Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte – Beitragszuschuß – Vorlage des Einkommensteuerbescheides – Steuerbescheide des Ehegatten – Zeiträume vor Eheschließung – Ruhen – Ermessensausübung – Rückforderung
Leitsatz (amtlich)
Die Pflicht zur Vorlage des jeweils neuesten Einkommensteuerbescheides erstreckt sich auch auf dem Ehegatten des Landwirts erteilte Steuerbescheide. Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid allein für Zeiten vor der Eheschließung ergangen ist.
Stand: 9. Juli 2001
Normenkette
ALG § 32 Abs. 3 S. 4 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Hs. 1, Abs. 4 S. 1 Hs. 2, § 34 Abs. 1, § 107a; SGB I § 60 Abs. 1
Beteiligte
Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen |
Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz |
Verfahrensgang
SG Landshut (Entscheidung vom 13.04.2000; Aktenzeichen S 1 LW 167/99) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. April 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob der Kläger zur Erstattung von Beitragszuschüssen verpflichtet ist, die ihm die Beklagte von Januar bis Dezember 1998 nach § 32 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in Höhe von DM 1.668 (monatlich DM 139) gewährt hatte.
Der seit dem 9. Mai 1996 verheiratete Kläger ist als Landwirt bei der Beklagten pflichtversichert. Antragsgemäß bewilligte ihm die Beklagte Beitragszuschüsse, zuletzt mit Bescheid vom 13. Januar 1998 (ab 1. Januar 1998 DM 139). Jener Bewilligung lag der Einkommensteuerbescheid der Ehefrau des Klägers für das Jahr 1994 vom 20. Juni 1995, bei der Beklagten am 18. Juli 1996 eingegangen, zugrunde; der Kläger wurde bis dahin nicht zur Einkommensteuer veranlagt. Die Bescheide sowie das Formblatt, das unterschrieben zusammen mit dem nächsten Einkommensteuerbescheid vorzulegen war, enthielten hervorgehoben den Hinweis, daß nach Ausfertigung eines neuen Einkommensteuerbescheides dieser spätestens bis zum Ablauf des zweiten auf das Datum des Bescheides folgenden Kalendermonats vorzulegen sei. Falls dem nicht entsprochen werde, müsse der zwischenzeitlich gewährte Beitragszuschuß zurückgefordert werden.
Nach Aufforderung durch die Beklagte legte der Kläger am 28. Dezember 1998 den (ersten) gemeinsamen Einkommensteuerbescheid der Eheleute für das Jahr 1996 vom 6. Juli 1998 vor und am 23. Februar 1999 den Einkommensteuerbescheid der Ehefrau für das Jahr 1995 vom 20. November 1997. Mit Bescheid vom 4. März 1999 stellte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Beitragszuschuß für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 28. Februar 1999 fest. Für die Anschlußzeit ermittelte sie einen monatlichen Beitragszuschuß von DM 152, ausgehend von den Einkommensverhältnissen im Veranlagungsjahr 1996. Die Überzahlung von monatlich DM 139 im Jahre 1998 in Höhe von insgesamt DM 1.668 forderte sie zurück. Zur Begründung seines Widerspruchs gab der Kläger an, er habe die Vorlage des Einkommensteuerbescheides seiner Ehefrau vom 20. November 1997 für das Kalenderjahr 1995 nicht für erforderlich gehalten, da das Einkommen vor der Verehelichung erzielt worden sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1999).
Das Sozialgericht (SG) Landshut hat mit Urteil vom 13. April 2000 „die Beklagte verpflichtet, von der Anordnung des Ruhens des Beitragszuschusses vom 01.01.1998 bis 31.12.1998 und der Rückforderung von DM 1.668,00 abzusehen”. Der Einkommensteuerbescheid der Ehefrau für 1995 vom 20. November 1997 sei am „23.09.1999” (richtig: 23. Februar 1999) bei der Beklagten eingegangen. Auch dieser Bescheid könne iS des § 32 Abs 4 ALG maßgeblich sein. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Oktober 1998, SozR 3-5868 § 32 Nr 2, werde der Landwirt bei der Gewährung von Beitragszuschuß auch mit der Anrechnung des Ehegatteneinkommens belastet, wenn die Ehe im Bemessungszeitraum noch nicht geschlossen war. Anders sei jedoch die Frage zu beurteilen, ob ein nicht zur Einkommensteuer veranlagter Landwirt verpflichtet sei, den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid für diesen Zeitraum vorzulegen. Insoweit könne eine entsprechende Mitwirkung des Landwirts rechtmäßig nicht verlangt werden, weil ihm seine Ehefrau aus § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Auskunft für die voreheliche Zeit nicht verpflichtet sei. Die Vorlagepflicht gemäß § 32 Abs 4 ALG könne sich nur auf Fälle erstrecken, in denen die Vorlage auch zumutbar sei.
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 32 Absätze 2, 3 und 4 sowie § 34 Abs 4 ALG. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 8. Oktober 1998 aaO festgestellt habe, sei auf das dort benannte Veranlagungsjahr bei Prüfung der Beitragszuschußberechtigung selbst dann abzustellen, wenn die Ehe in diesem Jahr noch nicht bestanden habe. Dann aber müsse in diesen Fällen § 32 Abs 4 ALG uneingeschränkt angewendet werden. Anderenfalls wäre der Landwirt in bezug auf Steuerbescheide seines Ehegatten – bei getrennter Veranlagung auch solcher, die die Ehezeit betreffen – dauerhaft nicht vorlagepflichtig, wenn der Ehegatte versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit wäre. Zwar träfen die Rechtsfolgen des § 32 Abs 4 ALG den Zuschußempfänger nicht in bezug auf solche an seinen Ehegatten gerichteten Einkommensteuerbescheide, die vor der Bekanntgabe des Verwaltungsakts, mit dem aus Anlaß der Eheschließung der Zuschuß neu festgesetzt worden sei, ausgefertigt worden seien. Für die ab Bekanntgabe dieses Bescheides ausgefertigten Einkommensteuerbescheide gelte jedoch § 32 Abs 4 ALG uneingeschränkt. Im weiteren wendet sich die Beklagte gegen die Rechtsprechung in den Urteilen des Senats vom 17. August 2000 (B 10 LW 8/00 R, B 10 LW 11/00 R).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. April 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten erweist sich im Ergebnis auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Senats (1) als unbegründet. Zwar liegen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für das Ruhen des Beitragszuschusses für die Monate Januar bis Dezember 1998 vor (2); dabei steht entgegen der Rechtsansicht des SG nicht entgegen, daß dem Kläger die Vorlage des Einkommensteuerbescheides seiner Ehefrau für einen vorehelichen Zeitraum unzumutbar wäre (3). Der angefochtene Bescheid ist jedoch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht betätigt hat, ob der dem Kläger gezahlte – und ihm nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen zustehende – Beitragszuschuß in vollem Umfang oder nur teilweise ruht und zurückzufordern ist (4).
(1)
Der Senat geht hierbei von folgenden Grundsätzen aus (vgl insoweit im einzelnen das Senatsurteil vom 17. August 2000 – B 10 LW 8/00 R, das den Beteiligten zur Kenntnis gegeben wurde):
Das mit dem ALG eingeführte Verfahren zur Berechnung des Beitragszuschusses (neue Anrechnungsmethode) stellt maßgeblich auf jene Einkünfte ab, die sich aus dem letzten (dem sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden) Einkommensteuerbescheid ergeben (wenn für eines der letzten vier Kalenderjahre eine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt ist): § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG. Damit ist die Alterskasse darauf angewiesen, jeweils die neuesten Einkommensteuerbescheide zu erhalten. Deshalb regelt § 32 Abs 4 Satz 1Halbsatz 1 ALG, daß ihr der Einkommensteuerbescheid spätestens zwei Kalendermonate nach seiner Ausfertigung vorzulegen ist (also bei Ausfertigung im November – wie hier – spätestens bis Ende Januar). Geschieht dies, so werden die sich hieraus ergebenden Änderungen vom ersten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats an berücksichtigt (§ 32 Abs 4 Satz 2 ALG; also bei Ausfertigung im November und rechtzeitiger Vorlage, je nach Vorlagemonat, ab 1. Dezember, 1. Januar oder 1. Februar).
Wird der Einkommensteuerbescheid erst verspätet vorgelegt, so ergeben sich hieraus unterschiedliche Konsequenzen, je nachdem, ob sich nach den Feststellungen im Steuerbescheid ein niedrigerer (a) oder ein gleich hoher oder höherer (b) Beitragszuschuß errechnet als bisher gezahlt.
(a) Soweit sich die Festsetzungen in dem neuen, der Alterskasse verspätet vorgelegten Einkommensteuerbescheid negativ auf den Beitragszuschuß auswirken – also zu einem niedrigeren oder gar keinem Anspruch führen –, erfolgt ab dem Beginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides (vgl § 107a Satz 2 ALG, also bei Ausfertigung im November – wie hier – ab 1. Februar) eine Neufeststellung, und der Landwirt hat die entsprechende Überzahlung in jedem Fall zu erstatten. Dies folgt – auch ohne die Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG – aus der Regelung des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 iVm § 34 Abs 4 ALG; nach der letztgenannten Vorschrift ist bei einer Änderung der für den Beitragszuschuß maßgebenden Verhältnisse die bisherige Bewilligung vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben. Da diese Sonderregelung zu § 48 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkende Neufeststellungen zu Lasten des Betroffenen erlaubt, ohne Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen (hierzu Senatsurteil vom 8. Oktober 1998, SozR 3-5868 § 32 Nr 2 S 14), kann der Betroffene jedenfalls keinen Vorteil daraus ziehen, daß der Alterskasse ein neuer, maßgeblicher Einkommensteuerbescheid erst verspätet bekannt wird. Der überzahlte Beitragszuschuß ist zurückzuzahlen (§ 50 Abs 1 SGB X).
(b) Soweit nicht bereits nach den Grundsätzen zu (a) der gesamte Beitragszuschuß zurückzuzahlen ist, greift die Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 Satz 1Halbsatz 2 ALG ein: Hiernach ruht – wird der Einkommensteuerbescheid nicht rechtzeitig vorgelegt – der Beitragszuschuß vom Beginn des Monats, in dem der Bescheid (gemeint: noch) fristgemäß hätte vorgelegt werden können (hier also ab 1. Januar) bis zum Ablauf des Monats der tatsächlichen Vorlage (bei Vorlage im Februar des Folgejahres also bis zum Ende jenes Monats). Die Regelung setzt bereits vom Tatbestand her ein Verschulden voraus (s hierzu das Senatsurteil vom 17. August 2000 – B 10 LW 8/00 R unter II 1, S 8 des Umdrucks). Die Leistungsbewilligung ist insoweit aufzuheben. Dies geschieht naturgemäß stets rückwirkend, da der Alterskasse die Existenz eines neuen Einkommensteuerbescheides nicht bereits mit seinem Erlaß bekannt wird. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (wegen des nachträglich festgestellten Ruhens) ist auch hier ohne weitere Voraussetzungen und ohne Rücksicht auf einen etwaigen Vertrauensschutz möglich (§ 34 Abs 4 ALG); ein für den Ruhenszeitraum gezahlter Beitragszuschuß ist dann zurückzuzahlen (§ 50 Abs 1 SGB X).
Der Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG kommt damit ein reiner Sanktionscharakter zu. Sie ist unter entsprechender Anwendung des § 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) verfassungskonform einschränkend auszulegen: Die Alterskasse hat ein Ermessen auszuüben, ob der im Ruhenszeitraum ausgezahlte und nach dem maßgeblichen Steuerbescheid auch zustehende Beitragszuschuß in voller Höhe ruht oder lediglich teilweise (Senatsurteil vom 17. August 2000 – B 10 LW 8/00 R unter II 3 und 4, S 13 ff des Umdrucks).
(2)
Das Ruhen gemäß § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG kann auch nicht deshalb von vornherein entfallen, wenn dem Kläger, hätte er den Einkommensteuerbescheid seiner Ehefrau für das Veranlagungsjahr 1995 rechtzeitig vorgelegt, ein Beitragszuschuß in der gezahlten Höhe tatsächlich zugestanden hätte (was hier, wie noch zu zeigen ≪s dazu unten 4a≫, der Fall ist). Der Senat hat bereits im zitierten Urteil vom 17. August 2000 – B 10 LW 8/00 R – im einzelnen begründet, warum die in § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG angeordnete Folge des Ruhens des Anspruchs auf Beitragszuschuß bei nicht rechtzeitiger Vorlage des jeweils zeitnächsten Einkommensteuerbescheides auch insoweit gerechtfertigt ist, als dem Versicherten der ihm gezahlte – oder gar ein höherer – Beitragszuschuß auch auf der Grundlage des maßgebenden, der Alterskasse jedoch nicht bekannten Einkommensteuerbescheides zugestanden hätte. Es ist insoweit auf die Ausführungen zu II 1 der Gründe des Senatsurteils vom 17. August 2000 aaO (insbesondere S 7) hinzuweisen.
(3)
Die Vorlagepflicht des Klägers erstreckt sich auch auf den Einkommensteuerbescheid seiner Ehefrau. Dies folgt zunächst aus dem Konzept für die Einkommensfeststellung in § 32 ALG. Danach wird das jährliche Einkommen unter Einbeziehung des Jahreseinkommens des – nicht dauernd vom Landwirt getrennt lebenden – Ehegatten ermittelt (§ 32 Abs 2 Satz 1 ALG). Maßgeblich sind die positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 Einkommensteuergesetz (§ 32 Abs 3 Satz 3 Nr 1 ALG), wie sie sich aus dem sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden Einkommensteuerbescheid ergeben (§ 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG). Wie vom SG zutreffend ausgeführt, hat der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 8. Oktober 1998, SozR 3-5868 § 32 Nr 2 entschieden, daß bei der Berechnung von Beitragszuschuß auch das Einkommen anzurechnen ist, das der Ehegatte des Landwirts noch vor der Eheschließung bezogen hatte. Damit ist klargestellt, daß „der Einkommensteuerbescheid”, den der Kläger nach § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 ALG der landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) vorzulegen hat, begrifflich auch einen Bescheid umfaßt, der allein an seine Ehefrau für Zeiten vor der Eheschließung ergangen ist.
Soweit – wie oben unter (1b) dargelegt – der Ruhenstatbestand ein Verschulden des Betroffenen voraussetzt, erstreckt sich dieses auch auf die Verpflichtung, jeden maßgeblichen Einkommensteuerbescheid der Ehefrau vorzulegen (zum maßgeblichen Verschuldensbegriff vgl Senatsurteil vom 17. August 2000 – B 10 LW 22/99 R – S 7 der Gründe, mwN; BSG vom 20. September 1977, BSGE 44, 264, 273). Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das SG dazu, ob der Kläger die so verstandene Vorlagepflicht verletzt hat, zwar keine Feststellungen getroffen. Aufgrund der vom SG in Bezug genommenen Verwaltungsakte der Beklagten ergibt sich dies jedoch mit hinreichender Deutlichkeit. Insbesondere ist der Kläger von der Beklagten rechtzeitig und hinreichend – mit Schreiben vom 8. Juli 1996 – auch darauf hingewiesen worden, daß sich die Vorlagepflicht auf die Einkommensteuerbescheide der Ehefrau im maßgeblichen Veranlagungszeitraum erstreckt.
An der Vorlage des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau für das Veranlagungsjahr 1995 war der Kläger – nach Lage der Akten – auch nicht gehindert. Insbesondere ist nicht festgestellt, daß die Vorlage an der Weigerung der Ehefrau gescheitert wäre, diesen Bescheid an den Kläger herauszugeben. Deshalb kann auf sich beruhen, ob die Ehefrau aus dem Gesichtspunkt der ehelichen Beistandspflicht (§ 1353 Abs 1 BGB) zur Offenlegung ihrer vorehelichen Einkommensverhältnisse dem Kläger gegenüber nicht verpflichtet war, wie das SG meint.
Hätte die Ehefrau des Klägers die Herausgabe des Einkommensteuerbescheides an den Kläger tatsächlich verweigert, so daß er zur Vorlage des Bescheides an die Beklagte tatsächlich nicht in der Lage gewesen wäre, schlösse dies das Ruhen des Beitragszuschusses dennoch nicht aus. Zur Unterlassung der Vorlage gegenüber der Beklagten wäre der Kläger bei einer solchen Weigerung seiner Ehefrau nur berechtigt gewesen, wenn er die Beklagte von diesem Sachverhalt in Kenntnis gesetzt hätte:
Die Ehefrau des Klägers wäre verpflichtet gewesen, auf Verlangen der Beklagten dieser den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid herauszugeben. Denn gemäß § 99 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB X gelten, soweit ua nach dem Recht der Sozialversicherung (hierzu gehört auch die Alterssicherung der Landwirte: § 1 Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – ≪SGB IV≫) das Einkommen oder das Vermögen von Angehörigen des Leistungsempfängers oder sonstiger Personen bei einer Sozialleistung oder ihrer Erstattung zu berücksichtigen sind, für diese Personen § 60 Abs 1 Nr 1 und 3 sowie § 65 Abs 1 SGB I entsprechend. Nach § 60 Abs 1 SGB I wiederum hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, ua (aaO Nr 1) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen sowie (aaO Nr 3) Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die Vorlagepflicht sowohl des Landwirts (§ 60 Abs 1 SGB I in direkter Anwendung) als auch seines Ehegatten (§ 60 Abs 1 SGB I iVm § 99 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB X) umfaßt mit der Verpflichtung, auf Verlangen der LAK „Beweisurkunden” vorzulegen, auch die für die Berechnung des Beitragszuschusses maßgeblichen Einkommensteuerbescheide über Veranlagungszeiträume vor der Eheschließung. Damit werden die bürgerlich-rechtlichen Auskunftspflichten der Eheleute im Anwendungsbereich der Bestimmungen über den Beitragszuschuß durch öffentlich-rechtliche Pflichten überlagert.
Hieraus ergibt sich zwar keine Pflicht des Ehegatten zur Herausgabe entsprechender Bescheide an den Landwirt – zur Weitergabe an die LAK –. Wenn sein Ehegatte ihm die Herausgabe des vorzulegenden Bescheides verweigert, ist der Landwirt indessen verpflichtet, die LAK davon zu unterrichten (vgl grundlegend zu den Obliegenheiten der Versicherten im Sozialrechtsverhältnis nur BSG vom 8. Februar 2000, BSGE 85, 271, 276, Arbeitsunfähigkeitsmeldung; 26. März 1998, SozR 3-4100 § 119 Nr 14 S 55, 58 f, Vermeidung des Eintritts der Arbeitslosigkeit, mwN). Die Pflicht zur Unterrichtung tritt an die Stelle der Vorlagepflicht, wenn dem Versicherten die Erfüllung seiner Pflicht in solchen Fällen subjektiv unmöglich ist. Die LAK wird dann in den Stand gesetzt, ihrerseits vom Ehegatten auf der Grundlage der vorgenannten Bestimmungen die Vorlage des Einkommensteuerbescheides zu verlangen. Ohne Unterrichtung durch den Landwirt hat die LAK jedoch keine Veranlassung, sich an den Ehegatten zu wenden. So auch im vorliegenden Fall: Nachdem der Kläger im Jahre 1996 die Einkommensteuerbescheide seiner Ehefrau für das Veranlagungsjahr 1994 vorgelegt hatte (und den für 1993 noch nachgereicht, obwohl für den Beitragszuschuß nicht erforderlich), konnte die Beklagte darauf vertrauen, daß er seiner Vorlageverpflichtung auch in der Zukunft nachkommen würde.
(4)
Hinsichtlich des hier streitigen Jahres 1998 erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.
(a) Auch nach dem erhöhten Einkommen der Ehefrau des Klägers ergibt sich keine Änderung des Beitragszuschusses für das Jahr 1998. Soweit statt DM 28.257 außerlandwirtschaftliches Einkommen (gemäß Einkommensteuerbescheid für 1994, wie dem Bescheid vom 13. Januar 1998 zugrunde gelegt), nunmehr aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 1995 DM 29.732 außerlandwirtschaftliches Einkommen der Ehefrau zugrunde zu legen ist, ergibt sich keine Änderung der Beitragszuschußklasse (Beitragszuschuß DM 139 bei Einkommen zwischen DM 27.001 und DM 28.000), da das anzurechnende hälftige Einkommen sich dann auf insgesamt DM 27.971 (statt DM 27.234) beläuft. Da insoweit keine Überzahlung eingetreten ist, war der Beitragszuschuß des Klägers nicht neu festzustellen, ohne daß es einer Ermessensbetätigung bedurft hätte (s hierzu unter ≪1a≫).
(b) Da demnach dem Kläger – ohne Berücksichtigung des Ruhens – auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 1995 der Beitragszuschuß nach materiellem Recht in der gezahlten Höhe zustand, ist der angefochtene Bescheid in vollem Umfang aufzuheben, weil eine Ermessensentscheidung der Beklagten darüber fehlt, ob beim Kläger jener Teil des Beitragszuschusses voll oder nur teilweise ruht. Es ist insoweit auf die Ausführungen unter II 3 und 4 des Senatsurteils vom 17. August 2000 – B 10 LW 8/00 R – zu verweisen. Besondere Gesichtspunkte des Einzelfalles für die Ermessensausübung der Beklagten bei erneuter Bescheiderteilung sind nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 600150 |
SozR 3-5868 § 32, Nr. 9 |