Leitsatz (amtlich)
1. Die Anrufung des Großen Senats nach SGG § 42 erübrigt sich, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, erklärt, daß er an seiner Rechtsauffassung nicht mehr festhält. Bei dieser Erklärung brauchen die Bundessozialrichter nicht mitzuwirken.
2. Die Bedürftigkeit als Voraussetzung für die Elternrente ist gegeben, wenn das sonstige Einkommen die Einkommensgrenzen des BVG § 51 nicht übersteigt (Anschluß BSG 1955-10-20 10 RV 135/54 = BSGE 1, 272).
3. Ist von zwei Ehegatten nur einer Elternrentenberechtigt, so ist die Einkommensgrenze für einen Elternteil maßgebend. Einkommen im Sinn des BVG § 51 ist nur das Einkommen des Anspruchsberechtigten; zum Einkommen gehört auch der geldeswert eines Unterhaltsanspruchs gegen den anderen Ehegatten. Die Verwaltungsvorschrift Nr 5 Abs 4 zu BVG § 50 steht, soweit sie anderes besagt, mit dem Gesetz in Widerspruch und ist insoweit nicht anzuwenden. (Abweichung BSG 1955-10-20 RV 135/54 = BSGE 1, 272).
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn das LSG unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten für verpflichtet erklärt, der Klägerin Elternrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu gewähren und hierbei das sonstige Einkommen nur eines Elternteils, nämlich das der Klägerin allein, zugrunde zu legen, so hat es keine Zurückverweisung an die Versorgungsbehörde, sondern die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung der Elternrente dem Grunde nach ausgesprochen, wobei für die Berechnung des "sonstigen Einkommens" bestimmte Richtlinien gegeben wurden. Bei einer Verurteilung dem Grunde nach brauchen die Höhe der Rente sowie der Rentenbeginn nicht festgelegt zu werden. Der Erlaß eines Grundurteils in der vorliegenden Fassung ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, wenn auch die Worte im Tenor "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung" überflüssig erscheinen.
2. Verwaltungsvorschriften müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmung, zu denen sie ergangen sind, halten; sie dürfen diese weder in unzulässiger Weise einengen noch ausweiten. Unter dieser Voraussetzung sind die Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsbehörde bindend; ihre Nichtbeachtung kann unter Umständen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach GG Art 3 verstoßen. Die Gerichte sind an die Verwaltungsvorschrift nicht unmittelbar gebunden. Sie haben auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsvorschriften zu achten und zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörde sie zutreffend und unter Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes anwenden.
Normenkette
SGG § 42 Fassung: 1953-09-03; BVG § 50 Fassung: 1950-12-20, § 51 Fassung: 1953-08-07; GG Art. 3 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. April 1954 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, 1891 geboren und seit 1922 verheiratet, ist die Mutter des 1914 geborenen E. S. ihres einzigen Sohnes, der als Soldat an der Ostfront seit 1943 verschollen ist. Das Versorgungsamt (VersorgA.) Berlin hat durch Bescheid vom 9. Januar 1952 den nur von der Klägerin gestellten Antrag auf Elternrente aus der Kriegsopferversorgung abgelehnt, da die Klägerin nicht bedürftig sei (§ 50 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und § 23 Berliner Versorgungsgesetz (KVG)). Die Klägerin bezog damals von der Versicherungsanstalt Berlin eine Versichertenrente von 50,- DM monatlich, ihr Ehemann eine solche von 74,- DM. Nach dem Bescheid des VersorgA. überschreite das Gesamteinkommen der beiden Ehegatten von 124,- DM die in § 51 BVG festgesetzte Einkommensgrenze eines Elternpaares mit 100,- DM, so daß die Voraussetzung der Bedürftigkeit nicht gegeben sei. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Ihre Klage ist durch Urteil des Versorgungsgerichts (VersorgG.) Berlin vom 28. April 1953 auch unter Berücksichtigung der durch die erste Novelle zu § 51 BVG erhöhten Einkommensgrenzen als unbegründet abgewiesen worden.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG.) Berlin durch Urteil vom 9. April 1954 wie folgt entschieden:
Unter Abänderung des Urteils des Versorgungsgerichts Berlin vom 28. April 1953 wird der Beklagte für verpflichtet erklärt, der Klägerin Elternrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Hierbei ist das sonstige Einkommen nur eines Eltern teils , nämlich das der Klägerin allein, zugrunde zu legen. Der Klägerin sind ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das LSG. hat die Ernährereigenschaft des Verschollenen bejaht, indem es angenommen hat, der Verschollene wäre mit Wahrscheinlichkeit der Ernährer der Klägerin geworden. Es hat auch die Bedürftigkeit der Klägerin als gegeben angesehen. Das LSG. erblickt allein in § 50 Abs. 2 BVG die Rechtsgrundlage für den Begriff der Bedürftigkeit, während § 51 Abs. 2 BVG nur eine Regelungsvorschrift sei, die die Annahme von Bedürftigkeit nicht ausschließe. Bei der Anwendung des § 51 Abs. 2 BVG dürfe nur das Einkommen der Klägerin selbst, nicht auch das ihres Ehemannes berücksichtigt werden. Nr. 5 Abs. 4 der Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 50 BVG stehe mit dem Gesetz in Widerspruch. Die Revision wurde zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Revision eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen die Entscheidung des VersorgG. vom 28. April 1953 zurückzuweisen. Die Revision rügt, das LSG. habe die Vorschriften der §§ 50 ff., insbesondere § 51 Abs. 2 BVG unrichtig angewendet. Der Begriff der Bedürftigkeit sei durch die §§ 50, 51 BVG einheitlich festgelegt; auch das Einkommen des Ehemannes der Klägerin müsse bei der Beurteilung ihrer Bedürftigkeit berücksichtigt werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Revisionskläger noch gerügt, das Urteil des LSG. enthalte einen Verfahrensmangel, denn es sei ein Leistungsurteil begehrt worden, aber ein Urteil ergangen, das im Ergebnis einer unzulässigen Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkomme. Außerdem wurde von dem Revisionskläger geltend gemacht, daß die Feststellung der Ernährereigenschaft des verschollenen Sohnes im Urteil des LSG. gegen die im Urteil des erkennenden Senats vom 6. Dezember 1955 (BSG. 2 S. 94) aufgestellten Grundsätze verstoße.
Die Klägerin hat beantragt, die Revision des Beklagten auf seine Kosten als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sachlich konnte sie keinen Erfolg haben.
Die erst in der mündlichen Verhandlung erhobene Rüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften wäre auch nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig erhoben, wenn es sich um eine Verletzung von Verfahrensvorschriften handeln würde, deren Beachtung von Amts wegen zu prüfen ist. Ein Verstoß dieser Art liegt aber nicht vor. Das LSG. hat keine Zurückverweisung an die Versorgungsbehörde, sondern die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung der Elternrente dem Grunde nach ausgesprochen, wobei für die Berechnung des "sonstigen Einkommens" bestimmte Richtlinien gegeben wurden. Bei einer Verurteilung dem Grunde nach braucht die Höhe der Rente sowie der Rentenbeginn nicht festgelegt zu werden. Der Erlaß eines Grundurteils in der vorliegenden Fassung ist daher verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, wenn auch die Worte im Tenor "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen" überflüssig erscheinen.
Auch die Rüge der Verletzung materiellen Rechts (§§ 50, 51 Abs. 2 BVG) ist nicht begründet. Dem Urteil des LSG. ist, wenn auch nicht in allen Punkten der Begründung, so doch im Ergebnis zuzustimmen.
Was zunächst das Vorbringen der Revision anlangt, das Urteil des LSG. habe die Ernährereigenschaft verkannt, weil der verschollene Sohn nicht wesentlich zum Unterhalt der Klägerin beigetragen haben würde (Urteil des erkennenden Senats vom 6. Dezember 1955 - 9 RV 76/55), so ist diese Rüge zwar nicht zu spät erhoben, weil bei einer formgerecht begründet und infolge Zulassung statthaften Revision der gesamte Streitstoff in materiell-rechtlicher Hinsicht von Amts wegen zu prüfen ist (vergl. Urteil des 2. Senats v. 26.7.1956 - 2 RU 35/55). Sie ist jedoch unbegründet.
Der verschollene E. S. ist das einzige Kind der Klägerin. In Fällen dieser Art sind die Versorgungsbehörden durch die VV (VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 50 BVG) angewiesen, im allgemeinen die Ernährereigenschaft zu bejahen. Besondere Umstände, die einer Anwendung dieser Vorschrift hier entgegenstünden, sind den Feststellungen der Vorinstanz nicht zu entnehmen.
VV müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, zu denen sie ergangen sind, halten; sie dürfen diese weder in unzulässiger Weise einengen noch ausweiten. Unter dieser Voraussetzung sind die VV für die Verwaltungsbehörden bindend; ihre Nichtbeachtung kann u. U. gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Die Gerichte sind an die VV nicht unmittelbar gebunden. Sie haben auf die Gesetzmäßigkeit der VV zu achten und zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörden sie zutreffend und unter Wahrung des oben erwähnten Gleichheitsgrundsatzes anwenden.
Die in Frage kommende VV gibt den Versorgungsbehörden die Anweisung, im allgemeinen zu unterstellen, daß dann, wenn der einzige Sohn im Kriege gefallen ist, dieser der Ernährer der Eltern oder eines Elternteils geworden wäre. Die darin liegende Erleichterung bei der Feststellung einer der Anspruchsvoraussetzungen für die Elternrente in Fällen, in denen die Eltern durch den Kriegstod des Sohnes besonders hart betroffen sind, steht mit § 50 BVG nicht in Widerspruch; die VV enthält auch keine das Gesetz verletzende Ausweitung.
Wenn das LSG. in Anwendung dieser von der Versorgungsbehörde nicht beachteten VV hier die Ernährereigenschaft des verschollenen einzigen Sohnes der Klägerin bejaht hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Feststellungen des angefochtenen Urteils hierzu auch für den Fall genügen würden, wenn der Verschollene nicht das einzige Kind der Klägerin gewesen wäre.
Dagegen ist die vom LSG. vorgenommene Auslegung des Begriffs der Bedürftigkeit in § 50 Abs. 2 BVG, insbesondere im Verhältnis zu den in § 51 Abs. 2 BVG festgesetzten Einkommenshöchstbeträgen, nicht frei von Rechtsirrtum. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts (BSG.) hat bereits im Urteil vom 20. Oktober 1955 (BSG. 1 S. 272) entschieden, daß der Begriff der Bedürftigkeit in § 50 Abs. 2 BVG durch Heranziehung der in § 51 Abs. 2 a. a. O. angeführten Einkommenshöchstgrenzen auszulegen ist. Der erkennende Senat schließt sich diesem Urteil insoweit an. Er geht dabei von folgenden weiteren Überlegungen aus.
Voraussetzung für die Gewährung von Elternrente ist nach § 50 Abs. 1 BVG Bedürftigkeit. Diese liegt, abgesehen von den hier nicht streitigen Voraussetzungen hinsichtlich Alter und Gesundheit des Anspruchsbegehrenden, vor, wenn dieser weder seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann noch einen Unterhaltsanspruch gegenüber Personen hat, die imstande sind, ausreichend für ihn zu sorgen. Die Voraussetzungen der Bedürftigkeit, nämlich das Nichtbestreitenkönnen des Lebensunterhalts und das Fehlen eines ausreichenden und durchsetzbaren Unterhaltsanspruches werden im Gesetz gleichwertig nebeneinander genannt, wie sich aus den Worten "weder ... noch" ergibt. Daher ist bei der Prüfung, ob eine dieser beiden Voraussetzungen der Bedürftigkeit vorliegt, von einem gleich hohen Lebensbedarf auszugehen. Es kann nicht ein verschieden hoher Lebensbedarf zugrunde gelegt werden, je nachdem, ob der Elternteil die Mittel zu seiner Bestreitung selbst aufbringen muß oder ob er einen Unterhaltsanspruch gegen Dritte hat.
In welchem Umfang der Lebensunterhalt anzusetzen ist, sagt § 50 BVG nicht. Lebensunterhalt in diesem Sinne ist nicht dem Unterhaltsanspruch gleichzusetzen, der auf Grund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften besteht. Dieser ist nach §§ 1360, 1361, 1601, 1602, 1603, 1610, 1611 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verschieden und spielt bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 BVG nur insoweit eine Rolle, als das Bestehen, die Höhe und die Durchsetzbarkeit eines solchen Unterhaltsanspruchs nach den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen zu beurteilen ist. Für die Bemessung des Lebensunterhalts nach § 50 BVG bietet der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch im übrigen keinen Maßstab.
Andere Gesetze, die sich mit Bedürftigkeit, Lebensunterhalt, Unterhaltsansprüchen und den sich daraus ergebenden Leistungen befassen, enthalten je nach dem Grund und Zweck ihrer Vorschriften verschiedene Bestimmungen darüber, welcher Bedarf des Unterstützungsberechtigten zu decken ist, wie §§ 1360, 1610, 1611 BGB, §§ 58, 65 Ehegesetz, § 6 VO über die Fürsorgepflicht, §§ 5, 6 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge, § 593 Reichsversicherungsordnung, §§ 261, 263 in Verbindung mit §§ 267, 279 Lastenausgleichsgesetz.
Da die Begriffe Lebensunterhalt, Bedürftigkeit, Lebensbedarf in den einzelnen Rechtsgebieten verschieden auszulegen sind, können zur Feststellung, was das BVG in § 50 mit dem Bestreiten des Lebensunterhalts und dem Unterhaltsanspruch auf ausreichende Sorge meint, nur die Vorschriften des BVG selbst herangezogen werden. Die nächstliegende Bestimmung ist § 51 Abs. 2 BVG. Wenn das BVG in § 50 Abs. 2 das Unvermögen, den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, und das Fehlen eines ausreichenden Unterhaltsanspruchs als Bedürftigkeit und damit als Voraussetzung der Elternrente bezeichnet und dann nach § 51 Abs. 2 Elternrente nur bei Nichterreichen bestimmter Einkommensgrenzen gewährt, so ergibt diese enge Beziehung der beiden Vorschriften zwangsläufig, daß der Lebensunterhalt dann als gesichert anzusehen und Bedürftigkeit zu verneinen ist, wenn die eigenen Mittel und der Geldeswert eines Unterhaltsanspruchs diese Einkommensgrenzen übersteigen. Insoweit folgt der erkennende Senat dem oben zitierten Urteil des 10. Senats. Die entgegenstehende Auffassung des LSG. ist abzulehnen.
Der 10. Senat hat in dem genannten Urteil vom 20. Oktober 1955 (BSG. 1 S. 272) weiter ausgesprochen, daß auch bei nur einem anspruchsberechtigten Elternteil das Einkommen beider Eltern zu berücksichtigen und dementsprechend die für ein Elternpaar festgelegte Einkommensgrenze maßgeblich sei. Da der 10. Senat mitgeteilt hat, daß er an dieser Rechtsauffassung nicht festhält, ist der erkennende Senat in der Auslegung des § 51 Abs. 2 BVG frei. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß bei nur einem anspruchsberechtigten Elternteil nur dessen Einkommen anzurechnen und auch nur die Einkommensgrenze für einen Elternteil der Rentenberechnung zugrunde zu legen ist. VV Nr. 5 Abs. 4 zu § 50 BVG steht, soweit sie anderes besagt, mit dem Gesetz in Widerspruch und ist insoweit nicht anzuwenden.
Für den Begriff des sonstigen Einkommens ist bei der Elternrente § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG maßgebend (§ 51 Abs. 5 BVG). In § 33 BVG und in den Vorschriften, die § 33 Abs. 2 BVG für anwendbar erklären (§§ 41 Abs. 5, 47 Abs. 4 BVG), ist das "sonstige Einkommen" stets in Beziehung zu dem Anspruchsberechtigten selbst zu verstehen. Wenn außer dem Einkommen des Berechtigten ausnahmsweise noch Einkommen anderer Personen zu berücksichtigen ist, bestimmt das Gesetz dies ausdrücklich (§§ 34 Abs. 2, 47 Abs. 3 BVG). Das BVG enthält keinen Hinweis darauf, daß bei der Elternrente der Begriff des sonstigen Einkommens in dieser erweiterten Form auszulegen wäre. Ist daher nur ein Elternteil rentenberechtigt, so kann auch nur sein eigenes Einkommen berücksichtigt werden; das des anderen Ehegatten bleibt außer Betracht. Dem Umstand, daß der rentenberechtigte Elternteil in einer Ehegemeinschaft lebt, wird dadurch Rechnung getragen, daß zu seinem Einkommen auch der Geldeswert eines Unterhaltsanspruches gegen den Ehepartner gehört. Entsprechend der Anrechnung nur des Einkommens des Rentenberechtigten kann bei einem berechtigten Elternteil auch nur die Einkommensgrenze für einen Elternteil maßgeblich sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob der andere Ehegatte wegen Fehlens der Voraussetzungen der §§ 49, 50, 59 BVG oder des Antrages (§ 1 Abs. 5 BVG) nicht rentenberechtigt ist.
Die überwiegend wirtschaftlichen Überlegungen des früheren Reichsversorgungsgerichts (RVGer.) zu § 45 Reichsversorgungsgesetz (RVG) in seiner Entscheidung Band 5 Seite 270 können - abgesehen von dem verschiedenen Wortlaut der §§ 45 RVG und 51 BVG - nicht zu einer anderen Auslegung des § 51 BVG führen.
Das RVG kannte nicht die vom Einkommen abhängige Ausgleichsrente. Es enthielt daher keine allgemeinen Vorschriften über Begriff, Arten und Anrechnung von Einkommen wie §§ 32 Abs. 1, 33, 34, 41, 47 BVG. Nur bei der im Falle der Bedürftigkeit zu gewährenden Elternrente war nach § 45 RVG Einkommen zu berücksichtigen. Das RVGer. konnte deshalb die Frage der Anrechnung des Einkommens beider Ehegatten oder nur eines Elternteiles allein aus § 45 RVG beantworten, ohne eine Systematik des Gesetzes bei der Anrechnung von Einkommen in Beziehung zum Berechtigten beachten zu müssen. Im BVG ist dagegen der Begriff des Einkommens und dessen Anrechnung grundsätzlich für alle Versorgungsempfänger geregelt. Aus diesem Grunde kann bei § 51 BVG nicht entgegen den allgemeinen Vorschriften in § 33 Abs. 2 BVG das Einkommen des nichtberechtigten Ehegatten dem rentenberechtigten Elternteil mit angerechnet werden.
Die Verschiedenheit der Versorgung von Ehepaaren, je nachdem, ob beide Ehegatten oder nur ein Ehepartner elternrentenberechtigt sind (§ 1 Abs. 5, §§ 49, 50 BVG) beruht darauf, daß nach § 51 BVG sowohl die Rente wie die Einkommenshöchstgrenze für einen Elternteil höher ist als die Hälfte der Rente bzw. der Höchst-Freigrenze für ein Elternpaar. Da der Gesetzgeber diese Unterschiede bewußt in Kauf genommen hat, kann auch daraus nichts gegen den oben aufgestellten Grundsatz hergeleitet werden.
Das LSG. hat daher mit Recht nur das Einkommen der Klägerin und nur die Einkommensgrenze für einen Elternteil herangezogen.
Zum sonstigen Einkommen der Klägerin gehören nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG ihre persönliche Versichertenrente und, wie sich auch aus § 50 Abs. 2 BVG ergibt, der Geldeswert eines etwaigen Unterhaltsanspruches gegen ihren Ehemann. Da die Versichertenrente unter der Einkommensgrenze für einen Elternteil liegt und deshalb die Bedürftigkeit der Klägerin nicht beseitigt, kommt es für den erhobenen Anspruch darauf an, ob die Klägerin gegen ihren Ehemann einen Unterhaltsanspruch hat, dessen Geldeswert zusammen mit der Versichertenrente die Einkommensgrenze übersteigt.
Das LSG. hat im Ergebnis zutreffend den Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann nach dem bürgerlichen Recht beurteilt und ausgeführt, daß er die Bedürftigkeit der Klägerin nicht aufhebt. Der Unterhaltsanspruch bestimmt sich nach § 1360 BGB, und zwar ab 1. April 1953 unter Berücksichtigung von Artikeln 3 und 117 Abs. 1 GG. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Ehemann für den Unterhalt der Ehefrau unabhängig von deren Bedürftigkeit aufzukommen. Er konnte nicht die Mittel für seinen eigenen Unterhalt vorwegnehmen, sondern mußte mit der Ehefrau alles teilen. Die Unterhaltspflicht der Frau setzte ein, wenn der Mann nicht imstande war, sich selbst und seine Familie zu unterhalten (vgl. Palandt, BGB, 6. Aufl. 1944, Anm. 4 und 5 zu § 1360). Bei den niedrigen Renten der Klägerin und ihres Ehemannes ergaben diese Grundsätze, daß sich die Ehegatten gegenseitig unterstützen mußten; der Unterhalt beider mußte aus dem Einkommen beider, d. h. ihren Versicherungsrenten bestritten werden. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Ehemann hatte demnach keinen meßbaren Geldeswert. Dieses Ergebnis ist auch nach Änderung der Rechtslage seit 1. April 1953 das gleiche geblieben. An die Stelle der grundsätzlichen Unterhaltspflicht des Ehemannes nach § 1360 Abs. 1 BGB und der nur bei Bedürftigkeit des Ehemannes gegebenen Unterhaltspflicht der Ehefrau nach § 1360 Abs. 2 BGB ist die gegenseitige Unterhaltspflicht beider Ehegatten getreten (NJW 1953 Seite 1104 Nr. 13). Auch nach dieser Rechtslage müssen sich die Klägerin und ihr Ehemann bei ihren geringen Renten gegenseitig unterstützen. Damit entfällt auch für diesen Zeitraum ein Geldeswert des Unterhaltsanspruches.
Da das Einkommen der Klägerin die für sie maßgebliche Einkommensgrenze nicht erreicht, ist dem Urteil des LSG., das den Beklagten zur Gewährung einer Elternrente dem Grund nach verpflichtet, im Ergebnis zuzustimmen.
Die Revision war somit als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen