Leitsatz (redaktionell)
1. Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen besonderer beruflicher Betroffenheit eines landwirtschaftlichen Gehilfen.
2. Das 1. NOG KOV hat hinsichtlich des besonderen beruflichen Betroffenseins iS des BVG § 30 jedenfalls insoweit keine Änderung der Rechtslage gebracht, als die bisherigen Verwaltungsvorschriften in den Wortlaut des Gesetzes übernommen wurden.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1960-06-27, Abs. 1 S. 3 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Schleswig vom 4. Juni 1959 und des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Januar 1959 aufgehoben.
Unter Abänderung des Bescheides des Versorgungsamts Flensburg vom 9. September 1958 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1958 wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. November 1958 an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v. H. weiter zu zahlen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der am 9. April 1922 geborene Kläger arbeitete nach seiner Schulentlassung vom Jahre 1937 bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst (1. Oktober 1941) als landwirtschaftlicher Gehilfe. Nach dem Kriege überließ ihm seine Schwester eine 40 ar große Landstelle.
Wegen einer während des Kriegsdienstes entstandenen offenen Lungentuberkulose erhielt der Kläger vom Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt Kiel mit Bescheid vom 9. Juni 1943 Versehrtengeld und Pflegezulage; später gewährte ihm die Landesversicherungsanstalt Schleswig mit Bescheid vom 1. September 1947 wegen "beiderseitiger Lungentuberkulose und Pneumothorax links" Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. Auf Grund einer fachärztlichen Untersuchung vom 12. September 1950 erteilte das Versorgungsamt (VersorgA) Flensburg den Umanerkennungsbescheid vom 17. April 1951, mit dem es bei dem Kläger eine Obergeschoßtuberkulose mit Brustfellschwarte und einen Rippendefekt rechts als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannte und Rente nach einer MdE um 50 v. H. weiterzahlte. Nach mehreren Nachuntersuchungen in den Jahren 1953 und 1956 erklärte Prof. Dr. V in seinem Gutachten vom 10. Juni 1958, daß röntgenologisch der Lungenbefund dem des Jahres 1953 entspreche. Da der Lungenbefund 5 Jahre stationär geblieben und der körperliche Zustand des Klägers im übrigen gut sei, betrage die MdE nur noch 30 v. H. Daraufhin stellte das VersorgA Flensburg die Rente mit Bescheid vom 9. September 1958 nach § 62 BVG neu fest und gewährte dem Kläger wegen der nunmehr als Schädigungsfolge anerkannten "doppelseitigen indurativen cirrh . Oberfeldtuberkulose mit Brustfellschwarte und Rippendefekt rechts" vom 1. November 1958 an Rente nach einer MdE um 30 v. H.
Dem Widerspruch des Klägers, in dem er besonders darauf hinwies, daß er körperlich schwere Arbeiten nicht mehr verrichten könne, half das Landesversorgungsamt nicht ab (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1958).
Im Klageverfahren hat der Kläger die Weiterzahlung der Rente nach einer MdE um 50 v. H. beantragt. Das Sozialgericht (SG) Schleswig hat nach Anhörung eines Terminsarztes mit Urteil vom 19. Januar 1959 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Versorgungsbehörde zur Zahlung einer Rente nach einer MdE um 40 v. H. ab 1. November 1958 verurteilt, ohne jedoch den darüber hinausgehenden, vom Kläger geltend gemachten Anspruch abzuweisen. Das SG hat den Standpunkt vertreten, daß zwar die MdE durch die anerkannten Schädigungsfolgen im allgemeinen Erwerbsleben 30 v. H. betrage, jedoch sei der Kläger in seinem Beruf als landwirtschaftlicher Gehilfe besonders betroffen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Das LSG hat beim Amt Viöl eine Auskunft über die vom Kläger noch verrichteten landwirtschaftlichen Arbeit en eingeholt. Dieses Amt hat am 21. Mai 1959 im wesentlichen mitgeteilt, daß der Kläger neben der Beschäftigung auf der eigenen Landstelle gelegentlich Beschäftigung in dem Betrieb des Thomas H, S., Norstedt finde; teilweise erfolgten diese Arbeiten als Gegenleistung für ausgeliehenes Gespann und Geräte. Der Kläger verrichte nur leichte Arbeiten, die täglich auf einem Betriebe von 50 ha anfielen.
Nach Anhörung des Terminsarztes Dr. Dr. H im Termin vom 4. Juni 1959, der ausführte, daß der Kläger zusätzlich durch eine von der 9. bis zur 11. Rippe reichende, noch nicht reizlose 17 cm lange und 4 cm breite, tief eingezogene Operationsnarbe behindert und dadurch die MdE insgesamt auf 40 v. H. zu schätzen sei, hat das LSG mit Urteil vom 4. Juni 1959 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Schleswig vom 19. Januar 1959 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage abgewiesen wird, soweit das SG ihr nicht stattgegeben hat.
Das LSG hat ausgeführt, daß der Kläger durch das Urteil des SG beschwert sei; dieses sei zwar nicht aus dem Urteilstenor, aber aus den Entscheidungsgründen ersichtlich, denn das SG habe den Rentenanspruch des Klägers, soweit er auf eine höhere Rente als die nach einer MdE um 40 v. H. gewährt war, als unbegründet angesehen. Im Ergebnis sei die Entscheidung des SG zutreffend, da sich die Verhältnisse gegenüber der Bescheiderteilung vom 17. April 1951 wesentlich i. S. des § 62 BVG geändert hätten. Der Kläger sei im Oktober 1954 aus der Tuberkuloseüberwachung entlassen worden und bestreite auch nicht, daß er unter der Lungentuberkulose nicht mehr wesentlich zu leiden habe. Er gebe vielmehr zu, daß er seit Jahren wieder in der Landwirtschaft arbeite. Die Auskunft des Amtes Viöl und die beschwielten, durch Handarbeit gekennzeichneten Hände des Klägers machten eine fortgesetzte körperliche Arbeit wahrscheinlich. Wegen der Folgen der Lungentuberkulose sei der Kläger um 30 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Prof. Dr. V und der vom SG gehörte Terminsarzt hätten jedoch bei der von ihnen bezeichneten Höhe der MdE die von Dr. Dr. H beschriebene, tief eingezogene und teilweise empfindliche breite Narbe am Brustkorb rechts unberücksichtigt gelassen. Da der Kläger auch durch diese Narbe bei der Arbeit behindert werde und nicht mehr in der Lage sei, schwere körperliche Arbeiten zu verrichten, müsse die Höhe der MdE mit 40 v. H. bemessen werden.
Die vom Kläger geltend gemachte Rente nach einer MdE um 50 v. H. sei auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 30 Abs. 1 BVG nicht begründet. Dabei verkenne das LSG nicht, daß der Kläger durch die Lungentuberkulose und ihre Folgen schwer geschädigt und außerstande sei, alle mit der Arbeit in der Landwirtschaft verbundenen, insbesondere schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Der Kläger weise glaubhaft darauf hin, daß er nur leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten könne, in der schlechten Jahreszeit für Außenarbeiten ganz ausfalle, deshalb nicht laufend beschäftigt sei und nur geringe Lohneinnahmen habe. Dadurch werde zwar das jährliche Lohneinkommen und infolgedessen auch die Höhe der späteren Rente aus der Sozialversicherung beeinflußt; diese Folgen seien jedoch nicht nach § 30 BVG zu berücksichtigen. Danach komme es entscheidend auf die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben an (BSG 10, 69). Von einer wesentlichen Beeinträchtigung i. S. der anzuwendenden Vorschrift könne beim Kläger deshalb nicht gesprochen werden, weil er infolge der Schädigung keinen sozialen Abstieg erfahren habe, vielmehr nach wie vor der Schädigung in seinem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb und zusätzlich als Landarbeiter tätig sei. Durch diese Arbeiten habe er auch seinen Lebensunterhalt bestritten. Die zuerkannte Rente nach einer MdE um 40 v. H. berücksichtige daher die gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers wie auch ihre Auswirkungen in bezug auf das allgemeine Erwerbsleben angemessen und ausreichend.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses, ihm am 9. Juli 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15. Juli 1959, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 16. Juli 1959, Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des LSG Schleswig vom 4. Juni 1959 und des SG Schleswig vom 19. Januar 1959 (S 15 V 433/58) sowie der Bescheide des Beklagten vom 9. September 1958 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 1958 nach dem Klageantrag zu erkennen,
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Schleswig zurückzuverweisen,
ferner,
dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Der Kläger hat seine Revision mit Schriftsatz vom 6. Oktober 1959, der innerhalb der vom Vorsitzenden bis zum 9. Oktober 1959 verlängerten Revisionsbegründungsfrist, nämlich am 8. Oktober 1959, beim BSG eingegangen ist, begründet. Er rügt die Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie die Verletzung materiellen Rechts durch das LSG, insbesondere die Verletzung des § 30 BVG.
Er trägt hierzu vor, daß es ihm unverständlich sei, wieso das LSG seine Entscheidung auf die des BSG vom 11. Juni 1959 (BSG 10, 69) stütze, da die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze über die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 1 BVG bei richtiger Anwendung dieser Vorschrift durch das LSG ein für den Kläger positives Urteil hätte ergeben müssen. Er sei von Beruf landwirtschaftlicher Gehilfe und gehöre damit einer qualifizierten Berufsgruppe an. Als solcher habe er bis zu seiner Einberufung im Oktober 1941 gearbeitet. Nach dem Kriege habe er wegen seiner anerkannten Schädigung nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten können und lebe im wesentlichen von den Erträgnissen einer kleinen Landstelle in Größe von 40 ar und der Versorgungsrente. Die Auffassung des LSG, daß von einer wesentlichen Beeinträchtigung i. S. des § 30 Abs. 1 BVG deshalb nicht gesprochen werden könne, weil der Kläger infolge der Schädigung keinen sozialen Abstieg erfahren habe, vielmehr nach wie vor der Schädigung nicht nur in seiner eigenen Landwirtschaft, sondern auch als Landarbeiter tätig gewesen sei und durch diese Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestritten habe, beruhe auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts und fehlerhafter Würdigung des Akteninhalts. Das LSG habe das Recht der freien Beweiswürdigung überschritten, als es der Auskunft des Amtes Viöl vom 21. Mai 1959 eine Erklärung entnommen habe, die nach ihrem Wortlaut gar nicht in ihr enthalten gewesen sei. Durch seine irrige Auffassung über den Inhalt der Erklärung habe das LSG einen irrigen Schluß auf den tatsächlich gegebenen Sachverhalt gezogen. Tatsächlich werde die kleine eigene Landstelle, soweit es sich um die landwirtschaftlichen Hauptarbeiten handele, von der Ehefrau des Klägers bewirtschaftet und bearbeitet. In diesem Zusammenhang hätte berücksichtigt werden müssen, daß eine Landstelle dieser Größenordnung keine Existenzgrundlage abgebe und man vielmehr nur von einer Nebenerwerbssiedlerstelle sprechen könne; denn bei einer genutzten Fläche von 40 ar könne man nur mit einer jährlichen Roheinnahme von DM 100.- rechnen. Er, der Kläger, sei auch nicht mehr nach dem Kriege als landwirtschaftlicher Gehilfe oder Arbeiter tätig gewesen. Aus der Auskunft des Amtes Viöl vom 21. Mai 1959 ergebe sich nur, daß er mit gelegentlichen Arbeiten leichter Art - Eggen mit Pferden, Reparaturen an Feldeinzäunungen u. dergl. - im Betriebe des Th. H beschäftigt worden sei und er dafür als Gegenleistung zur Bearbeitung seiner eigenen Landstelle landwirtschaftliche Geräte leihweise erhalten habe. Umfang und Ausmaß dieser gelegentlichen Tätigkeit rechtfertigten jedoch in keiner Weise die Annahme des LSG, er könne den Beruf des Landarbeiters noch voll ausüben. Hätte das LSG, wie es im vorliegenden Fall erforderlich gewesen wäre, zu dieser Frage den Inhaber des Betriebes H in S. selbst gehört, so hätte sich ergeben, daß dort keine Lohnunterlagen für den Kläger geführt würden.
Weiterhin führt der Kläger aus, daß unzweifelhaft die MdE in Höhe von 40 v. H. bei der anerkannten Schädigungsfolge nur den medizinisch feststellbaren Umfang der Gesundheitsstörungen beinhalte. Wenn auch die Frage der beruflichen Beeinträchtigung i. S. des § 30 Abs. 1 BVG in erster Linie vom Gericht zu beantworten gewesen sei, so hätte sich das LSG gedrängt fühlen müssen, den in der letzten mündlichen Verhandlung gehörten Sachverständigen Dr. Dr. H darüber zu befragen, ob der heute noch bestehende objektive Befund die fortlaufende Ausübung des Landarbeiterberufes zulasse. Es bestehe kein Zweifel, daß der Gutachter diese Frage aus rein medizinischen Gesichtspunkten verneint hätte.
Weiterhin hätte das LSG nach Auffassung des Klägers Ermittlungen über seine Einkommensverhältnisse anstellen müssen. Während der Landarbeiterlohn in Schleswig-Holstein wöchentlich rund DM 70.- betrage, stehe dem Kläger nur die Roheinnahme aus seiner kleinen Landstelle mit DM 100.- jährlich zur Verfügung. Schon daraus ergebe sich ein erheblicher wirtschaftlicher und sozialer Abstieg i. S. des § 30 Abs. 1 BVG.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß die gerügten wesentlichen Mängel des Verfahrens nicht vorliegen und das LSG auch nicht materielles Recht, insbesondere den § 30 BVG verletzt habe. Er führt hierzu aus, nicht jeder Beschädigte, der in der Ausübung seines Berufes durch die Art der Schädigungsfolgen betroffen werde, habe ohne weiteres einen Anspruch auf Erhöhung seiner MdE. Auch die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erfasse begrifflich schon eine Beeinträchtigung im Beruf und schließe damit eine Verdiensteinbuße mit ein.
Ein Beschädigter sei in seinem Beruf nur dann besonders betroffen, wenn zu der in jeder Festsetzung, der MdE bereits eingeschlossenen Beeinträchtigung des Beschädigten im allgemeinen Erwerbsleben noch eine darüber hinausgehende, den Beschädigten in seinem speziellen Beruf noch besonders hart treffende Beeinträchtigung hinzutrete. Mit Recht werde daher gefordert, daß es sich um einen Beruf mit Spezialausbildung oder mit besonderem wirtschaftlichen Niveau handeln müsse, wenn er im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG Berücksichtigung finden solle. Es komme bei Handarbeitern also darauf an, ob der ausgeübte Beruf des Handwerkers oder Handarbeiters eine besondere Fähigkeit und Geschicklichkeit erfordere und ob gerade diese infolge der Schädigung nicht mehr angewandt werden könne. Bei Landwirten entfalle diese Voraussetzung, da die Arbeit des Landwirtes der Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsfeld entspreche.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die somit zulässige Revision (§§ 164, 166 SGG) ist auch begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine höhere Rente als nach einer MdE um 40 v. H. zusteht, weil er durch die nach dem BVG anerkannten Schädigungsfolgen in seinem Beruf als landwirtschaftlicher Gehilfe besonders betroffen ist. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger durch die beiderseitige indurative cirrhotische Oberfeldtuberkulose mit Brustfellschwarte rechts, einem Rippendefekt rechts sowie der tief eingezogenen Narbe auf dem Brustkorb rechts in seiner Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben um 40 v. H. gemindert. Gegen diese Feststellung sind keine begründeten Revisionsgründe (§ 163 SGG) erhoben, so daß sie für das BSG bindend ist. Ob der Kläger darüber hinaus Anspruch auf eine höhere Rente hat, weil die Folgen der Schädigung ihn in seinem Beruf als landwirtschaftlicher Gehilfe besonders treffen, richtet sich nach § 30 BVG.
Das LSG ist bei seiner Entscheidung offensichtlich von der Fassung des § 30 BVG ausgegangen, die diese Vorschrift durch das 5. Änderungsgesetz vom 6. Juni 1956 erhalten hatte und die z. Zt. der Entscheidung des LSG in Kraft war. Nachträglich ist diese Vorschrift durch das 1. Neuordnungsgesetz (NOG) vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453 - neu gefaßt worden. Das Revisionsgericht hat von dem im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Recht auszugehen, wenn sich nach Erlaß eines Verwaltungsakts das für das Rechtsverhältnis maßgebende Recht ändert und der Verwaltungsakt mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (Feststellungsklage) angegriffen wird (BSG 2, 188, 192; 3, 95, 103; 5, 242; BGHZ 9, 101 ff; BVerwG 1, 291; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 140 III 4 S. 705 mit weiteren Hinweisen; Bachoff, JZ 1954 S. 416 ff und BSG 11. Senat vom 16. März 1962, 11 RV 634/59). Die Rechtslage hat sich jedoch durch die Neufassungen des § 30 BVG nicht geändert, denn die Neufassungen des § 30 BVG, insbesondere durch das NOG stellen nur eine Auslegung der ursprünglichen Fassung dieser Vorschrift dar, jedenfalls soweit im vorliegenden Fall die Anwendung des § 30 BVG in Frage kommt und ohne daß die Frage entschieden zu werden braucht, ob durch die Einfügung des Wortes "derzeitigen" in die Fassung des Abs. 2 (durch das NOG) diese Vorschrift eine Erweiterung zugunsten der Beschädigten erfahren hat. Dies geht besonders daraus hervor, daß nunmehr lediglich ein Teil der Verwaltungsvorschriften neu in den Wortlaut des Gesetzes aufgenommen worden ist und damit die Auslegung, welche die Vorschrift ohnehin schon durch die Verwaltung erfahren hatte, allgemeine verbindliche Gesetzeskraft erlangt hat (BSG 13, 20. 22; Wilke in KOV 1956 S. 1). Zweck der verschiedenen Fassungen ist es, sicherzustellen, daß im Einzelfall die Art der Schädigungsfolgen auch bei einem Beschädigten, der seinen vor der Schädigung ausgeübten Beruf weiter ausübt, dann besonders berücksichtigt wird, wenn die Bewertung der Körperschäden nach allgemeinen Grundsätzen, also im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben, nicht ausreicht, um die Nachteile auszugleichen, die dem Beschädigten aus der Schädigung in dem ausgeübten Beruf erwachsen sind (BSG 10, 69; 12, 212; 13, 20; BSG in BVBl 1960 S. 51; Wilke, BVG 1960 Anm. 2 a zu § 30; van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, 4. Teil S. 17). Eine Benachteiligung im Beruf kann dabei - allgemein gesehen - aus den verschiedensten Gründen gegeben sein.
Im vorliegenden Fall hat das LSG festgestellt, daß der Kläger vor seiner Einberufung im Jahre 1940 landwirtschaftlicher Gehilfe gewesen ist und diesen Beruf seit der Schulentlassung auch ausgeübt hat. Wenn der Beklagte ausführt, daß die besondere Berücksichtigung des Berufes bei der Feststellung des Grades der MdE nur dann in Betracht kommt, wenn der Beschädigte einen in seiner Art qualifizierten Beruf ausgeübt hat, so schränkt er damit die Voraussetzungen, wie sie im § 30 BVG niedergelegt sind, für die Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Gehilfen in nicht zulässiger Weise ein. Unter einem Beruf im Sinne dieser Vorschrift ist jede Beschäftigung zu verstehen, die der Beschädigte erlernt hat oder für die er in irgendeiner Weise angelernt ist (BSG 10, 69, 71). In diesem Sinne ist die Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit als landwirtschaftlicher Gehilfe (Landarbeiter) als Beruf im Sinne des § 30 BVG anzusehen. Diese Tätigkeit verlangt nämlich bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten, ohne die eine sachgemäße Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten nicht möglich ist. Da der Kläger somit einen Beruf i. S. des § 30 BVG vor dem Eintritt der Schädigungsfolgen ausgeübt hat, ist dieser bei der Bemessung des Grades der MdE zu berücksichtigen und führt zu einer höheren Bewertung der MdE, sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 30 BVG vorliegen. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger auf Grund der Lungentuberkulose nicht in der Lage ist, alle mit der Arbeit in der Landwirtschaft verbundenen, insbesondere schwere körperliche Arbeiten zu verrichten, er also durch die Schädigungsfolgen nur leichte und mittelschwere Arbeiten ausführen kann und in der schlechten Jahreszeit für Außenarbeiten ganz ausfällt. Seiner Auffassung nach sind jedoch diese Folgen nach § 30 Abs. 1 BVG aF nicht zu berücksichtigen. Da der Kläger keinen weiteren Abstieg erfahren habe, sei die durch die Schädigungsfolgen bedingte körperliche Beeinträchtigung des Klägers in seiner Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben mit 40 v. H. ausreichend und angemessen berücksichtigt. Das LSG hat hierbei - wie der Kläger mit Recht rügt - § 30 BVG nicht richtig angewandt.
Nach § 30 Abs. 2 BVG in der jetzt gültigen Fassung - ebenso wie nach der alten Fassung dieser Vorschrift (§ 30 Abs. 1) in der Auslegung, die sie durch die Rechtsprechung erfahren hat - ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten, begonnenen (derzeitigen) oder nachweislich angestrebten Beruf besonders betroffen ist. Der Beschädigte ist besonders betroffen, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann (§ 30 Abs. 2 Buchst. a BVG) oder zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist (§ 30 Abs. 2 Buchst. b BVG) oder infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist (§ 30 Abs. 2 Buchst. c BVG).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Höhe des jetzt noch durch den Kläger erzielbaren Lohneinkommens von Bedeutung für die Anwendung des § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG sein kann, nämlich für die Frage, ob der Kläger einen sozialen Abstieg erlitten hat und ob der Kläger seinen vor der Schädigung ausgeübten Beruf nicht mehr ausübt. Die insoweit erhobene Rüge des Klägers der Verletzung des § 103 SGG, das LSG hätte wegen der Höhe der erzielbaren Einkünfte noch Beweis erheben müssen, bedarf somit keiner Erörterung, weil die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG erfüllt sind.
Bei der Beurteilung, ob ein Beschädigter in seinem Beruf besonders betroffen ist, stellt es § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG ausdrücklich darauf ab, ob der seinen früheren Beruf noch ausübende Beschädigte durch die Art seiner Schädigung in einem höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist. Es kommt also darauf an, in welchem Umfange der Beschädigte durch die Schädigungsfolgen im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist (§ 30 Abs. 1 BVG) und ob die Art seiner Beschädigung ihn zusätzlich in seinem von ihm noch ausgeübten Beruf in einem höheren Grade in seiner Erwerbsfähigkeit mindert. Demnach kommt es zunächst darauf an, welche MdE durch die Schädigungsfolge im allgemeinen Erwerbsleben eingetreten ist und sodann, ob durch die Art der Schädigung in dem betreffenden Beruf ein wesentlich höherer Grad der MdE gegeben ist. Der Kläger ist nach den bindenden Feststellungen des LSG durch die Schädigungsfolgen im allgemeinen Erwerbsleben um 40 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Er kann alle schweren körperlichen Arbeiten und Arbeiten im Freien bei schlechter Witterung durch die Art seiner Schädigung nicht mehr ausüben, ist also demnach nur noch fähig, leichte bis mittelschwere Arbeiten und diese im wesentlichen auch nur in geschlossenen Räumen auszuführen. Eine solche körperliche Beeinträchtigung mindert den Kläger nach der Auffassung des Senats durch die Art seiner Schädigung in seinem Beruf in einem erheblich höherem Grade als im allgemeinen Erwerbsleben.
Im allgemeinen Erwerbsleben, das nach § 30 Abs. 1 BVG regelmäßig die Grundlage für die Bemessung der Höhe der MdE bildet, werden so schwere körperliche Arbeiten, wie sie in der Landwirtschaft regelmäßig anfallen, insbesondere schwere Arbeiten bei jeder Witterung im Freien, infolge weitgehender Automation und der Technisierung und Rationalisierung, die heute in den Betrieben schon wegen des allgemeinen Kräftemangels weitgehend durchgeführt sind, schlechthin nicht gefordert. Ein Beschädigter, der durch die Schädigungsfolgen im allgemeinen Erwerbsleben - wie der Kläger - um 40 v. H. erwerbsgemindert ist, muß daher in seinem Beruf in höherem Maße erwerbsgemindert sein, wenn er die in seinem Beruf schlechthin geforderten schweren körperlichen Arbeiten, dazu bei jeder Witterung im Freien, nicht verrichten kann, dagegen eine Tätigkeit im allgemeinen Erwerbsleben im Rahmen der technisierten Wirtschaft auch noch durch Arbeiten mittlerer und leichter Art ausüben kann. Demnach reicht die für die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben festgesetzte MdE um 40 v. H. nicht aus, um die besonderen Nachteile, die durch die Art der Schädigung in dem Beruf des Klägers bedingt sind, auszugleichen. Der Kläger ist daher i. S. des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG in seinem Beruf in einem höheren Grade durch die Art der Schädigung erwerbsgemindert, als im allgemeinen Erwerbsleben. Da das LSG insoweit § 30 BVG verkannt hat, ist die Revision begründet.
Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da einerseits der Kläger beantragt hat, ihm eine Rente nach einer MdE um 50 v. H. vom Zeitpunkt der Herabsetzung, dem 1. November 1958 an, zu gewähren, er andererseits im allgemeinen Erwerbsleben um 40 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist und bei Zuerkennung der beruflichen Schädigung i. S. des § 30 Abs. 2 BVG die MdE mindestens um 10 v. H. erhöht werden muß, war der Beklagte zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 50 v. H. zu verurteilen, ohne daß im Einzelnen in tatsächlicher Beziehung die Höhe der durch den Berufsschaden bedingten MdE festgestellt zu werden brauchte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen