Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine neue Versicherungsnummer (VNr) unter Zugrundelegung eines anderen Geburtsjahres zu vergeben.
Der Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, hält sich seit 1973 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Ihm wurde von der Beklagten mit der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine VNr erteilt, die das Geburtsjahr 1949 enthält. Im Hinblick auf eine Entscheidung des türkischen Zivilgerichts Solhan vom 1. August 1990, mit dem die zuständige türkische Personenstandsbehörde verpflichtet wurde, das amtlich festgestellte Geburtsjahr des Klägers von 1949 in 1946 zu ändern, beantragte er im Mai 1993 die Erteilung einer entsprechenden neuen VNr. Die Beklagte lehnte dies ab (Bescheid vom 27. August 1993).
Im Januar 1994 beantragte der Kläger erneut – unter Vorlage eines Auszugs aus dem türkischen Familienbuch vom 8. Oktober 1993, der als Geburtsjahr das Jahr 1946 auswies – die Neuvergabe einer dementsprechenden VNr. Die Beklagte lehnte dies ebenfalls ab (Bescheid vom 9. Februar 1994). Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1994, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 19. Oktober 1995).
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 13. Februar 1996 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, dem Kläger eine neue VNr unter Berücksichtigung eines geänderten Geburtsjahres zu erteilen. Das von der Beklagten in der VNr verwendete Geburtsdatum sei nicht unrichtig iS des § 1 Abs 5 der Versicherungsnummernverordnung (VNrV). In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) sei davon auszugehen, daß die Änderung des Geburtsdatums eines Ausländers in den Personenstandsunterlagen seines Heimatlandes keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen VNr begründe, da die Rechtslage nach türkischem Personenstandsrecht, auch wenn sie auf einem türkischen Urteil beruhe, die deutschen Versicherungsträger nicht binde (Bezug auf die Urteile des BSG vom 13. und 14. Oktober 1992 – 5 RJ 16/92 – und – 5 RJ 24/92 –, vom 9. September 1993 – 5 RJ 52/92 – und vom 14. September 1994 – 5 RJ 62/63). Das für die VNr maßgebliche Geburtsdatum werde von dem Versicherungsträger bei der ersten Vergabe der VNr dann auf Dauer festgelegt, wenn dieses den im damaligen Zeitpunkt von dem Versicherten gemachten Angaben entspreche und mit den von ihm damals vorgelegten ausländischen Urkunden übereinstimme. Aus allen vom Kläger vorgelegten Unterlagen ergebe sich, daß er ursprünglich in der Türkei unter dem Geburtsjahr 1949 im Personenregister eingetragen gewesen und auch unter diesem Geburtsdatum bei seiner Einreise in die Bundesrepublik und dem Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses im Jahre 1973 erfaßt worden sei. Das von der Beklagten bei der Vergabe der VNr zugrunde gelegte Geburtsdatum stimme somit mit seinen damaligen Angaben überein.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV. Das Verfahren wurde zunächst im Hinblick auf die beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen – verbundenen – Vorlageverfahren „Kocak” und „Örs” (C-102/98 und C-211/98) zum Ruhen gebracht. Nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH vom 14. März 2000 (SozR 3-6940 Art 3 Nr 1) wurde es wieder aufgenommen. Der Kläger macht nunmehr geltend: Auch nach der Entscheidung des EuGH sei sein Anspruch auf Neuvergabe der VNr wegen eines geänderten Geburtsjahres begründet. Die Richtigkeit des Geburtsdatums in der VNr sei bei ausländischen Versicherten, für die keine deutschen Personenstandsnachweise beständen, nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu überprüfen. Zwar sehe § 33a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), der durch Gesetz vom 16. Dezember 1997 eingefügt worden sei, inzwischen vor, daß grundsätzlich das Geburtsdatum gelte, das bei erstmaligem Eintritt in die deutsche Sozialversicherung vom Berechtigten selbst oder seinen Angehörigen gegenüber dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Sozialversicherungsträger angegeben worden sei. Diese Vorschrift sei jedoch nicht anzuwenden, da sie Verfassungsrecht verletze.
Die Gesetzesänderung verstoße zunächst gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG), weil Versicherte, die die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen in gleicher Weise erfüllten und die gleich alt seien, zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt Anspruch auf Rente hätten, je nachdem ob das amtlich festgestellte Geburtsdatum nach Eintritt in das Versicherungsverhältnis einer Berichtigung bedürfe oder bereits richtig gewesen sei. Bereits die Gesetzesbegründung spreche für eine offene Diskriminierung ausländischer Versicherter in der deutschen Rentenversicherung und damit für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 3 GG. § 33a SGB I sei auf eine unterschiedliche Behandlung deutscher und ausländischer Versicherter ausgerichtet. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, daß ein Versicherter trotz der Möglichkeit des Nachweises seines richtigen Geburtsdatums seinen rechtmäßig erworbenen Rentenanspruch nicht realisieren könne.
Darüber hinaus lasse § 33a SGB I entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Ausfluß von Art 20 GG eine Vertrauensschutzregelung vermissen. Wie bereits der erkennende Senat in seinem Vorlagebeschluß an den EuGH vom 17. Februar 1998 (B 13 RJ 31/96 R) zu bedenken gegeben habe, hätten sich auch in der Türkei geborene Versicherte darauf verlassen können, daß der Nachweis einer Unrichtigkeit des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums weiterhin zulässig bleibe. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, daß eine entsprechende Änderungsvorschrift ohne Übergangsregelung rückwirkend für die deutsche Rentenversicherung eingeführt werde.
Ferner sei Art 14 GG verletzt. Denn mit der Gesetzesänderung werde in seine auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhende Rentenanwartschaft eingegriffen. Dieser Eingriff sei unverhältnismäßig und nicht erforderlich, da nicht ersichtlich sei, weshalb ein angemessener Schutz der Versichertengemeinschaft nicht dadurch hätte bewirkt werden können, daß eine rentenwirksame Änderung des Geburtsdatums nur dann Bedeutung erlange, wenn das neuere (regelmäßig jüngere) Geburtsdatum als erwiesen iS des Vollbeweises gelte, wie er nach dem deutschen Personenstandsgesetz auch gefordert werde. Darauf habe der erkennende Senat bereits in seinem Vorlagebeschluß an den EuGH vom 17. Februar 1998 – 13 RJ 31/96 R – hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1996 sowie den Gerichtsbescheid des SG Düsseldorf vom 19. Oktober 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Februar 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1994 zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheides vom 27. August 1993 an ihn eine neue VNr unter Zugrundelegung des Geburtsjahres 1946 zu vergeben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hat sich im Revisionsverfahren in der Sache nicht geäußert.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das Revisionsverfahren betrifft die Frage der Neuvergabe einer VNr an den Kläger unter Zugrundelegung des Geburtsjahres 1946. Richtige Klageart für das Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), da jedenfalls die Neuvergabe einer VNr einen Verwaltungsakt darstellt (vgl Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 13/96 R –, Umdr S 8). Die Klagebefugnis des Klägers ergibt sich bereits daraus, daß durch ein unrichtiges Geburtsdatum in der VNr sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt sein kann (vgl § 84 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫). Die vom 5. Senat früher vertretene Rechtsauffassung, der VNr komme lediglich Ordnungsfunktion zu (BSGE 71, 170, 174 = SozR 3-5748 § 1 Nr 1), ist vom selben Senat mit Beschluß vom 19. November 1997 – 5 S (J) 8/97 – aufgegeben worden.
Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, ob es sich bei der erstmaligen Vergabe einer VNr gemäß § 1 VNrV bzw bei der Unterrichtung des Versicherten über die Vergabe einer VNr nach § 147 Abs 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) um einen Verwaltungsakt handelt, dessen Bestandskraft nur im Wege der §§ 44 ff SGB X beseitigt werden kann. Ebenso kann offenbleiben, ob für den Fall, daß der Kläger mit seinem Begehren auf Neuvergabe einer VNr Erfolg hätte, der – frühere eine Neuvergabe ablehnende – Bescheid vom 27. August 1993 zurückzunehmen und ob diese Rücknahme ggf nach § 44 Abs 2 SGB X oder – wegen des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des § 33a SGB I – nach § 48 Abs 1 SGB X vorzunehmen wäre. Im vorliegenden Fall ist der bestandskräftig gewordenen Bescheid der Beklagten vom 27. August 1993 jedenfalls nicht rechtswidrig. Der Kläger hat nach materiellem Recht keinen Anspruch auf Neuvergabe einer VNr.
Der Anspruch auf Vergabe bzw Neuvergabe (Berichtigung) einer VNr richtet sich nach § 147 und § 152 Nr 3 SGB VI iVm der VNrV. Nach § 147 Abs 1 SGB VI kann der Träger der Rentenversicherung für Personen eine VNr vergeben, wenn dies zur personenbezogenen Zuordnung der Daten für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach diesem Gesetzbuch erforderlich oder dies durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmt ist. Für die nach diesem Buche versicherten Personen hat er eine VNr zu vergeben. Nach § 147 Abs 2 SGB VI setzt sich die VNr einer Person aus der Bereichsnummer des die VNr vergebenden Trägers der Rentenversicherung, dem Geburtsdatum, dem Anfangsbuchstaben des Geburtsnamens, der Seriennummer, die auch eine Aussage über das Geschlecht einer Person enthalten darf, und der Prüfziffer zusammen.
§ 152 Nr 3 SGB VI ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zusammensetzung der VNr sowie über ihre Änderung zu bestimmen. Auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruht die VNrV, welche in § 1 die Vergabe und in § 2 die Zusammensetzung der VNr näher regelt. Nach § 2 Abs 3 Satz 1 VNrV enthalten die Stellen drei bis acht der VNr das Geburtsdatum (vgl auch § 147 Abs 2 Nr 2 SGB VI, § 2 Abs 1 Nr 2 VNrV). Für die zwischen den Beteiligten streitige Vergabe einer neuen VNr wegen Unrichtigkeit des in der bisherigen VNr eingetragenen Geburtsdatums ist § 1 Abs 5 VNrV einschlägig. Danach wird eine VNr nur einmal vergeben und nicht berichtigt (Satz 1). Ist das Geburtsdatum oder die Seriennummer in der VNr unrichtig, erhält der Versicherte eine neue VNr; die insoweit unrichtige VNr ist nicht mehr zu verwenden und als nicht verwendbar zu kennzeichnen (Satz 2).
Ob eine VNr iS des § 1 Abs 5 Satz 2 VNrV unrichtig ist, bestimmt sich nunmehr nach § 33a SGB I, der mit Art 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2970, 2981) eingefügt wurde. Diese am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Vorschrift (vgl Art 32 Abs 1 1. SGB III-ÄndG) konnte vom LSG bei seiner Entscheidung vom 13. Februar 1996 noch nicht zugrunde gelegt werden; sie ist aber im Revisionsverfahren zu beachten. Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist das zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung geltende Recht maßgebend (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 54 RdNr 33, 34 mwN; zur Beachtung des § 33a SGB I in der Revisionsinstanz vgl auch BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 1, 2; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – B 8 KN 3/00 R –, Umdr S 5). Voraussetzung ist allerdings, daß das neue Gesetz nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt (BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr 4; BSGE 68, 47, 48 = SozR 3-2500 § 159 Nr 1; BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4). Das ist hier der Fall. Die Verpflichtung der Beklagten, eine neue VNr zu erteilen, ist notwendig in die Zukunft gerichtet. Für die Vergangenheit kann eine VNr nicht vergeben werden (vgl Senatsbeschluß vom 1. Februar 1995 – 13 RJ 47/93 –, Umdr S 9). Der Kläger könnte aus der Zuordnung einer VNr ausschließlich mit Wirkung für die Vergangenheit keine Rechte herleiten. Ob die §§ 300 ff SGB VI in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Vorschriften des SGB VI auf geänderte Bestimmungen außerhalb dieses Gesetzbuches Bezug nehmen, (entsprechend) anzuwenden sind, kann dahingestellt bleiben; denn der insoweit ggf einschlägige § 300 Abs 1 SGB VI enthält keine abweichende Regelung (vgl BSGE 70, 138, 139 = SozR 3-6180 Art 13 Nr 2; BSGE 71, 227, 228 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 4).
Nach § 33a Abs 1 SGB I ist, soweit Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, daß eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder, soweit es sich um eine Angabe im Rahmen des Dritten oder Sechsten Abschnitts des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, gegenüber dem Arbeitgeber ergibt. Von einem nach Abs 1 maßgebenden Geburtsdatum darf gemäß Abs 2 nur abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, daß (1.) ein Schreibfehler vorliegt oder (2.) sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Abs 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Die Abs 1 und 2 gelten gemäß Abs 3 auch für Geburtsdaten, die Bestandteil der VNr oder eines anderen in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches verwendeten Kennzeichens sind, entsprechend.
Die Voraussetzungen des § 33a Abs 1 und 3 SGB I sind hier gegeben mit der Folge, daß insoweit als Geburtsjahr das Jahr 1949 maßgebend ist; denn dieses von der Beklagten bei der ersten Vergabe einer VNr zugrunde gelegte Jahr entspricht nach den Feststellungen des LSG den Angaben des Klägers bei der ersten Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahre 1973. Dafür, daß der Kläger gegenüber einem anderen deutschen Sozialleistungsträger zuvor ein anderes Geburtsjahr/Geburtsdatum angegeben haben könnte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Einer der beiden Ausnahmetatbestände des § 33a Abs 2 SGB I greift nicht ein.
Daß es im Zusammenhang mit der ersten Angabe des Geburtsdatums gegenüber einem deutschen Sozialleistungsträger zu einem Schreibfehler gekommen sein könnte (§ 33a Abs 2 Nr 1 SGB I), ist weder aus dem Akteninhalt ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Der Kläger selbst hat seit seiner Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland im Jahre 1973 mehr als zwei Jahrzehnte lang das Geburtsjahr 1949 geführt, ohne der Beklagten gegenüber das Vorliegen eines Schreibfehlers zu behaupten. Ebensowenig ist erkennbar, daß die türkische Gerichtsentscheidung vom 1. August 1990 der Korrektur eines das Geburtsjahr betreffenden Schreibfehlers in den Personenstandsunterlagen des Klägers gedient haben könnte.
Aber auch der Ausnahmefall des § 33a Abs 2 Nr 2 SGB I ist vorliegend nicht gegeben. Zwar hat der Kläger ein Urteil des türkischen Zivilgerichts Solhan vom 1. August 1990 überreicht, mit dem die zuständige türkische Personenstandsbehörde verpflichtet wurde, sein Geburtsjahr von 1949 in 1946 zu ändern. Doch ist das Original dieser Urkunde, aus der sich möglicherweise ein früheres Geburtsjahr ergibt, nicht vor, sondern ist erst nach dem Zeitpunkt der ersten Angabe des Klägers gegenüber einem deutschen Sozialversicherungsträger ausgestellt worden.
Die Anwendung des § 33a SGB I auf den Fall des Klägers steht nicht in Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen. Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 14. März 2000 („Kocak” und „Örs”, C-102/98 und C-211/98, SozR 3-6940 Art 3 Nr 1) ausgeführt hat, kann auf der Grundlage des in Art 3 Abs 1 des Beschlusses Nr 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und deren Familienangehörigen (vgl AmtsBl Nr C 110 vom 25. April 1983, S 60) verankerten Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit von einem Mitgliedstaat nicht verlangt werden, daß er bei der Regelung der Frage, welches Geburtsdatum für die Erteilung einer VNr und die Gewährung einer Altersrente maßgebend ist, der besonderen Situation Rechnung trägt, die sich aus dem Inhalt und der praktischen Anwendung der türkischen Personenstandsbestimmungen ergibt.
Eine Anwendung des § 33a SGB I ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese Vorschrift – wie der Kläger meint – verfassungswidrig wäre. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art 3 und 14 GG oder das in Art 20 GG verankerte Vertrauensschutzprinzip (vgl insoweit auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – B 8 KN 3/00 R – mwN).
Zunächst läßt sich insoweit kein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG feststellen. Nach dieser Verfassungsnorm wird ua das Eigentum gewährleistet. Auch Rentenanwartschaften und -ansprüche der Versicherten gehören zu ihrem Schutzbereich (vgl BVerfGE 53, 257, 289 f; 58, 81, 109; 69, 272, 298; 75, 78, 96 ff); geschützt wird jedoch allein die Rechtsposition, wie sie im Zeitpunkt der gesetzgeberischen Maßnahme bestanden hat (vgl zB BVerfGE 68, 193, 222; 70, 191, 201). Der Kläger hat zwar durch seine versicherungspflichtige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland seit 1973 eine durch Art 14 Abs 1 GG geschützte Rentenanwartschaft erworben. Ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG scheidet hier aber schon deshalb aus, weil die streitige Neuvergabe der VNr keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Leistungsfall hat. Die Altersvoraussetzungen sind vielmehr bei der Gewährung von Rentenleistungen eigenständig zu prüfen, jedenfalls soweit zuvor keine wirksame Vormerkung oder sonstige für den Leistungsfall verbindliche Feststellung des Geburtsdatums erfolgt ist, was bei der bloßen Vergabe einer VNr mit darin enthaltenem Geburtsdatum nicht anzunehmen ist (BSG, Urteil vom 12. April 1995 – 5 RJ 48/94 – HVBG-INFO 1995, 1750; Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R). Da im vorliegenden Fall weder ein Anspruch des Versicherten auf Rentenleistungen noch eine entsprechende leistungsbezogene Feststellung betroffen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Einfügung des § 33a SGB I in eine durch Art 14 GG geschützte streitbefangene Rechtsposition des Klägers eingegriffen hat.
Ferner verstößt die Neuregelung des § 33a SGB I nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Aus dem darin enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich für den Gesetzgeber je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb des so umschriebenen Bereichs läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang gleich oder verschieden zu behandeln. Die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot (vgl BVerfGE 97, 271, 290 f = SozR 3-2940 § 58 Nr 1), wobei auch allgemeine Verfassungsgrundsätze wie das Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) zu berücksichtigen sind (vgl zB BVerfGE 17, 210, 216 ff; 99, 367, 395).
Türkische Staatsangehörige erhalten durch § 33a SGB I keine andere Rechtsstellung als Deutsche und Staatsangehörige anderer Staaten. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, ob das Personenstandswesen in der Türkei nicht in dem gleichen Maße zuverlässig ist wie etwa das deutsche, so daß dort ggf Falscheintragungen des Geburtsdatums häufiger möglich sind. Auch wenn dies in der Türkei der Fall ist (vgl dazu den Senatsbeschluß vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R – und das Senatsurteil vom 5. April 2001 – B 13 RJ 35/00 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und der Kläger deshalb durch die Regelung des § 33a SGB I hinsichtlich der Richtigkeit des Geburtsdatums in seiner VNr gegenüber deutschen Versicherten benachteiligt ist, erscheint dies angesichts der Ziele und Wirkungen der Gesetzesänderung als gerechtfertigt (vgl BSG SozR 3-1200 § 33a Nr 2); denn der Gesetzgeber konnte sich bei der Einführung des § 33a SGB I auf gewichtige Gründe des öffentlichen Interesses berufen. Sinn und Zweck bzw Ziel der Neuregelung durch § 33a SGB I war es, die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Fällen zu vermeiden, in denen aufgrund einer Änderung von Geburtsdaten ein längerer Bezug von Sozialleistungen bzw ein früherer Bezug derselben (zB der Rente wegen Alters) beantragt wird, und zugleich für die Verwaltung eine vereinfachte Prüfung sicherzustellen (BT-Drucks 13/8994 S 67).
Ebensowenig kann sich der Kläger mit Erfolg auf Rechtsstaats- und Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art 20 Abs 3 GG; vgl BVerfGE 58, 81, 120 f; 76, 220, 244; vgl auch BVerfGE 97, 378 ff = SozR 3-2500 § 48 Nr 7) berufen. Die Neuregelung des § 33a SGB I knüpft zwar an Angaben des Klägers (Tatsachen) an, die in der Vergangenheit, dh vor Erlaß der gesetzlichen Neuregelung, gemacht worden sind; doch liegt die Wirkung dieser Bestimmung in der Zukunft (vgl näher Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –, Umdr S 18). Eine solche unechte Rückwirkung bzw tatbestandliche Rückanknüpfung (vgl BVerfGE 95, 64, 86) ist in der Regel zulässig, soweit nicht das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als das mit dem Gesetz verfolgte Anliegen. Hierzu ist eine Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich; auch darf der – rückanknüpfende – Eingriff nicht unverhältnismäßig sein (BVerfGE 97, 271, 289; 97, 378 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; BVerfGE 72, 141, 154; 63, 152, 175; 24, 220, 230).
Die vorliegend vom Gesetzgeber herbeigeführte sogenannte unechte Rückwirkung genügt den grundgesetzlichen Anforderungen des Vertrauensschutzprinzips. Jedenfalls beruht die Regelung des § 33a SGB I, soweit es die streitige Verwendung des Geburtsdatums in der VNr anbelangt, auf einer nicht zu beanstandenden Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und den schützwürdigen Interessen des betroffenen Personenkreises an einem unveränderten Fortbestand der alten Rechtslage. Gerade bezogen auf die VNr durfte der Gesetzgeber von einer Übergangsregelung absehen und dem öffentlichen Interesse an einer sachgerechten Lösung der wiederholt auftretenden Geburtsdaten-Problematik den Vorzug geben vor dem Interesse der Versicherten an einer Aufrechterhaltung der vor dem 1. Januar 1998 geltenden Regelung, zumal durch diese für die Versicherten keine schützenswerte Rechtsposition geschaffen worden war.
Die Rechtsposition des Klägers in bezug auf eine Berichtigung des Geburtsdatums in der VNr war bis zur Einfügung des § 33a SGB I wenig gefestigt. Schon vor dem 1. Januar 1998 ging die Rechtsprechung davon aus, daß die deutschen Sozialversicherungsträger und Gerichte nicht an solche ausländischen Urteile gebunden sind wie das vom Kläger vorgelegte; vielmehr waren zur Sachaufklärung grundsätzlich – ggf unter Beachtung eines Vorranges der gültigen Personenstandsunterlagen des Versicherten (vgl EuGHE I 1997, 6761 = SozR 3-7670 § 66 Nr 1 ≪„Dafeki”≫) – alle Beweismittel auszuschöpfen. Bei Nichterweislichkeit einer Tatsache galt der Grundsatz der objektiven Beweislast (vgl BSGE 77, 140, 141 ff = SozR 3-2200 § 1248 Nr 12; Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 R –, Umdr S 10). Somit konnte sich schon vor Inkrafttreten des § 33a SGB I ein im Ausland – wie hier in der Türkei – geborener Versicherter nicht ohne weiteres darauf verlassen, daß in der deutschen Sozialversicherung ein im ausländischen Personenstandsregister geändertes Geburtsdatum zugrunde gelegt würde, sondern nur damit rechnen, daß der Nachweis einer Unrichtigkeit des ursprünglich angegebenen Geburtsdatums grundsätzlich zulässig war (vgl auch Beschluß des erkennenden Senats vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 31/96 –, Umdr S 16). Die Rechtsposition des Klägers war somit hinsichtlich des hier geltend gemachten Anspruchs auf Neuvergabe einer VNr auch damals nicht gesichert, da selbst im Falle des Vorhandenseins von Beweismitteln eine allgemeine Beweiswürdigung stattzufinden hatte, deren Ausgang ungewiß war. Der Gesetzgeber konnte im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit (vgl BVerfGE 53, 157, 293) auch berücksichtigen, daß nach altem Recht eine Überprüfung in den wenigsten Fällen zu einem für den Antragsteller günstigen Ergebnis geführt hatte (vgl Semperowitsch, MittLVA Oberfr 1989, 164, 166 f).
Es sind auch sonst in bezug auf das Geburtsdatum in der VNr keinerlei Dispositionen oder vertrauensgeschützte Positionen des Klägers erkennbar, auf die der Gesetzgeber hätte Rücksicht nehmen müssen. Vielmehr hat der Kläger seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland über mehrere Jahrzehnte das Geburtsjahr 1949 selbst geführt, ohne – soweit ersichtlich – jemals einen Hinweis auf dessen mögliche Unrichtigkeit vorgebracht zu haben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Aufnahme des Geburtsjahres 1949 in die VNr auf den eigenen Angaben des Klägers beruhte, ohne daß ersichtlich wäre, warum dieser nicht schon wesentlich früher das seiner Ansicht nach richtige Geburtsjahr 1946 geltend gemacht hat. Demgegenüber fehlen Anhaltspunkte dafür, daß dem Kläger nach altem Recht der Nachweis eines Geburtsjahres 1946 hätte gelingen können.
Die Regelung des § 33a SGB I erscheint jedenfalls insoweit verhältnismäßig, als sie sich auf das Geburtsdatum in der VNr bezieht. Die Bedeutung der Neuvergabe einer VNr wegen Änderung seines amtlich festgestellten Geburtsdatums ist für den Kläger relativ gering, da das in der VNr enthaltene Datum für den Leistungsfall keine Verbindlichkeit hat. Folglich stellt die Einführung des § 33a SGB I insoweit keinen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre des Klägers dar. Dagegen ist diese Vorschrift insbesondere geeignet, das angestrebte Ziel der Vermeidung von Mißbrauch und hohem Verwaltungsaufwand (vgl BT-Drucks 13/8994 S 67) zu erreichen. Dies geschieht durch eine Einengung der Möglichkeiten des Nachweises einer Unrichtigkeit des Geburtsdatums. Ein gleich wirksames Mittel, das weniger Einschränkungen mit sich gebracht hätte, ist nicht ersichtlich.
Auch durch das Fehlen von Übergangsvorschriften werden Versicherte, die – wie der Kläger – bereits länger in Deutschland weilen, nicht übermäßig belastet, zumal eine Berücksichtigung von geänderten Geburtsdateneintragungen nicht vollständig ausgeschlossen ist, sondern lediglich erschwert wurde. Nach wie vor verbleiben den Versicherten Berichtigungsmöglichkeiten in bestimmten Fällen (Schreibfehler, ältere Urkunden), in denen Mißbrauch weitgehend ausgeschlossen erscheint und Gesichtspunkte der Verwaltungsökonomie einer Korrektur des in der VNr enthaltenen Geburtsjahres nicht entgegenstehen.
Der Gesetzgeber war ferner verfassungsrechtlich nicht gehalten, von der Anwendung des § 33a SGB I diejenigen Versicherten auszunehmen, die – wie der Kläger – bereits vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Neuvergabe der VNr wegen Änderung des amtlich festgestellten Geburtsjahres gestellt hatten. Ein solcher Antrag vermittelte diesen Betroffenen – wie dargelegt – nach dem früheren Recht jedenfalls solange keine besonders schutzwürdige Rechtsposition (vgl auch BVerfGE 58, 81, 120 f; 76, 220, 244), als ihm noch nicht entsprochen worden war.
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, daß das Berufungsurteil ohne die während des Revisionsverfahrens erfolgte Einfügung des § 33a SGB I hätte aufgehoben und die Sache zu weiteren Ermittlungen an das LSG hätte zurückverwiesen werden müssen.
Fundstellen