Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung. Beitragszeit und Ausfallzeit. Praktikantentätigkeit als Hochschulstudium
Orientierungssatz
1. Eine während des Krieges durch Personalmangel bedingte unrichtige Beurteilung der Versicherungspflicht und eine darauf zurückzuführende Unterlassung der Beitragsentrichtung reichen aber nicht aus, um eine Beitragsentrichtung unterstellen zu können.
2. Ein Praktikum stellt keinen Bestandteil der Hochschulausbildung dar und kann somit nicht als Ausfallzeit im Sinne von AVG § 36 Abs 1 S 1 Nr 4 (= RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 4) anerkannt werden.
Normenkette
AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09; VuVO § 1 Fassung: 1960-03-03
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 20.01.1972) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 27.01.1971) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Januar 1972 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Altersruhegeldes, insbesondere darüber, ob ihm eine Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) angerechnet werden kann.
Der am 11. Oktober 1904 geborene Kläger hatte im März 1924 das Abitur bestanden. Danach studierte er an der Universität L Chemie. Er beendete sein Hochschulstudium im August 1931 mit der Promotion. Vom 2. November 1931 bis zum 2. Juli 1933 war er als Praktikant für Nahrungsmittelchemie an der Staatlichen Untersuchungsanstalt für Lebensmittel in L tätig. Am 15. Oktober 1936 nahm er seine erste versicherungspflichtige Beschäftigung als Chemiker bei der D AG in T auf. Hierüber liegt ua die Versicherungskarte Nr. 2 der Angestelltenversicherung (AnV) vor. Sie enthält Beiträge für die Zeit bis zum 30. Juni 1940 und einen Beitrag für Januar 1941.
In ihrem Rentenbescheid vom 31. Dezember 1969 rechnete die Beklagte die Zeit des Schul- und Hochschulbesuchs nicht als Ausfallzeit an, weil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG nicht erfüllt seien. Die Monate Juli bis Dezember 1940 könnten nicht berücksichtigt werden, weil angenommen werden müsse, daß der Kläger in dieser Zeit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungsfrei gewesen sei.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrage auf Anrechnung
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a) |
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der Zeit vom Oktober 1920 bis Juli 1933 als Ausfallzeit, |
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der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1940 als Beitragszeit. |
Diese Klage hat das Sozialgericht (SG) Koblenz abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.
Gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 20. Januar 1972 hat der Kläger die von diesem zugelassene Revision eingelegt. Er beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Koblenz vom 27. Januar 1971 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 31. Dezember 1969 zu verurteilen, ihm entsprechend seinen früheren Anträgen weitere Versicherungszeiten anzurechnen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet.
A.
Zu Recht haben die Beklagte und die Vorinstanzen es abgelehnt, die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1940 als Beitragszeit anzuerkennen. In der vorhandenen Versicherungskarte Nr. 2 sind für diesen Zeitraum keine Beitragsmarken enthalten. § 1 der Versicherungsunterlagen-Verordnung vom 3. März 1960 kommt für den Kläger nicht in Betracht, da seine Versicherungskarten vorhanden sind. Der Kläger macht in diesem Zusammenhang lediglich erneut geltend, bereits in der ersten Instanz habe er unter Beifügung von Schreiben seiner damaligen Arbeitgeberin glaubhaft gemacht, daß die für den genannten Zeitraum erforderlichen Marken aufgrund kriegsbedingter Umstände nicht geklebt worden seien. Er übersieht jedoch dabei, daß es nicht darauf ankommt, ob er in der streitigen Zeit versicherungspflichtig war, sondern daß für ihn Beiträge entrichtet worden sind. Vorschriften wie die des jetzigen § 119 Abs. 6 AVG und seiner Vorgänger, wonach ein Beitrag ohne Rücksicht auf die tatsächliche Abführung als entrichtet gilt, wenn der Versicherte glaubhaft macht, daß darauf ihn entfallende Beitragsanteil ihm vom Gehalt abgezogen worden ist, gelten erst mit Wirkung vom 29. Juni bzw. 1. Juli 1942, nachdem das sogenannte Lohnabzugsverfahren eingeführt worden ist (BSG 31, 11, 13). Allerdings hatte später der Erlaß des früheren Reichsarbeitsministers vom 20. April 1943 (AN 1943, 175) auch für frühere Zeiten eine ähnliche Regelung vorgesehen, daß also die vom Arbeitgeber nicht abgeführten Beiträge zur Rentenversicherung als entrichtet gelten, jedoch nur für den Fall, daß die Beitreibung ergebnislos geblieben war. Im übrigen setzten und setzen alle diese Vorschriften voraus, daß dem Arbeitnehmer sein Anteil am Beitrag zur AnV auch tatsächlich einbehalten worden ist. Aus der Klagebegründung vom 14. August 1970 und den dazu überreichten Schreiben der Fabrik Sch der D AG vom 14. Mai 1941 und 6. Februar 1942, auf die sich der Kläger bezieht und auf die das LSG verwiesen hat, ergibt sich jedoch lediglich, daß sein Gehalt Anfang 1941 mit 559,50 RM an der damals geltenden Versicherungspflichtgrenze von 600,- RM monatlich gelegen hat, und daß er im Januar 1941 eine Abschlußgratifikation von 1.085,- RM für 1940 erhalten hat. Deshalb ist wahrscheinlich davon ausgegangen worden, daß wegen der nachträglich gezahlten Gratifikation vom 1. Juli 1940 an Versicherungspflicht nicht mehr bestanden hat. Das würde aber bedeuten, daß vom Kläger für das zweite Halbjahr 1940 auch keine Beiträge zur AnV mehr einbehalten worden sind. Eine während des Krieges durch Personalmangel bedingte unrichtige Beurteilung der Versicherungspflicht und eine darauf zurückzuführende Unterlassung der Beitragsentrichtung reichen aber nicht aus, um eine Beitragsentrichtung unterstellen zu können.
B.
Auch im übrigen kann die Revision keinen Erfolg haben.
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG in der hier maßgebenden Fassung des Art. 1 § 2 Nr. 19 Buchst. d des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) sind ua Ausfallzeiten Zeiten einer nach Vollendung des 16. Lebensjahres liegenden
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a) |
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abgeschlossenen nicht versicherungspflichtigen oder versicherungsfreien Lehrzeit, |
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einer weiteren Schulausbildung oder einer abgeschlossenen Fachschul- oder Hochschulausbildung, |
wenn im Anschluß daran oder nach Beendigung einer an die Lehrzeit, die Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung anschließenden Ersatzzeit im Sinne des § 28 AVG innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden ist, jedoch eine Schul- oder Fachschulausbildung nur bis zur Höchstdauer von vier Jahren, eine Hochschulausbildung nur bis zur Höchstdauer von fünf Jahren.
Das LSG hat sich dem Urteil des erkennenden Senats vom 18. September 1963 (BSG 20, 35) angeschlossen. Danach ist der Begriff der Hochschulausbildung in § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG gleichbedeutend mit dem des Hochschulstudiums, so daß z. B. eine Assistententätigkeit an der Hochschule nach dem Studium keine Hochschulausbildung mehr ist. Das Hochschulstudium kann im Sinne der hier anzuwendenden Vorschrift sowohl durch die dafür vorgesehene und bestandene Hochschul- oder Staatsprüfung als auch durch eine Promotion abgeschlossen werden. Die Erreichung dieses Abschlusses ist in der Regel der Endzeitpunkt der anrechnungsfähigen Ausfallzeit und zugleich der Beginn der Frist für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit. Da der Kläger eine Diplom-Prüfung als Chemiker nicht abgelegt hat und auch keine andere das Chemiestudium abschließende Hochschul- oder Staatsprüfung, hat das LSG die zuvor erwähnte Fünf-Jahresfrist vom 7. August 1931 an, dem Tage der Promotion, gerechnet. Danach würde der Kläger die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG nicht erfüllen, weil er seine erste versicherungspflichtige Beschäftigung erst im Oktober 1936 aufgenommen hat.
Hiergegen wendet der Kläger ein, Endziel einer Hochschulausbildung sei es regelmäßig nicht, nach einigen Semestern Studium - soweit es die Promotionsordnungen der einzelnen Fakultäten überhaupt zulassen - zu promovieren und damit das Hochschulstudium zu beenden. Die Promotion allein ohne Abschlußprüfung verschaffe nicht die für akademische Berufe nötige Qualifikation. Er, der Kläger, habe das Ausbildungsziel des Nahrungsmittelchemikers angestrebt und erreicht. Hierzu hätten eine Vor- und eine Hauptprüfung gehört. Zwischen beiden habe eine Praktikantenzeit an einer staatlichen Untersuchungsanstalt für Lebensmittel gelegen. Unstreitig habe er während seiner Praktikantenzeit weiterhin Vorlesungen und Übungen an der Universität besuchen müssen. Dieses Praktikum stelle damit einen Bestandteil der Hochschulausbildung zu Nahrungsmittelchemiker dar. Da er die Hauptprüfung nach dem Praktikum im Jahre 1933 bestanden habe, habe jetzt erst die vorgesehene Frist zur Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung begonnen. Selbst wenn man aber insoweit anderer Ansicht sein wollte, müsse auf die Vorprüfung abgestellt werden. Sie sei ihm Anfang November 1931 erlassen worden, da die in dieser Vorprüfung zu prüfenden Fächer bereits Gegenstand der mündlichen Doktorprüfung gewesen seien. Wenn man vom November 1931 an rechne, habe er ebenfalls noch innerhalb der Fünf-Jahresfrist eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.
Diesen Ausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Gesetz (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG idF des RVÄndG) rechnet als Ausfallzeiten nur eine weitere Schulausbildung nach Vollendung des 16. Lebensjahres an sowie eine "abgeschlossene", d. h. erfolgreich beendete Fachschulausbildung oder eine "abgeschlossene", d. h. wiederum erfolgreich durchlaufene Hochschulausbildung. Das vom Kläger abgeleistete Praktikum stellt weder eine abgeschlossene Fach noch eine abgeschlossene Hochschulausbildung dar, wie sich bereits aus dem Urteil des Senats vom 18. September 1963 in BSG 20, 35, 36 ergibt (vgl. zum Begriff der Fachschulausbildung Urt. d. 11. Senats des BSG vom 16.11.1972 - 11 RA 166/72 -). Der Begriff der Hochschulausbildung ist gleichbedeutend mit dem des Hochschulstudiums; nur das Studium mit dem Ziel der Ablegung von Hochschulprüfungen ist die für die Hochschule typische Ausbildung. Deshalb kann eine Praktikantenzeit, die anderen Zielen dient, nicht Hochschulausbildung sein. Nach seiner Promotion aber hat der Kläger nicht mehr studiert, um auf der Hochschule eine weitere Prüfung abzulegen. Damit entfällt aber die Möglichkeit, hier die Praktikantenzeit unabhängig davon, ob der Kläger damals ein Entgelt bezog oder nicht, in sein Hochschulstudium mit einzubeziehen (SozR Nr. 40 und 47 zu § 1259 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Hieran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn der Kläger entsprechend seinem Vorbringen während seines Praktikums noch weiterhin einige Vorlesungen und Übungen an der Universität besucht haben sollte. Nach der von ihm selbst überreichten Bescheinigung des Hessischen Sozialministeriums in Wiesbaden vom 27. Mai 1970 (Bl. 14 der SG-Akten) wird das Praktikum als Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Berechnung des Dienstalters mit berücksichtigt. Auch aus diesem Grunde kann die Zeit der abhängigen Beschäftigung des Klägers nicht zugleich Hochschulstudium sein, auch wenn sie Bestandteil der weiteren Ausbildung zum Lebensmittelchemiker gewesen ist.
Diese Rechtsprechung ist inzwischen mehrfach vom Gesetzgeber bestätigt worden.
Nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 mußte die erste versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung der erfolgreichen Fachschul- oder Hochschulausbildung aufgenommen worden sein. Diese Frist ist durch das bereits genannte RVÄndG vom 9. Juni 1965 auf fünf Jahre verlängert worden. Zur Rechtfertigung dieser Änderung heißt es in dem Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung von Härten in den gesetzlichen Rentenversicherungen (BT-Drucks. IV/2572 S. 26), in der Vergangenheit habe sich gezeigt, daß in einer ganzen Anzahl von Fällen die Frist von zwei Jahren, innerhalb derer eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen werden muß, damit die Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung als Ausfallzeit angerechnet werden kann, nicht ausreiche. Bei den meisten wissenschaftlichen Ausbildungen sei im Anschluß an das Hochschulstudium eine weitere Ausbildungszeit erforderlich, die aber keine Hochschulausbildung mehr sei und die oftmals länger als zwei Jahre dauere. Um auch in diesen Fällen die Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung als Ausfallzeit anrechnen zu können und damit Härten zu vermeiden, sei die Verlängerung der Frist von zwei auf fünf Jahre erforderlich gewesen. Nach Auskunft der westdeutschen Rektorenkonferenz sei innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren in aller Regel die weitere Ausbildungszeit beendet, so daß eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werden könne (vgl. dazu auch das Urteil des Senats vom 26. Juli 1967 - 1 RA 131/65 -, Die RentV 1968, 13 und Praxis 1967, 419). Gerade die sich an das abgeschlossene Hochschulstudium anschließende weitere Ausbildung - wie im Falle des Klägers - war also bereits der Anlaß zur Verlängerung der geforderten Anschlußfrist von zwei auf fünf Jahre. An diese vom Gesetz bewußt gewählte Frist sind die Gerichte gebunden.
Eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung bringt auch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965). Aufgrund der eingefügten §§ 46 Abs. 3 ArVNG und 44 a Abs. 3 AnVNG (Art. 2 § 1 Nr. 10 und § 2 Nr. 12 RRG) können ua Personen, die vor dem 1. März 1957 während der wissenschaftlichen Ausbildung für ihren künftigen Beruf nicht pflichtversichert waren, auf Antrag für die Zeiten der Versicherungsfreiheit, längstens jedoch bis zum 1. Januar 1924 zurück, Beiträge nachentrichten. Damit sind die Zeiten einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent an einer Hochschule, die Referendarzeit und entsprechende Praktikantenzeiten erneut grundsätzlich als Beschäftigungszeiten und nicht als solche einer Hochschulausbildung anerkannt.
Wie der Senat in BSG 30, 163, 166 bereits ausgeführt hat, beruht die Einführung der Ausfallzeit des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG (= § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO) auf der Erwägung, daß bei der außerordentlichen Bedeutung der Versicherungsdauer für die Höhe der Rente derjenige Versicherte entschädigt werden soll, der aus volkswirtschaftlich erwünschten Gründen sich zunächst eine gründliche Ausbildung verschafft hat und deshalb noch keine Beitragszeiten erwerben konnte. Diese Verkoppelung von volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Erwägungen verrät sich insbesondere darin, daß nur erfolgreiche Fachschul- und Hochschulausbildungszeiten begünstigt werden, und außerdem mit Höchstzeiten, die in manchen Fachrichtungen knapp bemessen sind. Der Gesetzgeber hat mithin keineswegs das jeweils Erforderliche, sondern nur ausgleichsweise das Vertretbare begünstigt, da die Anrechnung von Ausfallzeiten eine Solidarleistung der Versichertengemeinschaft ist, der eine zu weitgehende Belastung erspart bleiben sollte.
Die Schulzeit, die abgeschlossene Lehrzeit und die abgeschlossene Fachschul- und Hochschulausbildung sollen sich daher nur in begrenztem Rahmen auf die Höhe der Rente auswirken.
Es können aber auch weder die (erlassene) Vorprüfung zur Ausbildung als Nahrungsmittelchemiker noch die nach der Praktikantenzeit liegende Abschlußprüfung als diejenigen Prüfungen anerkannt werden, die das Hochschulstudium erst erfolgreich abgeschlossen hätten. Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt sich, daß es sich hierbei nicht um Abschlußprüfungen für das allgemeine Hochschulstudium der Chemie gehandelt hat, sondern um Sonderprüfungen für eine weitere darauf aufbauende spezielle Ausbildung. Da der Kläger hier auf Grund des Hochschulstudiums nur die Doktor-Prüfung abgelegt hat, muß daher auf diese abgestellt werden. Dagegen können nicht Sonderprüfungen für weitere Spezialausbildungen entscheidend sein.
Schließlich wendet der Kläger ein, sowohl das SG als auch das LSG seien zu Unrecht davon ausgegangen, daß der maßgebende Zeitpunkt für ein Doktor-Examen der Tag der mündlichen Prüfung sei. Eine Promotion sei erst dann vollendet, wenn nach der mündlichen Prüfung alle weiteren formellen Voraussetzungen wie z. B. Druck und Versand der Dissertation und Aushändigung des Doktordiploms erfolgt seien. Diese Zeitpunkte könnten nicht mit der mündlichen Prüfung zusammenfallen. Selbst wenn man aber diese maßgeblich sein lassen wollte, so müßten hinsichtlich der in § 36 AVG getroffenen Fristenregelung die formellen Vorschriften beachtet werden, die auch sonst für den Abschluß eines Studiums gelten. Jedes Hochschulstudium laufe semesterweise, und zwar einschließlich der vorlesungsfreien Zeit. Bei ihm, dem Kläger, habe das Sommersemester 1931 vom 1. Mai bis zum 1. November 1931, d. h. bis zum Ende der Semester-Ferien gedauert. Die Fünf-Jahresfrist könne somit erst mit dem Ende desjenigen Semesters beginnen, in dem die Prüfung stattgefunden habe, womit der Anschluß gewahrt sei.
Auch hierin kann der Revision nicht gefolgt werden. Wie der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem bisher nicht veröffentlichten Urteil vom 27. August 1970 - 11 RA 109/68 - ausgesprochen hat, muß angesichts der ohnehin schon großzügigen Regelung der Ausfallzeiten (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. III S. 700 n sowie Sieg, Die Sozialgerichtsbarkeit 1970, 265 ff unter 6) auf praktikable Ergebnisse geachtet und einer umfangreichen Kasuistik vorgebeugt werden. Die Verhältnisse, unter denen promoviert wird, sind nach den jeweils geltenden Promotionsordnungen sehr unterschiedlich. Für den Zeitpunkt, wann das Hochschulstudium durch Promotion abgeschlossen ist, kann weder auf die Ablieferung der druckreifen Dissertation noch auf deren Druck und Versendung noch auf den Tag der Aushändigung des Doktordiploms abgestellt werden. Für die Ablieferung der vorgeschriebenen Anzahl von Drucken der Dissertation waren vielfach recht lange und unterschiedliche Fristen vorgesehen, die sich mit der hier gebotenen Genauigkeit gar nicht mehr feststellen ließen. Ebensowenig kann das Ende des Semesters maßgebend sein, in das der Tag der mündlichen Prüfung fällt. Ob der Doktorand bis zur Promotion und darüber hinaus bis zum Ende des Semesters noch an der Hochschule immatrikuliert war und studiert hat, läßt sich häufig ebenfalls nicht mehr ermitteln. Feststellbar ist im allgemeinen nur der Tag des Bestehens der Doktorprüfung, der sich in der Regel aus dem Doktordiplom ergibt. Aber selbst wenn der Betreffende über den Zeitpunkt der mündlichen Doktorprüfung hinaus das Studium bis zum Ende des fraglichen Semesters an der Hochschule tatsächlich fortgesetzt haben sollte, kann dies nicht entscheidend sein. Ein solches Studium nach dem mündlichen Doktorexamen kann jedenfalls nicht mehr dem Studium als Hochschulausbildung i. S. des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG zugerechnet werden. Denn das hier gemeinte Studium erfaßt nur die Zeit des Studiums, das den Gegenstand der mündlich abgelegten und bestandenen Doktorprüfung gebildet und mit ihr seinen Abschluß gefunden hat. In die vom Gesetz gemeinte Hochschulausbildung kann daher nur das Studium einbezogen werden, das zeitlich vor dem Tag der mündlichen Doktorprüfung gelegen hat, so daß es auch aus diesem Grunde sinnvoll ist, auf den Tag der mündlichen Prüfung abzustellen.
Nach alledem haben die Vorinstanzen zu Recht die Fünf-Jahresfrist mit dem 7. August 1931 beginnen lassen. Innerhalb dieser Frist aber hat der Kläger keine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen, so daß ihm aus diesem Grunde seine Schulzeit und sein Studium nicht als Ausfallzeit angerechnet werden können.
Die Vorschriften des RRG, die vom Senat zu beachten sind, obwohl das Gesetz zur Zeit des Ergehens des angefochtenen Urteils noch nicht erlassen war (vgl. BSG 8, 108 sowie Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., § 300 Anm. 3 B und § 549 Anm. 2 A), ermöglichen keine für den Kläger günstigere Entscheidung.
Die jetzt im RRG durch Art. 1 § 1 Nr. 13 und § 2 Nr. 13 vorgenommene Streichung der Frist für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit in § 1259 Abs. 1 Nr. 4 RVO und in § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG ist nach Art. 6 § 8 Abs. 2 RRG am 19. Oktober 1972 in Kraft getreten. Das bedeutet, daß das neue Recht nur für seitdem eingetretene Versicherungsfälle gilt. Denn in der Sozialversicherung ist neues Recht auf alte Versicherungsfälle nur dann anzuwenden, wenn dies besonders vorgeschrieben ist (BSG 10, 151, 155). Hieran fehlt es, so daß im Falle des Klägers nur das bisherige Recht maßgebend sein kann. Derartige Beschränkungen der Anwendbarkeit neuen Rechts lediglich auf neue Versicherungsfälle hat es mit Rücksicht auf die Besonderheiten in der Sozialversicherung von jeher gegeben. Sie sind verfassungsrechtlich unbedenklich und nicht zu beanstanden (vgl. dazu das Urteil des BSG vom 26. September 1972 - 12 RJ 398/71 -).
Damit erweist sich das angefochtene Urteil auch nach neuem Recht als richtig, so daß die Revision keinen Erfolg haben kann.
Wie hoch die Rente wäre, wenn der Kläger aufgrund des RRG noch Beiträge für seine Praktikantenzeit nachentrichtete - der Eintritt des Versicherungsfalles stände dem nicht entgegen - (Art. 2 § 44 a Abs. 6 AnVNG idF des RRG), ist nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Hierüber müßte auf entsprechende Anträge hin zunächst die Beklagte entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen