Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Verordnung des Sprechstundenbedarfs. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen
Leitsatz (amtlich)
Der Ausgleich eines Mehraufwands des Arztes beim Sprechstundenbedarf mit einem Minderaufwand bei Einzelverordnungen setzt voraus, daß der ursächliche Zusammenhang im einzelnen Behandlungsfall nachgewiesen ist.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Sprechstundenbedarf weist gegenüber den anderen Verordnungen Besonderheiten auf, die eine auf dieses Gebiet beschränkte Wirtschaftlichkeitsprüfung rechtfertigen. Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen sind nicht beliebig austauschbar, dem Arzt ist es insbesondere nicht erlaubt, unbegrenzt statt Einzelverordnungen mit Sprechstundenbedarf zu arbeiten.
2. Im Antrag des gegen eine Kürzung klagenden Arztes, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, ist hilfsweise das Begehren enthalten, den Beschwerdeausschuß zu verurteilen, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Orientierungssatz
Es ist geboten, bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwischen Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen zu unterscheiden und für die Feststellung des offensichtlichen Mißverhältnisses nur die Fallwerte für den Sprechstundenbedarf zu berücksichtigen.
Normenkette
RVO §§ 368e, 368n Abs. 5; SGG § 54 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 16.03.1983; Aktenzeichen L 11 Ka 46/80) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 19.08.1980; Aktenzeichen S 22 Ka 31/80) |
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Sprechstundenbedarfsregresses.
Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Im Jahr 1977 verordnete er Sprechstundenbedarf zu Lasten der RVO-Kassen bei 3.665 Behandlungsfällen in Höhe von durchschnittlich 13,83 DM pro Fall, während sich im Durchschnitt seiner Fachgruppe ein Betrag von 1,10 DM ergab. Die Arzneikosten für Kassenmitglieder, Familienangehörige und Rentner betrugen beim Kläger in dieser Reihenfolge pro Fall 11,32 DM, 5,76 DM und 27,82 DM, während sie im Fachgruppendurchschnitt 22,62 DM, 9,06 DM und 41,48 DM betrugen. Auf Antrag der Pharmazeutischen Beratungsstelle bei dem Beigeladenen zu 1) sprach der Prüfungsausschuß am 25. Juni 1979 gegen den Kläger einen Sprechstundenbedarfsregreß in Höhe von 8.582,18 DM aus mit der Begründung, die Verordnungsweise des Klägers widerspreche den gültigen Vorschriften. Da sie aber jahrelang nicht beanstandet worden sei, erscheine es nicht angemessen, den Kläger wegen der Nichtbeachtung von Vorschriften mit einem Regreß in voller Höhe zu belasten. Darum werde ihm ausnahmsweise für das Jahr 1977 die Ersparnis auf dem Sektor der Einzelverordnungen zugute gebracht. Der Durchschnitt werde um eine Toleranz erhöht, die den Besonderheiten der Praxis Rechnung trage. Den Widerspruch wies der Beklagte zurück und führte aus, der ausgesprochene Regreß sei aufgrund der bestehenden Verträge unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Praxis durchaus als maßvoll anzusehen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dagegen die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, wenn der Arzt zwar auf dem Gebiet des Sprechstundenbedarfs über dem Fachgruppendurchschnitt liege, bei den Einzelverordnungen jedoch Einsparungen zu verzeichnen habe, die den erhöhten Sprechstundenbedarf ausgleichen, komme ein Regreß nicht in Betracht. Das gelte jedenfalls dann, wenn unstreitig der erhöhte Sprechstundenbedarf darauf zurückzuführen sei, daß der Arzt insoweit keine Einzelverordnungen vorgenommen habe. Dem Kläger seien die Einsparungen auf dem Gebiet der Einzelverordnungen zugute zu halten. Sie beliefen sich gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt auf 33.058,30 DM. Ihnen stünden Mehraufwendungen für Sprechstundenbedarf in Höhe von 46.655,45 DM gegenüber. Nach Abzug der Einsparungen bliebe ein Mehraufwand von 13.597,15 DM; das seien aber nur 11,5 % des Gesamtumfangs der Arzneimittelverordnungen des Klägers. Dieser betrage 102.675,15 DM, zusammengesetzt aus 50.686,95 DM Sprechstundenbedarf und 51.988,18 DM Einzelverordnungen. Die Überhöhung von 11,5 % gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt stelle kein offensichtliches Mißverhältnis dar. Das gelte selbst dann, wenn berücksichtigt werde, daß bei einer verringerten Verordnung von Sprechstundenbedarf zugunsten vermehrter Einzelverordnungen sich die Kostenstatistik des Klägers verschlechtern würde, denn welche Zahlen sich dann ergeben würden, sei völlig offen.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie machen geltend, zu Unrecht habe das LSG die Kausalität zwischen Mehraufwand für Sprechstundenbedarf und Einsparungen bei den Einzelverordnungen als unstreitig angesehen. Das angefochtene Urteil verletze auch den § 368e der Reichsversicherungsordnung (RVO), denn es verkenne den Begriff der Wirtschaftlichkeit. Der generellen Annahme des Kausalzusammenhangs stehe entgegen, daß nicht jedes Mittel ohne weiteres alternativ als Sprechstundenbedarf oder als Einzelverordnung in Betracht komme. Viele Mittel gehörten ausschließlich zum Sprechstundenbedarf, andere kämen nur als Einzelverordnung vor. Außerdem habe das LSG übersehen, daß bei den Einzelverordnungen in aller Regel eine Rezeptblattgebühr anfalle. Das angefochtene Urteil mißachte auch die Finanzhoheit der einzelnen Kassen, denn die Kosten für den Sprechstundenbedarf seien im Gegensatz zu den Kosten der Einzelverordnungen von den beteiligten RVO-Kassen gemeinsam zu tragen.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen, das angefochtene Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. März 1983 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. August 1980 zurückzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladenen zu 3) und 5) schließen sich dem Antrag der Beigeladenen zu 1) und 2) an.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Beigeladenen zu 1) und 2) sind insoweit begründet, als das Urteil des LSG abzuändern ist. Bestand haben kann es nur insoweit, als es den Bescheid des Beklagten aufgehoben hat.
Die Feststellungen des LSG genügen nicht, um die Rechtswidrigkeit des Regreßbescheides des RVO-Prüfungsausschusses vom 15. Juni 1979 anzunehmen. Zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen sind die Prüfungsinstanzen nach den Bestimmungen des § 368n Abs 5 RVO idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (KVWG) vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) und ab 1. Juli 1977 idF des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) iVm § 23 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) aF (abgedruckt bei Heinemann/Liebold Kassenarztrecht 4. Aufl Teil IV) befugt. Diese Prüfung erstreckt sich auf die ausgeführten Leistungen des Arztes und auf seine Verordnungsweise. Dazu gehören auch die Verordnungen von Sprechstundenbedarf; sie unterscheiden sich von den übrigen Verordnungen lediglich dadurch, daß sie sich nicht auf den einzelnen Behandlungsfall eines Versicherten beziehen, sondern allgemein auf die Leistungsberechtigten der RVO-Kassen. Im einzelnen richtet sich der Regreß wegen Unwirtschaftlichkeit der Verordnungsweise nach den von der Rechtsprechung in erster Linie für die Prüfung der Behandlungsweise entwickelten Grundsätzen (BSGE 46, 136 = SozR 2200 § 368n RVO Nr 14). Danach braucht die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Tätigkeit nicht anhand einzelner Behandlungs- oder Verordnungsfälle geprüft zu werden, wenn die Behandlungs- oder Verordnungskosten des Kassenarztes in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten seiner Fachgruppe stehen und Besonderheiten der Praxis des Arztes seinen Mehraufwand nicht rechtfertigen und dieser Mehraufwand auch nicht durch einen Minderaufwand ausgeglichen wird (BSG 22. Mai 1984 - 6 RKa 21/82 - KVRS-A 6100/11, zur Veröffentlichung in SozR bestimmt).
Das LSG hat den angefochtenen Regreßbescheid des RVO-Prüfungsausschusses aufgehoben, weil es auf dem Gebiet der Arzneimittelverordnungen an dem offensichtlichen Mißverhältnis zwischen dem Falldurchschnitt des Klägers und dem Fachgruppendurchschnitt fehle. Dem kann der Senat nicht folgen. Vielmehr ist das Urteil der Vorinstanz aufzuheben, weil sich entgegen der Annahme des LSG aus seinen Feststellungen das nach der Rechtsprechung erforderliche offensichtliche Mißverhältnis ergibt und andererseits Feststellungen fehlen, die zur Aufhebung des Regreßbescheides des RVO-Prüfungsausschusses aus anderen Gründen führen müßten.
Der durchschnittliche Fallwert des Klägers auf dem Gebiet des Sprechstundenbedarfes liegt nach den Feststellungen des LSG bei 13,83 DM; den Fallkostendurchschnitt der Gruppe mit 1,10 DM überschreitet er um mehr als 1.000 %. Die angefochtenen Bescheide sind deshalb zutreffend vom Anschein der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers ausgegangen.
Es ist dagegen im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, die Fallwerte des Sprechstundenbedarfs mit denjenigen für Einzelverordnungen (ohne Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen Mehr- und Minderaufwand) zusammenzurechnen. Bei der Prüfung der Verordnungsweise erscheint es vielmehr notwendig, besondere Fallwerte für Sprechstundenbedarf und für andere Verordnungen zu ermitteln und den Vergleich mit der Verordnungsweise der Fachgruppe für die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit auf die Sparte Sprechstundenbedarf zu beschränken. Der Sprechstundenbedarf weist gegenüber den anderen Verordnungen Besonderheiten auf, die eine auf dieses Gebiet beschränkte Wirtschaftlichkeitsprüfung rechtfertigen. Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen sind nicht beliebig austauschbar, dem Arzt ist es insbesondere nicht erlaubt, unbegrenzt statt Einzelverordnungen mit Sprechstundenbedarf zu arbeiten. In der Regel sind Arzneien und Heilmittel auf den von den Krankenkassen zu liefernden Vordrucken zu verordnen (§ 18 BMV-Ä aF) und beim Nichtvorliegen der Behandlungsausweise auf Privatrezept (§ 8 Abs 4 BMV-Ä aF). Dem liegt auch die Forderung zugrunde, daß Arzneien und Heilmittel dem einzelnen Patienten verordnet werden, so daß der Vordruck als Nachweis für die Berechtigung zum Bezug des Mittels und als Grundlage für die Abrechnung mit der Kasse dient. Der Sprechstundenbedarf, der nicht dem einzelnen Patienten verordnet wird, stellt die Ausnahme von dieser Regel dar. Außerdem gehört es nicht zu den Tätigkeiten des Kassenarztes, in großem Umfang etwa Arzneien nicht nur zu verordnen, sondern auch zu liefern, so daß schon deshalb die Ausweitung des Sprechstundenbedarfs begrenzt ist. Zu beachten ist ferner, daß der Versicherte bei den Einzelverordnungen gemäß § 182a RVO idF durch § 21 Nr 6 des Gesetzes über die Ausgleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) zwanzig vom Hundert der Kosten, höchstens jedoch 2,50 DM je Verordnungsblatt und nach § 182a RVO idF durch Art 1 § 1 Nr 1 des KVKG ab 1. Juli 1977 für jedes verordnete Mittel 1,-- DM an die abgebende Stelle zu zahlen hatte. Dieser Umstand ist für die Wirtschaftlichkeitsprüfung erheblich, denn bei dieser Prüfung geht es um das Verhältnis des Ergebnisses der Behandlung zu den dafür aufzuwendenden Kosten - hier also dem Preis für das Mittel abzüglich der Gebühr. Beim Sprechstundenbedarf fällt der Kostenbeitrag des Versicherten dagegen nicht an. Aus allen diesen Gründen ist es geboten, bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwischen Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen zu unterscheiden und für die Feststellung des offensichtlichen Mißverhältnisses nur die Fallwerte für den Sprechstundenbedarf zu berücksichtigen. Wie dargelegt, ergibt sich bei diesem Vergleich im Fall des Klägers der Anschein der Unwirtschaftlichkeit.
Die Rechtswidrigkeit des vom LSG aufgehobenen Regreßbescheides des RVO-Prüfungsausschusses folgt auch nicht aus anderen Gründen. Praxisbesonderheiten hat das LSG nicht festgestellt. Einsparungen bei den Einzelverordnungen sind dem Kläger bereits durch die angefochtenen Bescheide gutgebracht worden. Aus den Feststellungen des LSG ergeben sich keine darüber hinausgehenden Einsparungen, die zur Aufhebung des Bescheides führen müßten. Der nach Abzug der Einsparungen verbleibende Mehraufwand des Klägers beim Sprechstundenbedarf liegt nach den Feststellungen des LSG auch nicht etwa im Bereich der normalen Streuung, so daß deshalb jeder Regreß ausgeschlossen wäre. Das LSG geht allerdings von einer Überschreitung um nur 11,5 % aus. Den Feststellungen des LSG kann aber nicht entnommen werden, ob sich diese 11,5 % auf den "Fachgruppendurchschnitt" oder auf den "gesamten Umfang der Arzneimittelverordnungen des Klägers" beziehen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl das Urteil vom 22. Mai 1984 aaO) kommt es auf den Fallkostendurchschnitt an, dh auf einen Wert, der die Fallzahlen des Arztes und der Fachgruppe berücksichtigt. Das LSG ist selbst hinsichtlich des Sprechstundenbedarfs von diesen Werten ausgegangen, hat aber die Fallzahlen der Fachgruppe nicht festgestellt. Ferner kann der Senat dem Urteil nicht entnehmen, ob der als maßgebend angesehene "Gesamtumfang der Arzneimittelverordnungen" die Verbände und Heilmittel iS des § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO einschließt, was bei einem Vergleich mit dem Sprechstundenbedarf erforderlich wäre.
Den Bescheid des Beklagten hat das LSG im Ergebnis zu Recht aufgehoben. In der Begründung kann der Senat indessen dem LSG nicht folgen. Der Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig, weil er den besonderen Anforderungen an einen Regreßbescheid nicht entspricht. Da der Beklagte die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen als zweite Verwaltungsinstanz zu überwachen hat, ist die isolierte Aufhebung seines Bescheides zulässig. Den Prüfungsinstanzen steht, wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 22. Mai 1984 aaO mwN), bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein gerichtlich nicht voll nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Der Senat hat damit nicht ausgesprochen, daß die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von den Gerichten in allen Punkten und stets nur eingeschränkt nachgeprüft werden könnte. Im vorliegenden Fall beruht aber die abschließende Feststellung des Beklagten, daß der ausgesprochene Regreß "unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Praxis" maßvoll sei, auf der Ausfüllung eines Beurteilungsspielraums, die sich einer vollen Nachprüfung durch die Gerichte entzieht.
Im Bereich eines derartigen Beurteilungsspielraums ist die Kontrolle der Gerichte auf die Fragen beschränkt, ob die Verwaltung gegen übergeordnete Verfassungs- oder Verwaltungsgrundsätze, gegen zwingende Verfahrensregeln oder Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat, keine wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt und nicht von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtion so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (Urteil des Senats vom 22. Mai 1984 aaO mwN).
Der Beklagte hat mit der Feststellung, der Regreß sei unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Praxis maßvoll, keine nachvollziehbare Begründung gegeben. Dabei bleibt nämlich offen, ob es sich um Praxisbesonderheiten im Sinn der Rechtsprechung des Senats handelt und um welche, sowie inwieweit etwaige Praxisbesonderheiten den Mehraufwand gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt (nach Abzug des Minderaufwands im Bereich der Einzelverordnungen) rechtfertigen und welcher nicht gerechtfertigte Aufwand gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt verbleibt. Diesen Mehraufwand können allerdings auch die fachkundigen Prüfungsinstanzen in der Regel nur ungefähr beziffern. Deshalb müssen alle Entscheidungen der Prüfungsinstanzen, die sich im Rahmen der ungefähren Richtigkeit halten, als rechtmäßig angesehen werden (BSG 23. Mai 1984 - 6 RKa 17/82 und 1/83 -). Als Ergebnis der demgemäß zulässigen Schätzung des Mehraufwandes (BSGE 11, 102, 114 ff; 46, 136, 138) ist dieser im Regreßbescheid jedenfalls in der Weise kenntlich zu machen, daß nachvollziehbar ist, von welchem Betrag die Prüfungsinstanzen bei der anschließenden in ihrem Ermessen stehenden Festsetzung des Regresses ausgegangen sind (Urteil des Senats vom 22. Mai 1984 aaO).
Der Beklagte ist auf die Berufung des Klägers zu verurteilen, über dessen Widerspruch erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Antrag des Klägers auf Aufhebung des Urteils des SG und der angefochtenen Bescheide ist dieses Begehren hilfsweise enthalten.
Der Senat geht bei der im folgenden darzustellenden Rechtsauffassung des Gerichts davon aus, daß die vom Kläger verordneten Mittel ihrer Art nach unter die Sprechstundenbedarfsvereinbarung fallen und diese Verordnung insoweit zulässig war. Dagegen sind keine Einwände erhoben worden, so daß nicht zu entscheiden ist, ob die Beklagte darüber zu befinden hätte.
Der Beklagte wird bei der neuen Entscheidung folgendes zu beachten haben: Es ist seine Pflicht, von Amts wegen aufzuklären, ob und inwiefern die Praxis des Klägers insbesondere nach den zu behandelnden Krankheiten Besonderheiten gegenüber dem Durchschnitt der Fachkollegen aufweist, die einen größeren Umfang des Sprechstundenbedarfs rechtfertigen. Dabei ist zu klären, welche "besondere Situation der Praxis" der Beklagte bei der Begründung des angefochtenen Bescheides im Auge hatte und ob es sich dabei um eine Praxisbesonderheit gehandelt hat. Auch anderen für den Beklagten offenkundigen Praxisbesonderheiten ist nachzugehen. Der Kläger hat behauptet, er sei Durchgangsarzt und unterhalte einen Meßplatz für Blutumlaufstörungen der Beine. Es ist zu klären, ob und inwiefern dies zutrifft und sich auf den Sprechstundenbedarf auswirkt. Auf die Mitwirkungspflicht des Klägers und auf seine Darlegungslast (s dazu das Urteil des Senats vom 22. Mai 1984 aaO) wird hingewiesen.
Der Prüfungsausschuß hat dem Kläger die Ersparnis bei den Einzelverordnungen zugute gebracht. An diese Vorentscheidung ist der Beklagte nicht gebunden, wohl aber an die Beschränkung des Erstattungsbetrages auf 8.582,18 DM (vgl BSGE 53, 284, 286ff = SozR 5550 § 15 Nr 1). Nach den Regeln über die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist bei gegebenem offensichtlichen Mißverhältnis der Fallwerte des Arztes zu denjenigen der Fachgruppe unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten und ihrer Auswirkungen auf die Fallkosten zu entscheiden, ob der Regreß aufzuheben oder niedriger als 8.582,18 DM anzusetzen ist. Der Beklagte hat dafür weiter zu prüfen, ob und inwieweit der Mehraufwand durch einen Minderaufwand in einem anderen Bereich ausgeglichen wird. Dies setzt voraus, daß solche Einsparungen festgestellt werden können und daß zwischen Einsparungen und Mehraufwand ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Im Verhältnis zwischen Sprechstundenbedarf und Einzelverordnungen können diese Voraussetzungen vorliegen. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird ermittelt, ob die Behandlungs- und Verordnungsweise des Arztes dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 368e RVO entspricht. Die Forderung einer wirtschaftlichen Behandlungs- und Verordnungsweise schließt ein, daß die Maßnahmen des Arztes für die Erzielung des Heilerfolges notwendig, daß sie zweckmäßig und ausreichend sind (BSGE 17, 79, 84; 19, 123, 126). Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung geht es daher, auch wenn von Durchschnittswerten ausgegangen wird, um das Verhältnis von Heilerfolg und Maßnahmen des Arztes im Einzelfall; es ist das Verhältnis der durch die Maßnahme verursachten Kosten zum Erfolg und zu der dafür erforderlichen Zeit zu beurteilen (Krauskopf/Schroeder-Printzen Soziale Krankenversicherung § 368e RVO Anm 2.3). Dabei kann es erforderlich sein, kostensparende Auswirkungen der Behandlungs- und Verordnungsweise des Arztes in Leistungsbereichen außerhalb seiner Praxis mit zu berücksichtigen (Urteil des Senats vom 22. Mai 1984 aaO). Ein Ausgleich von Mehraufwand beim Sprechstundenbedarf und Einsparungen in einem anderen Verordnungsbereich ist daher nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Kosten des Sprechstundenbedarfs nach der besonderen Abrechnungsweise nicht entsprechend dem Verbrauch für den einzelnen Patienten von dessen Kasse getragen werden.
Für den Ausgleich eines Mehraufwands beim Sprechstundenbedarf durch einen Minderaufwand bei Einzelverordnungen ist zu beachten, daß der Versicherte - wie dargestellt - für die Abnahme von Arznei- und Verbandmitteln eine Gebühr zu zahlen hatte. Die Ermittlung der dem überhöhten Sprechstundenbedarf gegenüberzustellenden Einsparungen würde deshalb die Feststellung voraussetzen, wie viele Mittel der Arzt bei Reduzierung des Sprechstundenbedarfs einzeln verordnet hätte. Dazu sind Ermittlungen anhand des konkreten Einzelfalles notwendig. Für die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- oder Verordnungsweise sind entscheidend, ob Mehr- oder Minderaufwand in ursächlichem Zusammenhang stehen. Der Nachweis dieses Zusammenhanges zwischen Sprechstundenbedarf und ersparten Einzelverordnungen im einzelnen Fall wird dadurch zusätzlich erschwert und dürfte in aller Regel nicht möglich sein. Das Fehlen des Nachweises würde zu Lasten des Klägers gehen. Überdies kommt ein Ausgleich zwischen Mehraufwand beim Sprechstundenbedarf und Minderaufwand bei Einzelverordnungen nicht in Betracht, soweit der Kläger Mittel, die er als Sprechstundenbedarf verordnet hat, einzeln nicht hätte verordnen dürfen. Der Ausgleich eines Mehraufwands beim Sprechstundenbedarf mit einem Minderaufwand bei Einzelverordnungen setzt voraus, daß in jedem Einzelfall die Mittel ihrer Art nach unter die Sprechstundenvereinbarung fallen (sonst sind sie überhaupt nicht erstattungsfähig) und auch einzeln verordnet werden könnten. Allerdings ist bisher nicht vorgetragen, welche vom Kläger als Sprechstundenbedarf verordneten Mittel er einzeln nicht hätte verordnen dürfen. Wenn nach alledem der Anschein der Unwirtschaftlichkeit bestehen bleibt, hat der Beklagte abschließend den Regreßbetrag festzusetzen (nicht höher als 8.582,18 DM).
Die Revisionen haben aus allen diesen Gründen nur teilweise Erfolg. Da der maßgebende Bescheid des Beklagten aufzuheben ist, sind dem Beklagten gemäß § 193 des Sozialgerichtsgesetzes die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Fundstellen