Entscheidungsstichwort (Thema)
Tuberkulose-Hilfe bei Unterbringung auf öffentliche Kosten
Leitsatz (amtlich)
Auf "öffentliche Kosten" in Anstaltspflege untergebracht (BSHG § 130) ist auch derjenige tuberkulosekranke Versicherte, der zu den im übrigen von der öffentlichen Hand getragenen Kosten seiner Unterbringung einen eigenen Beitrag, gleich in welcher Höhe, leistet; dabei wird davon ausgegangen, daß der Anspruch des Versicherten gegen den Rentenversicherungsträger nach RVO § 1244a Abs 1 insoweit bestehen bleibt und auf Ersatz gerichtet ist, als der öffentliche Träger den Versicherten zu den Heilbehandlungskosten heranzieht.
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Tuberkulose-Hilfe gegen den Träger der RV entfällt "bei Unterbringung in Anstaltspflege auf öffentliche Kosten" (RVO § 1244a Abs 7 S 3 / AVG § 21a Abs 7 S 3). In diesem Falle ist dem Kranken während der Unterbringung auch die Heilbehandlung von dem für die Unterbringung zuständigen Kostenträger zu gewähren (BSHG § 130 Abs 1). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Unterbringung nicht nur wegen der in BSHG § 130 bezeichneten Gründe, sondern auch wegen der Tuberkulose Erkrankung notwendig ist.
Normenkette
RVO § 1244a Abs. 7 S. 3 Fassung: 1959-07-23; BSHG § 130 Abs. 1 Fassung: 1969-09-18; RVO § 1244a Abs. 1 Fassung: 1959-07-23; AVG § 21a Abs. 7 S. 3 Fassung: 1959-07-23
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.02.1978; Aktenzeichen L 2 J 233/77) |
SG Hannover (Entscheidung vom 09.08.1977; Aktenzeichen S 7 J 817/75) |
Tenor
Die Revision des klagenden Landes Niedersachsen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 8. Februar 1978 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Prozeß geht es um die Frage, ob auch derjenige Tuberkulose-(Tbc-)Kranke, der zu den im übrigen vom Träger der Sozialhilfe getragenen Kosten seiner Unterbringung einen eigenen Beitrag leistet, "auf öffentliche Kosten" in Anstaltspflege untergebracht ist (§ 130 Abs 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -).
Die im Jahr 1903 geborene Versicherte B., die bei der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) für den Fall der Krankheit versichert war und von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) seit 1949 Invalidenrente und seit 1968 Altersruhegeld bezog, war seit Mai 1948 wegen einer Epilepsie im Niedersächsischen Landeskrankenhaus G. untergebracht. Vom 25. April 1966 bis zum 6. November 1970 und vom 31. August 1971 bis 21. Mai 1974 wurde sie wegen der Reaktivierung einer alten Tbc-Erkrankung in der Fachabteilung Schloß O. des Niedersächsischen Landeskrankenhauses L. stationär behandelt. Die Kosten für die Unterbringung in G. und für die stationäre Behandlung im Schloß O. trug das klagende Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 96 Abs 2 BSHG iVm § 3 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum BSHG idF vom 19. Januar 1976, GVBl 5). Die Versicherte leistete zu den Kosten der Unterbringung einen Unkostenbeitrag von 60 DM monatlich. Der tägliche Pflegesatz betrug im Jahr 1966 in G. 12,20 DM; in der Fachabteilung Schloß O. betrug er zunächst 28,90 DM im Jahr 1966 und stieg bis April 1974 auf 59,10 DM. Die Versicherte ist im Jahr 1975 gestorben.
Das klagende Land forderte die beklagte LVA vergeblich auf, die Kosten der Behandlung der Versicherten im Schloß O. (über 123.000 DM) zu übernehmen.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klage mit Urteil vom 9. August 1977 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des klagenden Landes als unbegründet zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 8. Februar 1978). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Da die Versicherte nur einen geringen Teil der durch ihre Epilepsie bedingten Unterbringungskosten selbst getragen habe, gelte sie als "auf öffentliche Kosten" untergebracht mit der Folge, daß die beklagte LVA freigestellt sei. Auch die beigeladene AOK brauche nicht für die Kosten aufzukommen, weil sie nur für die ambulante Heilbehandlung zahlen müsse.
Mit der Revision rügt das klagende Land die unrichtige Anwendung des § 1244a Abs 7 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 130 BSHG. Für seinen Vortrag wird auf den Schriftsatz des Landessozialamtes Niedersachsen vom 15. März 1978 Bezug genommen. Das Land beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die durch die stationäre Tbc-Behandlung der Versicherten A E im Niedersächsischen Landeskrankenhaus G - Fachabteilung O - hausen - in der Zeit vom 25.4.1966 bis 6.11.1970 und vom 31.8.1971 bis 21.5.1974 entstandenen Kosten zu ersetzen.
Die beklagte LVA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Auf ihren Schriftsatz vom 12. April 1978 wird verwiesen.
Die beigeladene AOK hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des klagenden Landes ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben. Denn der Streit über einen Anspruch auf Ersatz von Sozialhilfekosten gegen einen Träger der Rentenversicherung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung (BSGE 26, 102, 104; 29, 87, 88; BVerwGE 24, 209; 35, 355). Ob § 43 Abs 3 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (I SGB) in Zukunft Fragen des Rechtswegs beeinflußt, kann hier dahinstehen.
Die Revision ist nicht begründet. Das Land hat einen Anspruch auf Kostenersatz weder gegen die beklagte LVA noch gegen die beigeladene AOK.
Ein Zahlungsanspruch des klagenden Landes gegen die LVA wäre nach Sachlage auf § 59 Abs 2 Satz 2 BSHG zu gründen. Nach dieser Vorschrift hat die zur Tbc-Hilfe verpflichtete Stelle dem Träger der Sozialhilfe diejenigen Kosten zu erstatten, die diesem dadurch entstanden sind, daß er die notwendigen Tbc-Hilfemaßnahmen unverzüglich durchgeführt hat.
Die beklagte LVA war zur Gewährung von Heilbehandlung verpflichtet, wenn bei der Versicherten die Voraussetzungen des § 1244a Abs 1 und Abs 3 Satz 1 RVO idF des Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (THG) vom 23. Juli 1959 erfüllt waren und wenn stationäre Heilbehandlung (arg § 1244a Abs 3 Satz 2 RVO) erforderlich war. Jedoch entfiel der Anspruch der Versicherten gegen die LVA auf Heilbehandlung "bei Unterbringung in Anstaltspflege". Dies ergibt § 1244a Abs 7 Satz 3 RVO. Durch die Verweisung auf § 23 THG, seit 1. Juni 1962 § 130 Abs 1 BSHG, wird klargestellt, daß der Anspruch nur dann entfällt, wenn ein Tbc-Kranker wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Epilepsie oder Suchtkrankheit "auf öffentliche Kosten" in Anstaltspflege untergebracht ist, der Kostenträger also die Mittel aus öffentlichen Finanzierungsquellen, wie Steuern, Abgaben, staatlichen Zuschüssen ua, schöpft (Mergler/Zink, BSHG, 2. Aufl. Anm 9 zu § 130). In diesem Fall ist dem Kranken während der Unterbringung auch Heilbehandlung von dem für die Unterbringung zuständigen Kostenträger zu gewähren (§ 130 Abs 1 BSHG). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Unterbringung nicht nur wegen der in § 130 BSHG bezeichneten Gründe, sondern auch wegen der Tbc-Erkrankung notwendig ist (BSG SozR Nr 36 zu § 1244a RVO). Der Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger auf stationäre Tbc-Behandlung entfällt auch dann, wenn der an Tbc erkrankte Versicherte bereits wegen Geisteskrankheit usw in Anstaltspflege untergebracht ist und zur Tbc-Behandlung in ein Krankenhaus oder eine Heilanstalt verlegt wird (BSG SozR Nr 12 zu § 1244a RVO). Andererseits hat das Bundessozialgericht (BSG) schon entschieden, daß ein wegen Geisteskrankheit Untergebrachter, der selbst die vollen Kosten seiner Unterbringung trägt, nicht "auf öffentliche Kosten" untergebracht ist, so daß der Träger der Rentenversicherung zur Gewährung der Heilbehandlung verpflichtet bleibt (Urteil vom 31. Januar 1968 - 12 RJ 620/64 - in BSGE 27, 280 = SozR Nr 8 zu § 1244a RVO; siehe auch SozR Nr 9 aaO; ferner SozR 2200 § 1244a Nr 8 S. 19).
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles ist wesentlich, wer zur Heilbehandlung verpflichtet ist, wenn die Unterbringung zum Teil auf öffentliche Kosten und zum Teil auf Kosten des Kranken erfolgt.
Der Senat hat dazu früher darauf hingewiesen, ein Kranker sei auch dann als Selbstzahler anzusehen, wenn er zu den Aufwendungen für seine Unterbringung nur einen Teil beigesteuert habe; denn auch dann sei die Tbc-Behandlung nicht anderweit sichergestellt, weshalb keine der Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers vorgehende Verantwortlichkeit zur Tbc-Hilfe bestehe (SozR Nr 25 und Nr 27 S. Aa 36 Rücks zu § 1244a RVO). Der 3. Senat hat in neueren Urteilen ausgeführt: Wende der Versicherte eigene Mittel auf, erfordere die Unterbringung jedoch zusätzlich den Einsatz öffentlicher Mittel, so müßten die gleichen Grundsätze wie bei der Unterbringung "auf öffentliche Kosten" gelten, jedenfalls bei einem geringen Eigenbetrag des Versicherten, der die grundsätzliche Kostentragungspflicht des Unterbringungsträgers nicht verändere (Urteile vom 14. Dezember 1976 - 3 RK 74/75 und - 3 RK 30/76 sowie vom 2. März 1977 - 3 RK 69/76 -, jeweils nicht veröffentlicht). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des 3. Senats im wesentlichen an. Auf "öffentliche Kosten" in Anstaltspflege untergebracht (§ 130 BSHG) ist mithin auch derjenige Tbc-Kranke, der - wie im vorliegenden Fall die Versicherte - zu den im übrigen von der öffentlichen Hand getragenen Kosten seiner Unterbringung einen eigenen Beitrag leistet. Dabei kommt es auf die Höhe dieses Beitrags nicht an.
§ 1244a Abs 7 Satz 3 RVO iVm § 130 BSHG bezweckt, die Betreuung eines Tbc-Kranken bei einem Träger zusammenzufassen, der dann allein über Art und Maß seiner Leistungen entscheidet (vgl auch § 1244a Abs 5 RVO; BSGE 40, 115, 116; SozR Nrn 12, 14, 25, 27 zu § 1244a RVO). Bei dieser Regelung steht das Interesse des Versicherten im Vordergrund, dessen Behandlung Schaden nehmen könnte, wenn verschiedene Träger über deren Art zu befinden hätten. Die Verteilung der Kostenlast tritt demgegenüber in den Hintergrund. Sie ist nur die Folge der Regelung, daß die Behandlung des Tbc-Kranken im Interesse einer raschen und nachhaltigen Wirkung von einem einzigen Träger durchgeführt werden soll. Dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn der öffentliche Träger der Unterbringung eines Geisteskranken die Tbc-Heilbehandlung nur dann gewähren müßte, wenn er die Unterbringungskosten voll trägt, dagegen nicht, wenn er sie nur zum Teil zahlt. Denn das Bedürfnis nach der Zusammenfassung der Betreuung und Behandlung bei einem Träger im Interesse des Kranken besteht im einen wie im anderen Fall. Der wegen Geisteskrankheit als Vollselbstzahler in einer Heilanstalt untergebrachte Kranke bedarf hingegen der gesetzlichen Bestimmung eines zuständigen öffentlichen Trägers nicht, denn er kann selbst bzw durch seinen Vormund seine Unterbringung und Behandlung bestimmen (vgl BSGE 27, 280, 284f); bei einem solchen Versicherten ist dann allein der Rentenversicherungsträger zuständig und verpflichtet (vgl Abs 5 des § 1244a RVO).
Auch ein Anspruch des klagenden Landes gegen die beigeladene AOK ist nicht begründet. Zwar hat das Land keinen Antrag auf Verurteilung der AOK gestellt. Dies ist aber nicht erforderlich; denn jedenfalls hat das Land eine Verurteilung der AOK nicht ausdrücklich abgelehnt, was nach BSGE 9, 67, 70 ein Urteil gegen die AOK unzulässig machen würde. Vielmehr hat das Land im ersten Rechtszug die Beiladung der AOK deshalb beantragt, weil diese nach seiner Auffassung dann leistungspflichtig sei, wenn eine Leistungspflicht der LVA nicht bestehen sollte.
Auch ein Anspruch gegen die AOK wäre auf § 59 Abs 2 Satz 2 BSHG zu stützen. Die AOK könnte die "verpflichtete Stelle" sein, weil sie der Versicherten Krankenpflege und Krankenhauspflege zu gewähren hatte (§ 182 Abs 1 Nr 1, § 184 RVO). Ihre Leistungspflicht wäre nicht deshalb entfallen, weil die Versicherte aus polizeilichen Gründen zwangsweise in einem Krankenhaus untergebracht war (BSG SozR Nrn 23 und 28 zu § 184 RVO). Schließlich wäre auch ohne Bedeutung, daß nach der Zuständigkeitsregelung des § 1244a Abs 3 Sätze 2 und 3, § 1239 Sätze 2 und 3 RVO der Träger der Krankenversicherung nur die ambulante Heilbehandlung zu gewähren hat. Denn weder hatte die Versicherte einen Anspruch auf Heilbehandlung gegen den Rentenversicherungsträger noch hatte dieser Leistungen übernommen. So hat auch der 3. Senat früher entschieden, daß in einem solchen Fall die nur bei Gewährung der stationären Heilbehandlung durch die LVA zum Ruhen gebrachte Leistungspflicht der Krankenkasse voll zum Tragen komme (Urteil vom 23. Juni 1971 - 3 RK 68/70 -). Die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für die stationäre Tbc-Behandlung ändert sich nicht zu Lasten des Krankenversicherungsträgers, wenn der Tbc-Kranke gleichzeitig wegen einer anderen Krankheit, auch einer Suchtkrankheit, stationär behandelt werden muß (so der 3. Senat im Urteil vom 29. September 1976 - 3 RK 25/75 - SozR 2200 § 1244a Nr 8, fortgeführt im Urteil vom 16. November 1978 - 3 RK 54/77 -). Nach der Auffassung des 3. Senats ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut des § 1244a Abs 7 Satz 3 RVO, wonach im Fall des § 130 BSHG der Anspruch auf Heilbehandlung nach Abs 3 entfällt; damit werde zwar der in § 1244a Abs 3 Satz 1 RVO aufgeführte Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger ausgeschlossen, nicht aber die in Abs 3 Sätze 2 und 3 des § 1244a RVO enthaltene Freistellung des Trägers der Krankenversicherung für die stationäre Tbc-Behandlung korrigiert. Dem schließt sich der Senat an.
Die Revision bekämpft die Rechtsansicht, daß der Rentenversicherungsträger bei untergebrachten Teilselbstzahlern die Kosten der Tbc-Behandlung nicht zu tragen habe, mit dem Hinweis auf das unbillige Ergebnis: Ein wegen Geisteskrankheit usw pflegebedürftiger und zugleich Tbc-kranker Rentner, der die Kosten seiner Unterbringung wegen der geringen Höhe seiner Rente nur teilweise tragen könne, stehe dann schlechter als ein lediglich Tbc-kranker Rentner und sogar schlechter als ein Tbc-kranker und wegen Geisteskrankheit usw pflegebedürftiger Rentner, dessen Rente zur vollen Bestreitung der Unterbringungskosten ausreiche. Der Teilselbstzahler müsse seine geringe Rente hingeben und Erstattungsansprüche des öffentlichen Trägers befürchten (vgl § 28 iVm §§ 76 ff, insbesondere § 86 Abs 3, §§ 90, 91, 92 ff BSHG; BVerwGE 35, 36; 41, 216; bei der gesundheitspolizeilichen Unterbringung hat der Polizeiträger gegen den Untergebrachten wegen dessen "Verhaltenshaftung" einen Anspruch auf wirtschaftlichen Ausgleich der Forderungen, dh der Kosten der Unterbringung und der daraus erwachsenden Heilbehandlung der vom Untergebrachten gesetzten Ursache, nämlich der Störung iS des § 9 Abs 1 des Niedersächsischen SOG, vgl dazu auch Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl, 1978, § 127 RdNrn 6 und 23). Der Vollselbstzahler habe dagegen einen Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger auf freie Heilbehandlung und brauche weder seine Rente noch andere Einkünfte einzusetzen. Daß eine solche Schlechterstellung eines nach § 1244a Abs 1 RVO Berechtigten nach dem Gesetz nicht gewollt sei, ist bereits in der Entscheidung BSGE 27, 280, 283, 284 betont worden. Auch im Urteil vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 81/77 - sind ähnliche Bedenken geäußert.
Den Bedenken der Revision kann indessen durch eine sinngemäße Auslegung des § 1244 a RVO begegnet werden. Das Gesetz läßt keinen sachlichen Grund dafür erkennen, daß der Anspruch des Rentenversicherten auf freie Tbc-Behandlung nach § 1244a RVO deshalb geschmälert werden soll, weil er mit einer vom Versicherten nicht zu vertretenden, durch Geisteskrankheit usw bedingten Unterbringung auf öffentliche Kosten, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, zusammentrifft. Bei der Auslegung des Abs 7 Satz 3 des § 1244a RVO ist zu beachten, daß § 130 BSHG mit der Erstreckung der Leistungszuständigkeit für die Tbc-Behandlung auf den Träger der Unterbringungskosten in erster Linie im Interesse des untergebrachten Kranken geschaffen worden ist. In seinem Interesse soll, wenn er außerdem einen Anspruch auf Tbc-Hilfe gegen einen anderen Leistungsträger hat, ein Zuständigkeitswechsel für die Zeit einer neben den Unterbringungsgründen notwendig gewordenen Tbc-Heilbehandlung vermieden werden. Weil dem Kranken andererseits nicht gleichartige, im wesentlichen auf Sachleistungen gerichtete Ansprüche gegen mehrere Leistungsträger zustehen können, muß der andere Leistungsträger (hier der Rentenversicherungsträger) von seiner Leistungspflicht befreit werden; nur dies kann in Anbetracht der Lage des Kranken der gesetzgeberische Grund für die Freistellung des anderen Leistungsträgers sein, nicht etwa der fiskalische Gesichtspunkt der Entlastung des anderen Trägers.
Ist hiernach § 130 BSHG in erster Linie eine Schutzvorschrift zugunsten des untergebrachten Kranken, dann dürfen diesem aus ihrer Anwendung keine Nachteile erwachsen. Das wäre aber der Fall, wenn der Kranke durch die Erstreckung der Heilbehandlungszuständigkeit auf den Träger der Unterbringungskosten einen "besseren" Anspruch gegen einen anderen zur Tbc-Hilfe verpflichteten Träger verlieren würde. Ein solcher "besserer" Anspruch ist der Anspruch auf Tbc-Hilfe nach § 1244a RVO im Verhältnis zu dem Anspruch auf Heilbehandlung nach dem BSHG oder landesrechtlichen Gesetzen, die eine Zwangsunterbringung vorsehen, weil der öffentliche Träger, der Tbc-Heilbehandlung gewährt, dabei das Vermögen und die Einkünfte des Kranken in bestimmtem Umfang zur Bestreitung der Behandlungskosten, wie schon vorher zur Deckung der Unterbringungskosten, heranziehen kann. Um den Kranken in Fällen dieser Art gegen Nachteile zu schützen, hätte der Gesetzgeber vorschreiben können, daß der öffentliche Träger einem nach § 1244a RVO berechtigten Kranken für die Zeit der Tbc-Heilbehandlung die Leistungen so gewährt, wie sie der Rentenversicherungsträger hätte gewähren müssen, dh ohne Selbstbeteiligung des Kranken. Da eine solche Vorschrift in § 130 BSHG fehlt (anders zB § 1239 RVO für den Fall, daß der Rentenversicherungsträger Leistungen des Krankenversicherungsträgers übernimmt), muß der Anspruch, wenn der Kranke durch die Zuständigkeitsregelung des § 130 BSHG keinen Schaden erleiden soll, gegen den Rentenversicherungsträger nach § 1244a RVO insoweit bestehen bleiben, als der öffentliche Träger ihn zu den Heilbehandlungskosten heranzieht oder heranziehen kann. Der Versicherte erwirbt in dem Umfang, in dem er von dem öffentlichen Träger herangezogen wird, einen Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger auf Ersatz (vgl BSGE 9, 112, 122). Bei dieser Auslegung des Gesetzes tritt zwar für die Zeit der Tbc-Heilbehandlung neben die ungeteilte Betreuungszuständigkeit (Verwaltungszuständigkeit) des öffentlichen Trägers eine Spaltung der Kostenträgerschaft insofern, als ein Teil der Behandlungskosten vom öffentlichen Träger, ein anderer Teil vom Rentenversicherungsträger zu tragen ist. Diese Spaltung muß jedoch im Interesse des Kranken in Kauf genommen werden. Sie etwa dadurch zu vermeiden, daß, wie hier offenbar der öffentliche Träger will, für die Zeit der Tbc-Heilbehandlung die gesamte Kostenlast (einschließlich der Betreuungszuständigkeit?) auf den Rentenversicherungsträger übergeht, wäre mit § 130 BSHG nicht vereinbar, der eine fortdauernde Zuständigkeit des Trägers der Unterbringungskosten auch für die Zeit der Heilbehandlung vorschreibt.
Über einen etwaigen Anspruch der Versicherten gegen die beklagte LVA, etwa auf Ersatz des vom Unterbringungsträger beanspruchten Teils ihrer Rente, war hier nicht zu entscheiden.
Die Revision des klagenden Landes war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen