Leitsatz (amtlich)
1. Die zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung gebildeten Ausschüsse haben grundsätzlich, dh vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen, nicht darüber zu entscheiden, nach welcher Ziffer der Gebührenordnung eine kassenärztliche Leistung abzurechnen ist (Fortführung von BSG 1967-03-16 6 RKa 22/66 = BSGE 26, 174 und BSG 1967-09-21 6 RKa 27/65 = BSGE 27, 146).
2. Ist der angefochtene Verwaltungsakt (Widerspruchsbescheid) zwar von einer sachlich unzuständigen Stelle erlassen worden, deswegen jedoch nicht nichtig, so ist er jedenfalls dann auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen und nicht schon wegen des Zuständigkeitsmangels als rechtswidrig aufzuheben, wenn es sich - wie bei der gebührenordnungsmäßigen Bewertung einer kassenärztlichen Leistung - nicht um eine Ermessensentscheidung handelt (Fortführung von BSG 1967-03-16 6 RKa 24/66 = BSGE 26, 177).
3. Teilt ein Arzt nach Untersuchung eines ihm überwiesenen Patienten dem überweisenden Arzt nicht nur die erhobenen Befunde und die Diagnose mit, sondern macht er zugleich Angaben über die von ihm durchgeführte Therapie und/oder Vorschläge für die (weitere) Therapie, so ist die Mitteilung kein Befundbericht (GOÄ Nr 14) mehr, sondern ein Brief ärztlichen Inhalts (GOÄ Nr 15), es sei denn, daß die therapeutischen Angaben oder Vorschläge nach Umfang und Bedeutung völlig nebensächlich sind.
4. Zur Auslegung der Bestimmungen der GOÄ nach ihrem Wortsinn.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach ÄBMV § 23 Abs 2 ist den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen die (weitere) Aufgabe zugewiesen worden, auch den sonstigen Schaden festzustellen, den ein Kassenarzt infolge schuldhafter Verletzung kassenärztlicher Pflichten einer KK verursacht hat; nicht zugewiesen wurde die rechnerische und gebührenmäßige Prüfung der von den Kassenärzten vorgelegten Honorarforderungen.
2. Wenn dem Prüfungs- und Beschwerdeausschuß weder ausdrücklich noch stillschweigend die Prüfung der Honorarforderungen auf rechnerische und gebührenordnungsmäßige Richtigkeit übertragen worden ist, so ist dennoch ein von ihm insoweit erlassener Bescheid (Berichtigungsbescheid) nicht als rechtswidrig aufzuheben; nach den Regeln des Allgemeinen Verwaltungsrechts führen nur schwere und offenkundige Zuständigkeitsfehler zur Aufhebung.
3. GOÄ Nr 15 ist eine Auffangbestimmung für solche ärztlichen Mitteilungen, die nicht schon von einer anderen spezielleren Bestimmung erfaßt werden; die anderen spezielleren Bestimmungen stellen sich als Ausschnitte aus dem allgemeinen Normenbereich der GOÄ Nr 15 dar, die als Sonderbestimmungen einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind.
4. Wirken in den Verwaltungsverfahren nach dem Kassenarztrecht (zB im Beschwerdeverfahren) an der letzten Verwaltungsentscheidung nur Kassenärzte beschließend mit, so handelt es sich prozessual um eine "Angelegenheit der Kassenärzte" iS von SGG § 12 Abs 3 S 2; danach ist die Richterbank neben den hauptamtlichen Richtern nur mit solchen ehrenamtlichen Richtern zu besetzen, die Kassenärzte sind.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 4 Fassung: 1955-08-17; SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; GOÄ Nrn. 14-15; BMV-Ä § 23 Abs. 2; SGG § 12 Abs. 3 S. 2
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 16. April 1975 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist streitig, ob bestimmte Mitteilungen des Klägers als "Brief(e) ärztlichen Inhalts" (Nr. 15 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - vom 18. März 1965, BGBl I S. 89) zu vergüten sind.
Der Kläger, ein zur Kassenpraxis zugelassener Facharzt für Orthopädie, übersandte im zweiten Quartal 1968 in 112 Fällen, in denen ihm andere Ärzte Patienten (Mitglieder und mitversicherte Angehörige der Ortskrankenkasse Bremerhaven und Wesermünde) überwiesen hatten, diesen Ärzten nach Untersuchung der Patienten schriftliche Mitteilungen; darin nannte er, wie das Landessozialgericht (LSG) festgestellt hat, "in der Regel einleitend die vom Patienten geschilderten Beschwerden, stellte dann den Befund dar, anschließend das Ergebnis der Röntgenuntersuchung, äußerte sich dann zur Diagnose und zur Therapie und gab am Schluß meistens noch Empfehlungen für die weitere Behandlung". Ob die Überweisungen "zur Untersuchung", zur "Mitbehandlung", "Weiterbehandlung", "Notfallbehandlung", "Röntgenleistung" oder "zu sonstigen Leistungen" erfolgt waren (diese Möglichkeiten sah das seinerzeit benutzte Überweisungsformular vor), ist nicht im einzelnen festgestellt worden.
Nachdem die genannte Ortskrankenkasse u. a. den Ansatz der Nr. 15 GOÄ für die Mitteilungen des Klägers beanstandet hatte, berichtigte der Prüfungsausschuß der Beklagten die Honorarabrechnung des Klägers insofern, als er statt der Nr. 15 (Gebührenwert 3 DM) die Nr. 14 GOÄ (Befundbericht mit kritischer Stellungnahme, Gebührenwert 2 DM) einsetzte (Bescheide vom 22. August 1969 und 24. März 1970 aufgrund der Beschlüsse vom 14. August und 4. Dezember 1969). Die Beschwerde des Klägers hielt der Beschwerdeausschuß für unbegründet: Da der Kläger aufgrund der Überweisungen ausschließlich "Auftragsleistungen" erbracht habe, könne er für seine Mitteilungen " aus der Sache heraus" die Nr. 15 GOÄ nicht abrechnen; die in einzelnen Mitteilungen enthaltenen Vorschläge für weitere Maßnahmen habe er "aus den Erfordernissen kollegialer Zusammenarbeit" gemacht, sie seien auch nicht "beauftragt" gewesen. In der Mehrzahl der Fälle seien im übrigen nicht einmal die Merkmale der Nr. 14 GOÄ erfüllt (Beschluß vom 16. Juni 1970 und Bescheid vom 7. Dezember 1970).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. November 1972). Das LSG hat die - zugelassene - Berufung des Klägers zurückgewiesen und u. a. ausgeführt: Die Prüfungsinstanzen der Beklagten seien für die streitige Honorarberichtigung zuständig gewesen, obwohl es hier nicht um Fragen der wirtschaftlichen Behandlungsweise gehe; nach dem Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMV-Ä) obliege den Prüfungsinstanzen auch die Prüfung auf rechnerische und gebührenordnungsmäßige Richtigkeit der ärztlichen Abrechnungen. Die Honorarberichtigung sei auch zu Recht erfolgt. Nr. 15 GOÄ greife als Auffangbestimmung nur ein, wenn nicht andere speziellere Bestimmungen anzuwenden seien; insbesondere gehe die Nr. 14 GOÄ der Nr. 15 vor. Die Mitteilungen des Klägers seien lediglich Befundberichte, ob einfache (und deshalb nicht besonders abrechnungsfähige) oder solche nach § 14 GOÄ, könne offen bleiben, da die Berichte des Klägers nach Nr. 14 GOÄ honoriert worden seien. Nicht entschieden zu werden brauche die Frage, ob Nr. 14 GOÄ, wie der Kläger meine, nur bei Auftragsleistungen anwendbar sei; denn hier habe er - auch im Falle von Überweisungen "zur fachärztlichen Untersuchung" - Auftragsleistungen erbracht (Urteil vom 16. April 1975).
Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Kläger vor allem gegen die Beurteilung seiner Leistungen als "Auftragsleistungen". Da diese Ansicht nicht zutreffe, seien seine Mitteilungen nach Nr. 15 GOÄ abzurechnen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil des LSG, das Urteil des SG sowie die Bescheide des Prüfungsausschusses und des Beschwerdeausschusses der Beklagten vom 24. März und 7. Dezember 1970 aufzuheben.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat über die Revision - wie schon die Vorinstanzen über die Klage und über die Berufung - mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern entschieden; denn der Rechtsstreit gehört zu den "Angelegenheiten der Kassenärzte" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nicht zu den gemeinsamen Angelegenheiten der Kassenärzte und der Krankenkassen ("Angelegenheiten des Kassenarztrechts" im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Zwar berührt die Entscheidung der Frage, ob dem Kläger für die streitigen Mitteilungen eine Gebühr nach Nr. 15 GOÄ zusteht, auch das Interesse der letztlich zahlungspflichtigen Krankenkasse, für die hier der zuständige Landesverband als Beigeladener am Rechtsstreit teilnimmt. Dieses wirtschaftliche Interesse der Krankenkasse macht den Rechtsstreit jedoch nicht zu einer Angelegenheit des Kassenarztrechts, selbst wenn die Krankenkasse nach den mit der KÄV geschlossenen Verträgen an die Entscheidung, die in diesem - zwischen dem Kläger und der Beklagten KÄV geführten - Prozeß ergeht, gebunden sein sollte (vgl. BSG 31, 23, 28 f; 38, 201, 202; nach Prozeßrecht ist sie an die Entscheidung schon mangels eigener Beiladung nicht gebunden). Nur soweit die Krankenkassen aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen oder vertraglichen Regelung (vgl. für die Wirtschaftlichkeitsprüfung den Vorbehalt in § 368 n Abs. 5 RVO) bereits im Verwaltungsverfahren - wenn dieses mehrstufig ist: mindestens an der letzten Verwaltungsentscheidung - durch eigene Vertreter beschließend mitzuwirken haben, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine (gemeinsame) Angelegenheit des Kassenarztrechts vor (vgl. BSG 21, 237, 238 f; 26, 16, 17; 31, 33, 34 f; 33, 168, 169 f). Damit wird zwar die Auslegung der Begriffe "Angelegenheiten des Kassenarztrechts" und "Angelegenheiten der Kassenärzte" von Merkmalen abhängig gemacht, die rein formaler Natur sind (Zusammensetzung der zuständigen Verwaltungsstelle), die aber gerade deswegen als Abgrenzungskriterien besonders geeignet sind, wenn es um die Besetzung der Richterbank geht, über die schon bei der Ladung der ehrenamtlichen Richter zur Sitzung Klarheit bestehen muß (zur Bedeutung der Rechtsklarheit im Prozeßrecht vgl. auch Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 16. März 1976, MDR 1976, 735 und Bundestags-Drucksache 7/444 S. 32 f). Im vorliegenden Fall hatten Vertreter der Krankenkasse (oder ihres Landesverbandes) im Verwaltungsverfahren nicht beschließend mitzuwirken. Dabei kann zunächst offen bleiben, welche Stellen der beklagten KÄV für den Erlaß der fraglichen Verwaltungsentscheidungen zuständig waren; in jedem Falle waren diese - auch die hier tätig gewordenen Ausschüsse - nur mit Ärzten besetzt. Deshalb sind auch im gerichtlichen Verfahren nur Ärzte als ehrenamtliche Richter hinzuzuziehen.
Die Revision des Klägers hat insofern Erfolg, als der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Honorarforderung des Klägers für das zweite Quartal 1968 um 112 DM gekürzt worden ist, sind - entgegen der im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht des Klägers - nicht schon deshalb rechtswidrig und aufzuheben; weil sie von den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Ausschüssen der Beklagten (Prüfungs- und Beschwerdeausschuß) erlassen worden sind. Die angefochtene Honorarberichtigung ist allerdings keine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung: Dem Kläger wird nicht vorgeworfen, bei den fraglichen Leistungen unwirtschaftlich gehandelt zu haben; es geht vielmehr um die richtige Anwendung des Gebührenrechts, d. h. um die Frage, nach welcher Gebührenposition die Leistungen des Klägers abzurechnen sind, was vor und unabhängig von ihrer Wirtschaftlichkeit zu prüfen ist (vgl. dazu BSG 27, 146, 147). Diese "gebührenordnungsmäßige" Prüfung obliegt - ebenso wie die rein rechnerische Prüfung und die sogenannte Verteilungskürzung nach § 368 f Abs. 1 letzter Satz RVO (vgl. BSG 26, 174) - grundsätzlich nicht den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung gebildeten Ausschüssen.
Nach § 368 n Abs. 4 RVO werden die genannten Ausschüsse "zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen" errichtet. Daneben, d. h. neben ihrer gesetzlichen Zuständigkeit, können ihnen allerdings, da das Gesetz insoweit nichts Gegenteiliges vorschreibt, auch andere Aufgaben übertragen werden. Das kann durch die Satzung der KÄV geschehen (sofern diese die Ausschüsse allein errichtet, wie in den Fällen, in denen die Gesamtvergütung nicht nach Einzelleistungen berechnet wird oder die Vertragspartner von dem Regelungsvorbehalt in § 368 n Abs. 5 RVO keinen Gebrauch machen), im übrigen durch eine Vereinbarung der Vertragspartner. Auch der BMV-Ä - als die bundeseinheitliche Normierung des allgemeinen Inhalts der Gesamtverträge (§ 368 g Abs. 2 RVO) - hat den Prüfungseinrichtungen der KÄVen (Prüfungsausschüssen und Beschwerdeausschüssen) neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung zulässig weitere Aufgaben übertragen: So haben sie nach § 23 Abs. 2 BMV-Ä auch den sonstigen Schaden festzustellen, den der Kassenarzt infolge schuldhafter Verletzung kassenärztlicher Pflichten einer Krankenkasse verursacht hat (vgl. BSG 26, 16, 21). Nicht übertragen hat ihnen der BMV-Ä jedoch - entgegen der Ansicht des LSG - die hier in Rede stehende Entscheidung über die richtige Bewertung einer Leistung nach der Gebührenordnung. Die Bestimmung, auf die sich das LSG insoweit berufen hat (§ 23 Abs. 1 Buchst. b BMV-Ä: rechnerische und gebührenordnungsmäßige Prüfung der vom Arzt eingereichten Honorarforderungen), richtet sich an die KÄV als Körperschaft, nicht an ihre Prüfungseinrichtungen (vgl. Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 4. Aufl., § 23 BMV-Ä, Anm. 1, S. IV 56).
Welcher Stelle innerhalb der KÄV dabei die gebührenordnungsmäßige Prüfung obliegt, regelt die KÄV in ihrer Satzung oder gemeinsam mit den Krankenkassen im Landesmantelvertrag oder im Gesamtvertrag. Ob hier im Bereich der beklagten KÄV eine solche Regelung besteht, hat das LSG nicht festgestellt (in dem in BSG 31, 33 entschiedenen, vom LSG angeführten Fall war die Zuständigkeit vertraglich geregelt worden). Die Beklagte hat im Revisionsverfahren vorgetragen, rechnerische oder gebührenordnungsmäßige Honorarberichtigungen würden auch in ihrem Bereich ohne Einschaltung der Prüfungsinstanzen vorgenommen. Nähere Ermittlungen in dieser Hinsicht erübrigen sich. Auch wenn nämlich den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Ausschüssen der Beklagten weder ausdrücklich - durch eine normative Regelung oder einen sonstigen Organisationsakt - noch stillschweigend die Entscheidung der streitigen Fragen übertragen war und sich auch eine entsprechende Verwaltungsübung nicht gebildet hatte, die Prüfungsausschüsse der Beklagten hier mithin zum Erlaß der angefochtenen Bescheide nicht zuständig gewesen sein sollten, wären die Bescheide nicht schon deswegen als rechtswidrig aufzuheben.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden hat, dürfen die Gerichte einen angefochtenen Verwaltungsakt nicht allein wegen Fehlern des Verwaltungsverfahrens, insbesondere wegen einer Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften, aufheben, ohne seine inhaltliche Richtigkeit geprüft zu haben. Ob ihnen eine solche Prüfung verwehrt ist, wenn der Verwaltungsakt - bei mehrstufigem Verwaltungsverfahren: der letzte Verwaltungsbescheid - so schwere Fehler aufweist, daß er nichtig ist, oder wenn es sich um eine Ermessensentscheidung der Verwaltung handelt, ist bisher offen geblieben und braucht auch hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls dann, wenn die Klage sich nicht gegen einen schlechthin nichtigen Bescheid richtet und das Verfahren keine Ermessensfragen betrifft, sondern nur der Klärung von Rechtsfragen dient, erfordert das Interesse der Beteiligten an einer beschleunigten Entscheidung in der Sache selbst, daß das Gericht den Rechtsstreit "durchentscheidet" und ihn nicht wegen eines Mangels im Verwaltungsverfahren an die Verwaltung "zurückverweist" (vgl. BSG 24, 134, 136 f; 26, 177, 179; 27, 146, 148; 28, 73, 74 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; vgl. ferner § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - vom 25. Mai 1976, BGBl I S. 1253).
Im vorliegenden Fall liegen Entscheidungen eines Prüfungsausschusses und eines Beschwerdeausschusses der Beklagten vor, die - auch wenn sie von diesen Ausschüssen nicht hätten erlassen werden dürfen - nicht an so schwerwiegenden und offenkundigen Fehlern leiden, daß sie deshalb jeder Rechtswirkung entbehren, d. h. nichtig sind (zur begrifflichen Abgrenzung der Nichtigkeit von Verwaltungsakten vgl. § 44 VwVfG). Wie schon ausgeführt, können den genannten Ausschüssen neben der Prüfung der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise auf Wirtschaftlichkeit auch andere Aufgaben übertragen werden. Ob dies im Bezirk einer KÄV geschehen ist, wird Außenstehenden und selbst Mitgliedern der KÄV nicht selten zweifelhaft sein; von einer offenkundigen, auf den ersten Blick erkennbaren Unzuständigkeit der Ausschüsse kann jedenfalls keine Rede sein, wenn diese über die richtige Bewertung einer Leistung nach der Gebührenordnung entschieden haben.
Bei einer solchen Entscheidung über die richtige Anwendung des Gebührenrechts haben auch die Verwaltungsstellen - ebenso wie die Gerichte, die später die Entscheidung überprüfen - keinen Ermessensspielraum. Ein Bedenken, das sonst gegen eine "Übergehung" der zuständigen Verwaltungsinstanz sprechen könnte - daß diese nämlich von ihrem Ermessen einen anderen Gebrauch gemacht haben könnte als die tatsächlich tätig gewordene unzuständige Stelle -/scheidet damit aus.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß der Vorstand der beklagten KÄV oder ihrer zuständigen Bezirksstelle, der hier möglicherweise statt des Beschwerdeausschusses den Widerspruchsbescheid hätte erlassen müssen (vgl. BSG 27, 146, 148), im gerichtlichen Verfahren, an dem er als gesetzlicher Vertreter der Beklagten beteiligt war, ausreichend Gelegenheit gehabt hat, seine etwa vom Beschwerdeausschuß abweichende Auffassung geltend zu machen. Würden hier die Verwaltungsentscheidungen allein wegen eines Zuständigkeitsmangels aufgehoben werden, könnte die Sache an dieselbe Instanz zurückgelangen, die die angefochtenen Entscheidungen bisher im Gerichtsverfahren verteidigt hat, was offenbar den Forderungen einer sinnvollen Prozeßökonomie widerspräche. Ob schließlich noch von Bedeutung ist, daß der Kläger bis zum Erlaß der Entscheidung des SG eine etwaige Unzuständigkeit der Prüfungsinstanzen nicht gerügt hat (vgl. für den Zivilprozeß § 528 Satz 2 ZPO), braucht nicht entschieden zu werden. In jedem Fall sind die angefochtenen Bescheide, selbst wenn sie hier von unzuständigen Stellen erlassen sein sollten, nicht aus diesem Grunde als rechtswidrig aufzuheben, vielmehr auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu prüfen.
Dabei reichen allerdings für eine abschließende Entscheidung der Frage, ob die Mitteilungen des Klägers "Briefe ärztlichen Inhalts" und deshalb nach Nr. 15 GOÄ zu vergüten sind, die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus.
Der Kläger begründet seinen Anspruch auf Anwendung der Nr. 15 GOÄ im wesentlichen damit, daß die Leistungen, die er aufgrund von Überweisungen anderer Ärzte erbracht habe, keine "Auftragsleistungen" gewesen seien. Der Beschwerdeausschuß hat sie dagegen als Auftragsleistungen angesehen und deshalb "aus der Sache heraus" eine Honorierung der Mitteilungen des Klägers nach Nr. 15 GOÄ abgelehnt. Die Gerichte sind dieser Auffassung gefolgt, wobei das LSG-Urteil allerdings in erster Linie auf anderen Erwägungen beruht. Der Senat hält die Frage nach der Natur der vom Kläger erbrachten Leistungen hier für unerheblich; denn die GOÄ, nach der sich die Bewertung der streitigen Mitteilungen im vorliegenden Fall noch richtet (inzwischen ist ein neuer Maßstab für die Bewertung kassenärztlicher Leistungen - Bewertungsmaßstab für Ärzte (BMÄ) - als Anlage zum BMV-Ä in Kraft getreten, § 26 Abs. 3 BMV-Ä), macht die Anwendung der Nr. 15 nicht von der rechtlichen Art der Leistungen abhängig, auf die sich die Mitteilungen des Arztes beziehen. Das gleiche gilt im übrigen - entgegen der Ansicht des Klägers - auch für die nach dem Arzt/Ersatzkassenvertrag vereinbarte Gebührenordnung (Ersatzkassen-Adgo), die den Begriff der Auftragsleistungen in § 10 zwar kennt, ihn jedoch in einem anderen Zusammenhang verwendet, nicht bei Ziffer 15 ihres Gebührenverzeichnisses (die der Nr. 15 GOÄ entspricht).
Ob die schriftliche Mitteilung eines Arztes ein "Brief ärztlichen Inhalts" im Sinne der Nr. 15 GOÄ ist, kann in der Regel nicht allein nach dem Wortlaut dieser - sehr allgemein gefaßten - Bestimmung beantwortet werden; denn der Wortlaut fordert lediglich einen "ärztlichen", d. h. auf die berufliche Tätigkeit des Arztes bezogenen, Inhalt des Briefes und umfaßt damit - unter Ausschluß rein privater Mitteilungen - an sich auch die in den Nrn. 14 bis 20 GOÄ genannten sonstigen ärztlichen Äußerungen, insbesondere "Befundberichte mit kritischer Stellungnahme" nach Nr. 14 GOÄ. Da indessen nicht anzunehmen ist, daß der Verordnungsgeber eine Vergütung von schriftlichen Äußerungen eines Arztes wahlweise nach einer von mehreren, noch dazu mit unterschiedlichen Gebührenwerten ausgestatteten Positionen der GOÄ zugelassen hat, ist Nr. 15 GOÄ - als die allgemeinere Bestimmung - nur anzuwenden, wenn nicht eine der anderen genannten Ziffern Platz greift (ebenso die Empfehlung 13 einer von den Bundesverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gebildeten Kommission, vgl. DOK 1968, 734). In diesem Sinne ist Nr. 15 GOÄ in der Tat, wie das LSG es formuliert hat, eine "Auffangbestimmung" für solche schriftlichen Mitteilungen, die nicht schon von einer anderen, spezielleren Bestimmung erfaßt werden. Die anderen Bestimmungen stellen sich damit als Ausschnitte aus dem allgemeinen Normenbereich der Nr. 15 dar; als Sonderbestimmungen sind sie einer erweiternden Auslegung in der Regel weder fähig noch bedürftig, vielmehr grundsätzlich auf den durch ihren Wortlaut gebotenen und von ihm gedeckten Anwendungsrahmen beschränkt. Das hat auch für die Beteiligten den Vorteil einer größeren Sicherheit und Berechenbarkeit der Rechtsanwendung seitens der Verwaltung und der Gerichte, abgesehen davon, daß die Gerichte ohne Hilfe von Sachverständigen häufig nicht in der Lage wären, Zweck, Sinngehalt und Tragweite der einzelnen Gebührenpositionen mit der erforderlichen Sicherheit zu erkennen, um in erster Linie nach diesen Gesichtspunkten, d. h. unter Vernachlässigung des Wortlautes der Bestimmungen, ihren Anwendungsbereich abzustecken. Diese Selbstbeschränkung der Gerichte ist umso eher erträglich, als für den kassenärztlichen Bereich die Vertragspartner mit der Schaffung des BMÄ zugleich Vorsorge für dessen Anpassung und Fortentwicklung und für eine Ergänzung und verbindliche Auslegung des - im wesentlichen in den BMÄ übernommenen - Gebührenverzeichnisses der GOÄ durch einen Ausschuß der Vertragspartner getroffen haben (vgl. § 5 der Grundsätze für die Berechnung der kassenärztlichen Gesamtvergütung vom 25. Februar 1971, DOK 1971, 201). Dieser Ausschuß wird auch in Fällen, in denen eine mehr dem Wortlaut folgende Auslegung von Gebührenbestimmungen durch die Gerichte zu Ergebnissen führt, die den Vertragspartnern unbefriedigend erscheinen, korrigierend eingreifen können.
Die Mitteilungen des Klägers sind hiernach als Briefe ärztlichen Inhalts im Sinne der Nr. 15 GOÄ zu vergüten, sofern nicht eine der genannten Sonderbestimmungen eingreift. Da die Mitteilungen die Merkmale eines Krankheitsberichtes i. S. der Nr. 17 GOÄ nicht erfüllen, weil sie nicht den gesamten Krankheitsverlauf darstellen (vgl. SozR 5530 Allg. Nr. 2), kommt allein die Nr. 14 GOÄ in Betracht, diese allerdings auch insoweit, als sie zugleich bestimmt, daß der einfache Befundbericht mit der Gebühr für die zugrunde liegende Leistung abgegolten ist.
Den Inhalt und die gegenseitige Abgrenzung der beiden in Nr. 14 GOÄ genannten Begriffe - des einfachen Befundberichts und des Befundberichts mit kritischer Stellungnahme - hat der Senat schon in einer früheren Entscheidung geklärt (BSG 31, 30). Danach setzt ein "Befundbericht mit kritischer Stellungnahme" voraus, daß die erhobenen Befunde nicht nur kritisch - abwägend geprüft, sondern die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Bewertung, insbesondere differentialdiagnostische Zweifel, im Bericht selbst erörtert werden; daran fehlt es, wenn der Arzt lediglich die bei einer Nachuntersuchung erhobenen Befunde mit denen früherer Untersuchungen vergleicht, ohne in seinem Bericht mehr als das Ergebnis des Vergleichs mitzuteilen.
Wenn hiernach das - einen Befundbericht nach Art. 14 GOÄ qualifizierende und seine besondere Berechnung rechtfertigende - Merkmal der kritischen Stellungnahme ernst genommen werden muß, so darf andererseits der Begriff des Befundberichts - jedenfalls von den Gerichten - nicht über die vom Wortsinn gezogenen Grenzen ausgedehnt werden. Damit scheiden alle Mitteilungen als Befundberichte aus, die sich nicht auf die Wiedergabe der erhobenen Befunde und eine kritische Stellungnahme zur Diagnose beschränken, sondern darüber hinaus noch weitere Angaben enthalten, insbesondere Angaben über therapeutische Maßnahmen desjenigen Arztes, der den Bericht erstattet, und/oder Therapievorschläge an den Arzt, für den der Bericht bestimmt ist. Solche Angaben gehören begrifflich nicht mehr zu einem Befundbericht, mögen sie in vielen Fällen auch zweckmäßig und üblich sein oder durch die kollegiale Zusammenarbeit unter den Ärzten gefordert werden, wie der Beschwerdeausschuß in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ausgeführt hat. Dabei ist es unerheblich, welchen Umfang und welches Gewicht die therapeutischen Mitteilungen im Verhältnis zu den Angaben über Befunde und Diagnose haben, es sei denn, daß sie sich nach Umfang und Bedeutung bei verständiger Würdigung von vornherein als völlig nebensächlich darstellen (ähnlich wie hier Brück, Kommentar zur GOÄ, 3. Aufl., Anm. 6 zu Nrn. 14 bis 20 GOÄ, S. 89; Brück, Kommentar zum BMÄ, 2. Aufl., Anm. 3 zu Nrn. 14 bis 20 BMÄ, S. 102; Brück/Guillemet, Kommentar zur Ersatzkassen-Adgo, 5. Aufl., Anm. 3 zu Nrn. 14 bis 18 E-Adgo, S. 106; anders Schmatz/Goetz/Matzke, Kommentar zur GOÄ, Anm. zu Nr. 14). Eine -ursprünglich allein von den Bundesverbänden der Krankenkassen, später gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gebildete - Kommission zur Klärung von Zweifeln bei der Anwendung und Auslegung der GOÄ (vgl. DOK 1968, 558) hatte zunächst angenommen, daß Vorschläge des Arztes für weitere Maßnahmen in dem Befundbericht nach Nr. 14 GOÄ eingeschlossen seien (Feststellung Nr. 21 vom 30. März/28. April 1967, DOK 1967, 426); sie hat diese Ansicht dann aber in der Empfehlung 10 vom 30. September/1. Oktober 1968 nicht mehr vertreten (DOK 1968, 734), nachdem die Geschäftsführung der KBV dagegen Bedenken erhoben und gemeint hatte, es könne im Leistungsrahmen der Nr. 14 GOÄ nicht erwartet werden, daß über den Befundbericht hinaus etwa Therapievorschläge oder andere Mitteilungen gemacht würden (vgl. Wieglow/Roth, Die Kassenarztgebühren, 5. Aufl., Bd. III, S. 744 b Mitte; dagegen wiederum die Erläuterung der Krankenkassen zu der genannten Empfehlung 10 unter Hinweis auf den Kommentar von Schmatz/Goetz/Matzke zur GOÄ, DOK 1968, 734 f).
Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger seinen Mitteilungen "in der Regel" Angaben zur Therapie sowie "am Schluß meistens noch Empfehlungen für die weitere Behandlung" hinzugefügt. Diese Feststellungen genügen für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht. Aufzuklären ist vielmehr noch, welche von den streitigen 112 Mitteilungen des Klägers ins Gewicht fallende therapeutische Angaben und Empfehlungen enthalten. Diese Mitteilungen sind dann nicht mehr als Befundberichte im Sinne der Nr. 14 GOÄ, sondern als Briefe ärztlichen Inhalts nach Nr. 15 GOÄ zu honorieren, während für die übrigen eine Vergütung nach Nr. 14 GOÄ in Betracht kommt. Zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen hat der Senat den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird.
Fundstellen
Haufe-Index 1648805 |
BSGE, 268 |