Entscheidungsstichwort (Thema)
Steiger. Reviersteiger. Abteilungssteiger. Berufsunfähigkeit. Verweisbarkeit. Vollzeitarbeitsplätze. offener Arbeitsmarkt
Orientierungssatz
1. Ein Abteilungssteiger der nach der Gehaltsgruppe 04 des Tarifvertrages für Angestellte des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus entlohnt wurde und von seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit her noch in der Lage ist, Arbeiten auszuführen, wie sie in den Gruppen T 13 der technischen und K 44 der kaufmännischen Angestellten des genannten Tarifvertrages vorkommen, kann auf diese Tätigkeiten verwiesen werden (vgl BSG 31.1.1984 5a RKn 25/82 = SozR 2200 § 1246 Nr 114).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gelten die Grundsätze, die der Große Senat des BSG in seinem Beschluß vom 10.12.1976 GS 2/75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13 für die nur noch zu Teilzeitarbeiten fähigen Versicherten entwickelt hat, von Ausnahmen abgesehen nicht für Vollzeitarbeitskräfte.
Normenkette
RKG § 46 Abs 2 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1246 Abs 2 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 18.06.1985; Aktenzeichen L 15 Kn 47/84) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 07.07.1980; Aktenzeichen S 18 Kn 42/78) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Juni 1977 bis zum 31. Mai 1982.
Der 1922 geborene Kläger arbeitete seit Mitte 1948 im Steinkohlenbergbau, wo er nacheinander die Tätigkeiten eines Gedingeschleppers, Lehrhauers, Ausbauhelfers und Hauers verrichtete. Nach dem Besuch der Bergschule wurde er seit April 1956 als Grubensteiger, dann als Revier- und Abteilungssteiger eingesetzt. Vom Januar 1972 bis September 1976 wurde er nach der Gehaltsgruppe 04 der technischen Angestellten unter Tage (Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlenbergbaus) entlohnt. Von Oktober 1976 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bergbau am 31. Oktober 1979 nahm der Kläger wieder die Aufgaben eines stellvertretenden Reviersteigers entsprechend der Gehaltsgruppe 03 (3) war. Ab Oktober 1976 erhielt der Kläger Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres. Diese Rente wandelte die Beklagte mit Wirkung vom 1. November 1979 in die Knappschaftsausgleichsleistung um. Seit dem 1. Juni 1982 erhält der Kläger das vorgezogene Knappschaftsruhegeld. Am 31. Mai 1977 beantragte der Kläger, nachdem ein im Mai 1976 gestellter Antrag erfolglos geblieben war, erneut Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte ab (Bescheid vom 8. November 1977; Widerspruchsbescheid vom 13. März 1978). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen -SG- vom 7. Juli 1980, Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen -LSG vom 28. September 1982). Auf die Revision des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es hat ausgeführt: Der Kläger könne zwar zumutbar auf Tätigkeiten der Gruppe 13 der technischen Angestellten über Tage sowie auf Tätigkeiten oberhalb der Gruppe 43 der kaufmännischen Angestellten über Tage verwiesen werden. Da der Kläger jedoch - nach den Tatsachenfeststellungen des LSG - nur für Teilbereiche einsetzbar sei, bedürfe es der Ermittlung, wieviel Arbeitsplätze in diesem Teilbereich vorhanden seien.
Das LSG hat mit Urteil vom 18. Juni 1985 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 7. Juli 1980 erneut zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Hauptberuf des Klägers sei der des Abteilungssteigers. Diese Tätigkeit werde nach der Gehaltsgruppe 04 entlohnt. Der Kläger könne keine körperlich schweren oder mittelschweren Arbeiten mehr verrichten. Arbeiten mit ständigem Bücken, in Zwangshaltung sowie im Freien müsse er vermeiden. Er könne aber noch leichte Aufsichts- und Büroarbeiten über Tage vollschichtig ausführen. Ausgehend von diesem Leistungsvermögen könne der Kläger noch Tätigkeiten der Gehaltsgruppen 13 und höher der technischen Angestellten über Tage sowie der Gehaltsgruppe 44 und höher der kaufmännischen Angestellten des Tarifvertrages für Angestellte des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlenbergbaus ausführen. Zwar könne der Kläger nach seinem Gesundheitszustand und seinen beruflichen Vorkenntnissen nicht alle in den Gehaltsgruppen T 13 bis T 16 und K 44 bis K 46 aufgeführten Arbeiten verrichten. Es gebe aber trotz dieser Beschränkung auf einzelne Teilbereiche genügend Arbeitsstellen, die für eine Verweisung in Betracht kämen. Aus der vom Senat eingeholten Auskunft des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau AG vom 4. Januar 1985 ergebe sich, daß es im Bereich der Ruhrkohle AG im Jahre 1982 60, im Jahre 1981 sowie in den Jahren 1979 und 1980 52 Arbeitsplätze der Gehaltsgruppe T 13 oder K 44 und höher gegeben habe, die für leistungsgeminderte ehemalige Abteilungs- und Reviersteiger geeignet seien. Bei diesen Arbeitsstellen handele es sich nicht um sogenannte "Schonarbeitsplätze". Sie würden nämlich nicht nur an leistungsgeminderte Belegschaftsmitglieder vergeben. Daraus folge, daß der Kläger noch eine reale, wenn auch schlechte Chance habe, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Für die im Bergbau beschäftigten Angestellten der Gehaltsgruppen T 13 bis T 16 und K 44 bis K 46 würden derart spezielle Kenntnisse und Erfahrungen vorausgesetzt, daß die Zahl der möglichen Bewerber ohnehin sehr eingeschränkt sei. Gerade Steiger seien aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrung besonders geeignet, die genannten Arbeiten in der Stabsstelle und im kaufmännischen Bereich auszuführen. Für sie bestehe eine größere Aussicht, diese Plätze zu erhalten, als für die anderen Angestellten des Bergbaus, die lediglich die Eingangsvoraussetzungen dieser Gehaltsgruppen erfüllten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 46 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) durch das Berufungsgericht.
Er beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7. Juli 1980 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, dem Kläger die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit aus der knappschaftlichen Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeiter für die Zeit vom 1. Juni 1977 bis 31. Mai 1982 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Juni 1977 bis 31. Mai 1982 keinen Anspruch auf Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit.
Nach § 46 RKG hat der Versicherte dann keinen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, wenn er entweder seinen bisherigen Beruf oder einen Beruf noch ausüben kann, der ihm nach seiner bisherigen beruflichen Stellung noch zumutbar ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von der Revision des Klägers nicht mit Verfahrensrügen angegriffen sind und an die das Revisionsgericht daher gebunden ist (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), war der Kläger seinem Hauptberuf nach Abteilungssteiger und wurde nach der Gehaltsgruppe 04 des Tarifvertrages für Angestellte des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlebergbaus entlohnt. Von seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit ist er noch in der Lage, Arbeiten auszuführen, wie sie in den Gruppen T 13 der technischen und K 44 der kaufmännischen Angestellten des genannten Tarifvertrages vorkommen. Zwar kann der Kläger nicht alle Arbeiten dieser Gruppe ausführen. Doch ist ihm deswegen der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die rechtlichen Schlüsse des LSG sind nicht zu beanstanden. Wie der Senat im Zurückverweisungsurteil vom 31. Januar 1984 - 5a RKn 25/82 - entschieden hat, kann der Abteilungssteiger auf Tätigkeiten verwiesen werden, die unter die Tarifgruppen T 13 oder K 44 fallen. An diese Ausführungen ist der Senat - auch unter Beachtung seines weiteren Urteils vom 14. Januar 1986 (5a RKn 1/85) - ebenso gebunden, wie es das LSG gewesen ist (§ 170 Abs 5 SGG, Gem Sen BSGE 35, 293).
Das LSG hat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Zurückverweisungsurteil und der weiteren Rechtsprechung des erkennenden Senats über die rechtlichen Auswirkungen von zahlenmäßig nur beschränkt vorhandenen Vollzeitarbeitsplätzen (vgl hierzu Urteil vom 30. November 1983 in SozR 2200 § 1246 Nr 110 S 352ff) einen für den Kläger noch offenen Arbeitsmarkt mit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht ebenfalls bindenden Feststellungen bejaht.
Anders als die Revision meint, kann auch die Entscheidung des LSG nicht deswegen beanstandet werden, weil Versicherte, die nur noch in Teilbereichen ihres Berufes einsetzbar sind, ebenso wie solche Versicherte, die nur noch Teilzeitarbeiten leisten können, als berufsunfähig anzusehen seien, wenn sie nach einem Jahr noch nicht vermittelt werden konnten (vgl GS BSG SozR 2200 § 1246 Nr 13). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl SozR 2200 § 1246 Nrn 19, 22, 30) gelten nämlich die Grundsätze, die der Große Senat des BSG für die nur noch zu Teilzeitarbeiten fähigen Versicherten entwickelt hat, von Ausnahmen abgesehen (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 78, 82, 110) nicht für Vollzeitarbeitskräfte. Einen derartigen Ausnahmefall hat das LSG indes unter Zugrundelegung der von ihm getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen mit die genannte Rechtsprechung des BSG beachtenden Gründen verneint.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen