Leitsatz (amtlich)

1. Der Streit zwischen einer KK (RVO § 225) und einer Ersatzkasse über die Berechtigung Versicherungspflichtiger, unter Befreiung von der Mitgliedschaft in der KK Mitglied der Ersatzkasse zu werden (RVO § 517), ist nicht durch Anfechtung der nach RVO § 518 erteilten Bescheinigung, sondern im Wege der Feststellungsklage auszutragen.

2. Eine Befugnis der Einzugsstelle iS von RVO § 1399 (AVG § 121), neben dem zuständigen Rentenversicherungsträger auch den zuständigen Krankenversicherungsträger mit bindender Wirkung gegenüber den in Betracht kommenden KK zu bestimmen, besteht nicht.

3. Rettungssanitäter, die sich einer Ausbildung und Prüfung auf dem Gebiet der Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten sowie anderer Verletzter, Kranker oder sonstiger hilfsbedürftiger Personen unter besonderer Berücksichtigung der Reanimation unterzogen haben, üben zwar nicht einen Beruf der Krankenpflege iS von RVO § 165b Abs 1 Nr 6 aus, sind aber nach dem Gesamtgepräge ihrer Tätigkeit Angestellte iS von RVO § 165 Abs 1 Nr 2 und § 165b Abs 1.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das legitime Interesse eines als Ersatzkasse zugelassenen Versicherungsträgers, dessen Mitglieder - Angestellte - aus dem Kreis der versicherungspflichtigen Mitglieder der sogenannten Regelkassen (RVO § 225) kommen (vgl RVO § 517 Abs 1), ist zwangsläufig auf den gesamten Kreis der versicherungspflichtigen Angestellten gerichtet und auch davon bestimmt, den Mitgliederkreis im Interesse möglichst weiter Verteilung des Versicherungsrisikos nicht einzuengen.

2. In dem von sich ständig wandelnden Berufsbildern gekennzeichneten Arbeitsleben wäre es auch unter dem Gesichtspunkt einer leistungsfähigen Versicherungsgemeinschaft nicht sinnvoll, den Kreis der Versicherten ungeachtet dieser Bewegungen auf den zu irgendeinem Zeitpunkt erreichten Stand festschreiben zu wollen. In diesem Sinne hat das BSG in ständiger Rechtsprechung die Befugnis der Ersatzkassen anerkannt, ihren Mitgliederkreis sogar durch Satzungsänderungen an die wirtschaftlich-technische Entwicklung anzupassen.

 

Normenkette

SGG § 54 Fassung: 1953-09-03, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21, § 165b Abs. 1 Fassung: 1945-03-17, § 517 Fassung: 1924-12-15, § 518 Fassung: 1930-07-26, §§ 225, 1399 Fassung: 1957-02-23; AVG § 121 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.10.1976; Aktenzeichen L 5 K 8/76)

SG Speyer (Entscheidung vom 20.01.1976; Aktenzeichen S 3 K 43/74)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Oktober 1976 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat den Beigeladenen zu 3. bis 7. auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beigeladenen fünf Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Kreisverband N, seit dem Bestehen ihrer Abschlußprüfungen in der Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten berechtigt sind, Mitglieder einer Angestellten-Ersatzkasse zu werden.

Bis zum 31. Juli 1974 waren die fünf Rettungssanitäter bei der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) pflichtversichert. In der Zeit zwischen September 1973 und Juni 1974 wiesen sie vor der zuständigen Prüfungskommission Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten sowie anderer Verletzter, Kranker oder sonstiger hilfsbedürftiger Personen - unter besonderer Berücksichtigung der Reanimation - nach, bestanden die Abschlußprüfung und traten nunmehr mit Wirkung vom 1. August 1974 der beklagten Ersatzkasse bei; zugleich meldete sie der DRK-Kreisverband bei der Klägerin ab.

Mit der Feststellungsklage hat die Klägerin begehrt, die von der Beklagten aufgrund des § 518 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erteilten Mitgliedschaftsbescheinigungen aufzuheben. Sie hat die Rettungssanitäter trotz besonderer Ausbildung und erweiterten Tätigkeitsfeldes sozialversicherungsrechtlich weiterhin als Arbeiter beurteilt.

Das Sozialgericht (SG) Speyer hat die Klage durch Urteil vom 20. Januar 1976 abgewiesen. Es ist im Anschluß an BSGE 19, 178 von einer Anfechtungsklage gegen die nach § 518 RVO ausgestellten Bescheinigungen ausgegangen, die es für unbegründet erachtet hat.

Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 29. Oktober 1976 zurückgewiesen. Es hat die rechtliche Beurteilung der Sache durch das SG bestätigt.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe § 5 Abs 1 Buchst a der Satzung der Beklagten und § 3 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) verletzt. Der Angestelltenbegriff in der Satzung der Beklagten sei enger auszulegen als derjenige des AVG, weil die Satzung - anders als das AVG - keine Aufzählung enthalte, welche Berufsangehörigen "insbesondere" zu den Angestellten gehören, und sich deshalb nur auf herkömmliche Angestelltentätigkeiten im Büro- und Behördendienst beziehe. Aber selbst bei Identität beider Angestelltenbegriffe fielen die Rettungssanitäter nicht darunter. Sie seien hauptsächlich mit Transportaufgaben befaßt und deshalb nicht zu den Angestellten in einem Beruf der Krankenpflege im Sinne von § 3 Abs 1 Nr 6 AVG zu rechnen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Oktober 1976 und das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 20. Januar 1976 aufzuheben und festzustellen, daß die Beigeladenen zu 3. bis 7. über den 31. Juli 1974 hinaus Pflichtmitglieder der Klägerin geblieben sind,

hilfsweise,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.

Die Vorinstanzen sind im Anschluß an BSGE 19, 178 davon ausgegangen, daß es sich bei dem Begehren der Klägerin um eine zulässige Anfechtungsklage und eine ins Leere gehende Feststellungsklage handele. Der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG), auf dessen Entscheidung sich die Vorinstanzen gestützt haben, hat seine im 19. Band zum Ausdruck gelangte Auffassung jedoch später aufgegeben. Im Urteil vom 25. Februar 1966 - 3 RK 72/61 - (BSGE 24, 256, 258) hat er erklärt, es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, daß die auf Anfechtung der Bescheinigung der Ersatzkasse gerichtete Klage neben der das eigentliche Klageziel bildenden Klage auf Feststellung - des Bestehens der Mitgliedschaft bei der Pflichtkrankenkasse - sekundärer Natur sei. Die Anfechtungsklage brauche überhaupt nicht erhoben zu werden. Endlich hat der 3. Senat in BSGE 24, 266, 268 im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) zur Anfechtung der Genehmigung einer Satzung durch eine andere Kasse ausgeführt, weil dieser Verwaltungsakt die andere Kasse nicht binde und sie insbesondere nicht daran hindere, eine von der genehmigten Satzung abweichende Auffassung zu vertreten, bedürfe sie mangels einer sie treffenden Beschwer aus diesem Verwaltungsakt insoweit auch keiner Anfechtungsmöglichkeit. So hat auch der erkennende Senat bereits entschieden (vgl Urteil vom 13. Juli 1978 - 8/3 RK 22/77 -). Die gegen die Bescheinigung der Ersatzkasse nach § 518 RVO gerichtete Anfechtungsklage erweist sich ebenfalls mangels einer der Klägerin hieraus entstehenden Beschwer als unzulässig. Zulässig ist allein die Klage auf Feststellung des Fortbestandes der Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 3. bis 7. bei der Klägerin über den 31. Juli 1974 hinaus (§ 55 Abs 1 Nr 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Inanspruchnahme der Gerichte durch die Feststellungsklage wäre allerdings unzulässig, wenn die Klägerin die streitige Frage durch Verwaltungsakt für alle Beteiligten verbindlich regeln könnte. Das vermag sie jedoch nicht. Die Klägerin kann zwar den Beigeladenen zu 3. bis 7. gegenüber als Versicherungsträger durch Bescheid feststellen, deren Mitgliedschaft bei ihr bestehe wegen Rechtsunwirksamkeit der nach § 517 Abs 1 RVO erforderlichen Ersatzkassenmitgliedschaft fort. Sie könnte damit jedoch nicht die Beklagte binden. Eine Befugnis der Klägerin, die zwischen ihr und der Beklagten streitige Frage in für die Beklagte bindender Weise durch Bescheid zu regeln, ergibt sich auch nicht aus § 1399 RVO und § 121 AVG. Nach diesen das Beitragsverfahren der Rentenversicherung betreffenden Vorschriften entscheidet der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung als Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe; er erläßt unter Beachtung der Erklärungen des Trägers der Rentenversicherung zu Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung den erforderlichen Verwaltungsakt sowie den Widerspruchsbescheid und ist in Verfahren vor den Sozialgerichten Partei, soweit sein Verwaltungsakt angefochten wird. Die Einzugsstelle ist demnach befugt, mit Bindungswirkung für den Träger der Rentenversicherung über die Frage der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und innerhalb dieser Frage auch darüber zu befinden, ob Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten besteht. Dagegen kann aus den genannten Vorschriften nicht die Befugnis der Einzugsstelle abgeleitet werden, mit Bindung für die anderen Träger der Krankenversicherung über die Mitgliedschaft zu einem bestimmten Träger der Krankenversicherung zu entscheiden. Hätte der Gesetzgeber eine Regelung dieses Inhalts treffen wollen, so hätte es ihrer Aufnahme in den 4. Abschnitt des Buches Krankenversicherung oder - zumindest im Verhältnis zu den Ersatzkassen - in den 9. Abschnitt des Buches Krankenversicherung der RVO bedurft. Das ist jedoch nicht geschehen.

Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Feststellung wäre, daß die ursprünglich gemäß § 306 Abs 1 RVO bei ihr entstandene Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 3. bis 7. am 31. Juli 1974 nicht erloschen ist. Gerade dies ist jedoch eingetreten. Nach § 312 Abs 1 RVO erlischt die Mitgliedschaft, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Krankenkasse wird. Mitglied der Beklagten sind die Beigeladenen zu 3. bis 7. geworden, weil sie von dem ihnen durch § 517 RVO eingeräumten Beitrittsrecht wirksam Gebrauch gemacht haben.

Voraussetzung des wirksamen Beitritts zu einer Ersatzkasse ist, daß der Beitretende nach deren Satzung zu dem Personenkreis gehört, für den die Ersatzkasse zugelassen ist. Nach § 5 Abs 1 Buchst a der Satzung der Beklagten, der wegen seiner räumlichen Geltung für das gesamte Bundesgebiet revisibles Recht ist, können "Angestellte und Auszubildende zu einem Angestelltenberuf, wenn sie krankenversicherungspflichtig (§§ 165 ff RVO) sind, Mitglied der Kasse werden". Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, daß diese Satzungsbestimmung - anders als § 3 Abs 1 AVG - nicht eine beispielhafte Aufzählung zu den Angestellten gerechneter Personenkreise enthalt. Die Folgerung, deshalb könnten nur diejenigen Beschäftigten Mitglieder der Beklagten werden, die in herkömmlicher Weise eine Angestelltentätigkeit ausüben, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst bedeutet eine den unbestimmten Rechtsbegriff des Angestellten ohne Anspruch auf Vollständigkeit beispielhaft erläuternde Aufzählung im Gesetz weder eine Einschränkung noch eine Erweiterung des Begriffs an sich. Verwendet daher die Satzung der Beklagten den gleichen unbestimmten Rechtsbegriff wie die Angestelltenversicherung und die Krankenversicherung (vgl § 165 Abs 1 Nr 2 und § 165b Abs 1 RVO), so ist dies nicht ohne weiteres im Vergleich zum gesetzlichen ein engerer Angestelltenbegriff. Hätte die Satzung mit "Angestellten" nicht alle nach dem jeweils aktuellen Stand der laufenden Entwicklungen in der Berufswelt als solche zu bezeichnenden Personen, sondern nur diejenigen aufführen wollen, die in der Berufswelt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt als Angestellte angesehen worden sind, so hätten der maßgebliche Zeitpunkt und der damit gemeinte Entwicklungsstand der Berufswelt in der Satzung festgelegt werden müssen. Das ist jedoch nicht geschehen. Der Wortlaut des § 5 Abs 1 Buchst a der Satzung der Beklagten deutet vielmehr mit den Worten ..."Auszubildende für einen Angestelltenberuf" darauf hin, daß jeweils alle vorhandenen und nicht nur die herkömmlichen Angestelltenberufe gemeint sind. Es fehlen dagegen Anhaltspunkte dafür, daß gleichwohl eine Einschränkung auf die "herkömmlichen Angestelltentätigkeiten" beabsichtigt war. Das legitime Interesse eines als Ersatzkasse zugelassenen Versicherungsträgers, dessen Mitglieder - Angestellte - aus dem Kreis der versicherungspflichtigen Mitglieder der sogenannten Regelklassen (§ 225 RVO) kommen (vgl § 517 Abs 1 RVO), ist vielmehr zwangsläufig auf den gesamten Kreis der versicherungspflichtigen Angestellten gerichtet und auch davon bestimmt, den Mitgliederkreis im Interesse möglichst weiter Verteilung des Versicherungsrisikos nicht einzuengen. In dem von sich ständig wandelnden Berufsbildern gekennzeichneten Arbeitsleben wäre es schließlich auch unter dem Gesichtspunkt einer leistungsfähigen Versichertengemeinschaft nicht sinnvoll, den Kreis der Versicherten ungeachtet dieser Bewegungen auf den zu irgendeinem Zeitpunkt erreichten Stand festschreiben zu wollen. In diesem Sinne hat das BSG in ständiger Rechtsprechung die Befugnis der Ersatzkassen anerkannt, ihren Mitgliederkreis sogar durch Satzungsänderungen an die wirtschaftlich-technische Entwicklung anzupassen (BSGE 24, 266, 273; 33, 21, 26; SozR Nrn 12, 14, 17 zu § 4 der 12. AufbauVO).

Im Bereich der Krankenversicherung ist der Begriff des Angestellten von § 165 Abs 1 Nr 2 iVm § 165b RVO näher umschrieben. Eine in der Krankenversicherung das Recht der Beigeladenen zu 3. bis 7. auf Mitgliedschaft bei der Beklagten treffende Rechtsverletzung kann sich mithin nur auf diese Bestimmungen, nicht aber auf § 3 AVG beziehen. Die unzutreffende Bezeichnung der als verletzt gerügten Norm durch die Revision ist hier jedoch unschädlich (BSGE 8, 31). Nach § 165b Abs 1 Nr 6 RVO gehören zu den Angestellten insbesondere Angestellte in Berufen der Erziehung, des Unterrichts, der Fürsorge, der Kranken- und Wohlfahrtspflege. Die vom LSG vertretene Auffassung, der neu geschaffene Beruf des Rettungssanitäters sei ein Beruf der Krankenpflege in diesem Sinne, teilt der Senat nicht.

Nach der erläuternden Funktion des § 165b RVO, die eine weitgehende Konkretisierung erfordert, kann unter Krankenpflege nicht jede ihr verwandte Tätigkeit verstanden werden, die in irgendeiner Form darauf gerichtet ist oder dazu beiträgt, den Bedürfnissen der Kranken nachzukommen. So gehört einerseits die Tätigkeit des frei praktizierenden Heilpraktikers und ebenso auch die Tätigkeit des frei praktizierenden Arztes nach der Rechtsprechung des BSG nicht zur Krankenpflege im Sinne von § 2 Abs 1 Nr 6 AVG (vgl BSG SozR 2400 § 2 Nrn 4 und 5). Andererseits gehören nach dem an die Rechtsprechung des RVA anknüpfenden Urteil des BSG vom 19. Januar 1968 - 3 RK 106/64 - (SozR Nr 13 zu § 3 AVG) zur Krankenpflege nur die gehobenen Tätigkeiten innerhalb der Betreuung der Kranken, wie etwa das Fiebermessen, das Pulszählen sowie die Verabreichung von Arzneien und Spritzen nach Anweisung, nicht aber Arbeiten von untergeordneter Bedeutung, wie das Aufräumen und Reinigen der Zimmer, die Austeilung von Speisen, die Überführung der Kranken und bloße Handreichungen. Typisches Merkmal der Berufe der Krankenpflege ist mithin das über die bloße mechanische Hilfeleistung hinausgehende Tätigwerden als Hilfsperson des Arztes nach seiner generellen oder speziellen Anweisung. Dieses typische Merkmal fehlt bei den der Krankenpflege ähnlichen Hilfeleistungen der hier zu beurteilenden Rettungssanitäter. Denn ihre Tätigkeit am Einsatzort vollzieht sich im wesentlichen vor dem Eintreffen des Arztes; sie besteht darin, den ihrer Dienste bedürftigen Menschen unter Aufrechterhaltung und Stützung seiner Vitalfunktionen auf dem für ihn schonendsten und kürzesten Wege ärztlicher Behandlung und daran anschließender Krankenpflege zuzuführen. Der neue Beruf des Rettungssanitäters gehört deshalb nicht zu den vom Gesetzgeber in § 165b Abs 1 Nr 6 RVO genannten Berufen der Krankenpflege.

Zutreffend hat das LSG jedoch nach dem Landesgesetz über den Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz und den Ausführungen des Prof. Dr. F hierzu die Berechtigung der Beigeladenen zu 3. bis 7. zur Mitgliedschaft bei der Beklagten mit der Begründung bejaht, bei der Tätigkeit des Rettungssanitäters stehe - wie bei der verwandten Tätigkeit der Krankenpflege - neben der rein körperlichen Arbeitsleistung am Menschen die geistige Leistung deutlich im Vordergrund und gebe der Gesamttätigkeit das Gepräge. Ausbildung und Einsatz der Rettungssanitäter beruhen in der Tat auf der Erkenntnis, daß in den meisten Fällen nicht der schnellstmögliche Transport in das Krankenhaus und die Weiterbehandlung in der Klinik, sondern die Erstversorgung am Notfallort und die Qualität der Beförderung über Leben oder Tod der Notfallpatienten entscheiden. Die Ausbildung der Rettungssanitäter ist deshalb auf den Erwerb der Fähigkeit gerichtet, die Vitalfunktionen der Notfallpatienten beurteilen und aufrechterhalten zu können. Dies ist aber, wie auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird, eine von der rein mechanischen Tätigkeit des bloßen Patiententransportes zu unterscheidende Tätigkeit, die in der Anwendung erworbener Kenntnisse über den Ablauf der Vitalfunktionen und die Möglichkeiten ihrer Stützung, Aufrechterhaltung und erforderlichenfalls der Reanimation besteht. Es ist zwar richtig, daß die Rettungssanitäter auch in einem nicht unerheblichen Ausmaß Patiententransporte durchzuführen haben, bei denen die Vitalfunktionen des Patienten nicht in Gefahr sind. Selbst hier bedeutet jedoch die Fähigkeit, eine Gefährdung der Vitalfunktionen zu erkennen und erforderlichenfalls sofort sicher beherrschte Maßnahmen zur Stützung dieser Funktionen einleiten zu können, eine sozialversicherungsrechtlich beachtliche Qualifikation des bloßen Transportvorganges.

Vollbringt mithin der Rettungssanitäter bei seinem Einsatz sowohl bei dem in seinen Vitalfunktionen gefährdeten wie auch bei dem in diesen Funktionen nicht gefährdeten Patienten die geistige Leistung, die Vitalfunktionen zu beobachten und unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, ob verfügbare Maßnahmen zur Stützung und Aufrechterhaltung bzw Reanimation dieser Funktionen vorbereitet werden müssen oder anzuwenden sind, so erhält seine Arbeit hierdurch insgesamt das Gepräge einer überwiegend von geistiger Leistung bestimmten und gesteuerten Tätigkeit. Es kann, wie das LSG zutreffend betont hat, die Bedeutung der geistigen Tätigkeit der Rettungssanitäter bei der Beurteilung der im Einzelfall zu ergreifenden lebensrettenden Maßnahmen nicht deshalb geringer veranschlagt werden als die Tätigkeit des Krankenpflegepersonals, weil die Tätigkeit des Rettungssanitäters vor der Einlieferung des Patienten ins Krankenhaus und - das erscheint von besonderer Bedeutung - regelmäßig vor dem Einsetzen jeder ärztlichen Tätigkeit an dem Patienten erfolgen muß, woraus sich ihre besondere Verantwortung und damit auch ihr besonderes Gewicht ergibt. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von dem vom BSG bereits entschiedenen Fall der Ersten Hilfe bei Krankentransporten durch Werksfeuerwehrleute. Feststellungen zum Umfang der reinen Transporttätigkeit sind unter diesen Umständen entbehrlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1655425

BSGE, 254

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