Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Revision bei Veränderung des Rechtsgrundes. Bescheidrücknahme nach Tod des Berechtigten
Leitsatz (amtlich)
Der vor dem 1.1.1981 erlassene Berichtigungsbescheid, der einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt zurücknimmt, ist in einem nach Inkrafttreten des SGB 10 anhängigen Gerichtsverfahren jedenfalls dann nach neuem Recht (§ 45 SGB 10) zu beurteilen, wenn Aufhebungsklage und Leistungsbegehren (hier Witwenbeihilfe) eng verknüpft sind (Aufgabe von BSG 1981-03-05 9 RV 39/80 = SozR 1300 § 45 Nr 1; Ergänzung zu BSG 1982-12-15 GS 2/80 = SozR 1300 § 44 Nr 3).
Leitsatz (redaktionell)
1. Wortlaut und Sinn des § 45 SGB 10 machen deutlich, daß die Rücknahme jedwede Begünstigung erfassen will, somit nicht nur die, die dem formal Berechtigten selbst, etwa dem Beschädigten, zugute kommt, sondern auch die, deren Nutznießer ein Dritter ist.
Dies gestattet es im Grundsatz, eine fehlerhafte Anerkennung auch nach dem Tode des primär Berechtigten wieder zurückzunehmen, hier gegenüber der früheren Ehefrau des verstorbenen Beschädigten (Bestätigung BSG 1979-09-19 9 RV 5/78 = Breithaupt 1980, 409).
2. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung erschöpfen sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage. Vielmehr begründen oder verändern sie inhaltlich ein Rechtsverhältnis, so etwa, wenn sie den dauernden und auf Rechtmäßigkeit abgestellten Bezug von Sozialleistungen regeln.
Zu den Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung gehören auch solche, die einen Bescheid mit Dauerwirkung aufheben oder abändern (vgl BSG 12.2.1958 11/9 RV 948/55 = BSGE 7, 8, 13).
Orientierungssatz
1. Ändert sich der Rechtsgrund für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (hier statt § 41 KOVVfG nunmehr § 45 SGB 10) so berührt dies die Zulassung der Revision durch das LSG nicht. Sie ist für das BSG nach § 160 Abs 3 SGG unbedingt und ungeachtet dessen bindend, daß die als Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG angenommene grundsätzliche Bedeutung einer auf § 41 KOVVfG beruhenden Rechtsfrage gegenstandslos geworden ist. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil das Revisionsgericht in Fällen, in denen ein Rechtsmittel - wie hier - an sich statthaft ist, aber unter unrichtiger Anwendung von Zulassungsvorschriften eröffnet wird, der Prüfung enthoben sein soll, ob ein gesetzlicher Zulassungsgrund gegeben ist (vgl BSG 1978-09-14 9 RVs 3/77).
2. Die Befugnis der Verwaltung, im Rahmen des § 45 SGB 10 frühere Bescheide zum Nachteil zu berichtigen, wird nicht deswegen genommen, weil der durch die Bescheide Berechtigte zwischenzeitlich verstorben ist.
Normenkette
BVG § 48 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1966-12-28; SGB 10 Art. 2 § 16 Nr. 1 Fassung: 1980-08-18, § 37 Abs. 1 Fassung: 1980-08-18, § 40 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1980-08-18, S. 2 Fassung: 1980-08-18, § 45 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1980-08-18, Abs. 3 S. 2 Fassung: 1980-08-18; KOVVfG § 41 Abs. 1; SGG § 160 Abs. 3, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopfer (KOVVfG) ergangenen Berichtigungsbescheid. Mit diesem hob die Versorgungsbehörde die Anerkennungs- bzw Neufeststellungsbescheide in bezug auf den verstorbenen früheren Ehemann (Beschädigten) teilweise auf.
Die Versorgungsverwaltung hatte beim Beschädigten mit Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) als Schädigungsfolgen ua "Zustand nach Hirnkontusion, Narben und zwei winzige Splitter an der rechten Scheitelgegend" als Schädigungsfolgen anerkannt und Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH gewährt. Der Beschädigte ist im Dezember 1953 an den Folgen eines Verkehrsunfalles verstorben. Die zur Klärung einer etwaigen schädigungsbedingten Mitverursachung des Todes veranlaßte Leichenöffnung ergab, daß das schädigende Ereignis nicht zu einem Zustand nach Hirnkontusion, sondern zu einer Gehirnerschütterung geführt hatte, die längst abgeklungen war. Daraufhin lehnte der Beklagte den Witwenrentenantrag der Klägerin ab.
Die nach dem Tode des Beschädigten eingegangene zweite Ehe der Klägerin wurde im Jahre 1961 geschieden. Die Klägerin beantragte im April 1974 Witwenbeihilfe. Das Versorgungsamt teilte ihr im November 1974 die beabsichtigte Berichtigung mit, die sie dann mit Zustimmung des Landesministers sowie des Landesversorgungsamtes vornahm. Mit Berichtigungsbescheid vom 22. September 1975 wurde die Anerkennung einer Hirnverletzung als Schädigungsfolge zurückgenommen und die Gesamt-MdE für die verbliebenen Körperschäden rückwirkend auf 40 vH festgesetzt. Danach lehnte die Versorgungsbehörde die Gewährung von Witwenbeihilfe ab, hob allerdings im Laufe eines Klageverfahrens den Ablehnungsbescheid wieder auf und verpflichtete sich vergleichsweise, über den Antrag auf Witwenbeihilfe nach Abschluß des wegen der Berichtigung anhängigen Revisionsverfahrens erneut zu entscheiden. Widerspruch und Klage, die sich allein gegen den Berichtigungsbescheid richten, blieben erfolglos.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des Sozialgerichts (SG) abgeändert und die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben. Es hat die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 41 KOVVfG verneint. Wohl seien die Anerkennungs- bzw Neufeststellungsbescheide - meint das LSG - unrichtig. Diese Feststellung beruhe aber nicht auf einer im Zeitpunkt des Erlasses der zu berichtigenden Bescheide vorhandenen ärztlichen Erkenntnismöglichkeit. Die Feststellung der Unrichtigkeit sei das Ergebnis einer Obduktion. Erst durch dieses diagnostische Hilfsmittel habe sich nachträglich die Rechtswidrigkeit der fraglichen Bescheide ergeben.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 41 KOVVfG. Das Berufungsgericht habe - so der Beklagte - nicht bedacht, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Frage der Unrichtigkeit eines Bescheides der Stand der wissenschaftlichen Forschung zur Zeit des Erlasses desselben maßgebend sei. Die Obduktion erfülle dieses Erfordernis nicht. Auch ohne Fortschreiten der ärztlichen Wissenschaft und ohne neuartige Untersuchungsmethoden hätte festgestellt werden können, daß eine Hirnkontusion zweifelsfrei nicht vorgelegen habe.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des LSG die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den Berichtigungsbescheid aufgehoben. Allerdings kommt als maßgebliche Rechtsgrundlage für die Berichtigung nicht mehr § 41 KOVVfG in Betracht. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes beurteilt sich vielmehr nach § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X).
Diese Veränderung des Rechtsgrundes berührt die Zulassung der Revision durch das LSG nicht. Sie ist für das BSG nach § 160 Abs 3 SGG unbedingt und ungeachtet dessen bindend, daß die als Zulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG angenommene grundsätzliche Bedeutung einer auf § 41 KOVVfG beruhenden Rechtsfrage gegenstandslos geworden ist. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil das Revisionsgericht in Fällen, in denen ein Rechtsmittel - wie hier - an sich statthaft ist, aber unter unrichtiger Anwendung von Zulassungsvorschriften eröffnet wird, der Prüfung enthoben sein soll, ob ein gesetzlicher Zulassungsgrund gegeben ist (Urteile des erkennenden Senats SozR 1500 § 160 Nr 21; SozR 3870 § 3 Nr 2).
Der streitige Berichtigungsbescheid ist rechtswidrig. Die Versorgungsbehörde war nicht befugt, die begünstigenden Verwaltungsakte (Anerkennungs- und Neufeststellungsbescheide) mit rückwirkender Kraft teilweise aufzuheben und damit den als Schädigungsfolge anerkannten "Zustand nach Hirnkontusion" zu beseitigen sowie die schädigungsbedingte Gesamt-MdE herabzusetzen. Ein solcher Eingriff in die Rechtsverbindlichkeit eines Bescheides (§ 77 SGG) ließ sich zum Zeitpunkt der Erteilung des Berichtigungsbescheides auf § 41 KOVVfG stützen. Danach durfte die zuständige Verwaltungsbehörde zuungunsten des Berechtigten Bescheide über Rechtsansprüche ändern oder aufheben, wenn außer Zweifel steht, daß diese Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich oder rechtlich unrichtig gewesen sind. Die Unrichtigkeit, die für das Revisionsgericht bindend festgestellt ist (§ 163 SGG), ist jedoch allein kein Rechtfertigungsgrund zur Beseitigung fehlerhafter Bescheide. Nach der ständigen Rechtsprechung ist bei der Frage der Unrichtigkeit auf die seinerzeitigen ärztlichen Erkenntnismöglichkeiten abzustellen (ua BSGE 29, 37, 39 f = BSG SozR Nr 28 zu § 41 KOVVfG). Ob unter diesen Voraussetzungen eine Berichtigung auch dann noch zulässig ist, wenn durch eine Obduktion die anerkannten Schädigungsfolgen auszuschließen sind und damit erst die Fehlerhaftigkeit offenkundig wird, schien dem Berufungsgericht eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Indessen kommt es darauf infolge Rechtsänderung nicht mehr an.
§ 41 KOVVfG ist durch Art II § 16 Nr 1 SGB X mit Wirkung ab 1. Januar 1981 (Art II § 40 Abs 1 SGB X) gestrichen und durch Art I § 45 SGB X (= § 45 SGB X) ersetzt worden. Diese mit dem SGB X eingetretene Rechtsänderung erfaßt rückwirkend den Streitgegenstand. Der erkennende Senat hält seine insoweit entgegenstehende Rechtsprechung im Urteil vom 5. März 1981 (BSG SozR 1300 § 45 Nr 1) unter Beachtung der Rechtsprechung des Großen Senats (Beschluß vom 15. Dezember 1982: BSGE 54, 223 f = SozR 1300 § 44 Nr 3) nicht mehr aufrecht.
Nach der nunmehr anzuwendenden Rechtsvorschrift ist die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes wegen Zeitablaufs ausgeschlossen. § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X läßt einen solchen Eingriff nur bis zu zwei Jahren nach Bekanntgabe der Verwaltungsakte zu. Diese Ausschlußfrist ist längst verstrichen. Ebensowenig ist der Ausnahmetatbestand des Satzes 2 in Abs 3 erfüllt. Die Zweijahresfrist gilt danach nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Zivilprozeßordnung (ZPO) vorliegen. Als ein solcher Grund käme allenfalls § 580 Nr 7 Buchst b ZPO in Betracht. In diesem Falle findet eine Restitutionsklage statt, "wenn die Partei eine andere Urkunde aufzufinden oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Demnach würde dies, auf den gegenwärtigen Fall übertragen, voraussetzen, daß der Sektionsbefund - sofern es sich um eine Urkunde in dem oben genannten Sinne handeln sollte - schon vor dem Rechtsverbindlichwerden des Anerkennungsbescheides erhoben worden und benutzbar gewesen wäre (vgl hierzu BGH VersR 74, 168; 75, 260). Dieses zeitliche Erfordernis ist nicht gegeben. Die "aufzuhebenden" Verwaltungsakte sind vor dem Tode des Beschädigten ergangen; indessen ist die Obduktion selbstredend danach durchgeführt worden.
Das hier gewonnene Ergebnis einer rückwirkenden Anwendung des § 45 SGB X läßt sich nicht uneingeschränkt auf allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze stützen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ebenso wie im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich die Klageart für die rechtliche Beurteilung entscheidend (Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Auflage, § 108 Anm III Nr 1; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-, 7. Aufl, § 108 RdNr 21 f; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl § 54, RdNr 32). Bei der Anfechtungsklage ist im allgemeinen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zugrundezulegen (BSGE 6, 288, 290 f; 7, 8, 13; 8, 11, 13 f; 10, 72, 73, 75; 15, 131, 132; BVerwGE 1, 35; 28, 292; 34, 155). Hingegen ist bei Leistungs- und Verpflichtungsklagen, die sich gegen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung wenden, in der Regel die Rechtslage im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung - auch in der Revisionsinstanz - maßgebend (BSGE 3, 95, 103; 5, 238, 242; 10, 202, 205; 15, 239, 243f; 16, 257, 260; BVerwGE 1, 291; 29, 304; 41, 227; Meyer-Ladewig, SGG, § 54 RdNr 34; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 108 RdNr 22; Ule, aaO Nr 2). Solche Verwaltungsakte mit Dauerwirkung erschöpfen sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in der einmaligen Gestaltung der Rechtslage. Vielmehr begründen oder verändern sie inhaltlich ein Rechtsverhältnis, so etwa, wenn sie den dauernden und auf Rechtmäßigkeit abgestellten Bezug von Sozialleistungen regeln. Demgegenüber kommt es bei Verwaltungsbescheiden ohne Dauerwirkung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Verwaltungsentscheidung an. Es handelt sich dabei - wie im Streitfall - um solche Bescheide, die einen Bescheid mit Dauerwirkung aufheben oder abändern. Letzterenfalls wird zwar die vollständige oder teilweise Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bewirkt, der Verwaltungsakt selbst hat aber keine Dauerwirkung (BSGE 7, 8, 13).
Die Lösung ist vielmehr dem SGB X selbst zu entnehmen. Art II § 37 Abs 1 SGB X, der im zweiten Abschnitt der Überleitungs- und Schlußvorschriften eingefügt ist, besagt, daß "bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen sind". Hierzu hat der Große Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 1200 § 44 Nr 1) sowie des 4. Senats (BSGE 52, 98, 100 = SozR 1200 § 51 Nr 11) entschieden, daß unter "Verfahren" auch das gerichtliche Verfahren mit einzubeziehen ist (BSGE 54, 223, 225). Die rückwirkende Anwendung der in SGB X enthaltenen materiell-rechtlichen Vorschriften rechtfertigt sich, wenn nicht allein aus Art II § 37 SGB X, so jedenfalls iVm Art II § 40 Abs 2 SGB X. Nach dessen Satz 1 ist Art I §§ 44 bis 49 SGB X "erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird"; nach Satz 2 "gilt dies auch dann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist". In beiden Fällen ist mit dem Verwaltungsakt der rechtsverbindliche Bescheid gemeint, der nach Art I §§ 44 bis 49 SGB X beseitigt werden soll (Urteil des erkennenden Senats SozR 1300 § 45 Nr 1). Gestattet mithin der Gesetzgeber einen Eingriff in die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes nach dem 31. Dezember 1980 für die davorliegende Zeit, kann dies bei einem laufenden Verfahren, das, wie ausgeführt, auch das gerichtliche Verfahren mit einschließt, nicht anders sein.
Freilich bezieht sich die Rechtsprechung des Großen Senats, daß nämlich die mit dem SGB X eingetretene Rechtsänderung rückwirkend den Streitgegenstand erfaßt, einschränkend nur auf Leistungs- und Verpflichtungsklagen (BSGE 54, 223, 228). Hingegen steht gegenwärtig eine reine Anfechtungsklage in Streit. Die gewählte Formulierung in der Entscheidung des Großen Senats, dieses Ergebnis sei "jedenfalls soweit Leistungen vor dem 1. Januar 1981 in Streit stehen und demnach eine Leistungs- und Verpflichtungsklage anhängig ist, dem Art II § 40 Abs 2 SGB X zu entnehmen", steht jedoch einer insoweit ergänzenden Rechtsauslegung nicht entgegen. Sie erscheint dort geboten, wo einer der kombinierten Aufhebungs- und Leistungs- (bzw Verpflichtungs-)klage rechtsähnliche Lage besteht. Davon ist im vorliegenden Streitfall auszugehen. Grundlage für die Witwenbeihilfe, um die es letztlich geht (§ 44 Abs 2 BVG), ist § 48 Abs 1 Satz 3 BVG in der vor dem 1. Januar 1976 in Betracht kommenden Fassung. Danach können der Witwe Versorgungsleistungen gewährt werden, wenn der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes einen Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um wenigstens 70 vH hatte. Die Gewährung der Witwenbeihilfe ist damit nicht nur eng mit dem Versorgungsanspruch des Beschädigten verknüpft, sie setzt ihn sogar unmittelbar voraus. Von ihm leitet sich die Versorgung der Klägerin ab. Das Begehren der Klägerin ist also davon abhängig, daß die Rentenbewilligungsbescheide, die dem Beschädigten Versorgungsansprüche zugestehen, im Bestand unangetastet bleiben. Die Berichtigung würde diese Rechtswirkung beseitigen. Um dies zu verhindern, ist - wie geschehen - eine Aufhebungsklage zu erheben. Ist sie erfolgreich, ist dann über das Leistungsbegehren zu entscheiden. Entsprechend der vergleichsweisen Vereinbarung ist darüber für die Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des SGB X zu befinden. Mithin ist auch nach dem Inkrafttreten des SGB X ein Verfahren noch "anhängig" iS des Art II § 37 Abs 1 SGB X. Aufhebungs- und Leistungsbegehren lassen sich nicht voneinander trennen. Von daher gesehen rechtfertigt es sich, über die Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbescheides nach neuem Recht zu entscheiden.
Der Berichtigung steht auch nicht entgegen, daß die Erstanerkennungs- bzw Neufeststellungsbescheide, die aufgehoben werden sollen, unmittelbar nur den Beschädigten begünstigt hatten. Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, unter der Einschränkung der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn er rechtswidrig ist. Wortlaut und Sinn dieser Vorschrift machen deutlich, daß die Berichtigung jedwede Begünstigung, somit auch eine solche, die einem Dritten zugute kommt, erfassen will. Das Institut der Berichtigung fehlerhafter Verwaltungsentscheidungen beruht auf der Erwägung, daß dem Prinzip der Unanfechtbarkeit dort Grenzen gesetzt sind, wo es der Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit gebietet. Mithin ist es für die Befreiung von einer fraglos falschen Verbindlichkeit gleichgültig, ob der formal Berechtigte selbst oder ein anderer Nutznießer wäre. Letzteres trifft auf die Klägerin als Hinterbliebene zu. Die Witwenbeihilfe setzt den ursprünglich dem Beschädigten zuerkannten Versorgungsanspruch voraus, der gerade rückgängig gemacht werden soll. Durch diesen den Versorgungsanspruch des Beschädigten regelnden Bescheid erlangt die Klägerin einen rechtlichen und wirtschaftlichen Vorteil. Dies gestattet es im Grundsatz, die fehlerhafte Anerkennung auch nach dem Tode des primär Berechtigten wieder zurückzunehmen. Schon nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung zu § 41 KOVVfG war der Verwaltung die Befugnis, frühere Bescheide zum Nachteil zu berichtigen, nicht deswegen genommen, weil inzwischen der durch die Bescheide Berechtigte verstorben war (BSGE 7, 103, 105; 23, 7, 9 f; BSG, BVBl 1965, 25; BSG, BVBl 1965 S 119, 120 f; Breithaupt 1980, 409 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen