Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung. Verfahren nach Zurückverweisung
Orientierungssatz
1. Stellt das LSG in Abweichung von im Ergebnis weitgehend übereinstimmenden Behinderungen medizinischer Sachverständiger fest, daß eine merkliche Verbesserung des Zustandsbildes beim Kläger nicht eingetreten sei, so hält sich diese richterliche Würdigung nicht im Rahmen der Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung.
2. Die Zurückverweisung an das Gericht der unteren Instanz bedeutet nicht die Eröffnung einer neuen Instanz, sondern setzt das frühere Verfahren unter Wiedereröffnung der unteren Instanz fort; die Verhandlungen in den beiden Verfahrensabschnitten - vor und nach der Zurückverweisung - bilden eine Einheit.
Normenkette
SGG § 128 Abs. 1, § 170 Abs. 5
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 07.03.1957) |
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 7. März 1957 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe
I
Der Kläger erlitt am 12. Dezember 1951 an Bord des Motorschiffes "C" einen Arbeitsunfall. Dabei zog er sich - wie in dem Bescheid der Beklagten vom 29. August 1952 angegeben ist - einen Bruch des 2. Lendenwirbels, eine Kopfwunde und eine Gehirnerschütterung zu. Die Beklagte gewährte ihm deswegen auf Grund eines Gutachtens des Facharztes für Chirurgie Doz. Dr. K vom 30. Juli 1952 zunächst die Vollrente und vom 2. August 1952 an eine vorläufige Teilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 40 v.H. Durch Bescheid vom 27. April 1953 setzte die Beklagte die Rente mit Wirkung vom 1. Juni 1953 an auf eine vorläufige Teilrente von 30 v.H. der Vollrente herab, nachdem Dr. K auf Grund einer Nachuntersuchung am 25. Februar 1953 - unter näherer Begründung - eine Besserung im Befund festgestellt hatte.
Den Herabsetzungsbescheid hat der Kläger bei dem Oberversicherungsamt (OVA.) Schleswig angefochten; von dort ist die Sache auf das Sozialgericht (SG.) Schleswig übergegangen. In diesem Verfahren hat sich zunächst Prof. Dr. M als Sachverständiger geäußert: Gegenüber dem Befund vom 30. Juli 1952 sei eine wesentliche Besserung eingetreten; sie sei in der Rückbildung der Kopfschmerzen zu sehen. Vom 1. Juni 1953 an betrage die MdE. 20 v.H. Außerdem ist der Sachverständige Dr. N in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1954 gehört worden. Er hat u.a. bekundet, in der Zeit zwischen der ersten Begutachtung durch Dr. K und der Begutachtung durch Prof. Dr. M sei eine "weitere wesentliche Besserung" der Folgebeschwerden des Unfalls eingetreten; die MdE. überschreite nicht 20 v.H. Das SG. ist in der Beurteilung der MdE. keinem der Sachverständigen gefolgt. Es hat durch Urteil vom 23. September 1954 den Herabsetzungsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. Juni 1953 an weiterhin eine Unfallrente nach einer MdE. von 40 v.H. als Dauerrente zu gewähren.
Gegen das ihr am 14. Oktober 1954 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. November 1954 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG. habe die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten, indem es in der medizinischen Beurteilung der Unfallfolgen und des Grades der MdE., ohne eigene Sachkunde zu besitzen, von der übereinstimmenden Auffassung aller im Verfahren gehörten Sachverständigen erheblich abgewichen sei.
Durch Bescheid vom 27. Oktober 1954 entzog die Beklagte die Rente mit Ablauf des Monats November 1954.
Das Landessozialgericht (LSG.) hat die Berufung durch Urteil vom 2. März 1955 als unzulässig verworfen, weil der Rechtsstreit nur den Grad der MdE. betreffe (§ 145 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und der gerügte Mangel in der Beweiswürdigung des SG. nicht vorliege. Auf die - nicht zugelassene - Revision der Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG.) am 24. Oktober 1956 das Urteil des LSG. aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, weil das LSG. den Entziehungsbescheid vom 27. Oktober 1954 nicht in sein Verfahren einbezogen hatte.
Auf Grund erneuter mündlicher Verhandlung hat das LSG., nachdem es den Facharzt für Chirurgie Dr. H als Sachverständigen vernommen hatte, am 7. März 1957 die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil wiederum als unzulässig verworfen; den Antrag des Klägers auf Aufhebung des Zweitbescheides hat es zurückgewiesen. Das LSG. hat die Revision zugelassen, weil "insbesondere das Problem der Umwandlung einer unzulässigen Berufung in eine zulässige Berufung durch nachträglichen Eintritt eines Zweitbescheides des Versicherungsträgers in das Berufungsverfahren noch zu klären" sei.
Das Urteil ist dem Kläger am 4. April, der Beklagten am 8. April 1957 zugestellt worden. Hiergegen haben beide Beteiligte Revision eingelegt, die Beklagte am 3. Mai 1957, der Kläger am 4. Mai 1957. Die Revisionsbegründung der Beklagten ist am 6. Juni eingegangen, die des Klägers am 4. Juli 1957; bis zu diesem Tage war die Begründungsfrist auf seinen Antrag verlängert worden.
Die Beklagte führt aus: Das LSG. hätte eine Sachentscheidung treffen müssen, weil die Berufung weder nach Nr. 3 noch nach Nr. 4 des § 145 SGG ausgeschlossen, jedenfalls aber wegen des gerügten Mangels in der Beweiswürdigung des SG. statthaft gewesen sei.
Sie beantragt,
das Urteil des LSG. Schleswig vom 7. März 1957 insoweit aufzuheben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. Schleswig vom 23. September 1954 als unzulässig verworfen hat, und die Klage auch insoweit abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG. Schleswig vom 7. März 1957 in diesem Umfange aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des LSG. vom 7. März 1957 hinsichtlich des Entziehungsbescheides vom 27. Oktober 1954 sowie diesen Bescheid aufzuheben,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Der Kläger rügt Verletzung des § 128 Abs. 2 und des § 103 SGG. Er trägt vor: Der Sachverständige Dr. H habe ihn nicht untersucht, vielmehr nur seinen Rücken befühlt, nachdem sich das Gericht bereits zur Beratung zurückgezogen gehabt habe. Er habe seine Äußerung im Beratungszimmer abgegeben. Hiervon habe er - der Kläger - keine Kenntnis erlangt und infolgedessen nicht dazu Stellung nehmen können. Der Sachverhalt hätte auch eingehender erforscht, vor allem ein neues ärztliches Gutachten eingeholt werden müssen; außerdem hätte das LSG. den Kläger selbst vernehmen müssen. Dabei hätte es erfahren, daß der Kläger sich im November 1954 einem Kuraufenthalt in der Heilstätte Bad Bramstedt unterzogen habe. Die dortigen Untersuchungsergebnisse hätten beigezogen werden müssen. Eine Befragung des Klägers hätte auch ergeben, daß noch jetzt erhebliche Folgen der Gehirnerschütterung beständen. Das LSG. hätte sich auch darüber unterrichten müssen, wie der Zustand des Klägers sich bei der Arbeit zeige. Dabei hätte sich ergeben, daß der Kläger an zeitweiser Taubheit des rechten Ohres und an Druckempfindlichkeit der Narbe an der rechten Kopfseite leide und daß vor allem die Denk- und Konzentrationsfähigkeit aussetze. Ferner hätte das LSG. klären müssen, weshalb die ärztliche Behandlung des Klägers am 2. August 1952 abgeschlossen worden sei. Es hätte sich ergeben, daß er damals nicht geheilt gewesen, sondern wieder zur See gefahren sei. Durch Anhörung des Arztes Dr. F hätte auch geklärt werden können, daß der Kläger noch von Februar bis April und von August bis Oktober 1953 mit seiner Arbeit ausgesetzt habe und wegen der Unfallfolgen in ärztlicher Behandlung gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Zur Klärung der vom Kläger beanstandeten Verfahrensweise des LSG. anläßlich der Vernehmung des Sachverständigen Dr. H hat das BSG. Beweis erhoben. Es hat Dr. H durch das SG. Schleswig als ersuchtes Gericht vernehmen lassen, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren, Kurt B schriftlich gehört und dienstliche Äußerungen der beiden beisitzenden Berufsrichter des LSG. herbeigeführt.
II
Beide Revisionen sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Revision der Beklagten ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs.1 Nr.1 SGG). Sie ist auch begründet, weil die Berufung gegen das Urteil des SG. Schleswig vom 23. September 1954 entgegen der Auffassung des LSG. zulässig war und deshalb eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen.
Es konnte dahingestellt bleiben, ob ein Berufungsausschlußgrund nach § 145 Nr. 3 oder 4 SGG vorlag. Ungeachtet dieser Vorschriften war die Berufung entgegen der Auffassung des LSG. nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft, weil die Beklagte einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG. mit Recht gerügt hatte. Das SG. hatte zu würdigen, ob in der Zeit vom 30. Juli 1952 an eine wesentliche Besserung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten ist. Zu dieser Frage hat Dr. K in seinem Gutachten vom 25. Februar 1953 u.a. ausgeführt, die Beweglichkeit der Wirbelsäule habe zugenommen, die Lendenwirbelsäule sei etwas weniger empfindlich und die Beschwerden hätten sich auch subjektiv gebessert. Prof. Dr. M hat im Gutachten vom 24. November 1953 bekundet, gegenüber dem Befund vom 30. Juli 1952 sei eine wesentliche Besserung durch Rückbildung der Kopfschmerzen eingetreten. Schließlich ist auch Dr. N zu dem Ergebnis gelangt, zwischen dem 30. Juli 1952 und dem 24. November 1953 sei eine weitere wesentliche Besserung eingetreten. In Abweichung von diesen im Ergebnis weitgehend übereinstimmenden Bekundungen hat das LSG. festgestellt, eine merkliche Veränderung des Zustandsbildes beim Kläger sei nicht eingetreten. Diese richterliche Würdigung hält sich nicht im Rahmen des Rechts, das Beweisergebnis frei zu würdigen (§ 128 Abs.1 SGG). Sie läßt sich auch nicht daraus rechtfertigen, daß das SG. neben den medizinischen Gutachten die Aussagen des Klägers selbst verwertet hat; denn diese Aussagen standen auch dem Terminssachverständigen Dr. N als Erkenntnisquelle zur Verfügung. Ferner hat das SG. ausgeführt, Dr. K erblicke die Besserung nur in einem Nachlassen der Kopfschmerzen und "einer für das Gericht nicht erkennbaren Beweglichkeitszunahme der Wirbelsäule". Hiermit hat das Gericht - für seine Entscheidung möglicherweise bedeutsame - Zweifel an der Richtigkeit der Bekundung des Dr. K zum Ausdruck gebracht, die entweder hätten begründet werden oder Veranlassung geben müssen, den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht näher zu erforschen. Das SG. hat abschließend als seine Meinung hingestellt, "die Folgen des schweren Unfalls könnten unmöglich nach gut einem Jahr schon in dem angenommenen Maße zurückgegangen sein". Hiermit hat sich das SG. ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch die Sachverständigen hinweggesetzt (vgl. BSG. SozR. SGG § 128 Bl. Da 1 Nr. 2).
Die hiernach fehlerhafte Überzeugungsbildung des SG. ist von der Beklagten in ihrer Berufungsschrift vom 27. Oktober 1954 ordnungsmäßig gerügt worden. Diese Rüge mußte, auch nachdem die Sache durch Urteil des BSG. vom 24. Oktober 1956 an das LSG. zurückverwiesen und ohne daß die Rüge nach der Zurückverweisung erneut erhoben worden war, vom LSG. beachtet werden. Die Zurückverweisung an das Gericht der unteren Instanz bedeutet nicht die Eröffnung einer neuen Instanz, sondern setzt das frühere Verfahren unter Wiedereröffnung der unteren Instanz fort; die Verhandlungen in den beiden Verfahrensabschnitten - vor und nach der Zurückverweisung - bilden eine Einheit (vgl. RGZ. 149 S. 157 (160) und 158 S. 196; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. S. 716 unter b; Wieczorek, § 565 ZPO, Anm. C II).
Da somit hinsichtlich des Herabsetzungsbescheides vom 27. April 1953 zu Unrecht keine Sachentscheidung im Berufungsverfahren ergangen ist, mußte das Urteil des LSG. insoweit aufgehoben werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann das BSG. in der Sache selbst nicht entscheiden, weil es an der Feststellung von Tatsachen durch das hierzu allein befugte LSG. fehlt. Es bedurfte der Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Auch die Revision des Klägers ist, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG. nicht mehr bezweifelt hat, nach § 162 Abs.1 Nr. 1 SGG statthaft. Von dem Zulassungsausspruch wird auch der Teil des Berufungsurteils erfaßt, der sich auf den Entziehungsbescheid vom 27. Oktober 1954 bezieht; denn das LSG. hat, obwohl es die Revision in erster Linie zur Klärung einer den Herabsetzungsbescheid betreffenden prozessualen Rechtsfrage zugelassen hat, die Zulassung nicht eindeutig auf den Streit um diesen Bescheid beschränkt. Hiernach bedurfte es nicht der Prüfung, ob eine solche Beschränkung zulässig gewesen wäre (vgl. BSG. 3 S. 135 (138)).
An die unbeschränkte Zulassung der Revision ist das BSG. gebunden, es sei denn, daß die Zulassung offenbar gesetzwidrig oder offensichtlich ungerechtfertigt wäre (vgl. BSG. 6 S. 70, 1 S. 104, 10 S. 230, 233 und 240). Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor; es läßt sich nicht ausschließen, daß die Beurteilung irgendeiner Rechtsfrage, z.B. der Frage, ob sich ein vom LSG. angeführter Unfall des Klägers vom Januar 1954 auf den Bestand des Entziehungsbescheides auswirkt, Veranlassung gegeben haben könnte, die Revision auch hinsichtlich dieses Bescheides zuzulassen.
Die somit zulässige Revision des Klägers ist auch begründet.
Das LSG. hat die vom Kläger erstrebte Aufhebung des Entziehungsbescheides abgelehnt, indem es festgestellt hat, die Unfallfolgen hätten in der Zeit nach dem 30. November 1954 die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht mehr in einem zur Gewährung einer Rente berechtigenden Grade gemindert. Zur Beseitigung der Bindungswirkung dieser auf dem Gebiet des Tatsächlichen liegenden Feststellung hat der Kläger eine Reihe von Revisionsgründen vorgebracht, welche die Verletzung der §§ 103 und 128 Abs. 2 SGG zum Gegenstand haben. Diese Rügen sind jedenfalls insoweit ungerechtfertigt, als sie sich nicht auf die Anhörung des Dr. H und die Verwertung des von ihm erstatteten Gutachtens beziehen. Das LSG. konnte, ohne seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts zu verletzen, von der Vernehmung des Klägers schon deshalb absehen, weil dieser anläßlich der Untersuchung durch mehrere Ärzte hinreichend Gelegenheit hatte, seine Beschwerden vorzubringen. Infolgedessen ist das Revisionsvorbringen unbeachtlich, daß der Kläger, wenn er vernommen worden wäre, über Nachwirkungen der Gehirnerschütterung und über seinen Kuraufenthalt in der Heilstätte Bad Bramstedt berichtet und möglicherweise das Gericht in den Stand gesetzt hätte, von dort die Untersuchungsergebnisse beizuziehen. Ein Verstoß gegen § 103 SGG ist auch nicht darin zu sehen, daß das LSG. es unterlassen hat, bei dem Arbeitgeber des Klägers Erkundigungen über seine Arbeitsfähigkeit einzuziehen; in dieser Hinsicht konnte es sich auf die Beurteilung der hierzu berufenen ärztlichen Sachverständigen verlassen. Schließlich ist nicht ersichtlich, weshalb das LSG. weitere Nachforschungen darüber hätte anstellen sollen, warum die ärztliche Behandlung des Klägers am 2. August 1952 zunächst abgeschlossen wurde. Das LSG. hat als Grund für den Abschluß der Behandlung angeführt, daß "der Kläger wieder zur See fahren wollte"; diese Feststellung stimmt mit dem Vorbringen der Revision überein. Es ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß das LSG. der Meinung gewesen wäre, der Kläger sei in dem angeführten Zeitpunkt bereits geheilt gewesen. Die weitere Rüge, das LSG. hätte durch Anhörung des Arztes Dr. F klären können, daß der Kläger im Jahre 1953 wegen der Unfallfolgen mit der Arbeit ausgesetzt habe und in ärztlicher Behandlung gewesen sei, ist nicht schlüssig. Die Revision hat weder behauptet, daß das LSG. diese Umstände gekannt habe, noch hat sie dargetan, inwiefern sich aus der Behandlungsbedürftigkeit Schlüsse auf das Ausmaß der Unfallfolgen für die Zeit nach dem 30. November 1954 hätten ziehen lassen.
Hinsichtlich der Verfahrensweise des LSG. bei der Vernehmung des Sachverständigen Dr. H hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme die Behauptung der Revision nicht bestätigt, daß der Sachverständige jedenfalls einen Teil seines Gutachtens vor den im Beratungszimmer versammelten Richtern in Abwesenheit des Klägers und seines Prozeßbevollmächtigten erstattet habe. Dagegen läßt sich nach der Zeugenaussage des Dr. H vom 23. März 1960 die Möglichkeit nicht ausschließen, daß dieser sein Gutachten vom 7. März 1957 zunächst mündlich im Verhandlungsraum in Gegenwart der Beteiligten erstattet, es aber erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Richter entweder selbst schriftlich niedergelegt oder der Schriftführerin diktiert hat, ohne daß der Kläger Gelegenheit gehabt hätte, zu dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens Stellung zu nehmen. Ob eine solche dem § 122 Abs.2 SGG zuwiderlaufende Verfahrensweise einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSG. darstellt und das angefochtene Urteil hinsichtlich des Entziehungsbescheides aus diesem Grunde oder wegen Verletzung des § 128 Abs. 2 SGG aufgehoben werden müßte, bedurfte jedoch im vorliegenden Falle nicht der Entscheidung, weil das Urteil des LSG. in dem hier in Betracht kommenden Teil aus einem anderen Grunde keinen Bestand haben kann.
Das LSG. hat zur Begründung der Klagabweisung hinsichtlich des Entziehungsbescheides scheinbar festgestellt, vom 30. November 1954 an seien keine Unfallfolgen mehr vorhanden. Bei näherer Durchsicht der Entscheidungsgründe ergibt sich jedoch, daß es offengeblieben ist, ob die MdE. nicht meßbar ist oder 10 v.H. beträgt. Dies läßt sich aus dem Hinweis auf die Angaben der Sachverständigen Dr. K vom 28. Juli 1954 ("MdE. chirurgischerseits 10 v.H."), Prof. Dr. D vom 23. August 1954 ("MdE. hinsichtlich des Nervensystems 0 v.H.") und des Dr. H vom 7. März 1957 ("MdE. höchstens 10 v.H.") herleiten. Hierbei ist zu beachten, daß das Gutachten des Dr. H für die Beurteilung der MdE. von besonderer Bedeutung sein mußte, weil es im Unterschied zu den übrigen Gutachten nach Erlaß des Entziehungsbescheides erstattet worden ist. Die Frage, ob die durch den Unfall vom 12. Dezember 1951 verursachte MdE. 10 v.H. beträgt oder nicht meßbar ist, hätte allerdings unentschieden bleiben können, wenn der Rentenanspruch des Klägers nur von den Folgen dieses Unfalls abhinge; denn bei einer MdE. von weniger als 20 v.H. wird in der Regel keine Rente gewährt. Nach den Feststellungen des LSG. hat der Kläger jedoch im Januar 1954 einen zweiten Unfall erlitten, der möglicherweise geeignet ist, den Rentenanspruch des Klägers aus dem Unfall vom 12. Dezember 1951, sofern die durch diesen verursachte MdE. 10 v.H. beträgt, zu stützen (§ 559 a Abs.3 RVO). Der Unfall vom Januar 1954 darf nicht schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil er sich später ereignet hat als der den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildende Unfall (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5.4.1960 - 2 RU 129/58 -). Da es insoweit an ausreichenden Feststellungen des LSG. fehlt, mußte das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers auch im zweiten Teil der Urteilsformel mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache somit in vollem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 SGG).
Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird im abschließenden Urteil zu entscheiden sein.
Fundstellen