Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermutung der Verfügbarkeit beim Arbeitslosenhilfeanspruch. Besonderheit der Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Arbeitslosengeld

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob und in welchem Umfange die Regelung der sogenannten "Nahtlosigkeit" (AFG § 103 Abs 1 S 2 Halbs 2 Nr 1, Abs 2 S 1 und 2 - Fassung: 1969-06-25 -) bei dem Anspruch auf Alhi Anwendung findet.

 

Orientierungssatz

Eine Einschränkung - "Besonderheit der Alhi gegenüber dem Anspruch auf Alg - ergibt sich aus AFG § 134 Abs 2 S 2, wonach derjenige, der nur mit Einschränkung hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit imstande ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, keinen Anspruch auf Alhi hat. Diese Vorschrift ist deshalb "als Besonderheit der Alhi" iS des AFG § 134 Abs 2 S 1 anzusehen, weil sie hinsichtlich der Verfügbarkeit eines Arbeitslosen, der nur zeitlich beschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, von der Vorschrift des AFG § 103 Abs 1 S 2 Halbs 1 abweicht, wonach Nr 1 ( des AFG § 103 Abs 1 S 1 - objektive Verfügbarkeit -) nicht hinsichtlich der Arbeit gilt. Während nach der letztgenannten Vorschrift beim Alg das Vorhandensein eines Teilzeitarbeitsmarktes nötigenfalls zugunsten des Arbeitslosen fingiert wird (vgl BSG 1979-06-19 7 RAr 12/78 = SozSich 1979, 274), ist im Rahmen der Alhi bei zeitlich beschränkter Arbeitsleistung Anspruchsvoraussetzung, daß Arbeitsplätze dieser Art in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen (vgl BSG 1977-11-22 7 RAr 53/75 = SozSich 1978, 185).

 

Normenkette

AFG § 103 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1969-06-25, S. 2 Fassung: 1969-06-25, § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1969-06-25, S. 2 Fassung: 1969-06-25, Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 25.11.1977; Aktenzeichen L 1 Ar 12/77)

SG Kiel (Entscheidung vom 04.11.1976; Aktenzeichen S 5 Ar 68/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. November 1977 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1938 geborene Kläger besitzt keine Berufsausbildung. Er war zuletzt von Juni bis Oktober 1973 als Melker tätig. Vom 10. Oktober 1973 an erhielt er für 120 Tage Arbeitslosengeld - Alg - (Bescheid vom 13. November 1973). Ab Februar 1974 bewilligte die Beklagte ihm Anschluß-Alhi (Bescheid vom 13. März 1974). Im Mai 1974 ließ die Beklagte über den Kläger ein ärztliches Gutachten anfertigen, das zu dem Ergebnis kam, der Kläger leide an leichtem bis mittelhochgradigem Schwachsinn mit ausgesprochenen Verwahrlosungstendenzen und mangelnder Einsichtsfähigkeit. Er habe Verhaltensstörungen und sei ein haltloser Psychopath. Der Kläger sei zwar körperlich in der Lage, Arbeiten zu verrichten. Ihm fehle aber die Einsicht, seinen Willen dahingehend zu bestimmen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit einer Tätigkeit nachzugehen. Darauf entzog ihm die Beklagte ab Mai 1974 die Alhi (Bescheid vom 11. Juni 1974).

Der Kläger beantragte im Juni 1974 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit Bescheid vom 26. November 1974 lehnte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen und Stehen fortgesetzt (vollschichtig) ohne größere Anforderungen an die geistige Anpassungsfähigkeit oder Beweglichkeit erbringen.

Am 9. Januar 1975 beantragte der Kläger erneut Alhi. Die Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung ab (Bescheid vom 6. März 1975; Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1975).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 9. Januar 1975 Alhi zu gewähren (Urteil vom 4. November 1976). Es hat sich auf das Gutachten des Privatdozenten Dr. W Oberarzt der Abteilung Psychiatrie und Neurologie an der Universität K, vom 6. Mai 1976 gestützt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 25. November 1977 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger stehe der Arbeitsvermittlung objektiv und subjektiv zur Verfügung. Die LVA habe den Rentenantrag des Klägers durch bindenden Bescheid vom 26. November 1975 abgelehnt, da er nicht berufsunfähig sei. Sie habe ihre Entscheidung entsprechend dem Ergebnis der medizinischen Untersuchungen getroffen. Nach § 103 Abs 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gelte bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers der Arbeitslose als verfügbar. Durch diese Bestimmung des AFG solle die "Nahtlosigkeit" zwischen den Leistungen des AFG und der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewährleistet werden.

Im übrigen vermöge der Senat beim Kläger kein Verhalten festzustellen, das ihn iS des - als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden - § 103 Abs 1 Satz 3 Ziff 3 AFG als Arbeitnehmer ausschließe. Die häufigen Kündigungen der Arbeitsverhältnisse durch den Kläger könnten Anlaß zur Feststellung einer Sperrzeit (§ 119 Abs 1 AFG) bzw zum Erlöschen des Leistungsanspruchs sein, erwiesen aber nicht, daß der Kläger generell außerstande sei, sich in eine Betriebsgemeinschaft einzugliedern.

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 103 Abs 1 und 2 AFG, des § 134 Abs 2 AFG sowie der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie trägt im wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des LSG könne der Kläger nicht deswegen als verfügbar für die Arbeitsvermittlung angesehen werden, weil der zuständige Rentenversicherungsträger die Berufsunfähigkeit (BU) bisher verneint habe. Die "Nahtlosigkeitsregelung" des § 103 Abs 2 Satz 2 AFG gelte nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Verhältnis zwischen Alg und Rente. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung im Recht der Alhi komme nicht in Betracht. Das ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien. Eine volle Nahtlosigkeit zwischen Alhi und Rente ließe sich im übrigen schon wegen des Fürsorgecharakters der Alhi (Bedürftigkeitsprüfung) nicht erreichen. Die Nahtlosigkeitsregelung, zumal ihre Anwendung in sogenannten Nullfällen, sei mit § 134 Abs 2 Satz 2 AFG nicht zu vereinbaren.

Das LSG habe die Frage, ob der Kläger wegen seines Verhaltens nach der im Arbeitsleben herrschenden Auffassung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer in Betracht komme (§ 103 Abs 1 Satz 3 Ziff 3 AFG), im Hinblick auf die gesundheitlichen Ursachen dieses Verhaltens zu Unrecht der Fiktion des § 103 Abs 2 Satz 2 AFG unterworfen. Soweit das LSG das Verhalten des Klägers nach dem Erscheinungsbild beurteile, das jener in der mündlichen Verhandlung geboten habe, vernachlässige es, daß der Alhi-Anspruch für einen längeren Zeitraum streitig sei und daß die Situation der Gerichtsverhandlung nicht ohne weiteres Schlüsse auf das Verhalten des Klägers im Alltag zulasse. Insoweit habe das LSG gegen die §§ 103, 128 SGG verstoßen.

Über den streitigen Alhi-Anspruch könne erst dann abschließend entschieden werden, wenn geprüft sei, ob die Arbeit, die der Kläger leisten könne, den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes noch entspräche und ob der Kläger wegen seines Verhaltens - ohne Rücksicht auf dessen Ursachen - für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer nicht (mehr) in Betracht komme.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. November 1976 aufzuheben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er führt hierzu aus:

Das angefochtene Urteil setze sich nicht nur mit der Nahtlosigkeitsregelung des § 103 Abs 2 Satz 2 AFG auseinander, sondern stelle positiv die Verfügbarkeit des Klägers fest. Das Urteil habe hierbei auf die Leistungsakte des Klägers sowie auf den persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung abgestellt. Die insoweit getroffenen Feststellungen gäben zusammen mit den rechtlichen Schlußfolgerungen zu keinen Beanstandungen Anlaß.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Alhi hat, läßt sich auf Grund der bisher festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden.

Anspruch auf Alhi hat nach § 134 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet, Alhi beantragt und keinen Anspruch auf Alg hat. Ferner muß der Arbeitslose bedürftig sein und einen der Anwartschaftstatbestände des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 AFG erfüllen. Mit Ausnahme der Anwartschaft und der Verfügbarkeit hat das LSG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi vorliegen. An diese Feststellung, die nicht angegriffen worden ist, ist das Revisionsgericht gebunden (§ 163 SGG).

Beim Kläger sind die Voraussetzungen des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 a AFG gegeben. Dem Kläger war vom 10. Oktober 1973 an für 120 Tage Alg bewilligt worden. Das bedeutet, daß er bis Ende Februar 1974 Alg bezogen hat. Somit hat der Kläger innerhalb eines Jahres vor seiner erneuten Arbeitslosmeldung vom 9. Januar 1975 Alg bezogen. Die Rechtmäßigkeit des Alg-Bezuges ist, was Auswirkungen auf die Anschluß-Alhi haben könnte (Urteil vom 5. Dezember 1978 - 7 RAr 34/78 SozR 4100 § 134 Nr 11), nicht in Frage gestellt worden.

Dem Alhi-Anspruch des Klägers steht nicht die Entziehung der Alhi im Mai/Juni 1974 entgegen. Zwar erstreckt sich die Bindungswirkung eines Aufhebungsbescheides nach § 151 Abs 1 AFG nicht nur auf die (formelle) Beseitigung des früheren Bewilligungsbescheides, sondern auch auf die (materielle) Aussage, daß die Bewilligung der Leistung zu Unrecht erfolgt ist (BSG SozR 1500 § 77 Nr 20). Doch kann sich der neue Antrag im Januar 1975 auf einen neuen Sachverhalt stützen, der noch nicht Grundlage der Beurteilung war, als der Aufhebungsbescheid erging. Die Beklagte hob die Bewilligung der Alhi gegenüber dem Kläger auf, weil er nicht verfügbar sei. Der Kläger erhielt danach aber den Bescheid der LVA, wonach er nicht berufsunfähig sei. Das hat Auswirkungen auf die Beurteilung seiner Verfügbarkeit (§ 103 Abs 2 AFG). Insoweit ist ein neuer Sachverhalt eingetreten, der eine erneute Beurteilung der Sach- und Rechtslage zuläßt.

Das LSG hat nicht, wie der Kläger meint, hinsichtlich der Verfügbarkeit eine Feststellung tatsächlicher Art getroffen, die in der Revisionsinstanz nur dann noch erschüttert werden könnte, wenn gegen sie zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht wären (§ 163 SGG). Das Berufungsgericht hat sich mit zweierlei Bedenken gegen die Verfügbarkeit des Klägers auseinandergesetzt, einmal mit dem Vorbringen der Beklagten, der Kläger sei schwachsinnig, psychopathisch und unfähig, seinen Willen dahin zu bestimmen, regelmäßig einer Beschäftigung nachzugehen. Hierbei handelt es sich um die Behauptung eines aus einem krankhaften Zustand folgenden Mangels der Verfügbarkeit. Zum anderen hat dieses Vorbringen auch die Deutung zugelassen, der Kläger komme wegen seines Verhaltens (auch freigewählten Verhaltens), für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer nicht in Betracht (§ 103 Abs 5 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582)). Die Begründung des angefochtenen Urteils ergibt, daß das LSG den ersten Einwand gegen die Verfügbarkeit des Klägers deshalb als nicht zutreffend angesehen hat, weil die LVA die BU des Klägers bisher nicht festgestellt hat; es ist also aus rechtlichen Erwägungen zur Annahme der Verfügbarkeit des Klägers gelangt. Hinsichtlich des zweiten Vorbringens hat das LSG ebenfalls rechtliche Ausführungen gemacht, darüber hinaus aber seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß beim Kläger kein Verhalten festzustellen sei, das ihn als Arbeitnehmer ausschließe. Nur in dieser Beziehung besteht eine Feststellung des LSG, die tatsächlicher Art ist. Hiergegen hat die Beklagte eine Verletzung der §§ 103 und 128 SGG gerügt, worauf unten näher einzugehen ist.

Der Auffassung des LSG, daß aus einer Entscheidung der LVA, der Kläger sei nicht berufsunfähig, geschlossen werden müsse, er stehe der Arbeitsvermittlung iS des § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Abs 2 AFG zur Verfügung, kann in dem vom LSG angenommenen Umfange nicht gefolgt werden.

Nach § 134 Abs 2 Satz 1 AFG gelten die Vorschriften des ersten Unterabschnittes über Alg entsprechend, soweit die Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen. Die Begriffsbestimmung der Verfügbarkeit ist in § 103 Abs 1 Satz 1 AFG enthalten. Danach steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer

1.

eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf sowie

2.

bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann.

Dieser allgemeine Begriff der Verfügbarkeit, also die Fähigkeit (objektive Verfügbarkeit) und Bereitschaft (subjektive Verfügbarkeit) des Arbeitslosen zu arbeitsmarktüblicher Tätigkeit, gilt auch im Rahmen der Bestimmungen über die Alhi. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß die Besonderheiten der Alhi der Anwendung dieses Begriffes im Rahmen der Alhi entgegenstehen. Der § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG bezeichnet als eine Anspruchsvoraussetzung, daß der Arbeitslose "der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht", ohne näher zu umschreiben, wann diese Voraussetzung im einzelnen erfüllt ist. Wenn in § 103 Abs 1 Satz 1 AFG der Begriff der Verfügbarkeit mit den Worten "der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung" eingeleitet wird, in § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG dieselben Worte zur Kennzeichnung der Verfügbarkeit eines Arbeitslosen gebraucht werden und - mit Ausnahme des § 134 Abs 2 Satz 2 AFG - eine andere Begriffsbestimmung insoweit im Rahmen der Alhi nicht gegeben wird, so folgt daraus, daß die Begriffsbestimmung der Verfügbarkeit des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG ohne Einschränkung auch für den Anspruch auf Alhi gilt. Eine Einschränkung - "Besonderheit" der Alhi gegenüber dem Anspruch auf Alg - ergibt sich allerdings aus § 134 Abs 2 Satz 2 AFG, wonach derjenige, der nur mit Einschränkung hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit imstande ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, keinen Anspruch auf Alhi hat. Diese Vorschrift ist deshalb "als Besonderheit der Alhi" iS des § 134 Abs 2 Satz 1 AFG anzusehen, weil sie hinsichtlich der Verfügbarkeit eines Arbeitslosen, der nur zeitlich beschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, von der Vorschrift des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 AFG abweicht, wonach Nr 1 (des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG - objektive Verfügbarkeit -) nicht hinsichtlich der Arbeitszeit gilt. Während nach der letztgenannten Vorschrift beim Alg das Vorhandensein eines Teilzeitarbeitsmarktes nötigenfalls zugunsten des Arbeitslosen fingiert wird (BSG SGb 1974, 519; Urteil vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 12/78 -), ist im Rahmen der Alhi bei zeitlich beschränkter Arbeitsleistung Anspruchsvoraussetzung, daß Arbeitsplätze dieser Art in nennenswertem Umfange zur Verfügung stehen (vgl dazu BSGE 44, 164, 170; Urteil vom 22. November 1977 - 7 RAr 53/75 -).

Diese bei dem Anspruch auf Alg oder Alhi unterschiedliche Regelung hinsichtlich der Verfügbarkeit eines Arbeitslosen, der dem Arbeitsmarkt zur zeitlich beschränkt zur Verfügung steht, hat zur Folge, daß die in § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG iVm § 103 Abs 2 AFG getroffene Vermutung der Verfügbarkeit (sog Nahtlosigkeit) im Rahmen der Alhi nicht in vollem Umfange gelten kann. Das hat das LSG verkannt, wenn es im vorliegenden Falle durch die uneingeschränkte Übernahme der Nahtlosigkeitsregelung aus § 103 AFG in die Vorschriften der Alhi den Kläger als verfügbar angesehen hat.

Die "Nahtlosigkeit" wird beim Alg durch drei Faktoren verwirklicht:

1.

Durch § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG wird der Begriff der Verfügbarkeit mit dem Begriff der BU verbunden (Verknüpfung der materiellen Begriffe der Verfügbarkeit und der BU). Wer nur geringfügige Beschäftigungen ausüben kann und darf, weil er in seiner Leistungsfähigkeit gemindert ist, steht der Arbeitsvermittlung nur dann nicht zur Verfügung, wenn er außerdem berufsunfähig iS der gesetzlichen Rentenversicherung ist (vgl BSGE 44, 29, 30). Diese Vorschrift verknüpft zwar einerseits die Verfügbarkeit und die BU, zum anderen aber privilegiert sie diejenigen, die wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nur noch kurzzeitig arbeiten können. Obwohl sie nur noch zu einer geringfügigen Tätigkeit fähig sind, die nach § 101 Abs 1 AFG nicht einmal ihre Arbeitslosigkeit beenden kann, gelten sie dennoch als verfügbar, wenn und solange sie nicht gleichzeitig berufsunfähig sind.

2.

Nach § 103 Abs 2 Satz 1 AFG trifft der zuständige Rentenversicherungsträger die Entscheidung darüber, ob BU iS der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegt, im Wege der Amtshilfe (formelle Befugnis des Rentenversicherungsträgers zur Feststellung von BU und Erwerbsunfähigkeit - EU -). Das bedeutet, daß der Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Befugnis genommen ist, über ein gesetzliches Merkmal - nämlich das Vorliegen von BU - zu entscheiden, das die Frage der Verfügbarkeit und damit eine Voraussetzung ihrer Leistungspflicht betrifft. Diese Vorschrift soll bewirken, daß zwischen der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers und der Entscheidung der BA nicht zu Ungunsten des Versicherten ein Widerspruch besteht. Es soll also ausgeschlossen werden, daß der Rentenversicherungsträger dem Versicherten Leistungen mit der Begründung verweigert, er, der Antragsteller, sei noch nicht berufsunfähig, während die BA ihre Leistungsverpflichtung verneint, weil sie den Antragsteller wegen von ihr angenommener BU als nicht verfügbar betrachtet. Die Begriffe der Verfügbarkeit iS des AFG und die BU iS der gesetzlichen Rentenversicherung sollen lückenlos aneinanderschließen (vgl dazu BR-Drucks 484/67 zu § 94 Abs 1, S. 79, zu § 132 Abs 2, S. 85; Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf eines AFG vom 27. Oktober 1967, S. 25; zu BT-Drucks V/4110, zu § 94 Abs 1a, S. 18).

3.

Gem § 103 Abs 2 Satz 2 AFG gilt der Arbeitslose bis zur Entscheidung des Rentenversicherungsträgers als nicht berufsunfähig (unwiderlegliche Vermutung der Nicht-BU). Das bedeutet, daß erst mit der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers die Vermutung beseitigt wird, gleichgültig, wie diese ausfällt. Entscheidet der Rentenversicherungsträger, daß der Arbeitslose berufsunfähig ist, so steht der Arbeitslose dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung (§ 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG); lautet die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers dahingehend, daß der Arbeitslose nicht berufsunfähig ist, so bedarf es der Vermutung des § 103 Abs 2 Satz 2 AFG nicht mehr, vielmehr ergibt sich aus diesem Ausspruch allein das Fehlen der BU. Hieran ist die BA gebunden, wie sich aus § 103 Abs 2 Satz 1 AFG ergibt. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers "im Wege der Amtshilfe" (§ 103 Abs 2 Satz 1 AFG) oder auf einen Leistungsantrag des Arbeitslosen getroffen wurde, sofern (im letzteren Falle) die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers den Zeitraum betrifft oder in diesen fällt, in welchem der Arbeitslose von der Beklagten Leistungen wegen Arbeitslosigkeit verlangt. Wenn es Sinn und Zweck des § 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG sein soll, die Frage des Vorhandenseins oder Fehlens der BU von dem wegen seiner Sachkenntnis besonders befugten Rentenversicherungsträger für die BA bindend beantworten zu lassen, so kann es insoweit keinen Unterschied machen, ob diese Entscheidung im Wege der Amtshilfe - also auf Antrag der BA - oder auf Antrag des Versicherten (Arbeitslosen) erfolgt.

Diese drei Faktoren der "Nahtlosigkeit", die nach § 103 AFG für den Anspruch auf Alg maßgeblich sind, können nicht ohne weiteres für den Anspruch auf Alhi übernommen werden. Das ergibt sich allerdings nicht bereits aus § 134 Abs 2 Satz 1 AFG, wonach die Vorschriften des 1. Unterabschnitts entsprechend gelten, "soweit die Besonderheiten der Alhi" nicht entgegenstehen. Zwar handelt es sich beim Alg um eine Versicherungsleistung, während die Alhi in der Ausgestaltung und Finanzierung Elemente des Fürsorgewesens enthält (§§ 138, 188, 240 Abs 1 Nr 1 AFG). Dabei darf aber nicht verkannt werden, daß der Fürsorgecharakter der Alhi von nachrangiger Bedeutung ist. Der Anspruch auf Alhi fordert nämlich eigene, wenn auch gegenüber dem Alg andersartige Anwartschaften, wie sich insbesondere aus § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 b und c AFG ergibt. Selbst wenn man - wie die Beklagte - den Fürsorgecharakter des Anspruchs auf Alhi in den Vordergrund stellen wollte, so würde dies nicht hindern, den sich aus der sog Nahtlosigkeitsregelung beim Anspruch auf Alg ergebenden Grundgedanken auch innerhalb der Alhi anzuwenden, und dadurch die Folge zu vermeiden, einem leistungsgeminderten Arbeitslosen wegen der unterschiedlichen Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit seitens der Beklagten und eines Trägers der Rentenversicherung Leistungen der sozialen Sicherheit zu versagen und ihn auf seine Fürsorgeansprüche zu verweisen. In jedem Falle stellt der Umstand, daß der Anspruch auf Alhi ua die Bedürftigkeit des Antragstellers voraussetzt, keine "Besonderheit" iS des § 134 Abs 2 Satz 1 AFG dar.

Eine "Besonderheit" der Alhi in diesem Sinne ist allerdings - wie oben bereits ausgeführt - die in § 134 Abs 2 Satz 2 AFG getroffene Regelung, nach welcher derjenige, der nur mit Einschränkungen hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit imstande ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, keinen Anspruch auf Alhi hat. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 44, 164, 170; Urteil vom 22. November 1977 - 7 RAr 53/75 -), hat diese Bestimmung die Bedeutung, daß die Ausnahme des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 AFG für die Alhi beseitigt wird. Während im Rahmen des Alg zugunsten des arbeitslosen Teilzeitarbeiters ein Teilzeitarbeitsmarkt fingiert wird (Urteil des Senats vom 19. Juni 1979 - 7 RAr 12/78 -), greift diese Privilegierung bei der Alhi nicht ein. Aus § 134 Abs 2 Satz 2 AFG geht der Wille des Gesetzgebers hervor, bei der Alhi die Teilzeitarbeit nicht von der Prüfung freizustellen, ob sie den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entspricht. Das hat - wie dargelegt - zur Folge, daß die Vorschrift des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG im Rahmen der Alhi wegen der besonderen Ausgestaltung der Verfügbarkeit von solchen Arbeitslosen, welche nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben können, keine Anwendung finden kann. Damit scheidet also bei der Betrachtung der Nahtlosigkeit der oben gekennzeichnete erste Faktor aus dem Anwendungsbereich des § 103 AFG bei der Alhi aus.

Etwas anderes muß jedoch bezüglich des zweiten und dritten Faktors der Nahtlosigkeit (§ 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG) gelten. Der § 103 Abs 2 AFG ist bei der Alhi allerdings nicht deshalb völlig unanwendbar, weil er nur Bedeutung im Hinblick auf § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG hätte. Die Beklagte hat (vgl BSGE 44, 29) die Meinung vertreten, daß sich die Bedeutung des § 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG auf die Bestimmung der BU nach § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG beschränke. Dem Gesetzgeber hat aber bei der Schaffung des § 103 AFG eine Regelung vorgeschwebt, bei der es nicht mehr dazu kommen kann und darf, daß Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung die Leistungsfähigkeit des Antragstellers verschieden beurteilen, so daß jeweils zum Schaden des hilfesuchenden Bürgers der eine Sozialversicherungsträger ihn als leistungsfähig, der andere ihn als leistungsunfähig behandelt (vgl zu BT-Drucks V/4110 zu § 94 Abs 1 a, S. 18).

Die von der Beklagten vertretene Bedeutungseinschränkung des § 103 Abs 2 (also bloße Ergänzung des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG) hat schon der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zu Recht zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, daß § 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG nicht nur eine formale Fiktion des Tatbestandsmerkmals "nicht berufsunfähig" enthalten und damit nicht eine auf den engen Wirkungsbereich des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG begrenzte Unterstellung. Es handelt sich vielmehr um eine materielle Fiktion vorhandenen Leistungsvermögens. Der Antragsteller gilt als fähig, durch die auf dem Arbeitsmarkt angebotenen Beschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen seines Berufs oder zumutbarer Verweisungsberufe die Hälfte des Einkommens eines vergleichbaren gesunden Versicherten zu erzielen (BSGE 44, 29, 31). Nur so kann der Wille des Gesetzgebers erfüllt werden, die Nahtlosigkeit zwischen dem Begriff der Verfügbarkeit und dem der BU iS der gesetzlichen Rentenversicherung herzustellen. Bei anderem Verständnis hätten sich schon in den Fällen zwischen beiden Begriffen Unterschiede aufgetan, in denen der Arbeitslose nach der Meinung der Beklagten zu gar keinen Tätigkeiten imstande ist (sog Nullfälle), während der zuständige Rentenversicherungsträger ihn als nicht berufsunfähig betrachtet BSGE 44, 29, 31).

Auch die Motive des AFG geben, anders als die Beklagte meint, nichts dafür her, daß der Gesetzgeber daran gedacht hat, den § 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG im Rahmen der Alhi nicht gelten zu lassen. Im Gegenteil ist aus den Gesetzesmaterialien der Wille des Gesetzgebers zu erkennen, die Lückenlosigkeit zwischen den Begriffen der BU und EU auf der einen Seite und dem Begriff der Verfügbarkeit auf der anderen Seite weitgehend herzustellen. Hinsichtlich des § 103 Abs 2 AFG wurde die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung bei der Alhi nicht verneint.

Schon im ersten Entwurf des AFG (BR-Drucks 484/67) war in § 94 Abs 1 Nr 2 der Versuch gemacht worden, den Begriff der Verfügbarkeit an den der BU zu binden. Dieser Versuch beschränkte sich zunächst noch auf eine Bestimmung, die als Vorgängervorschrift zu § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG anzusehen ist. Die Begründung dazu lautete aber bereits, nunmehr sei die Lückenlosigkeit zwischen dem Begriff der Verfügbarkeit iS der Arbeitslosenversicherung und dem der BU iS der Rentenversicherung hergestellt (vgl BR-Drucks 484/67, Begründung zu § 94 Abs 1, S. 79). Man stellte sich also anfänglich die Herstellung der Nahtlosigkeit nur durch eine Verknüpfung der materiell-rechtlichen Begriffe BU und Verfügbarkeit vor und das nur zur Teilzeitarbeit. Die Bundesregierung vertrat die Auffassung, daß diese neue Regelung, die, wie dargelegt, auch eine Privilegierung für Teilzeitarbeitnehmer enthält, nicht im Rahmen der Alhi übernommen werden sollte. Diese Nahtlosigkeit erscheine nur zugunsten der Personen vertretbar, die durch eine längere Beschäftigung die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt hätten (BR-Drucks 484/67, Begründung zu § 132 Abs 2, S. 85).

Die Ausschüsse brachten dann hinsichtlich des § 94 Abs 1 Nr 2 (dem § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG) ihre Zweifel zum Ausdruck, ob diese Vorschrift (allein) die Lückenlosigkeit tatsächlich herstelle (BR-Drucks 484/1/67, S. 29, 30). Und zwar hieß es dort:

"Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte geprüft werden, ob die Begriffe der Verfügbarkeit im Sinne des Entwurfs des AFG und der Berufsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nunmehr lückenlos aneinanderschließen. § 94 Abs 1 Nr 2 des Entwurfs des AFG geht bei der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung davon aus, daß es sich um einen Leistungsgeminderten handelt, der noch nicht berufsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist. Das schließt nicht aus, daß hinsichtlich der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung festgestellt wird, daß der Leistungsgeminderte dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, weil er nicht in der Lage ist, eine seiner Leistungsfähigkeit entsprechende Beschäftigung unter Bedingungen auszuüben, die auf dem Arbeitsmarkt üblich sind. Der lückenlose Anschluß an die Rentenversicherung wäre nur dann gegeben, wenn diese Feststellung für den Rentenversicherungsträger bindend wäre."

Man stellte sich also eine Regelung vor, bei der die Entscheidung des einen Trägers für den anderen wirksam sein sollte, dachte aber zunächst noch daran, daß die Entscheidung der BA für den Rentenversicherungsträger wirksam sein sollte und nicht umgekehrt. Dieser Hinweis wurde in der Stellungnahme des Bundesrates vom 27. Oktober 1967, BR-Drucks 484/67 - Beschluß - S. 25, wiederholt. Der Entwurf BT-Drucks V 2291 trug diesen Anregungen noch nicht Rechnung. Der Ausschuß für Arbeit schlug dann aber als erster den § 94 Abs 1 AFG vor, der dem heutigen § 103 Abs 2 AFG entspricht (BT-Drucks V/4110, S. 44). Begründet wurde dieser Absatz mit der Notwendigkeit, die "volle Nahtlosigkeit" herbeizuführen (zu BT-Drucks V/4110 § 94 Abs 1a, S. 18). Zu diesem § 94 Abs 1 AFG, dem heutigen § 103 Abs 2 AFG, wurde nicht die Einschränkung gemacht, er solle nur beim Alg, aber nicht bei der Alhi gelten.

Parallel zu diesem Versuch, die volle (auch formelle) "Nahtlosigkeit" zwischen den Begriffen der Verfügbarkeit und der BU herzustellen (heutiger § 103 Abs 2 AFG), lief weiter das Bemühen, die Regelung des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG (materielle Nahtlosigkeit) auch bei der Alhi gelten zu lassen. Der Bundesrat (Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik) erklärte zu § 132 Abs 2 Satz 3 (dem heutigen § 134 Abs 2 Satz 2 AFG):

"Diese Vorschrift widerspricht der Konzeption des Gesetzentwurfs. Sie verweist den betroffenen Personenkreis an die Sozialhilfe, obwohl die Arbeitsverwaltung nach dem Entwurf in die Lage versetzt werden soll, durch berufsfördernde Maßnahmen leistungsgeminderte Personen wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Eine unterschiedliche Regelung der 'Verfügbarkeit' für das Alg und die Alhi sollte vermieden werden" (BR-Drucks 484/67 - Beschluß - S. 28).

Die Bundesregierung blieb aber in dieser Hinsicht bei ihrer Auffassung, die neue Regelung für das Alg solle nicht auf die Alhi übernommen werden. Die sog Nahtlosigkeit (weiterhin gemeint war: "Diese Art der Nahtlosigkeit", nämlich der § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG) zwischen den Leistungen bei Arbeitslosigkeit und den Leistungen der Rentenversicherung erscheine nur zugunsten der Personen vertretbar, die durch eine längere Beschäftigung die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt hätten. Für Personen, die keinen Versicherungsanspruch besäßen und von denen viele noch nie eine Beschäftigung ausgeübt hätten, müßten strengere Voraussetzungen gelten (BT-Drucks V/2291, zu § 132 Abs 2, S. 85). Zu der Zeit, als diese Ausführungen der Bundesregierung gemacht wurden, gab es den heutigen § 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG noch nicht. Er wurde erst eingeführt und begründet in der BT-Drucks V/4110 als § 94 Abs 1a. Zu ihm hat die Bundesregierung und hat auch sonst ein am Gesetzgebungsverfahren Beteiligter nicht zum Ausdruck gebracht, daß er bei der Alhi unanwendbar sei.

Im Rahmen der Alhi kann somit § 103 Abs 2 AFG unabhängig von § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 AFG - der bei der Alhi nicht eingreift - angewendet werden. Nach § 103 Abs 2 Satz 2 AFG gilt der Arbeitslose bis zur (gegenteiligen) Entscheidung des Rentenversicherungsträgers als nicht berufsunfähig. Die Nicht-BU des Arbeitslosen wird so lange unwiderleglich vermutet. Die BA darf demnach grundsätzlich keine Entscheidung treffen, die mit dieser Vermutung im Widerspruch steht. Für die Einbeziehung dieser Vermutung in die Alhi ist es im Hinblick auf die Vorschrift des § 134 Abs 2 Satz 2 AFG entscheidend, von welchem Leistungsvermögen die Beklagte auszugehen hat. Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Fähigkeiten herabgesunken ist (§ 1246 Abs 2 Satz 1 RVO). Daß für den Begriff der BU auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung ist, hat der Große Senat (GrS) des BSG (BSGE 30, 167; 43, 75) entschieden. Für die Beurteilung der BU kommt es danach nicht nur auf die Frage an, ob der Versicherte gesundheitlich bestimmte Tätigkeiten noch verrichten kann (abstrakte Betrachtungsweise), sondern darauf, daß für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit seinen Kräften und Fähigkeiten noch ausfüllen kann.

Von dieser konkreten Betrachtungsweise und der nach § 103 Abs 2 Satz 1 AFG alleinigen Befugnis des Rentenversicherungsträgers zur Entscheidung über die BU eines Arbeitslosen ist bei einer Bejahung der BU - wie beim Alg, so auch bei der Alhi - davon auszugehen, daß der Arbeitslose nicht verfügbar ist (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 103 Abs 1 Satz 1 AFG). Verneint der Versicherungsträger das Vorliegen von BU, so wird damit ausgesagt, daß bei dem Versicherten noch eine gesundheitliche Leistungsfähigkeit vorhanden ist, die eine Erwerbstätigkeit von wenigstens der Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig Gesunden mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten zuläßt, außerdem die entsprechende grundsätzliche Verwertbarkeit dieser Leistungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt - kurz gesagt, der Versicherte ist dann noch in der Lage, eine mindestens "halbschichtige Tätigkeit" auszuüben.

Hieran ist die Beklagte bei der Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Rahmen der Alhi grundsätzlich ebenfalls gebunden, jedoch bedarf diese Wirkung des § 103 Abs 2 Satz 2 AFG einer Einschränkung als Folge der Regelung in § 134 Abs 2 Satz 2 AFG. Wie dargelegt, will § 134 Abs 2 Satz 2 AFG - entgegen der Regelung des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 AFG (Fiktion des Teilzeitarbeitsmarktes) - bei der Alhi die Entscheidung über die Verfügbarkeit auf dem Teilzeitarbeitsmarkt davon abhängig machen, ob ein solcher Teilzeitarbeitsmarkt vorhanden ist. Die Beantwortung dieser Frage ist - anders als bei der nach der BU eines Arbeitslosen - die originäre Aufgabe der Beklagten, wovon offensichtlich auch der GrS des BSG in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1976 BSGE 43, 75, 84) ausgeht. Das bedeutet, daß die Beklagte, sofern der Rentenversicherungsträger die BU des Arbeitslosen verneint, zwar davon auszugehen hat, daß der Arbeitslose noch in der Lage ist, halbschichtig tätig zu sein, jedoch behält sie auf Grund des § 134 Abs 2 Satz 2 AFG die Befugnis, darüber zu entscheiden, ob Arbeitsplätze dieser Art in nennenswertem Umfange vorhanden sind (frei oder besetzt), also der Arbeitslose tatsächlich zu vermitteln ist.

Diese Einschränkung der Übertragbarkeit des § 103 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG auf die Alhi, die auf der aus § 134 Abs 2 Satz 2 AFG sich ergebenden Besonderheit der Alhi beruht, kann allerdings zu dem Ergebnis führen, daß der in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkte, noch nicht als berufsunfähig anzusehende und somit zu einer halbschichtigen Tätigkeit befähigte Arbeitslose dennoch nicht verfügbar iS des § 134 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 Satz 2 AFG ist und deshalb keinen Anspruch auf Alhi hat. Diese Folge läßt sich aber auf Grund der unterschiedlichen gesetzlichen Regelung in bezug auf die Leistungen an Arbeitslose, die nur dem Teilzeitarbeitsmarkt zur Verfügung stehen, im Rahmen der Alhi nicht vermeiden. Insoweit wäre es erforderlich, das Gesetz zu ändern.

Der Absicht des Gesetzgebers, die er mit der sog Nahtlosigkeitsregelung - wenn auch unvollständig - verfolgt hat, sollte jedoch in den Fällen von den zuständigen Verwaltungen Rechnung getragen werden, in denen der Arbeitslose vom Rentenversicherungsträger nicht für berufsunfähig angesehen wird, die Beklagte deshalb von der Fähigkeit der Ausübung einer halbschichtigen Tätigkeit auszugehen hat, sie aber dennoch die Verfügbarkeit nach § 134 Abs 2 Satz 2 AFG verneint. In einem solchen Falle greifen nämlich wiederum die vom GrS des BSG oa Grundsätze über die Erheblichkeit des Arbeitsmarktes bei der Beurteilung von BU oder EU eines Versicherten ein, mit anderen Worten, für den soeben gekennzeichneten Arbeitslosen ist der Arbeitsmarkt verschlossen. Dieser Umstand wird den Arbeitslosen in die Lage versetzen, sich unter Hinweis auf die Entscheidung der Beklagten an den zuständigen Rentenversicherungsträger zu wenden, der seinerseits zu einer neuen Entscheidung über den Rentenanspruch verpflichtet ist. Der Beklagten obliegt auf Grund des sozialrechtlichen Fürsorge- und Betreuungsverhältnisses die Verpflichtung zu entsprechender Beratung gegenüber dem Arbeitslosen.

Im vorliegenden Falle ist festgestellt worden, daß der Kläger noch nicht berufsunfähig ist; damit ist davon auszugehen, daß er noch in der Lage ist, mindestens halbschichtige Tätigkeiten auszuüben. Auf Grund seiner anderweitigen Rechtsauffassung hat das LSG keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Verfügbarkeit des Klägers iS des § 134 Abs 2 Satz 2 AFG vorliegt, dh, ob ein entsprechender Teilzeitarbeitsmarkt, der für den Kläger erreichbar ist, vorhanden ist. Diese Feststellungen wird das LSG noch nachholen müssen.

Hinsichtlich des § 103 Abs 5 AFG hat das LSG in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellen können, daß der Kläger nach seinem Verhalten nicht für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer in Betracht kommt. Die von der Beklagten vorgebrachte Rüge einer Verletzung der §§ 103, 128 SGG greift schon mangels Substantiierung nicht durch. Dem Vorbringen der Beklagten ist substantiiert nicht zu entnehmen, welche weiteren Beweismittel dem LSG zur Verfügung gestanden hätten, um das "Verhalten" des Klägers iS der bezeichneten Vorschrift noch weiter festzustellen. Wenn das LSG aus dem wechselnden Arbeitsleben des Klägers nicht zu dem von der Beklagten gewünschten Ergebnis gelangt ist, so ist daraus noch nicht zu schließen, daß es in bezug auf seine Feststellung die Grenzen des Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten hat (§ 128 Abs 1 SGG); jedenfalls hat die Beklagte substantiiert nicht dargetan, daß das LSG zwingend zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen. Somit steht fest, daß der Anspruch des Klägers auf Alhi auf Grund der Voraussetzungen des § 103 Abs 5 AFG iVm § 134 Abs 2 Satz 1 AFG nicht abgelehnt werden kann.

Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

BSGE, 1

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