember 1977 - 10 RV 51/76 - davon ausgegangen ist, daß § 30 Abs 4 BVG nicht erst für die Höhe des Berufsschadensausgleichs, sondern bereits für den Einkommensverlust als Voraussetzung des Anspruchs zu beachten ist (BSGE 45, 227, 234). Im Urteil vom 1. Dezember 1978 wollte er ersichtlich nur zum Ausdruck bringen, daß in Übereinstimmung mit dem 9. Senat im Falle eines vorzeitig schädigungsunabhängigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben abweichend von § 30 Abs 4 BVG nicht das volle, sondern nur das um 25 % gekürzte Durchschnittseinkommen nach § 30 Abs 4 BVG als Vergleichseinkommen berücksichtigt werden kann. Dies ergibt sich aus seiner Bezugnahme auf die entsprechenden Urteile des 9. und 10. Senats (BSGE 38, 160, 163 = SozR 3100 § 30 Nr 3; SozR 3100 § 30 Nr 4; BSGE 45, 227 = SozR 3100 § 30 Nr 33). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist § 30 Abs 4 BVG insoweit für die Voraussetzungen des Berufsschadensausgleichs nicht von Bedeutung.
Der Beklagte rügt schließlich zu Recht, daß das LSG § 2 Abs 2 Buchst c DV zu § 30 Abs 3 und 4 BVG nicht beachtet hat. Danach ist - wie schon zuvor in anderem Zusammenhang ausgeführt - nur ein dem Einsatz an Arbeitskraft entsprechender Teilbetrag des Durchschnittseinkommens in dem in Betracht kommenden Beruf maßgebend, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung eine Tätigkeit, die bloß einen Teil der Arbeitskraft erfordert, ausgeübt hätte. Bei einem kleinen Betrieb wie dem des Klägers wird die Bewirtschaftung in der Regel keine volle Arbeitskraft erfordern (BSGE 46, 1, 6). Nach dem Agrarbericht 1973 war in den Jahren 1970/71 bei Betriebsgrößen von 2 bis 5 ha nur etwa jede sechste der männlichen Familienarbeitskräfte in ihrem Betrieb voll beschäftigt (BT-Drucks 7/147, S. 211). Es ist deshalb zu klären, in welchem Umfang eine Arbeitskraft zur Bewirtschaftung des Betriebes des Klägers notwendig war. Die ungünstige Lage der Grundstücke kann einen höheren Arbeitsaufwand bedingt haben, als er sonst in solch kleinen Betrieben erforderlich wird. Dabei ist zu beachten, daß die männlichen Selbständigen in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft im Jahre 1970 durchschnittlich 62,6 Stunden pro Woche gearbeitet haben (BT-Drucks 7/147, S. 219).
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen