Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnungsfehler. Rentenanpassung
Orientierungssatz
Hat der Versicherungsträger bei der Umstellung der Renten die Bezüge zu Unrecht um 2/13 erhöht und die für dieses Jahr maßgebende Höchstgrenze des Art 2 § 33 AnVNG nicht beachtet, so darf er diesen Fehler bei den folgenden Rentenanpassungen nicht wiederholen. An die unrichtigen Berechnungsfaktoren ist er bei späteren Anpassungen nicht gebunden.
Normenkette
AnVNG Art. 2 §§ 33, 37 Abs. 3 S. 1; ArVNG Art. 2 §§ 34, 38 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.12.1965) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Dezember 1965 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin ist die Witwe des im Februar 1893 geborenen und am 21. November 1967 verstorbenen A S (nachfolgend der "Versicherte" genannt). Sie begehrt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten eine Erhöhung seiner Rente für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zu seinem Tode nach den Vorschriften des 3. bis 9. Rentenanpassungsgesetzes (RAG).
Der Versicherte bezog vom 1. Oktober 1950 an das Ruhegeld aus der Angestelltenversicherung (AnV). Auf seinen Antrag erhöhte die Beklagte mit bindend gewordenem Bescheid vom 2. April 1958 die nach Art. 2 § 31 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) umgestellte Rente ab 1. Februar 1958 von bislang 472,50 DM wegen Vollendung des 65. Lebensjahres um 2/13 auf 545,20 DM (Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG). Die Beklagte übersah dabei, daß die Rente des Versicherten bei der von ihm zurückgelegten Versicherungsdauer von 42 Jahren gemäß Art. 2 § 33 Abs. 1 AnVNG ohne Kinderzuschuß und ohne den auf Beiträge der Höherversicherung entfallenden Steigerungsbetrag den bisher gezahlten monatlichen Rentenhöchstbetrag von 472,50 DM nicht übersteigen durfte.
Nachdem die Beklagte ihren Fehler erkannt hatte, erließ sie mehrere Bescheide, mit denen sie die Rente ab 1. April 1959 bis Ende 1961 auf die jeweils maßgebenden Höchstbeträge herabsetzte. Während des vom Versicherten anhängig gemachten Verfahrens vor dem Sozialgericht (SG) änderte sie diese Rentenfeststellungen mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Januar 1963 zugunsten des Versicherten ab; sie beließ ihm nunmehr bis zum 31. Dezember 1961 den (zu hohen) Rentenbetrag von 545,20 DM als besitzgeschützten Zahlbetrag, stellte jedoch vom 1. Januar 1962 an die Rente mit dem Höchstbetrag nach dem 4. RAG (567,- DM) und vom 1. Januar 1963 an mit dem Höchstbetrag nach dem 5. RAG (598,50 DM) fest. Der Versicherte begehrte die fortlaufende Anpassung der im Jahre 1958 zu hoch festgestellten Rente. Das SG München wies die Klage ab. Während des Berufungsverfahrens erklärte sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 1965 bereit, den besitzgeschützten Zahlbetrag von 545,20 DM nach dem 1. und 2. RAG bis einschließlich 31. Juli 1960 anzupassen. Der Versicherte nahm dieses Anerkenntnis der Beklagten an. Daraufhin verurteilte das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte, auch für die Zeit vom 1. August 1960 bis 31. Dezember 1960 den besitzgeschützten Zahlbetrag des Monats Juli 1960 zu gewähren und bei den weiteren Rentenanpassungen zugrundezulegen; soweit jedoch der Versicherte bei diesen folgenden Rentenanpassungen eine über die Höchstgrenzen des Art. 2 § 33 AnVNG idF der jeweils maßgeblichen Rentenanpassungsgesetze hinausgehende Rente begehrte, wurde seine Berufung zurückgewiesen. Die Revision ließ das LSG zu (Urteil vom 14. Dezember 1965).
Zur Begründung führte es aus: Der besitzgeschützte Rentenzahlbetrag von 545,20 DM nehme an der Rentenanpassung nach dem 1. RAG teil und dieser Betrag sei nach dem 2. RAG anzupassen. Dies habe die Beklagte bis zum 31. Juli 1960 inzwischen auch anerkannt. Dieser Betrag sei aber auch für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1960 zu zahlen, und auch bei den folgenden Rentenanpassungen sei von dem jeweiligen zu hohen Betrag auszugehen. Die Beklagte sei zu einer "Berichtigung" des mit 545,20 DM zu hoch festgestellten Rentenzahlbetrages wegen der Bindungswirkung des Bescheides vom 2. April 1958 weder nach den Rentenanpassungsgesetzen noch nach § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder nach § 138 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) berechtigt gewesen. Zu beachten sei jedoch, daß die durch die jeweiligen Rentenanpassungsgesetze geänderte Höchstgrenze des Art. 2 § 33 AnVNG von dem Anpassungsbetrag nicht überschritten werden dürfe.
Der Versicherte legte fristgemäß und formgerecht Revision ein; er beantragte (sinngemäß),
unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 1961 eine dem jeweiligen RAG entsprechende Rente ohne Rücksicht auf die jeweils geltende Höchstgrenze des Art. 2 § 33 AnVNG zu gewähren.
Er rügte die Verletzung des § 77 SGG. Er vertrat die Ansicht, der Beklagten sei es wegen der Bindungswirkung des Bescheides vom 2. April 1958 verwehrt, den darin festgestellten und nach dem 1. und 2. RAG erhöhten Rentenzahlbetrag - auch wenn er fehlerhaft sei - von der Anpassung nach dem 3. RAG und den folgenden Rentenanpassungsgesetzen solange auszuschließen, bis er durch den Höchstbetrag in einem der späteren Rentenanpassungsgesetze überschritten werde.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Sie erließ im Laufe des Revisionsverfahrens den Bescheid vom 7. April 1966, mit dem sie das vom Versicherten angefochtene Urteil des LSG ausführte und den Bescheid vom 7. Januar 1963 aufhob.
Die Klägerin nahm nach dem Tode des Versicherten mit Schriftsatz vom 13. Mai 1968 das Verfahren auf.
Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 165 SGG).
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin des Versicherten zur Aufnahme des Revisionsverfahrens befugt, weil sie mit ihm zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat (§ 68 SGG; § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; § 65 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -).
Die noch anhängige Klage ist allerdings als Leistungsklage nur für die Zeiten zulässig, für die eine Rentenanpassung zur Zeit der Verkündung des Berufungsurteils bereits gesetzlich geregelt gewesen ist. Für eine weitergehende Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil nicht bekannt gewesen ist, wie die Renten künftig angepaßt werden würden (vgl. dazu Urteil des 11. Senats vom 14. März 1968 - 11 RA 246/66 - unveröffentlicht). Da bei Erlaß des angefochtenen Urteils (14. Dezember 1965) das 8. RAG vom 22. Dezember 1965 (BGBl I 2114) noch nicht verkündet und in Kraft getreten war, ist die Rentenerhöhungsklage nur für die Jahre 1961 bis 1965 (nach dem 3. bis 7. RAG) zulässig. Einen hierauf begrenzten Antrag hat der Versicherte im Berufungsverfahren auch gestellt. Die (sinngemäße) Erweiterung des Klageantrages im Revisionsverfahren auf eine höhere Rente auch für die Jahre 1966 und 1967 (nach dem 8. und 9. RAG) ist unzulässig (§ 168 SGG).
Die Beklagte hat das Urteil des LSG nicht angefochten. Im Revisionsverfahren ist daher nur zu prüfen, ob dem Versicherten für die Zeit vom 1. Januar 1961 an höhere Rentenansprüche zustehen als die, die ihm das LSG zugebilligt hat. Nach dem Urteil des LSG erhält der Versicherte von der Beklagten - wie sich aus ihrem Bescheid vom 7. April 1966 ergibt - für die Zeit ab 1. Januar 1961 bis zum 31. Dezember 1963 (d.h. für die Geltungsdauer des 3., 4. und 5. RAG) eine Rente von 612,90 DM monatlich, für das Jahr 1964 (Geltungsdauer des 6. RAG) von 630,- DM monatlich; für das Jahr 1965 (Geltungsdauer des 7. RAG) steht ihm nach dem Urteil des LSG der Betrag von 693,- DM monatlich zu. Die Rentenbeträge für die Jahre 1961 bis 1963 sind höher als die Höchstbeträge, die bei den Rentenanpassungen nach dem 3. bis 5. RAG für Umstellungsrenten bei einer Versicherungsdauer von 42 Jahren jeweils haben gewährt werden dürfen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 des 3. RAG, § 3 Abs. 2 des 4. und 5. RAG). Die dem Versicherten für die Jahre 1964 und 1965 zuerkannten Renten entsprechen den jeweiligen Höchstbeträgen (§ 3 Abs. 2 des 6. und 7. RAG). Darüber hinaus kann die Klägerin für die Zeiten vom 1. Januar 1961 an eine weitere Rentenerhöhung nicht beanspruchen.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden hat (vgl. insbesondere das Urteil vom 6. Dezember 1963, SozR Nr. 4 zu Art. 2 § 38 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG - mit weiteren Hinweisen), darf eine umgestellte Rente - wie die des Versicherten -, die auf die Höchstgrenze des Art. 2 § 33 AnVNG festzusetzen gewesen ist, zur Umwandlung in das Altersruhegeld nach Art. 2 § 37 Abs. 3 Satz 1 AnVNG nicht auf 15/13 ihres bisherigen monatlichen Zahlbetrages erhöht werden; auch für sie gelten die in Art. 2 § 33 AnVNG bestimmten Höchstgrenzen, die für die Jahre 1957 und 1958 nach der für das Jahr 1957 festgesetzten Beitragsbemessungsgrenze und der Versicherungsdauer festgesetzt und in den Rentenanpassungsgesetzen - vom 2. RAG an - jeweils erhöht worden sind.
Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 2. April 1958 die für den Versicherten maßgebende Höchstgrenze zwar nicht beachtet; sie hat die Rente unter Überschreitung der Höchstgrenze nach Art. 2 § 33 AnVNG von 472,50 DM für das Jahr 1958 um 2/13 auf 545,20 DM erhöht; in dem angefochtenen Bescheid vom 7. Januar 1963 hat sie ihm aber für die Jahre 1959 bis 1961 (1. bis 3. RAG) den Betrag von 545,20 DM belassen, obwohl auch für diese Jahre die jeweils maßgebenden Höchstbeträge mit diesem Betrag überschritten worden sind. Für das Jahr 1962 (4. RAG) hat sie die Rente mit dem Höchstbetrag von 567,- DM - also höher als bisher - angepaßt, und für das Jahr 1963 (5. RAG) hat sie die Rente mit dem Höchstbetrag von 598,50 DM gewährt. Darüber hinaus hat sie dem Versicherten während des Verfahrens vor dem LSG für die Geltungsdauer des 1. RAG und teilweise auch für die Geltungsdauer des 2. RAG noch weitere Rentenerhöhungen zugestanden. Gegen die Bindungswirkung des Bescheids vom 2. April 1958 und der auf ihm beruhenden früheren Anpassungen nach dem 1. und 2. RAG hat die Beklagte sonach in dem Bescheid vom 7. Januar 1963 nicht verstoßen. Sie hat aber nicht deshalb, weil sie in dem Bescheid vom 2. April 1958 die Rente zu Unrecht um 2/13 erhöht und die für dieses Jahr maßgebende Höchstgrenze des Art. 2 § 33 AnVNG nicht beachtet hat, diesen Fehler auch bei den Rentenanpassungen nach dem 3. und den folgenden Rentenanpassungsgesetzen wiederholen müssen. Die Bindungswirkung eines Bescheids erstreckt sich nur auf die Entscheidung über den geltend gemachten Rentenanspruch, also auf den Verfügungssatz. Dazu gehört die Feststellung des Anspruchs nach Art, Dauer und Höhe (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21. September 1966, SozR Nr. 53 zu § 77 SGG); nicht dazu gehören die Berechnungsfaktoren der Rente (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 14. März 1968 - 11 RA 246/66 -, ferner die im Ergebnis übereinstimmenden Urteile des 4. Senats des BSG vom 20. April 1961, BSG 14, 154, 159; des 12. Senats vom 21. Dezember 1961 - 12/3 RJ 68/58 -, Mitteilung der Ruhrknappschaft 1962, 229, 230 und das Urteil des 1. Senats vom 1. Februar 1967 - 1 RA 43/64). Zu den Berechnungsfaktoren der Rente gehört im vorliegenden Falle sowohl die - unrichtige - Rentenerhöhung um 2/13 in dem Bescheid vom 2. April 1958 und die - fehlerhafte - Nichtbeachtung der Höchstgrenze des Art. 2 § 33 AnVNG, als auch die Nichtbeachtung der Höchstgrenzen nach dem 1. und 2. RAG. An diese unrichtigen Berechnungsfaktoren ist die Beklagte bei den späteren Rentenanpassungen im vorliegenden Falle nicht gebunden gewesen. Sie hat nur bei der Anpassung nach dem 3. bis 5. RAG in dem Bescheid vom 7. Januar 1963 beachten müssen, daß sie wegen der Bindungswirkung des Bescheids vom 2. April 1958 und der auf ihm beruhenden unrichtigen Anpassungen nach dem 1. und 2. RAG die Rente nicht niedriger feststellen darf als bisher. Dies hat sie getan. Darüber hinaus hat sie - ohne Rechtsgrundlage - in der Verhandlung des LSG am 14. Dezember 1965 für das Jahr 1959 (1 RAG) und bis 31. Juli 1960 (2. RAG) weitere Rentenerhöhungen anerkannt. Das LSG hat sie deshalb - wenn auch fehlerhaft - verurteilt, für die Zeit vom 1. August 1960 bis zum 31. Dezember 1960 (2. RAG) über die von ihr bereits zugestandenen Rentenbeträge hinaus eine Rente zu gewähren, die höher gewesen ist als der Höchstbetrag nach dem 2. RAG, und diesen unrichtigen Zahlbetrag bei den folgenden Rentenanpassungen - jeweils bis zur Erreichung der Höchstgrenzen - zugrunde zu legen. Mit der Beachtung - bzw. sogar Überschreitung - dieser Höchstgrenzen in dem Bescheid vom 7. Januar 1963 hat die Beklagte nicht Berechnungsfaktoren in dem Bescheid vom 2. April 1958 "berichtigt", sondern spätere Rentenanpassungen entsprechend den jeweils maßgebenden Rentenanpassungsgesetzen oder sogar zugunsten des Versicherten teilweise in darüber hinausgehendem Umfang durchgeführt. Die Beklagte, die das Urteil des LSG ausgeführt hat, hat sonach dem Versicherten für die Jahre 1961 bis 1963 nicht eine zu niedrige Rente gewährt. Für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Dezember 1965 steht ihm die Rente mit dem Höchstbetrag nach § 3 Abs. 2 des 6. und 7. RAG zu. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG ist daher unbegründet und zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen