Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Widerspruchsverfahren im Verfahren zur Nachbesetzung einer vertragsärztlichen Stelle in einem MVZ. Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (juris: Ärzte-ZV). fehlende Ermächtigungsgrundlage zur Normierung einer Rücknahmefiktion bei nicht fristgemäßer Zahlung der Widerspruchsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Für die Regelung in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, nach der ein Widerspruch bei nicht fristgerechter Zahlung der Widerspruchsgebühr als zurückgenommen gilt, fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage.
Normenkette
Ärzte-ZV § 45 Abs. 1 Sätze 1-2, § 46; SGB V § 97 Abs. 3, § 98 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nrn. 3-4; SGG § 78 Abs. 1, §§ 83, 85, 102 Abs. 2 S. 1; RVO § 368b Abs. 7; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 80; KARG
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Widerspruchsverfahren - die im Zusammenhang mit der Nachbesetzung einer Arztstelle in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) stehen - durch (fiktive) Rücknahme der Widersprüche beendet sind.
Die Klägerin ist Trägerin eines MVZ auf dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Nachdem die Ärztin B zugunsten des MVZ auf ihre Zulassung verzichtet hatte, genehmigte der Zulassungsausschuss ihre Anstellung in einer Filiale des MVZ ab 1.4.2017 (Beschluss vom 6.12.2016/Bescheid vom 25.1.2017). Die Ärztin B teilte der Klägerin im September 2017 mit, dass sie ihre ärztliche Tätigkeit krankheitsbedingt nicht mehr weiterführen könne. Die Klägerin beantragte im November 2017 daraufhin beim Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Nachbesetzung der Arztstelle durch die Ärztin U. Sie stellte zudem den Antrag, die Anstellung der Ärztin B zu einer anderen Filiale des MVZ zu verlegen und teilte dem Zulassungsausschuss mit, dass die Beschäftigung der Ärztin wegen "dauernder Berufsunfähigkeit" sodann zum 9.1.2018 ende.
Der Zulassungsausschuss fasste zu den gestellten Anträgen insgesamt vier Beschlüsse: Er gab dem Antrag auf Verlegung der Anstellung der Ärztin B an einen anderen Standort statt und stellte fest, dass die Genehmigung zur Beschäftigung der angestellten Ärztin B zum 9.1.2018 ende. Er entschied zudem, dass die Klägerin kein Recht zur Nachbesetzung der Arztstelle habe und der Versorgungsauftrag zur Anstellung eines Arztes zum 9.1.2018 ende und lehnte schließlich den Antrag auf Genehmigung der Anstellung der Ärztin U mit der Begründung ab, dass die Ärztin B nach dem Verzicht auf ihre Zulassung weniger als drei Jahre in dem MVZ tätig gewesen sei (Beschlüsse vom 9.1.2018/Bescheide vom 15.2.2018).
Nachdem die Klägerin gegen diese Bescheide fristgemäß Widerspruch eingelegt und begründet hatte, forderte der beklagte Berufungsausschuss die Klägerin zur Entrichtung einer Verwaltungsgebühr für vier Widerspruchsverfahren in Höhe von jeweils 200 Euro bis zum 5.4.2018 auf und wies darauf hin, dass die Widersprüche gemäß § 45 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) als zurückgenommen gelten, wenn die genannten Gebühren nicht innerhalb der gesetzten Fristen entrichtet seien. Die entsprechenden Überweisungen der Klägerin gingen am 9.4.2018 auf dem Empfängerkonto ein. Der Beklagte stellte daraufhin fest, dass die Widersprüche gegen die Bescheide des Zulassungsausschusses gemäß § 45 Ärzte-ZV als zurückgenommen gelten, da die Zahlungsfrist nicht eingehalten worden sei (Beschlüsse vom 20.6.2018/Bescheide vom 5.9.2018). Den Antrag der Klägerin auf rückwirkende Verlängerung der Frist nach § 26 Abs 7 SGB X, den diese damit begründet hatte, dass sie die Überweisungen erstmals fristgerecht am 2.4.2018 vorgenommen habe, diese jedoch trotz entsprechender Überweisungsbestätigung der Bank wegen fehlender Deckung des Kontos nicht ausgeführt worden seien, lehnte der Beklagte ab. Die an die Versäumung anknüpfende Rücknahmefiktion des Widerspruchs stelle keine unbillige, sondern die hierfür vorgesehene Rechtsfolge dar.
Hiergegen hat die Klägerin jeweils Klage beim SG erhoben, welche das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat (Beschluss des SG vom 2.7.2019). Nach Rücknahme der Klage betreffend den Bescheid zur Genehmigung der Verlegung der Anstellung der Ärztin B an einen Standort des MVZ hat das SG die übrigen Beschlüsse des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, über die Widersprüche der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Für die in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV geregelte Widerspruchsrücknahmefiktion fehle eine wirksame Ermächtigungsgrundlage iS von Art 80 GG. In Betracht komme allein § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V, wonach die Zulassungsverordnungen Vorschriften über das Verfahren der Ausschüsse entsprechend den Grundsätzen des Vorverfahrens in der Sozialgerichtsbarkeit enthalten müssten. § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV halte sich jedoch nicht im Rahmen dieser Ermächtigung. Es werde eine über § 84 Abs 1 Satz 1 SGG hinausgehende "weitere Prozess(Sachurteils)voraussetzung" für die sozialgerichtliche Klage geschaffen, die entgegen den Regelungen für das Vorverfahren im SGG den Zugang zu den Sozialgerichten erschwere.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 62 SGB X. Diese Norm sei eine Konkretisierung des in § 37 SGB I enthaltenen allgemeinen Grundsatzes, dass in den einzelnen Sozialgesetzbüchern abweichende Regelungen zum SGB I und SGB X getroffen werden könnten. Für das Vorverfahren in Angelegenheiten des vertragsärztlichen Zulassungsrechts fänden sich solche abweichenden Bestimmungen in § 96 Abs 4 und § 97 Abs 3 sowie § 98 Abs 2 Nr 3 und 4 SGB V. Danach sei das Vorverfahren in Angelegenheiten des vertragsärztlichen Zulassungsrechts als Vorverfahren eigener Art ausgestaltet. Bereits aus § 96 Abs 4 SGB V, wonach gegen Entscheidungen der Zulassungsausschüsse der Berufungsausschuss angerufen werden könne, folge, dass der Gesetzgeber eine spezielle Regelung im vertragsärztlichen Zulassungsrecht für erforderlich gehalten habe. Dementsprechend sei in § 97 Abs 3 SGB V angeordnet, dass für das Verfahren vor den Berufungsausschüssen §§ 84 Abs 1 und 85 Abs 3 SGG anzuwenden seien und das Verfahren als Vorverfahren iS des § 78 SGG gelte. Nur vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber ein eigenständiges Vorverfahren für das vertragsärztliche Zulassungsrecht für notwendig erachtet habe, sei auch die Ermächtigung in § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V zu verstehen. § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V enthalte ein Gebot, welche Mindestanforderungen das besondere Vorverfahren zwingend enthalten müsse, ohne jedoch die Art und Weise abschließend zu regeln. Dies gebiete eine Orientierung an den Verfahrensregelungen der §§ 77 ff SGG, erlaube aber zugleich Abweichungen in Einzelpunkten. Bei § 45 Abs 1 Ärzte-ZV handele es sich um eine solche zulässige Sonderregelung. Die fristgerechte Zahlung der Widerspruchsgebühr sei ein sachlich gerechtfertigtes Kriterium, um das tatsächliche Interesse des Widerspruchsführers an einer Sachentscheidung zu dokumentieren. Zudem diene die Regelung auch der Entlastung der Berufungsausschüsse mit dem Ziel, nur dann in eine Prüfung eintreten zu müssen, wenn die Widerspruchsführer den pauschalierten Verwaltungsaufwand zahlten. Der Rechtsschutz werde durch die Rücknahmefiktion auch nicht unzulässig erschwert. Die fristgerechte Zahlung einer relativ geringen Verfahrensgebühr sei für den betroffenen Adressatenkreis von Ärzten, Psychotherapeuten und MVZ ein üblicher Geschäftsvorgang.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Gotha vom 3.2.2021 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zutreffend habe das SG festgestellt, dass § 45 Abs 1 Ärzte-ZV den gesetzlichen Rahmen der allein in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage nach § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V überschreite. Mit der in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV normierten Rücknahmefiktion werde eine weitere - vom Gesetz nicht vorgesehene - Sachurteilsvoraussetzung geschaffen. Die Rücknahmefiktion knüpfe allein an das Verstreichen einer Zahlungsfrist an. Zwar seien dem SGG Rücknahmefiktionen nicht fremd. So regele § 102 Abs 2 Satz 1 SGG die fiktive Klagerücknahme, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Eine entsprechende Regelung existiere mit § 156 Abs 2 Satz 1 SGG auch für das Berufungsverfahren. Jedoch hätten Vorschriften dieser Art einen engen Ausnahmecharakter und bedürften in besonderem Maße der Rechtsklarheit. Auch aus §§ 96 Abs 4, 97 Abs 3, 98 Abs 2 Nr 3 und 4 SGB V folge - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - nichts anderes. Vielmehr ordne § 97 Abs 3 Satz 1 SGB V ausdrücklich die Anwendung der § 84 Abs 1 und § 85 Abs 3 SGG für das Berufungsverfahren an. § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV enthalte jedoch einen eigenen, vom Gesetz für das Vorverfahren nicht vorgesehenen Beendigungstatbestand für das Widerspruchsverfahren.
Die zu 7. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an. Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Satz 1 SGG) des beklagten Berufungsausschusses ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das vorinstanzliche Urteil des SG sowie die Bescheide des Beklagten vom 5.9.2018 (Beschlüsse vom 20.6.2018), die feststellen, dass die Widersprüche der Klägerin gegen die Entscheidungen des Zulassungsausschusses als zurückgenommen gelten. Der Senat hat allein über diese Bescheide des Berufungsausschusses zu entscheiden, nicht jedoch über die vorangegangenen Bescheide des Zulassungsausschusses. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist allein der Bescheid des Berufungsausschusses Streitgegenstand (zum Bescheid des Berufungsausschusses als alleiniger Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zB BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 1/17 R - BSGE 126, 40 = SozR 4-2500 § 95 Nr 34, RdNr 20 und BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 36/13 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 28 RdNr 11).
Zwar liegt hier nicht die typische Konstellation vor, in welcher der Berufungsausschuss eine eigenständige (inhaltliche) Sachentscheidung getroffen oder jedenfalls die Entscheidung des Zulassungsausschusses als unbegründet zurückgewiesen und sich so den Entscheidungsausspruch des Zulassungsausschusses zu eigen gemacht hat (vgl dazu BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 49/11 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 26 RdNr 18). Vielmehr hat der Berufungsausschuss die Rücknahme der Widersprüche festgestellt, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Jedoch ist auch in der vorliegenden Konstellation allein der Berufungsausschuss der richtige Beklagte. Nach § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV gilt der Widerspruch als zurückgenommen, wenn die Gebühr nach § 46 Ärzte-ZV nicht innerhalb der gesetzten Frist entrichtet ist. Die Entscheidung hierüber kann allein der Berufungsausschuss treffen. Bei der reinen Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Beschwerdeausschusses, dass der Widerspruch als zurückgenommen gilt, entscheidet das Gericht dementsprechend nur hierüber. Kommt es zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch nicht zurückgenommen ist, ist der Bescheid des Berufungsausschusses aufzuheben. Dieser hat sodann über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden.
B. Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das SG hat die Bescheide des Beklagten revisionsrechtlich beanstandungsfrei aufgehoben. Der Beklagte muss über die Widersprüche der klagenden Trägerin eines MVZ in der Sache entscheiden, da die Widersprüche der Klägerin nicht durch fiktive Rücknahme nach § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV erledigt sind. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV geregelten Voraussetzungen für den Eintritt der Widerspruchsrücknahmefiktion überhaupt erfüllt sind (dazu 2.). Denn jedenfalls fehlt es schon an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage iS des Art 80 GG für die in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV getroffene Regelung der Rücknahmefiktion eines Widerspruchs bei nicht fristgerechter Zahlung der Widerspruchsgebühr (dazu sogleich 1.).
Mit der Einlegung des Widerspruchs wird die nach § 46 Abs 1 Satz 1 Buchst d Ärzte-ZV zu zahlende Widerspruchsgebühr fällig (§ 46 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Die Gebühr wird grundsätzlich für alle Widersprüche gegen Entscheidungen des Zulassungsausschusses erhoben, durch die der Arzt, das MVZ oder die sonstige ärztlich geleitete Einrichtung die Änderung eines Verwaltungsaktes anstrebt, es sei denn, das Gesetz sieht ein Widerspruchsverfahren nicht vor. Erfolgt die Zahlung der Widerspruchsgebühr nicht mit der Einlegung des Widerspruchs, so ist die Gebühr vom Widerspruchsführer gesondert anzufordern. Nach § 45 Abs 1 Ärzte-ZV gilt sodann der Widerspruch als zurückgenommen, wenn die Gebühr nach § 46 Ärzte-ZV nicht innerhalb der gesetzten Frist entrichtet ist (Satz 1). Die Zahlungsfrist und die Folgen ihrer Nichteinhaltung sind in der Anforderung zu vermerken (Satz 2). Bei der Festsetzung dieser Zahlungsfrist handelt es sich um eine behördliche Frist (§ 26 Abs 2 SGB X). Im Unterschied zu gesetzlichen Fristen, die nicht zur Disposition der Beteiligten stehen (vgl § 26 Abs 1 SGB X), dürfen behördliche Fristen von der Behörde selbst gesetzt und bemessen werden. Für eine transparente Verfahrensgestaltung ist es daher erforderlich, dass der Adressat den Fristablauf sowie die Rechtsfolgen der Fristversäumnis eindeutig bestimmen kann. Damit wäre für den Eintritt der Rücknahmefiktion jedenfalls Voraussetzung, dass die Höhe der Gebühr zutreffend ermittelt, der richtige Gebührengläubiger benannt, die Zahlungsfrist angemessen bestimmt und in unmissverständlicher Form und mit der gebotenen Deutlichkeit auf die Folgen der Nichteinhaltung der Zahlungsfrist hingewiesen worden ist (so auch SG Aachen Urteil vom 3.3.2010 - S 7 KA 2/09 - juris RdNr 20; SG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2016 - S 4 KA 2628/14 - juris RdNr 26; Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 45 RdNr 1; vgl auch Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl 2017, § 5 Abschnitt D RdNr 122; Bogan in BeckOK Sozialrecht, Stand: 1.6.2022, § 45 Ärzte-ZV RdNr 3). Ob die Rechtsfolgenbelehrungen in den Zahlungsaufforderungsschreiben in vollem Umfang den zu stellenden Anforderungen entsprechen und die Höhe der Widerspruchsgebühren von dem Beklagten zutreffend ermittelt worden ist, ist fraglich (vgl dazu noch unter ≪2≫), kann aber offenbleiben, da es schon an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage iS des Art 80 GG für die Regelung fehlt.
1. Da die Ärzte-ZV selbst nur den Rang einer Rechtsverordnung hat, bedarf es einer den Anforderungen des Art 80 GG entsprechenden Ermächtigungsgrundlage (dazu a.). Hieran fehlt es für die in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV getroffene Regelung der Rücknahmefiktion eines Widerspruchs bei nicht fristgerechter Zahlung der Widerspruchsgebühr (dazu b.).
a. Nach der Rechtsprechung des Senats und des BVerfG hat die Ärzte-ZV ungeachtet des Umstandes, dass sie durch den Gesetzgeber erlassen und in der Vergangenheit immer wieder durch diesen geändert worden ist (vgl zB die Änderungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz ≪TSVG≫ vom 6.5.2019 ≪BGBl I 646≫ wie die Einführung eines Dreiviertelversorgungsauftrags ≪§§ 18 Abs 1 Satz 3 Buchst c, 19a Abs 2 Ärzte-ZV≫ und der Regelungen zu den Mindestsprechstundenzeiten nebst umfangreichen Sanktionen ≪§ 19a Ärzte-ZV≫), selbst nur den Rang einer Rechtsverordnung (BSG Urteil vom 11.10.2017 - B 6 KA 38/16 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 31 RdNr 21; BSG Urteil vom 30.9.2020 - B 6 KA 18/19 R - BSGE 131, 73 = SozR 4-5520 § 24 Nr 14, RdNr 32; vgl auch BVerfG Beschluss vom 13.9.2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196, 239 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 109). Dementsprechend bedarf es für die Regelungen der Ärzte-ZV einer den Anforderungen des Art 80 GG entsprechenden Ermächtigungsgrundlage (BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 65; BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 25/14 R - BSGE 119, 79 = SozR 4-5520 § 19 Nr 3, RdNr 21; vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2020 - B 6 KA 18/19 R - BSGE 131, 73 = SozR 4-5520 § 24 Nr 14, RdNr 32; BSG Urteil vom 4.11.2021 - B 6 KA 16/20 R - juris RdNr 43 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-5520 § 31 Nr 6 vorgesehen; BVerfG Beschluss vom 13.9.2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196, 238 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 105, 109).
b. Nach Art 80 GG können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen (Satz 1). Danach müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen (Satz 2). Diese muss nach Tendenz und Programm so genau umrissen sein, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm (stRspr; vgl nur BVerfG Beschluss vom 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 RdNr 54 ff). Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich daher nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an (BVerfG Beschluss vom 11.3.2020 - 2 BvL 5/17 - BVerfGE 153, 310 RdNr 102). Die Anforderungen an die Bestimmtheit sind umso höher, je tiefer die Norm in verfassungsrechtlich geschützte Positionen eingreift und je eindeutiger, abgrenzbarer und vorhersehbarer die Materie ist, die sie regelt. Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist (vgl BVerfG Beschluss vom 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 - BVerfGE 143, 38 RdNr 57).
An einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage in diesem Sinne fehlt es für die in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV geregelte Widerspruchsrücknahmefiktion bei verspäteter Zahlung der Widerspruchsgebühr (so auch Pawlita in FS Plagemann, 2020, S 497, 499 ff; ders in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 97 RdNr 36; vgl auch Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl 2017, § 5 Abschnitt D RdNr 122 mit Fn 88; Peters in Handbuch der Krankenversicherung, 18. Aufl 1985 mit Stand 31.7.1987, § 368b RVO Anm 3b; Heinze in SGB Sozialversicherung, Stand der Einzelbearbeitung: Januar 1987, § 368b RVO Anmerkung 5; aA LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 18.11.2003 - L 11 B 47/03 KA ER - juris RdNr 18 ff; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 9.12.2009 - L 3 KA 117/08 - juris RdNr 31 ff; SG Aachen Urteil vom 3.3.2010 - S 7 KA 2/09 - juris RdNr 17 ff; SG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2016 - S 4 KA 2628/14 - juris RdNr 32 ff). Weder regelt § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV das "Nähere" über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung iS der Generalklausel des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V (dazu aa); noch geht es um die Zulässigkeit der Erhebung von Verfahrensgebühren iS von § 98 Abs 2 Nr 4 SGB V (dazu bb). Die fingierte Widerspruchsrücknahme entspricht auch nicht den Grundsätzen des Vorverfahrens in der Sozialgerichtsbarkeit iS von § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V (dazu cc).
aa) Nach § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V regeln die Zulassungsverordnungen das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung (§ 99 SGB V) und die Beschränkung von Zulassungen. Die Vorschrift stellt grundsätzlich eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art 80 Abs 1 Satz 2 GG) genügende Ermächtigungsgrundlage dar (zu § 98 Abs 1 SGB V als Ermächtigungsgrundlage vgl BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 25/14 R - BSGE 119, 79 = SozR 4-5520 § 19 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 30.9.2020 - B 6 KA 18/19 R - BSGE 131, 73 = SozR 4-5520 § 24 Nr 14, RdNr 32; BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - SozR 4-5520 § 19 Nr 4 RdNr 25 ff) und hat als Ermächtigungsnorm einen eigenständigen Anwendungsbereich (BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 25/14 R - BSGE 119, 79 = SozR 4-5520 § 19 Nr 3, RdNr 24). Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt, weil der Gesetzgeber unter Einbeziehung anderer Normen des SGB V hinreichende Vorgaben zu Ausmaß und Zweck der durch Verordnung zu treffenden Regelungen erlassen hat (BVerfG Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - SozR 4-5520 § 19 Nr 4 RdNr 29 f). Mit der Fiktion der Widerspruchsrücknahme in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV regelt der Verordnungsgeber aber nicht "das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung oder die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung und die Beschränkung von Zulassungen". § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV betrifft weder die Voraussetzung der Teilnahme von Ärzten an der Versorgung noch die Form der Teilnahme oder ihrer Beendigung. Fragen des materiellen Zulassungsrechts oder der Bedarfsplanung werden mit der Regelung nicht angesprochen.
bb) Auch § 98 Abs 2 Nr 4 SGB V scheidet - entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten - als Ermächtigungsgrundlage aus. Nach dieser Regelung müssen die Zulassungsverordnungen Vorschriften enthalten über die Verfahrensgebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner sowie über die Verteilung der Kosten der Ausschüsse auf die beteiligten Verbände. Die Zulässigkeit der Erhebung von Widerspruchsgebühren steht hier aber nicht in Streit.
Die Kostenverteilung regelt § 96 Abs 3 Satz 2 SGB V. Danach werden "die Kosten der Zulassungsausschüsse, soweit sie nicht von Gebühren gedeckt sind, je zur Hälfte von den KÄVen einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen andererseits getragen". Die getroffene Regelung setzt die Möglichkeit zur Erhebung von Gebühren damit bereits voraus. Die §§ 34 Abs 8, 35 Abs 2 Ärzte-ZV konkretisieren dies für die Kostenverteilung innerhalb der Kassenverbände weiter. Die Fallgestaltungen, in denen Verfahrensgebühren anfallen, und die jeweilige Höhe der Verfahrensgebühren (und auch der Verwaltungsgebühren) werden in § 46 Ärzte-ZV normiert. Diese Vorschrift ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 98 Abs 2 Nr 4 SGB V gedeckt (so bereits BSG Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 2/12 R - SozR 4-2500 § 81 Nr 5 RdNr 17). Zwar werden nach § 64 SGB X für das Verfahren bei den Behörden keine Gebühren und Auslagen erhoben. Nach § 37 Satz 1 SGB I gelten das SGB I und das SGB X jedoch nur, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Anderweitige Regelungen iS von § 37 Satz 1 Halbsatz 1 SGB I können unmittelbare gesetzliche Regelungen sein, aber auch untergesetzliche Regelungen aufgrund einer Ermächtigungsnorm, die Bestandteil der besonderen Teile des SGB ist (BSG Urteil vom 6.2.2013 - B 6 KA 2/12 R - SozR 4-2500 § 81 Nr 5 RdNr 16).
Eine solche ausdrückliche abweichende Regelung findet sich in § 98 Abs 2 Nr 4 SGB V, welche den Verordnungsgeber zur Erhebung und Bestimmung von Verfahrensgebühren in den Zulassungsverordnungen ermächtigt. Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Struktur im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 1988, 2477) in Kraft getreten. Eine Änderung erfuhr die Regelung mit dem Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (VÄndG) vom 22.12.2016 (BGBl I 3439). Dabei wurde hinter den Worten "die Verfahrensgebühren" die Formulierung "unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner" eingefügt. Dies diente der Klarstellung, dass bei der Bemessung der Verfahrensgebühren nicht nur der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand, sondern auch die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Amtshandlung für den Gebührenschuldner zu berücksichtigen sind (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/3157 S 17). Dementsprechend wurde mit dieser Ergänzung der Vorschrift die bereits im Regierungsentwurf vorgesehene Erhöhung der Gebühren nach § 46 Ärzte-ZV auf das Vierfache verbunden (vgl BT-Drucks 16/2474 S 12). Die in § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV geregelte Widerspruchsrücknahmefiktion hält sich aber nicht im Rahmen dieser Ermächtigungsgrundlage. Fragen der Erhebung und Bestimmung der Höhe von Widerspruchsgebühren werden mit § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV gerade nicht angesprochen.
cc) Der gesetzliche Rahmen der - hier einzig - als relevant in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage des § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V wird überschritten. Danach müssen die Zulassungsverordnungen Vorschriften enthalten über das Verfahren der Ausschüsse entsprechend den Grundsätzen des Vorverfahrens in der Sozialgerichtsbarkeit einschließlich der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Durchführung von Sitzungen der Ausschüsse mittels Videotechnik. Die Rechtsfolge der fingierten Widerspruchsrücknahme entspricht diesen Grundsätzen gerade nicht.
(1) Die Grundsätze des Vorverfahrens sind vielmehr im SGG wie folgt geregelt: § 78 Abs 1 SGG bestimmt zunächst - von Ausnahmen nach Abs 1 Satz 2 abgesehen -, dass es zur Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage eines Vorverfahrens bedarf. Die Durchführung des Vorverfahrens mit abschließender Entscheidung der Verwaltung ist eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (vgl bereits BSG Urteil vom 23.1.1957 - 6 RKa 11/55 - BSGE 4, 246, 247). Nach § 83 SGG beginnt das Vorverfahren mit Erhebung des Widerspruchs. Der Widerspruch ist binnen eines Monats (bei Bekanntgabe im Ausland binnen drei Monaten), nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben ist, einzureichen (§ 84 Abs 1 Satz 1 und 2 SGG). Mit dem Lauf des Vorverfahrens ist die Verpflichtung der Behörde verbunden, dieses ordnungsgemäß durchzuführen und in angemessener Zeit zu Ende zu bringen (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 83 RdNr 6). Soweit der Widerspruch als begründet erachtet wird, ist ihm abzuhelfen (§ 85 Abs 1 SGG), soweit ihm nicht abgeholfen wird, ist ein Widerspruchsbescheid zu erlassen (§ 85 Abs 2 SGG). Eine fingierte Widerspruchsrücknahme bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung einer Gebühr existiert im SGG nicht.
(2) Mit § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV wird ein - im SGG nicht vorgesehener - Beendigungstatbestand für das mit dem Widerspruch eröffnete besondere Verwaltungsverfahren (dazu noch RdNr 29 ff) geregelt. Der Berufungsausschuss wird bei nicht fristgerechter Einzahlung der Widerspruchsgebühr berechtigt, den Widerspruch - ausnahmslos - als fingiert zurückgenommen zu behandeln, selbst wenn es um grundrechtsintensive Entscheidungen, wie zB in Zulassungssachen, geht. Damit wird die Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 GG gravierend eingeschränkt, indem ausnahmslos weder eine materielle Sachprüfung des Widerspruchs durch den Beschwerdeausschuss noch durch die Sozialgerichtsbarkeit erfolgt. Der durch Art 19 Abs 4 GG gewährleistete Rechtsschutz gilt nicht nur für den Zugang zum Gericht, sondern innerhalb des jeweils eingeleiteten Verfahrens, soweit es darum geht, sich dort effektiv Gehör zu verschaffen (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 17.9.2012 - 1 BvR 2254/11 - BVerfGK 20, 43 = juris RdNr 25, 28 mwN). Regelungen, die den effektiven Rechtsschutz derart gravierend beschränken, bedürfen einer klaren und bestimmten gesetzlichen Grundlage, an der es nach derzeitiger Rechtslage fehlt. Zwar dürfte es grundsätzlich nicht zu beanstanden sein, wenn der Gesetzgeber an die - zulässige - Gebührenerhebung in den Verfahren vor den Ausschüssen auch Konsequenzen bei Nichtzahlung oder verspäteter Zahlung knüpft. Dies könnte beispielsweise in Form einer ergänzenden Regelung in § 97 SGB V oder mit einer hinreichend bestimmten und klaren Grundlage in § 98 Abs 2 SGB V geschehen. Nach derzeitiger Rechtslage wird jedoch der gesetzliche Rahmen des § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V überschritten.
(3) Zwar sieht das SGG eine fiktive Klagerücknahme in § 102 Abs 2 Satz 1 SGG vor, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung länger als drei Monate nicht betreibt. Eine vergleichbare Regelung gilt mit § 156 Abs 2 Satz 1 SGG auch für das Berufungsverfahren. Gewisse Parallelen finden sich auch in § 12a iVm § 12 GKG, wonach das Gericht berechtigt ist, auch in sozialgerichtlichen Verfahren einer Klage auf Entschädigung nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Förderung des Verfahrens davon abhängig zu machen, dass der Kläger einen Gerichtskostenvorschuss zahlt.
Bei den Rücknahmefiktionen nach §§ 102 Abs 2 Satz 1, 156 Abs 2 Satz 1 SGG handelt es sich aber um eng begrenzte gesetzlich geregelte Ausnahmefälle (BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 58/09 R - BSGE 106, 254 = SozR 4-1500 § 102 Nr 1 RdNr 18 ff), in denen sachlich begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers oder Berufungsklägers vorliegen (vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - DVBl 1999, 166, 167 zu § 81 AsylVfG und § 92 Abs 2 VwGO). Sie können - ohne gesetzliche Grundlage - nicht auf das Widerspruchsverfahren übertragen werden.
(4) Etwas anderes folgt auch nicht aus den Besonderheiten des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss.
(a) Zutreffend weist der Beklagte allerdings darauf hin, dass es sich bei dem Verfahren vor dem Berufungsausschuss um ein besonderes Verwaltungsverfahren handelt (BSG Urteil vom 9.6.1999 - B 6 KA 76/97 R - SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 21.4.1993 - 14a RKa 11/92 - BSGE 72, 214, 220 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 11; BSG Urteil vom 27.1.1993 - 6 RKa 40/91 - SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 3 - 5). Dies folgt bereits aus der Vorschrift des § 97 Abs 3 Satz 2 SGB V, wonach das Verfahren vor dem Berufungsausschuss als Vorverfahren nach § 78 SGG "gilt". Dies macht deutlich, dass es an Stelle des Widerspruchsverfahrens nach §§ 78, 83 ff SGG treten soll. Auch die Verweisung des § 97 Abs 3 Satz 1 SGB V auf nur zwei Vorschriften aus dem Abschnitt über das Widerspruchsverfahren - nämlich auf die Bestimmungen des § 84 Abs 1 SGG für die Widerspruchsfrist und des § 85 Abs 3 SGG für das schriftliche Formerfordernis des Bescheides, die Geltung des Verwaltungszustellungsgesetzes und der Notwendigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung - wäre im Übrigen überflüssig, wenn das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ein Widerspruchsverfahren gemäß §§ 78, 83 ff SGG wäre (BSG Urteil vom 9.6.1999 - B 6 KA 76/97 R - SozR 3-5520 § 44 Nr 1 S 4; BSG Urteil vom 27.1.1993 - 6 RKa 40/91 - SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 5).
(b) Eine hinreichende Ermächtigung für die fingierte Widerspruchsrücknahme folgt hieraus aber nicht. § 97 Abs 3 SGB V selbst enthält keine (weitere) Rechtsgrundlage für eine Regelung durch Rechtsverordnung. Die Vorschrift geht zurück auf Art 1 Nr 2 des Gesetzes über das Kassenarztrecht (GKAR) vom 17.8.1955 (BGBl I 513). § 368b Abs 7 RVO nahm die Regelung "Das Verfahren vor den Berufungsausschüssen gilt als Vorverfahren im Sinne der §§ 79 und 80 des Sozialgerichtsgesetzes vom 3. September 1953" auf und reagierte damit auf die Einführung des SGG vom 3.9.1953 (BGBl I 1239) mit den Regelungen zum Vorverfahren in den §§ 79, 80 SGG und der Schaffung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit für das Sozialrecht. Damit steht seit Inkrafttreten des GKAR fest, dass in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts sämtliche Verwaltungsakte in einem Vorverfahren nachzuprüfen sind, soweit das Gesetz nichts Abweichendes vorsieht (BSG Urteil vom 20.7.1966 - 6 RKa 9/65 - BSGE 25, 120 = SozR Nr 8 zu § 80 SGG - juris RdNr 19).
Aus § 97 Abs 3 SGG folgt, dass die das Vorverfahren regelnden Vorschriften des SGG auf das Verfahren vor dem Berufungsausschuss nur teilweise (zwingend) anwendbar sind. § 97 Abs 3 SGB V stellt dementsprechend eine abweichende gesetzliche Bestimmung iS des § 62 SGB X dar (Feddern in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 62 RdNr 28; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 4/2021, § 62 RdNr 20), wonach für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte SGG und VwGO nur gelten, "soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist" (§ 62 Halbsatz 1 SGB X). Hierauf weist der Beklagte zu Recht hin. Zwar "gilt" das Verfahren vor dem Berufungsausschuss im Hinblick auf das Vorverfahrenserfordernis des § 78 SGG als Vorverfahren. Es eröffnet damit den Zugang zu sozialgerichtlichem Rechtsschutz (BSG Urteil vom 21.4.1993 - 14a RKa 11/92 - BSGE 72, 214, 220 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 11) bzw dient der Erfüllung einer Voraussetzung für eine gerichtliche Sachentscheidung (BSG Urteil vom 27.1.1993 - 6 RKa 40/91 - SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 3).
Allerdings ergeben sich zum allgemeinen sozialgerichtlichen Vorverfahren Unterschiede. So hat der Zulassungsausschuss nicht das Recht zur Abhilfe des Widerspruchs, da § 85 Abs 1 SGG nicht anzuwenden ist (vgl BSG Urteil vom 21.4.1993 - 14a RKa 11/92 - BSGE 72, 214, 220 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 11). Auch besteht nicht die Möglichkeit den Widerspruch entsprechend § 85 Abs 2 SGG fristwahrend bei einer anderen Behörde einzulegen (Pawlita in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 97 RdNr 17). Mit der Einlegung des Widerspruchs ist ausschließlich der Berufungsausschuss funktionell zuständig (vgl bereits RdNr 12). Er hat daher nicht über den Widerspruch zu befinden, sondern aufgrund des Widerspruchs eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Die förmliche Zustellung des Bescheides ist zwingend und nicht - wie in § 85 Abs 3 SGG vorgesehen - fakultativ (vgl § 41 Abs 5 Satz 1 iVm § 45 Abs 3 Ärzte-ZV). Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist nicht gebührenfrei (§ 64 Abs 1 Satz 1 SGB X gilt nicht, dazu bereits unter RdNr 15).
(c) Auch wenn das Vorverfahren in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts ein besonderes Verwaltungsverfahren ist und nach § 97 Abs 3 SGB V gegenüber dem Vorverfahren nach dem SGG Besonderheiten aufweist, schafft § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V keine umfassende Kompetenz zur Regelung vom sozialgerichtlichen Vorverfahren abweichender Vorschriften und erlaubt insbesondere keine Regelung wie die des § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV, durch die die Gewährleistung umfassenden Rechtsschutzes iS des Art 19 Abs 4 GG erheblich eingeschränkt wird.
Dabei kann offenbleiben, ob die Auffassung des SG zutreffend ist, dass mit der Vorschrift eine neue "Prozess(Sachurteils)voraussetzung" im engeren Sinne geschaffen wird (so auch Pawlita in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 97 RdNr 39; vgl auch BVerwG Urteil vom 17.2.1981 - 7 C 55.79 - BVerwGE 61, 360, 363 zu Art 15 Bayerisches Kostengesetz aF), obwohl nach der Rechtsprechung des BSG die Fehlerfreiheit des Vorverfahrens nicht Prozessvoraussetzung ist (BSG Urteil vom 24.3.2015 - B 8 SO 16/14 R - SozR 4-3500 § 116 Nr 1 RdNr 15; vgl auch BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 54 RdNr 9). § 78 SGG verlangt keine materielle Prüfung durch die Behörde, auf die der Kläger keinen Einfluss hätte (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 54 RdNr 9; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 78 RdNr 2).
Auf die Einordnung als Prozess(Sachurteils)voraussetzung kommt es für die Bewertung hier jedoch nicht entscheidend an. Der Klägerin wäre es - auch wenn sie gegen die streitigen Bescheide des Beklagten, so wie hier geschehen, Klage wegen verspäteter Zahlung der Widerspruchsgebühren erheben kann - im Fall gerichtlich bestätigter Rechtmäßigkeit des förmlichen Vorgehens des Beklagten jedenfalls verwehrt, ein gerichtliches Sachurteil über die Rechtmäßigkeit der Ausgangsbescheide zu erstreiten, weil sie sich deren Unanfechtbarkeit entgegenhalten lassen müsste. Dabei ist unerheblich, ob die Klage gegen die betreffenden Bescheide, die die Widersprüche als zurückgenommen behandeln, als unzulässig oder als unbegründet abzuweisen wäre. Entscheidend ist, dass der Klägerin durch § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV das Recht auf gerichtliche Sachüberprüfung aus einem Grunde genommen wird, den die Vorschriften des SGG nicht vorsehen. Eine Ausnahmeregelung hiervon oder gegebenenfalls eine Härtefallregelung sieht die Ärzte-ZV nicht vor. Ein wie hier eingesetztes, scharfes prozessuales Instrument benötigt aber eine klar definierte Ermächtigungsgrundlage, woran es fehlt.
(d) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom 9.6.1999 (B 6 KA 76/97 R - SozR 3-5520 § 44 Nr 1) zur Begründungspflicht eines Widerspruchs in § 44 Abs 1 Ärzte-ZV aF. In § 44 Satz 1 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV aF war bestimmt, dass innerhalb eines Monats nicht nur der Widerspruch einzulegen, sondern dieser auch zu begründen war. Eine solche Vorgabe ist dem sozialgerichtlichen Verfahren - genau wie eine fingierte Widerspruchsrücknahme iS des § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV - fremd. Mit seinem Urteil vom 9.6.1999 hatte der Senat dennoch entschieden, dass § 44 Satz 1 Ärzte-ZV aF eine zulässige Sonderregelung gegenüber den Vorschriften des SGG über das Widerspruchsverfahren darstellte (B 6 KA 76/97 R - SozR 3-5520 § 44 Nr 1 - juris RdNr 26). Zwar sei bei Sonderregelungen in Zulassungsangelegenheiten zu beachten, dass das Verfahren der Ausschüsse gemäß § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V "entsprechend den Grundsätzen des Vorverfahrens in der Sozialgerichtsbarkeit" zu regeln sei. Dies gebiete die Orientierung an den Verfahrensregelungen der §§ 83 ff SGG, erlaube aber zugleich Abweichungen in Einzelpunkten, soweit sie sachlich gerechtfertigt seien (BSG aaO RdNr 25). Die Regelung des § 44 Satz 1 Ärzte-ZV aF betreffe nur einen Einzelpunkt und erschwere den Rechtsschutz nicht unverhältnismäßig.
Bereits das BVerfG hat in diesem Zusammenhang allerdings in einem einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund einer Zulassungsentziehung eine offensichtliche Unbegründetheit der Verfassungsbeschwerde verneint, weil zu klären sei, ob § 44 Zahnärzte-ZV aF (inhaltsgleich zu § 44 Ärzte-ZV aF) von der Ermächtigung in § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V gedeckt sei und mit § 97 Abs 3 Satz 1 SGB V, der ohne Einschränkung auf § 84 Abs 1 SGG verweise, in Einklang stehe (BVerfG Beschluss vom 25.5.2001 - 1 BvR 848/01 - juris RdNr 2; zum Gegenstandsloswerden der einstweiligen Anordnung vgl BVerfG Beschluss vom 11.12.2001 - 1 BvR 848/01). Letztendlich ist die Vorschrift mit Art 5 Nr 15 des VÄndG vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) gestrichen worden. Der Gesetzgeber hat argumentiert, dass die Begründungspflicht in der täglichen Praxis - auch von Rechtsanwälten - häufig übersehen werde. Dies habe erhebliche Folgen, weil die fehlende Begründung zur Unzulässigkeit des Widerspruchs führe (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum VÄndG, BT-Drucks 16/2474 S 35).
Aus der Entscheidung des Senats vom 9.6.1999 zu § 44 Satz 1 Ärzte-ZV aF lässt sich jedoch nicht der Rückschluss ziehen, dass § 45 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV von der Ermächtigungsgrundlage des § 98 Abs 2 Nr 3 SGB V gedeckt ist. Unabhängig davon, dass mit der Widerspruchsrücknahmefiktion nicht lediglich eine "Abweichung in Einzelpunkten" vom sozialgerichtlichen Vorverfahren getroffen wird (so LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 9.12.2009 - L 3 KA 117/08 - juris RdNr 31), ist das Urteil des Senats vom 9.6.1999 noch auf Grundlage der früher vertretenen Rechtsauffassung, die Ärzte-VO als formelles Gesetz anzusehen, ergangen. In den Entscheidungen zu § 44 Satz 1 Ärzte-ZV aF vom 23.2.2005 (B 6 KA 69/03 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 10 RdNr 13 und B 6 KA 70/03 R - SozR 4-5520 § 33 Nr 5 RdNr 13) hatte der Senat dementsprechend noch betont, dass dem Gesichtspunkt der Sonderregelung gegenüber §§ 78, 83 ff SGG weniger Bedeutung zukommt, seitdem anerkannt sei, dass alle Bestimmungen der Ärzte-ZV den Rang von Bundesgesetzen haben. Er hat dann nur geprüft, ob die Regelung in der Ärzte-ZV den Rechtsschutz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise einschränkt oder unverhältnismäßig erschwert. Der Senat geht inzwischen aber in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Ärzte-ZV den Rang einer Rechtsverordnung hat und es daher einer den Anforderungen des Art 80 GG entsprechenden Ermächtigungsgrundlage bedarf (dazu bereits RdNr 17).
(5) Letztlich steht auch die von dem Beklagten angeführte Entscheidung des BVerfG vom 12.1.1960 (1 BvL 17/59 = BVerfGE 10, 264) dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Dort hat das BVerfG den früheren Art 24 Bayerisches Kostengesetz, der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eine Vorschusspflicht des Rechtsuchenden vorsah und für den Fall der Nichtzahlung anordnete, dass der entsprechende Rechtsbehelf als zurückgenommen gilt, mit Art 19 Abs 4 GG und Art 103 Abs 1 GG als vereinbar angesehen (Beschluss vom 12.1.1960 - 1 BvL 17/59 = BVerfGE 10, 264, 268 f; vgl auch BVerfG Beschluss vom 14.12.1988 - 1 BvR 1578/88 - juris RdNr 7 - zu der früheren in Art 22 Abs 1 des Gesetzes über den bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgesehenen Möglichkeit zur Auferlegung eines Kostenvorschusses). Hieraus lässt sich jedoch für die vorliegende Konstellation nichts ableiten, da die Entscheidungen des BVerfG sich jeweils auf förmliche Landesgesetze bezogen haben. Hier geht es jedoch um die - zu verneinende - Frage, ob eine Rechtsverordnung, die im Rahmen des Art 80 GG zu beurteilen ist, eine hinreichend bestimmte Ermächtigung enthält.
Insoweit ist diese Konstellation eher auf der Linie der Entscheidung des BVerfG vom 26.9.2016 (1 BvR 1326/15 - SozR 4-5520 § 19 Nr 4) zu § 19 Abs 3 Ärzte-ZV aF zu sehen. In seinem stattgebenden Kammerbeschluss hat das BVerfG die Regelung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV aF (eingeführt durch Art 1 Nr 3 Vierte Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987, BGBl I 1679), wonach die für einen von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich erteilte Zulassung endete, wenn der Arzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten aufnahm, für nichtig erklärt. Diese Vorschrift halte sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 98 Abs 1 SGB V, da § 19 Abs 3 Ärzte-ZV den in § 95 Abs 6 SGB V ausdrücklich normierten Tatbeständen für die Entziehung der Zulassung einen weiteren Beendigungstatbestand hinzufüge und damit nicht lediglich "das Nähere" über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V regele (BVerfG aaO RdNr 32). Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Fälle von Beendigung der Zulassung nur beispielhaft im Gesetz geregelt und es dem Verordnungsgeber überlassen hat, weitere Entziehungs- und Beendigungsgründe festzulegen. Angesichts der mit der Entziehung oder Beendigung einhergehenden Grundrechtsbetroffenheit hätte es hierzu einer hinreichend klaren gesetzlichen Ermächtigung bedurft (BVerfG aaO RdNr 36, 37). Inzwischen hat der Gesetzgeber durch das TSVG die beanstandete Regelung aufgehoben und als förmliches Gesetz in § 95 Abs 7 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V gefasst.
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2. Die hinreichende Bestimmtheit der Folgen der Nichteinhaltung der Zahlungsfrist (dazu a.) als auch die Richtigkeit der Höhe der festgesetzten Widerspruchsgebühr (dazu b.) können hier im Ergebnis offenbleiben. Insofern weist der Senat auf Folgendes hin: |
a. Nach § 45 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV sind neben der Zahlungsfrist auch die "Folgen ihrer Nichteinhaltung" in der Zahlungsaufforderung zu vermerken. Die Vorschrift verlangt damit eine mit der Zahlungsfrist verbundene Belehrung, dass bei Versäumnis der Zahlungsfrist der Widerspruch als zurückgenommen gilt. Der Belehrung kommt Warnfunktion zu (vgl Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2017, § 38 Ärzte-ZV RdNr 4 zur Rücknahmefiktion bei Verfahren vor dem Zulassungsausschuss). Dem Betroffenen soll in verständlicher Form vor Augen geführt werden, mit welchen rechtlichen Folgen er bei nicht fristgerechter Zahlung der Gebühr rechnen muss. |
Hier stellte der Beklagte für die Fristwahrung maßgeblich auf den rechtzeitigen Eingang der Widerspruchsgebühr auf dem Gläubigerkonto ab (für den Zeitpunkt des Eingangs der Widerspruchsgebühr bei der Geschäftsstelle des Berufungsausschusses bzw auf dessen Konto auch Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 4. Aufl 2021, RdNr 262; Ladurner, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2017, § 38 Ärzte-ZV RdNr 5; Harwart/Thome in Schallen, Zulassungsverordnung, 9. Aufl 2018, § 45 RdNr 2; dagegen auf den Zeitpunkt der rechtzeitigen Einzahlung bzw Anweisung der Gebühr abstellend: Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand der Einzelbearbeitung: Juni 2007, § 45 Ärzte-ZV RdNr E 45-1 unter Hinweis auf SG Düsseldorf Urteil vom 6.10.1993 - S 2 KA 69/93 - unveröffentlicht; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2008, § 45 Ärzte-ZV RdNr 4; Bogan in BeckOK Sozialrecht, Stand: 1.6.2022, § 45 Ärzte-ZV RdNr 3). Dass die Sachentscheidung über den Widerspruch untrennbar mit der Gutschrift der Gebühren bis zum gesetzten Fristende auf dem Konto des Beklagten verknüpft ist, lässt sich zweifelsfrei den Schreiben des Beklagten aber nicht entnehmen. Ob für die Rechtzeitigkeit allein der Zahlungseingang auf dem Gläubigerkonto entscheidend ist oder auch die rechtzeitige Veranlassung des Zahlungsauftrags (Überweisung) genügen kann (vgl zu § 270 Abs 1 BGB außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug: BGH Urteil vom 5.10.2016 - VIII ZR 222/15 = BGHZ 212, 140 = juris RdNr 23 ff zur Rechtzeitigkeit einer Mietzahlung), bleibt bei der gewählten Formulierung ("nicht innerhalb der gesetzten Frist entrichtet") offen.
b. Ebenso kann offenbleiben, ob die Höhe der Widerspruchsgebühren mit jeweils 200 Euro zutreffend festgesetzt worden war. § 46 Ärzte-ZV regelt abschließend die zu erhebenden Gebühren für die Tätigkeit der Zulassungs- und Berufungsausschüsse und der KÄV für das Führen des Arztregisters. Dabei wird zwischen Verfahrensgebühren (Abs 1) und Verwaltungsgebühren (Abs 2) unterschieden. Grundsätzlich werden nach § 46 Abs 1 Satz 1 Buchst d Ärzte-ZV bei Einlegung eines Widerspruchs, durch den der Arzt, das MVZ oder die sonstige ärztlich geleitete Einrichtung die Änderung eines Verwaltungsaktes anstrebt, Gebühren von 200 Euro erhoben. Daneben ist aber die Vorschrift des § 46 Abs 4 Satz 4 Ärzte-ZV, die durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) neu eingefügt worden ist, zu beachten. Diese Vorschrift regelt, dass sich bei Nachbesetzungen einer genehmigten Anstellung eines Arztes - wie hier - die Gebühren nach Abs 1 und 2 um 50 % reduzieren. Mit dieser normierten Gebührenreduktion sollen kooperative Versorgungsformen gefördert werden (BT-Drucks 18/4095 S 147).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat der Beklagte die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSG Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 62/04 R - BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
Oppermann Rademacker Loose
Fundstellen
BSGE 2023, 297 |
ArztR 2022, 256 |
SGb 2022, 674 |