Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente. Einkommen. Anrechnung. Altersrente. Abtretung. Stammrecht. Bezug. Rückwirkende Aufhebung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Berücksichtigung des Alterseinkommens aus einer Versichertenrente ist im Rahmen der Einkommensanrechnung auf eine Witwenrente das Altersruhegeld bzw. die Altersrente in voller Höhe und nicht nur der durch Abtretung reduzierte, dem Versicherten (tatsächlich auch) zur Auszahlung zustehende Anspruchsteil anzurechnen.
2. Eine reduzierte Rentenauszahlung an den Versicherten unter gleichzeitiger Auszahlung von Rententeilen an den Zessionar bedeutet keine Änderung des (wirtschaftlichen) Werts des (dem Versicherten allein zustehenden) Rentenanspruchs (als sog. „Stammrecht”) selbst.
Normenkette
SGB VI § 46 Abs. 2, § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2; AVG §§ 40, 58 Abs. 1; SGB X §§ 45, 50; SGB IV § 18a
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rücknahme der Bewilligung ihrer Witwenrente ab Januar 1991 sowie gegen die Rückforderung der Überzahlung iHv 7291,60 Euro.
Die 1919 geborene Klägerin und ihr 1912 geborener Ehemann, israelische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Israel, entrichteten in den Jahren 1989/1990 nach Art 12 der Vereinbarung vom 20.11.1978 (BGBl II 1980, 575) zur Durchführung des Abkommens vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (DVbg/Abk Israel SozSich) freiwillige Beiträge nach. Die Klägerin finanzierte dies mit einem Darlehen, für dessen Tilgung sie ihre künftige Rente an ein Finanzierungsunternehmen (BG Financing Ltd) abtrat (Abtretungsvertrag vom 10./21.12.1990). Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Rechtsvorgängerin der Beklagten stellte unter dem 13.2.1991 fest, dass diese Abtretung im wohlverstandenen Interesse der Klägerin lag. Die letzte Tilgungsrate fiel im September 2001 an.
Am 30.12.1990 verstarb der Ehemann der Klägerin. In ihrem Witwenrentenantrag vom Februar 1991 gab die Klägerin an, Alters- und Witwenrente aus der israelischen Nationalversicherung zu beziehen.
Mit Bescheid vom 14.5.1991 bewilligte die Beklagte der Klägerin aufgrund der nachentrichteten freiwilligen Beiträge Altersruhegeld ab 1.2.1990 iHv monatlich 1218,30 DM. Die Klägerin wurde auf Seite 2 des Rentenbescheids darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, jeden Bezug einer Leistung aus der Rentenversicherung umgehend mitzuteilen, weil dies zu einer Änderung der Rentenhöhe führen könne. Gemäß Anlage 5 dieses Bescheids wurde von der Rentennachzahlung iHv 20 824,50 DM ein Teilbetrag von 18 778,90 DM an das Finanzierungsunternehmen ausgezahlt, der Rest (2045,60 DM) an die Klägerin; an diese wurde ferner eine monatliche Rente iHv 465,90 DM gezahlt.
Mit Bescheid vom 13.8.1991 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 1.1.1991 Witwenrente iHv monatlich 553,00 DM. Auf Seite 2 dieses Bescheids wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, jeden Bezug einer Leistung der Rentenversicherung umgehend mitzuteilen, weil dies zu einer Änderung der Rentenhöhe führen könne. Im Rahmen der Feststellung der Witwenrente wurde das Altersruhegeld aus der deutschen Rentenversicherung nicht als Einkommen berücksichtigt.
Als Ergebnis eines sozialgerichtlichen Klageverfahrens vor dem SG Berlin erkannte die Beklagte einen früheren Beginn des Altersruhegelds bereits ab 1.9.1989 an und setzte dies mit Bescheid vom 16.3.1992 um. Auch dieser Bescheid wies, wie bereits die vorgenannten Bescheide, auf Mitteilungspflichten bei Bezug und Beantragung von Leistungen aus der Rentenversicherung hin.
Im September 2007 erlangte die für die Witwenrente zuständige Stelle der Beklagten Kenntnis vom Bezug der Altersrente der Klägerin aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Daraufhin stellte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 1.10.2007 ab 1.12.2007 die Witwenrente unter Anrechnung dieser Altersrente als Einkommen neu fest.
Nach Anhörung vom 26.11.2007 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 19.2.2008 die ergangenen Witwenrentenbescheide vom 13.8.1991, 8.11.1993, 7.12.1995 und 5.9.1997 hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 45 SGB X ab Januar 1991 zurück, stellte die Witwenrente von Beginn an (1.1.1991) bis 30.11.2007 unter Anrechnung des Altersruhegelds bzw der Altersrente als Einkommen neu fest und forderte die entstandene Überzahlung von 14 583,19 Euro zurück. Dem Widerspruch der Klägerin half die Beklagte mit Bescheid vom 27.1.2009 teilweise ab und reduzierte die Erstattungsforderung auf die Hälfte des ursprünglichen Betrags (7291,60 Euro bei monatlicher Verrechnung iHv 250,00 Euro). Die Überzahlung sei im Rahmen der Ermessensausübung vor dem Hintergrund des Alters der Klägerin, ihres Gesundheitszustands, der von ihr geschilderten privaten und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie des Mitverschuldens der Beklagten auf die Hälfte zu begrenzen. Im Übrigen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.4.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 6.8.2012 die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das LSG mit Urteil vom 20.11.2013 zurückgewiesen. Ihre Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung sei in voller Höhe als Einkommen im Rahmen der Festsetzung der Witwenrente zu berücksichtigen und insoweit nicht um die Rückzahlungsraten hinsichtlich des Kredits der Klägerin zur Beitragsnachentrichtung zu kürzen. Zwar bestehe ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Kreditaufnahme zur Beitragsnachentrichtung und dem Bezug der Altersrente. Daraus könne jedoch keineswegs der Schluss gezogen werden, dass die Altersrente nicht in vollem Umfang als Einkommen der Klägerin anzusehen sei. Dass die Altersrente nicht gekürzt worden sei, ergebe sich schon aus den Altersrentenbescheiden. Ob die Klägerin einen Teil der Rente abtrete, der dann - wie vorliegend - von der Beklagten direkt an einen Dritten ausgezahlt werde, oder ob die Rente in voller Höhe unmittelbar an die Klägerin überwiesen werde und sie davon wiederum einen Kredit bediene, könne hinsichtlich der Frage, ob es sich um anzurechnendes Einkommen bei der Festsetzung der Witwenrente handele, keinen Unterschied machen. In beiden Fällen verfüge die Klägerin über ihr Einkommen nach eigener Entscheidung und mindere zumindest ihren Schuldenstand. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für eine rückwirkende teilweise Rücknahme der Witwenrentenbescheide nach § 45 Abs 3 S 2 und 4 iVm Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X lägen vor. Anhaltspunkte für eine Verwirkung bestünden nicht.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Das Berufungsgericht verstoße mit seiner "Anrechnungsentscheidung" gegen die Vorschriften der §§ 40, 41 Abs 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) bzw § 46 Abs 2 SGB VI sowie § 58 Abs 1 AVG iVm § 18a SGB IV bzw § 97 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 SGB VI. Sie habe fast zwei Drittel ihrer Altersrente an die BG Financing Ltd abgetreten. Nicht ihre volle Altersrente, sondern nur der durch die Abtretung reduzierte, an sie ausgezahlte Rentenbetrag dürfe im Rahmen der Einkommensanrechnung zur Bestimmung der Höhe ihrer Witwenrente berücksichtigt werden. Das LSG weiche von der Entscheidung des BSG vom 23.10.2003 (B 4 RA 25/03 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 1) ab. Es stütze sich zusammengefasst auf folgenden Rechtssatz: "Abgetretene Rententeile zur Tilgung eines Darlehens sind im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 18a SGB IV zur Bestimmung der Witwenrentenhöhe (§§ 40, 41 AVG, § 58 Abs. 1 AVG i.V.m. § 18a SGB IV bzw. § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI) auch dann weiterhin als Einkommen in diesem Sinne heranzuziehen, wenn das Darlehen ausschließlich dafür verwendet wurde, durch Nachentrichtung von Beiträgen einen Rentenanspruch in der Deutschen Rentenversicherung zu erwerben." Aus der vorgenannten Entscheidung des BSG lasse sich folgender Rechtssatz in Bezug auf abgetretene Forderungen zusammenfassen: "Durch die wirksame Abtretung geht der teilweise abgetretene Einzelanspruch auf den Zessionar über. Dadurch scheidet dieser Einzelanspruch aus dem Vermögen des Versicherten aus und geht insoweit in das Vermögen des neuen Gläubigers über. Der neue Gläubiger erwirbt die Forderung mit ihrer Entstehung direkt, sodass sich der zu Beginn des Monats fällig werdende Einzelanspruch aus dem Höchstwert des Rechts auf Rente mit seiner Entstehung materiellrechtlich in einen pfändbaren, dem Abtretungsgläubiger zustehenden und einen unpfändbaren, dem Versicherten zustehenden Anspruchsteil aufspaltet." Beide Rechtssätze seien nicht miteinander zu vereinbaren. Denn wenn der abgetretene Rentenanteil mit seiner Entstehung aus dem Vermögen des Versicherten ausscheide und in das Vermögen des Zessionars als neuen Gläubiger übergehe, könne dieser Rentenanteil nicht mehr als Erwerbsersatzeinkommen für die Bestimmung der Einkommenshöhe herangezogen werden. Er stehe ihr nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung. Daher dürfe er im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 58 Abs 1 AVG iVm § 18a SGB IV bzw § 97 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 SGB VI keine Berücksichtigung finden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2013, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2008 in der Fassung des Bescheids vom 27. Januar 2009, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2009, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Eine Divergenz zum Urteil des BSG vom 23.10.2003 (aaO) bestehe nicht. Dieser Entscheidung liege schon ein anderer - nicht vergleichbarer - Sachverhalt zugrunde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Beklagte berechtigt war, die Bescheide über die Bewilligung der Witwenrente hinsichtlich der Rentenhöhe für den Zeitraum Januar 1991 bis November 2007 teilweise zurückzunehmen und die (noch geltend gemachten) überzahlten Leistungen für diesen Zeitraum iHv 7291,60 Euro zurückzufordern.
1. Rechtsgrundlagen für den Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 19.2.2008 idF des Bescheids vom 27.1.2009, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.4.2009, sind § 45 SGB X und § 50 Abs 1 SGB X.
a) Zutreffend ist die Beklagte von der (teilweisen) Rechtswidrigkeit der Witwenrentenbescheide im hier streitgegenständlichen Zeitraum hinsichtlich der Rentenhöhe zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Erlasses (vgl hierzu BSG vom 28.5.1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17) ausgegangen. Denn bei der Festsetzung der Höhe der großen Witwenrente der Klägerin nach §§ 40, 41 Abs 1 AVG bzw § 46 Abs 2 SGB VI ist - wie zwischen den Beteiligten zu Recht auch unstreitig ist - im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 58 Abs 1 AVG bzw § 97 Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2 SGB VI, jeweils iVm § 18a Abs 1 Nr 2 bzw (ab 1.1.2002) § 18a Abs 1 S 1 Nr 2, § 18a Abs 3 S 1 Nr 2 SGB IV, von Anfang an (ab Januar 1991) das Altersruhegeld der Klägerin bzw ihre Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung als anrechenbares Erwerbsersatzeinkommen nicht berücksichtigt worden (zur Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen auf Hinterbliebenenrenten der gesetzlichen Rentenversicherung: BVerfG vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1).
Die im Rücknahme- und Erstattungsbescheid erfolgte Anrechnung des Altersruhegelds bzw der Altersrente als Erwerbsersatzeinkommen auf die Witwenrente ist auch in zutreffender Höhe, und zwar in Höhe ihrer jeweiligen, in den Altersruhegeld- bzw Altersrentenbescheiden bestimmten monatlichen Gesamt-Zahlbeträge (also sowohl für die Klägerin als auch für das Finanzierungsunternehmen), erfolgt.
Der Auffassung der Klägerin, bei der Berücksichtigung des Alterseinkommens aus einer Versichertenrente sei im Rahmen der Einkommensanrechnung auf die Witwenrente nicht das Altersruhegeld bzw die Altersrente in voller Höhe, sondern nur der durch Abtretung reduzierte, dem Versicherten (tatsächlich auch) zur Auszahlung zustehende Anspruchsteil anzurechnen, folgt der Senat nicht. Denn der Geldwert des Altersruhegelds bzw der Altersrente ist der Klägerin in vollem Umfang wirtschaftlich zugutegekommen. Dem steht die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des BSG vom 23.10.2003 (B 4 RA 25/03 R - SozR 4-1200 § 53 Nr 1) nicht entgegen. Insbesondere ging es in diesem Urteil weder um eine Rente wegen Todes noch um die Frage einer Einkommensanrechnung auf diese Rentenart.
Wie das LSG zutreffend festgestellt hat, ist zwischen der Frage zu unterscheiden, ob der Klägerin gegenüber der Beklagten ein konkreter monatlicher Einzelanspruch auf Zahlung der Altersrente in Höhe ihres Monatsbetrags (§ 64 SGB VI; nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht: des monatlichen Betrags des Altersruhegelds, § 31 Abs 1 iVm § 74 S 1 AVG) bis einschließlich September 2001 (Tilgungsende der Forderung des Finanzierungsunternehmens aus dem mit der Klägerin geschlossenen Abtretungsvertrag vom 10./21.12.1990) zugestanden hat, und der Frage, ob das Altersruhegeld bzw die Altersrente im Rahmen der Einkommensanrechnung bei der Witwenrente in Höhe des bewilligten Monatsbetrags als ihr Einkommen iS des § 58 Abs 1 AVG bzw § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI zu bewerten ist. Damit widerspricht das Berufungsgericht dem obengenannten Urteil des BSG aber nicht. Das BSG hat in dieser Entscheidung zwar (zu Recht) darauf hingewiesen, dass der teilweise abgetretene Einzelanspruch auf Rentenzahlung mit der (wirksamen) Abtretung auf den Zessionar (Abtretungsgläubiger) übergeht. Der zu Beginn des Monats fällig werdende Einzelanspruch auf Rentenzahlung aus dem (unveränderten) Monatsbetrag der Rente spaltet sich mit seiner Entstehung materiell-rechtlich in einen dem Zessionar zustehenden und einen dem Zedenten (Versicherten) zustehenden Anspruchsteil auf. Damit scheidet der dem Zessionar zustehende Teil des monatlichen Zahlbetrags jeweils mit seiner Entstehung aus dem Vermögen des Versicherten aus und geht in das Vermögen des Zessionars über (vgl BSG SozR 4-1200 § 53 Nr 1 RdNr 25).
Hierauf lässt sich allerdings - wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben - die Auffassung der Klägerin nicht stützen, dass nur der durch Vorausabtretung reduzierte Teil der Versichertenrente in Höhe des ihr zustehenden jeweiligen Zahlbetrags im Rahmen der Einkommensanrechnung auf die Witwenrente anzurechnen sei. Denn das BSG hat in seiner Entscheidung vom 23.10.2003 auch festgestellt, dass eine reduzierte Rentenauszahlung an den Versicherten unter gleichzeitiger Auszahlung von Rententeilen an den Zessionar keine Änderung des (wirtschaftlichen) Werts des (dem Versicherten allein zustehenden) Rentenanspruchs (als sog "Stammrecht") selbst bedeutet. Durch eine (wirksame) Abtretung geht lediglich der (teilweise) abgetretene Zahlungsanspruch (ohne Durchgangserwerb des Zedenten unmittelbar) auf den Zessionar über. Der Rentenanspruch (das "Stammrecht") als "Einkunftsquelle" bleibt aber in voller Höhe zugunsten des Versicherten bestehen, dh die Abtretung berührt den Rentenanspruch selbst (als "Stamm- bzw Quellrecht") gerade nicht. Vielmehr bleibt dieser unverändert erhalten (vgl aaO). Ist aber die Einkunftsquelle (hier: das "Stamm- bzw Quellrecht" auf Altersruhegeld bzw Altersrente) beim Abtretenden (hier: der Klägerin) verblieben, sind die den abgetretenen Forderungen (hier: die als "Rechtsfrüchte" aus dem "Stamm- bzw Quellrecht" begriffenen monatlichen Einzelansprüche der Klägerin auf Rentenzahlung) entsprechenden Einnahmen (in Geld oder Geldeswert) solche des Abtretenden (vgl bereits BFH vom 13.5.1976 - IV R 83/75 - BFHE 119, 63, 67 mwN zur einkommensteuerrechtlichen Zuordnung von Einkünften bei schenkweise erfolgter Vorausabtretung künftiger Forderungen).
Hiervon ausgehend ist die Versichertenrente für jeden Kalendermonat (und somit auch im Aufhebungszeitraum von Januar 1991 bis einschließlich September 2001) in Höhe des im Rentenbescheid festgesetzten Gesamt-Zahlbetrags des Altersruhegelds bzw der Altersrente der Klägerin wirtschaftlich voll zugutegekommen, dh nicht nur in Höhe des ihr ausgezahlten, sondern auch in Höhe des abgetretenen Betrags (Anspruchsteils), und zwar insoweit durch Minderung ihres gegenüber dem Finanzierungsunternehmen bestehenden Schuldenstandes. Hier bestand der ihr zufließende (konkrete) "Geldwert" des Altersruhegelds bzw der Altersrente also in der sukzessiven Tilgung (monatlichen Reduzierung in Höhe des abgetretenen Rentenzahlungsanspruchs) ihrer Verbindlichkeiten (Auszahlungsbetrag, Zinsen usw) gegenüber dem finanziell in Vorleistung getretenen Finanzierungsunternehmen.
Würde man hingegen der Auffassung der Klägerin folgen, hinge - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - die Höhe der Anrechnung einer auf einer freiwilligen Beitragsnachentrichtung beruhenden Altersrente auf eine Rente wegen Todes davon ab, ob der Altersrentner zur Finanzierung der Beitragsnachentrichtung einen Kredit aufgenommen hat und ob er diesen im Wege der Abtretung tilgt oder nicht. So müsste derjenige, der etwa die Mittel zur Beitragsnachentrichtung selbst aufgebracht bzw einen Kredit hierfür ohne gleichzeitige (Voraus-)Abtretung seiner Rentenansprüche gesichert hat, eine volle Einkommensanrechnung im Rahmen der Festsetzung der Witwen- bzw Witwerrente hinnehmen, während in einem Fall wie dem vorliegenden nur eine teilweise Einkommensanrechnung zulässig wäre. Ein Sachgrund für eine solche Differenzierung im Rahmen der Anrechnung von Altersrenten als Einkommen auf Renten wegen Todes ist nicht ersichtlich. Denn in beiden Fällen hat der rentenbeziehende Versicherte über die Verwendung der Altersrente nach eigener Entscheidung verfügt, und in beiden Fällen kommt die Altersrente in ihrem Geldwert wirtschaftlich voll dem verwitweten Altersrentner zugute.
b) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der streitgegenständlichen Witwenrentenbescheide nach § 45 Abs 3 S 3 und 4 iVm Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X vorliegen. Die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; sie werden von der Klägerin in ihrer Revisionsbegründung auch nicht angegriffen. Insbesondere liegt kein Ermessensfehler vor; die Beklagte hat in Ausübung ihres Ermessens von einer Rücknahme teilweise (zur Hälfte) abgesehen (vgl BSG vom 12.2.1998 - B 8 KN 20/96 R - Juris RdNr 39; BSG vom 17.4.1996 - 3 RK 18/95 - SozR 3-5425 § 24 Nr 14 S 83, 87 f). Die Fristen nach § 45 Abs 3 und 4 SGB X sind eingehalten.
c) Nicht zu beanstanden ist schließlich die mit der Entscheidung über die (teilweise) Rücknahme verbundene - ihr rechtlich nachgeordnete - Erstattungsentscheidung der Beklagten nach § 50 Abs 1 SGB X. Ist - wie hier - die Rücknahmeentscheidung sachlich richtig, beschränkt sich die Prüfung der Entscheidung über die Erstattung nur noch darauf, ob dem Erstattungsverlangen selbst Einwendungen entgegengesetzt werden können (vgl Senatsurteil vom 1.7.2010 - B 13 R 77/09 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 18 RdNr 61-62 mwN). Dafür hat die Klägerin nichts vorgetragen; demgegenüber hat das LSG festgestellt, dass gegen die Berechnung der Höhe des (bereits um die Hälfte reduzierten ursprünglichen) Erstattungsbetrags keine Bedenken bestehen. Gegenteiliges ist auch nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
FuR 2015, 241 |
NZS 2014, 911 |