Leitsatz (amtlich)

Hat die Versorgungsbehörde mit einem auf KOV-VfG § 40 Abs 1 festgesetzten Bescheid zum Ausdruck gebracht, daß sie das besondere berufliche Betroffensein des Beschädigten iS des BVG § 30 Abs 2 in vollem Umfang für Vergangenheit und Zukunft mit der gleichen erhöhten Minderung der Erwerbsfähigkeit bewerten wolle (Ermessensentscheidung), dann ist die Frage, inwieweit der Beschädigte tatsächlich beruflich besonders betroffen ist, sachlich- rechtlich zu entscheiden. Das Gericht ist insoweit berechtigt, die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit unbeschränkt nachzuprüfen.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; BVG § 30 Abs. 2 Fassung: 1964-02-21; KOVVfG § 40 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 1969 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Der am 12. Mai 1914 geborene Kläger hatte vordienstlich als Schlepper im Schichtlohn, dann als Gedingeschlepper und zuletzt als Lehrhauer im Bergbau gearbeitet. Während des Wehrdienstes hat er eine Verletzung des rechten Oberarms erlitten. Nachdienstlich war der Kläger zunächst als Rangierer und dann als Bahnreiniger beschäftigt. Er bezieht Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit und ist seit 1. März 1952 als Maschinist und Bremser tariflich eingestuft. Die dem Kläger wegen der Armverletzung ("ausgedehnte Narbe am rechten Oberarm mit Lähmung des Ellen- und Mittelnerven nach Schußverletzung") ursprünglich nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährte Rente ist mit Bescheid vom 14. August 1957 wegen wesentlicher Besserung der Schädigungsfolgen auf eine solche nach einer MdE um 30 v. H. herabgesetzt worden. In diesem Bescheid ist außerdem festgestellt worden, daß der Kläger seinen Beruf als Lehrhauer wegen der anerkannten Schädigungsfolgen zwar nicht mehr ausüben könne, ein sozialer Abstieg liege aber nicht vor, deshalb sei die MdE mit 30 v. H. auch unter Berücksichtigung des Berufs richtig bewertet. In der Folgezeit sind Verschlimmerungsanträge des Klägers ohne Erfolg geblieben (vgl. Bescheide vom 10. September 1958, 28. September 1964 und 25. Oktober 1966). Auf den Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich vom 29. April 1966 hat der Beklagte dem Kläger wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit mit Zugunstenbescheid vom 25. November 1966 rückwirkend ab 1. Januar 1962 Rente nach einer MdE um 40 v. H. gewährt, aber einen Berufsschadensausgleich mangels Schwerbeschädigteneigenschaft abgelehnt. Der Widerspruch, mit dem der Kläger Rente nach einer MdE um 50 v. H. und Berufsschadensausgleich begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1967). Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 25. November 1966 in Gestalt des Widerspruchsbescheides antragsgemäß aufgehoben. Es hat ausgeführt, die Erhöhung der MdE um (nur) 10 v. H. wegen besonderer beruflicher Betroffenheit berücksichtige den monatlichen Minderverdienst des Klägers von 300,- DM nicht ausreichend und sei daher ermessensfehlerhaft. Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen durch den Beklagten eingelegte Berufung mit Urteil vom 11. März 1969 zurückgewiesen und den Beklagten auf die Anschlußberufung des Klägers unter Abänderung des SG-Urteils und des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1962 Rente nach einer MdE um 50 v. H. zu gewähren. Im einzelnen hat es ausgeführt, mit der unselbständigen Anschlußberufung habe der Kläger zwar seinen Sachantrag geändert. Eine Klageänderung stelle dies jedoch nicht dar, weil ohne Änderung des Klagegrundes das eigentliche Begehren des Klägers, das auf die Erhöhung der ihm gewährten Grundrente nach einer MdE um 50 v. H. gerichtet gewesen sei, entsprechend der tatsächlichen Sach- und Rechtslage lediglich in der Hauptsache erweitert worden sei (§§ 153, 99 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Der Kläger habe dieses Verlangen durch eine mit einer Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG verfolgen können, weil dieses auf eine Leistung gerichtet gewesen sei, auf die er einen Rechtsanspruch habe. Die Versorgungsverwaltung sei nicht mehr befugt gewesen, über den Streitgegenstand nach ihrem Ermessen zu entscheiden. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt sei eingeräumt worden, daß mit dem Bescheid vom 14. August 1957 die Beschädigtenrente unrichtig festgestellt worden sei, weil die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers nicht berücksichtigt worden sei. Da dieser den von der Versorgungsverwaltung festgelegten Beginn der aus diesem Grunde erhöhten Grundrente nicht angefochten habe, habe Gegenstand der Klage keine Verwaltungsentscheidung mehr sein können, bei der der Versorgungsverwaltung ein Wahlverhalten noch gesetzlich möglich gewesen wäre. Die Grenzen der ihr in § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) eingeräumten Ermächtigung, als unrichtig erkannte Bescheide zugunsten von Kriegsbeschädigten nach pflichtgemäßer Ermessensausübung abändern zu können, endeten nach dem Sinn dieser Vorschrift bei der Entscheidung darüber, ob die Versorgungsverwaltung wegen der Unrichtigkeit einer zuvor rechtsverbindlich gewordenen Entscheidung aufgrund neu gewonnener Erkenntnisse hiervon abweichen und für welchen Zeitraum sie gegebenenfalls der als unrichtig erkannten früheren Rentenfeststellung rückwirkend durch eine Erhöhung der Beschädigtenrente Rechnung tragen wolle (BSG, Urteil vom 14. März 1967 in SozR Nr. 10 zu § 40 VerwVG). Wie das SG im Ergebnis zutreffend erkannt habe, sei die von dem Beklagten vorgenommene Erhöhung der Grundrente wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG um 10 v. H. nicht ausreichend gewesen. Die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers im Sinne der infrage stehenden Vorschrift, die eine Erhöhung der Rente um 20 v. H. rechtfertige, ergebe sich aus einer durch die Schädigungsfolgen bedingten Verhinderung, in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf aufzusteigen, und aus der Tatsache, daß er nunmehr nur noch eine einer solchen Tätigkeit gegenüber nicht mehr sozial gleichwertige Arbeit ausüben könne. Fest stehe nach der dem Versorgungsamt erteilten Auskunft der Arbeitgeberin vom 28. Juni 1966, daß sich der Kläger vor der Schädigung in der Ausbildung zum Hauer befunden habe, was im Zusammenhang mit der vorerwähnten Bescheinigung der Zeche Zollverein darauf hindeute, daß er schon vor der im Wehrdienst erlittenen Verwundung zum Vollhauer, also zum Facharbeiter des Bergbaus, angelernt worden sei. Ein solcher beruflicher Werdegang sei auch jetzt noch neben der ordentlichen Lehrausbildung im Bergbau allgemein üblich. Diesen von dem Kläger angestrebten Facharbeiterberuf habe er aber wegen der Folgen der am 28. März 1944 erlittenen Verletzungen an der rechten Hand und am rechten Arm, die im versorgungsärztlichen Gutachten vom 13. März 1946 im Erwerbsleben auch dem Verlust dieser Hand gleichgeachtet worden seien, und die ihn an dem Gebrauch dieser Gliedmaßen auch jetzt noch in erheblichem Umfang hinderten, nicht mehr erreichen können.

Der Kläger könne infolge dieser Schädigung auch eine gegenüber dem von ihm ursprünglich angestrebten Beruf sozial gleichwertige Arbeit nicht mehr ausüben, wie bereits in dem angefochtenen Verwaltungsakt zutreffend festgestellt worden sei. Er sei jetzt als Schichtlöhner unter Tage mit einer Hilfsarbeitertätigkeit befaßt, die in ihrer sozialen Bewertung in Bergmannskreisen weit hinter der eines Vollhauers zurückstehe. Auch die Gewährung einer Sonderleistung der knappschaftlichen Rentenversicherung - in der Form der dem Kläger bewilligten Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit - diene dem Ausgleich des Verlusts an Sozialprestige. Sie hänge davon ab, daß der Kläger eine der von ihm bis zu der Schädigung ausgeübten Gedingetätigkeit gegenüber gleichartige und im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeit von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in knappschaftlich versicherten Betrieben nicht mehr ausüben könne (§ 35 des Reichsknappschaftsgesetzes aF).

Die fehlende soziale Gleichwertigkeit der vom Kläger jetzt ausgeübten Tätigkeit im Bergbau im Verhältnis zu dem von ihm vor der Schädigung angestrebten Beruf eines Bergfacharbeiters drücke sich darüber hinaus auch in dem Minderverdienst aus, der etwa 300,- DM monatlich betrage. Nach der Auskunft seiner Arbeitgeberin vom 28. Juni 1966 habe der Kläger damals bei 22 verfahrenen Schichten einschließlich der tarifvertraglich vorgesehenen Zulagen ein monatliches Bruttoeinkommen von rd. 632,- DM gehabt, während sich der für die Zeche Zollverein errechnete Schachtdurchschnittslohn der Gedingearbeiter für diese Zeit auf etwa 927,- DM monatlich belaufen habe; an dieser Differenz habe sich nach den glaubhaften Angaben des Klägers auch in der nachfolgenden Zeit nichts geändert. Gerade weil der Kläger seit der Aufnahme einer Beschäftigung im Bergbau ausschließlich bei der Zeche Zollverein gearbeitet habe, erscheine es auch angemessen, die Lohnverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer bei der hier strittigen Frage heranzuziehen und danach seinen Minderverdienst zu berechnen.

Der Beklagte rügt mit der zugelassenen Revision verfahrensrechtlich die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), der §§ 54 Abs. 2 Satz 2, 62, 103, 106, 128, 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG und materiell-rechtlich die unrichtige Anwendung der §§ 30 Abs. 2 BVG, 40 Abs. 1 VerwVG. Den angefochtenen, auf § 40 Abs. 1 VerwVG gestützten Bescheid vom 25. November 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 1967 habe das Berufungsgericht nicht beschränkt nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG, sondern auf die in der Berufungsinstanz im Wege der Anschlußberufung geänderten Anfechtungs- und Leistungsklage in vollem Umfang nachgeprüft.

Diesem Verfahren stehe die insoweit übereinstimmende Auffassung aller Kriegsopfersenate des Bundessozialgerichts (BSG) entgegen, derzufolge die Vorschrift des § 40 Abs. 1 VerwVG nicht nur eine Ermessensverpflichtung der Versorgungsverwaltung bei der Entscheidung begründe, ob sie das Versorgungsverhältnis neu regele, sondern auch in welchem Umfang sie im Interesse materieller Gerechtigkeit von bindend gewordenen Entscheidungen abgehen wolle (BSG, Urteil vom 28. April 1965 - 9 RV 470/62 - BVBl 1966, 6). Das Berufungsgericht hätte sich zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf eine Ermessenskontrolle im Rahmen dieser Bestimmung beschränken müssen und hätte darüber hinaus die Klageänderung unter Beachtung des § 106 Abs. 1 SGG nicht für sachdienlich halten dürfen.

Zum anderen hätte es sich auch einer Entscheidung über den Beginn des Zeitraums enthalten müssen, zu dem die günstigere Regelung wirksam werden solle. Denn auch insoweit handele es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21. März 1969 - 9 RV 476/67 -) um eine Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde, die nicht durch das Ermessen des Gerichts ersetzt werden dürfe. Bei verfahrensfehlerfreier Kontrolle des Umfangs der Neuregelung des Versorgungsrechtsverhältnisses in dem angefochtenen Verwaltungsakt, der Rentenerhöhung um 10 v. H. ab 1. Januar 1962, hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß dieser ohne Verkennung des Sachverhalts schlüssig begründet und damit sachlich vertretbar sei. Mangels eines Ermessensfehlers im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG habe der Bescheid somit auch nicht rechtswidrig sein können und habe deshalb nicht aufgehoben werden dürfen, viel weniger noch hätte der Beklagte zu einer höheren Leistung ab 1. Januar 1962 verurteilt werden dürfen.

Dessen ungeachtet entspreche der angefochtene Bescheid entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch hinsichtlich des Umfangs der Rentenerhöhung der materiellen Rechtslage, weil die Erhöhung der MdE von 30 auf 40 v. H. gemäß § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG angemessen, aber auch ausreichend sei.

Soweit das Berufungsgericht der Meinung sei, die Erhöhung der MdE müsse schon wegen der "durch die Schädigungsfolgen bedingten Verhinderung, in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf aufzusteigen" 20 v. H. betragen, ließen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, ob sich diese Ansicht auf § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG oder etwa auf § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG gründe. Wenn das Berufungsgericht in seiner weiteren Begründung feststelle, daß sich der Kläger als Lehrhauer "schon vor der im Wehrdienst erlittenen Verwundung in der Anlernung zum Vollhauer, also zum Facharbeiter des Bergbaus, befunden" habe, zu einem Beruf also, den er wegen der Schädigungsfolgen nicht habe erreichen können, so werde damit lediglich die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende, auf § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG gestützte Ansicht bestätigt, daß der Kläger infolge der Schädigung weder den nachweisbar angestrebten Beruf des Hauers noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben könne. Damit sei aber unter Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht dargetan, inwieweit diese vom Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Überzeugungsbildung eine Erhöhung der Rente nach § 30 Abs. 2 BVG um mehr als 10 v. H. rechtfertige.

Die außerdem angeführte Tatsache, daß der Kläger "nunmehr nur noch eine einer solchen Tätigkeit (als Hauer) gegenüber nicht mehr sozial gleichwertige Arbeit ausüben könne" bestätige ebenfalls, daß der Tatbestand des § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG vorliege, der eine Rentenerhöhung überhaupt versage, wenn trotz der Schädigungsfolgen ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden könne.

Hieraus folge, daß diese beiden Tatbestandsmerkmale, die nach § 30 Abs. 2 Buchst. a BVG kumulativ vorliegen müßten, um überhaupt zu einer Rentenerhöhung wegen besonderen beruflichen Betroffenseins führen zu können, vom Berufungsgericht rechtsirrig offenbar dahin verstanden worden seien, daß beim Vorliegen beider Tatbestandselemente eine Erhöhung der MdE um 20 v. H. gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht habe ferner festgestellt, daß neben der sozialen Ungleichwertigkeit der ausgeübten gegenüber der nachweisbar angestrebten Tätigkeit im Bergbau der Kläger auch eine monatliche Verdiensteinbuße von etwa 300,- DM hinnehmen müsse.

Diese Feststellung habe es auf eine ca. drei Jahre vor Verkündung des angefochtenen Urteils von der Arbeitgeberin des Klägers am 28. Juni 1966 erteilte Auskunft gestützt. Eine der Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG genügende Sachaufklärung sowie eine aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugungsbildung hätten dagegen erfordert, die Einkommenseinbuße des Klägers vom 1. Januar 1962 an bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht festzustellen. Wenn auch die vom Statistischen Bundesamt in zweijährigem Turnus herausgegebenen Monatsverdienst-Tabellen nicht unmittelbar zum Vergleich herangezogen werden könnten, so hätten sie doch einen Anhalt für die mit der Schädigung des Klägers im Beruf verbundenen besonderen wirtschaftlichen Nachteile bieten können. Hätte das Berufungsgericht diese herangezogen, so hätten sich in der Zeit vom 1. April 1962 bis zum 1. April 1966 andere Einkommensdifferenzen als die vom LSG festgestellten ergeben.

Wenn das LSG im übrigen noch auf die Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau verwiesen und die sich offenbar daraus ergebenden Schichtlöhne der Lohngruppe II denjenigen der Gedingearbeiter bei der Rheinelbe Bergbau AG gegenüberstellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, so verstoße dieses Verfahren gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG sowie gegen § 128 Abs. 2 SGG. Die Gründe des angefochtenen Urteils ließen nämlich nicht erkennen, daß das Gericht diese Unterlagen beigezogen und daß es sie zum Gegenstand des Verfahrens in der vorliegenden Sache gemacht habe.

Darüber hinaus habe das Berufungsgericht verkannt, daß für das besondere berufliche Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG nur diejenige Einbuße zu berücksichtigen sei, die über die Beeinträchtigung eines gleichermaßen Beschädigten im allgemeinen Erwerbsleben hinausgehe (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 1969 - 9 RV 788/67 -). Hätte es ohne weiteren Verstoß gegen § 103 SGG entsprechende tatsächliche Feststellungen getroffen, so hätte sich ergeben, daß sich die Einkommensdifferenz noch vermindert hätte.

Unter Beachtung der Grundsätze der Rechtsprechung des BSG zu der Frage der erheblichen wirtschaftlichen Einbuße (BSG, Urteil vom 19. Februar 1969 - 10 RV 561/66 -), derzufolge die Grenze für den Minderverdienst, um ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG überhaupt annehmen zu können, bei 20% des tatsächlich erzielten Einkommens liege, hätte das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangen müssen, daß sowohl nach dem Hundertsatz des Minderverdienstes als auch nach der absoluten Höhe der Differenz die in dem angefochtenen Bescheid bewilligte Rentenerhöhung zwar erforderlich, daß sie aber auch ausreichend sei. Eine außerordentliche Erhöhung der Grundrente, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen habe, sei hiernach nicht gerechtfertigt gewesen.

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des ISG Nordrhein-Westfalen vom 11. März 1969 und des SG Duisburg vom 25. September 1967 zu ändern,

die Klage gegen den Bescheid vom 25. November 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1967 abzuweisen und

die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des SG Duisburg vom 25. September 1967 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält die Begründung der Beklagten für den gerügten Verstoß gegen § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG, daß im Rahmen dieser Vorschrift das Berufungsgericht sich nicht allein auf eine Ermessenskontrolle beschränkt habe, ebensowenig für überzeugend wie die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung des § 106 Abs. 1 SGG, da die eingelegte unselbständige Anschlußberufung mit Änderung des Sachantrages keine Klageänderung gebracht habe. Das klägerische Begehren sei nämlich von Anfang an auf Festsetzung der Gesamt-MdE mit 50 v. H. gerichtet gewesen, was nach den §§ 153, 99 Abs. 3 SGG nur als Erweiterung des eigentlichen Begehrens angesehen werden könne.

Ohne Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG habe das Berufungsgericht aber auch dargelegt, aus welchen rechtlichen Überlegungen sich gemäß § 30 Abs. 2 BVG die Erhöhung des Gesamt-MdE-Grades um - weitere - 10 v. H. rechtfertige.

Für die Annahme der Verletzung des § 103 SGG sei ein begründeter Anlaß nicht gegeben, weil insoweit im Zeitpunkt der Urteilsfällung das Berufungsgericht von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus sich zu einer weiteren Beweiserhebung nicht habe gedrängt fühlen müssen.

Das angefochtene Urteile beruhe auf der Kenntnis des Inhalts der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau, wie sich unschwer aus dem insoweit in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen ergebe. Die Rüge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, der §§ 62, 128 Abs. 2 SGG könne daher nicht durchgreifen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sie ist aber nicht begründet.

Die Rüge der Revision, das LSG hätte die Klageänderung unter Beachtung des § 106 Abs. 1 SGG nicht für sachdienlich halten dürfen, greift nicht durch. Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Übergang von der Anfechtungsklage zur kombinierten Abänderungs- und Leistungsklage nur eine Erweiterung des Sachantrages (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG) zu erblicken ist, wie das LSG angenommen hat, oder ob dies eine Klageänderung darstellt. Denn jedenfalls hat der Beklagte sich auf die von ihm jetzt als Klageänderung angesehene Sachantragsänderung dadurch eingelassen, daß er die Zurückweisung der Anschlußberufung beantragt hat, ohne der Änderung des Klageantrages zu widersprechen. Nach § 99 Abs. 2 SGG enthält eine widerspruchslose Einlassung zur Sache durch schlüssiges Handeln die unwiderlegliche Vermutung der Einwilligung zu einer Klageänderung (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., Anm. 3 zu § 99 SGG, S. I/61-32-). Selbst dann also, wenn es sich hier um eine Klageänderung gehandelt haben sollte, käme es auf die Frage, ob das LSG eine solche für sachdienlich halten durfte, im Hinblick auf die in § 99 Abs. 1 SGG enthaltenen beiden Alternativen nicht mehr an.

Das LSG ist deshalb verpflichtet gewesen, über die mittels Anschlußberufung erhobene kombinierte Klage zu befinden. Dabei hat der erkennende Senat die Frage, ob es, ohne gegen § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu verstoßen, die Berufung des Beklagten zurückweisen und ihn nach § 54 Abs. 4 SGG auch zur Leistung verurteilen durfte, bejaht. Die Versorgungsbehörde hat mit Bescheid vom 25. November 1966 dem Kläger rückwirkend ab 1. Januar 1962 wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit Rente nach einer MdE um 40 v. H. (bisher 30 v. H.) gewährt, Berufsschadensausgleich aber abgelehnt. Dieser Bescheid ist hinsichtlich der Bewilligung einer höheren Rente aus Anlaß des Antrages vom 29. April 1966, Berufsschadensausgleich zu gewähren, von Amts wegen ergangen; denn die Versorgungsbehörde war nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 2. Neuordnungsgesetzes (NOG) - "nach Anwendung des Absatzes 2" - verpflichtet, vor der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich zu prüfen, ob eine Entscheidung über die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG bereits getroffen worden oder noch zu treffen war (vgl. BSG in SozR Nr. 36 zu § 30 BVG). Da in der Regel bereits bei der ersten Anerkennung nach dem BVG über das berufliche Betroffensein mitentschieden worden ist - diese Entscheidung geht in der Bewertung des einheitlich festzusetzenden Grades der MdE auf (BSG 12, 134, 136) - kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die berufliche Betroffenheit früher ausdrücklich anerkannt, abgelehnt oder überhaupt nicht erwähnt worden ist. Maßgebend ist vielmehr, daß nach dem 2. NOG beim Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöhte Grundrente in dem durch die Erhöhung erzielten Mehrbetrag auf den Berufsschadensausgleich angerechnet werden muß (§ 30 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG). Führt die Prüfung zu einem für den Berechtigten günstigeren Ergebnis, dann ist die Versorgungsbehörde verpflichtet, nach § 40 VerwVG zu verfahren oder - wahlweise - eine von der Bindungswirkung früherer Bescheide völlig unabhängige "neue Regelung" zu treffen. Im vorliegenden Fall hatte die Prüfung entgegen der im Bescheid vom 14. August 1957 zunächst von der Versorgungsbehörde vertretenen Ansicht ergeben, daß die MdE des Klägers wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu schätzen ist als diejenige auf dem allgemeine Arbeitsmarkt. Die Versorgungsbehörde hat deshalb in Anwendung ihres pflichtgemäßen Ermessens die MdE erhöht und dem Kläger rückwirkend ab 1. Januar 1962 höhere Rente (nach einer MdE um 40 v. H.) zugestanden. Der ausdrückliche Hinweis in dem Bescheid vom 25. November 1966 auf § 40 VerwVG, die darin angeordnete Rückwirkung und der Umstand, daß der Bescheid im wesentlichen ohne neues Vorbringen des Klägers ergangen ist, sprechen dafür, daß die Verwaltung - mindestens für die Vergangenheit - keine "neue Regelung" ohne Rücksicht auf unanfechtbar gewordene ablehnende Bescheide hat treffen wollen. Eine "Neuregelung" kann nur dann angenommen werden, wenn aus einem Bescheid eindeutig hervorgeht, daß die Prüfung der Versorgungsbehörde nicht nur für die nach § 40 VerwVG erforderliche Vorprüfung, ob an der bestehenden Bindung festgehalten werden soll, vorgenommen worden ist. Im vorliegenden Fall geht die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG auf einen Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich und auf eine gesetzliche Verpflichtung - "nach Anwendung des Absatzes 2" - zurück. Auch kann im Zweifel bei einem Zugunstenbescheid davon ausgegangen werden, daß die Verwaltungsbehörde den Sachverhalt nur für die Vorentscheidung, ob an dem bindenden Bescheid festzuhalten ist, einer pflichtgemäßen Würdigung unterzogen hat (vgl. BSG in BVBl 1963, 87 und BSG 18, 22, 29 f). Danach läßt sich hier nicht feststellen, daß die Versorgungsbehörde mit dem Bescheid vom 25. November 1966 insgesamt eine neue Regelung hat treffen wollen und getroffen hat, die es deshalb ermöglicht hätte, ihn uneingeschränkt im Rechtszuge zu überprüfen.

Dennoch ist der Entscheidung des LSG im Ergebnis zuzustimmen. § 40 Abs. 1 VerwVG begründet zwar nach übereinstimmender Meinung aller Kriegsopfersenate zunächst nur eine Ermessensverpflichtung der Versorgungsverwaltung bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie im Interesse der materiellen Gerechtigkeit von bindend gewordenen Entscheidungen durch Erlaß eines Zugunstenbescheides abgehen will (8. Senat: Urteil vom 14. Dezember 1966 - 8 RV 185/65 -; 9. Senat: BSG 19, 286, 287 = BSG in SozR Nr. 8 zu § 40 VerwVG sowie Urteile vom 26. November 1968 - 9 RV 472/67 - und 21. März 1969 - 9 RV 476/67 -; 10. Senat: BSG 26, 146, 148 ff = BSG in SozR Nr. 10 zu § 40 VerwVG und vom 11. Juni 1968 - 10 RV 906/66 -).

Der Spielraum für ein noch pflichtgemäß ausgeübtes Ermessen ist aber je nach Sachlage unterschiedlich groß und wird wesentlich beeinflußt durch die Schärfe des Konflikts, der zwischen materieller Gerechtigkeit und dem dagegen abzuwägenden Rechtsgut der Rechtssicherheit bei verbindlich gewordenen unrichtigen Entscheidungen entstehen kann (BSG, Urteil vom 21. März 1969 - 9 RV 476/67 - und vom 11. Juni 1968 - 10 RV 906/66 -). Soweit es sich um die Zuerkennung der höheren Rente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins für die Zukunft handelt, verengt sich in aller Regel dieser Ermessensspielraum der Versorgungsbehörde so sehr, daß sie - ohne Ermessensfehlgebrauch - keine Alternative zu mehreren noch rechtmäßigen Entscheidungen mehr hat, sondern verpflichtet ist, für die Zukunft einen im Hinblick auf den Versorgungsanspruch selbst der materiellen Rechtslage entsprechenden neuen Bescheid zu erteilen (BSG 26, 146, 149). In diesem Fall ist jede andere Entscheidung rechtswidrig; die fehlerfreie Ausübung des Ermessens führt zu einem Rechtsanspruch des Berechtigten auf die volle, seiner beruflichen Betroffenheit entsprechende höhere Rente für die Zukunft. Eine Prüfung und Entscheidung der Versorgungsbehörde darüber, ob die Rente auch in einem der tatsächlichen beruflichen Betroffenheit entsprechenden Maße gewährt wird, ist besonders dann unentbehrlich, wenn die Versorgungsbehörde über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG zu entscheiden hat; denn der Berufsschadensausgleich ist "nach Anwendung des Absatzes 2" zu gewähren und der durch die Erhöhung wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erzielte Mehrbetrag auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen (§ 30 Abs. 3 und 5 BVG idF des 2. und 3. NOG).

Bei dem Bescheid vom 25. November 1966 handelt es sich um die Erhöhung des MdE-Grades von 30 auf 40 v. H. nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit, nämlich ab 1. Januar 1962. Die Versorgungsbehörde hat sich mit diesem Bescheid dafür entschieden, daß in dem so abgesteckten zeitlichen Rahmen die MdE für die Vergangenheit nicht niedriger als für die Zukunft bemessen werden soll. Sie ist hierbei davon ausgegangen, daß die Erhöhung der Rente nach einer MdE um 40 v. H. auch der materiellen Rechtslage entspricht; in dem Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1967 wird die Erhöhung der MdE um 10 v. H. als "angemessen und ausreichend" bezeichnet. Noch im Rechtsstreit hat der Beklagte die Auffassung vertreten, daß eine höhere MdE als um 40 v. H. nicht gerechtfertigt sei. Für die Zukunft konnte jedoch die Versorgungsbehörde, ohne die Grenzen ihres Ermessens zu verletzen, den MdE-Grad nicht niedriger festsetzen als es der beruflichen Betroffenheit des Klägers entsprach. Darum war das LSG berechtigt, nicht nur zu prüfen, ob die in dem Bescheid vom 25. November 1966 festgesetzte MdE sich im Rahmen des Verwaltungsermessens hielt, sondern es konnte auch aufgrund eigener Sachprüfung den Beklagten verurteilen, die - allein nicht rechtswidrige - angemessene Rente für die Zukunft zu zahlen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht für die Vergangenheit. Wenn, wie hier, das Versorgungsamt die Entscheidung getroffen hat, daß unter Berücksichtigung des besonderen beruflichen Betroffenseins eine MdE um 40 v. H. für die Zukunft deshalb zugebilligt werden soll, weil sie der materiellen Sachlage entspricht, und daß für die Vergangenheit dasselbe gelten soll, so bedeutet dies, daß die Bemessung der MdE für die Vergangenheit denselben Grundsätzen einer sachlich-rechtlich zutreffenden Berücksichtigung des beruflichen Betroffenseins folgen soll, wie dies für die Zukunft geschehen ist. Die Bemessung der Höhe der MdE ist dann nicht mehr Bestandteil der Ermessensentscheidung, sondern das Ergebnis einer sachlich-rechtlichen Prüfung, die nur dann Bestand haben kann, wenn sie zutreffend ist; denn mit der Entscheidung einer gleichen Behandlung des Anspruchs für Vergangenheit und Zukunft hat sich die Versorgungsbehörde bewußt den Grundsätzen unterstellt, die für eine der Höhe des Anspruchs entsprechende materiell richtige Entscheidung gelten.

Das LSG hat den Ausführungen des SG, wonach die Erhöhung der MdE um 10 v. H. nicht ausreichend sei, im Ergebnis zugestimmt, aber auch aufgrund eigener Prüfung festgestellt, daß der Kläger am beruflichen Aufstieg durch die anerkannten Schädigungsfolgen gehindert gewesen sei, daß er eine sozial gleichwertige Tätigkeit nicht mehr ausüben könne und einen Minderverdienst von monatlich etwa 300,- DM habe. Die Revision meint hierzu, das LSG habe unter Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht dargelegt, inwieweit die der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegte Überzeugungsbildung sachlich die Erhöhung der Rente nach § 30 Abs. 2 BVG um mehr als 10 v. H. rechtfertige. Sie übersieht dabei, daß das LSG das Gesamtergebnis des Verfahrens umfassend gewürdigt und die sich daraus ergebenden Folgerungen dem Urteil zugrunde gelegt hat. Die ergänzende Bezugnahme auf das nach seiner sachlich-rechtlichen Auffassung zutreffende Urteil des SG ändert nichts daran, daß es aufgrund eigener Überlegungen zu demselben Ergebnis gelangt ist. Das LSG hat sich auch, ohne gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) zu verstoßen, die Ermittlungsergebnisse des Beklagten, die dieser dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt hatte, zu eigen machen dürfen. Die Versorgungsbehörde selbst hat nämlich in der Verfügung vom 25. Oktober 1966 gemäß § 30 Abs. 2 BVG die Auskunft der Rheinelbe Bergbau AG Gelsenkirchen vom 28. Juni 1966 über den Verdienstvergleich (zwischen Lehrhauer bzw. Hauer und Bremser) als ausreichende Grundlage für die Annahme einer besonderen beruflichen Betroffenheit angesehen. Wenn sie alsdann rechtlich unzutreffend die Knappschaftsrente dem Bruttoverdienst des Klägers hinzugerechnet und deswegen zu unrichtigen Folgerungen gekommen ist und darüber hinaus im Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1967 erwähnt hat, daß sogar die Grundrente einen gewissen Ausgleich für den Minderverdienst biete, dann kann dem ebensowenig gefolgt werden (vgl. BSG in SozR Nr. 39 zu § 30 BVG und BSG 15, 223) wie der Ansicht der Revision, daß das LSG nicht auf die Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau hätte verweisen dürfen, da es diese Unterlage nicht beigezogen und nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht habe. Das LSG konnte sich insoweit nicht nur auf die von ihm als glaubhaft angesehenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 1969, sondern auch auf das Widerspruchsvorbringen des Klägers vom 20. Dezember 1966 stützen (auch wenn es dies nicht ausdrücklich erwähnt hat), in dem die mit dem Revisionsvorbringen übereinstimmenden, aus den Einkommenstabellen des Statistischen Bundesamtes entnommenen Verdienste genannt sind. Es trifft somit nicht zu, daß das LSG seine Feststellung zum Minderverdienst des Klägers allein auf eine drei Jahre zurückliegende Bestätigung der Arbeitgeberin des Klägers gestützt habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, eine weitere Sachaufklärung durchzuführen. Im übrigen konnte das LSG nach der Erfahrung des täglichen Lebens auch davon ausgehen, daß die Lohnentwicklung im Bergbau, d. h. die Höhe des Effektivlohnes, keine wesentliche proportionale Änderung der Lohndifferenzen zwischen den einzelnen Beschäftigungsgruppen gebracht habe. Damit greift auch die Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG und der §§ 62, 128 Abs. 2 SGG nicht durch. Die Revision hat überdies selbst eingeräumt, daß der Minderverdienst des Klägers zwischen 23% und 25% liege. Das LSG brauchte deshalb, besonders im Hinblick auf den verhältnismäßig niedrigen Lohn des Klägers und die sehr erhebliche Lohndifferenz, im Rahmen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung auch unter Beachtung der im Urteil vom 19. Februar 1969 aufgestellten Grundsätze (BSG 29, 139) nicht zu dem Ergebnis zu kommen, daß der Minderverdienst für eine Erhöhung der MdE um 20 v. H. wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nicht ausreiche. Es konnte vielmehr ohne Verletzung des § 30 Abs. 2 BVG im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung die dem Tatsachengericht übertragene Schätzung der MdE vornehmen, die vom Revisionsgericht nur auf die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen dieser Schätzung als fehlerfreies Ergebnis der Beweiswürdigung nachgeprüft werden kann (BSG 4, 147). Es ist nicht ersichtlich, daß das LSG § 30 Abs. 2 BVG verletzt oder - bei der Schätzung der MdE - diese Grenzen überschritten hat. Insbesondere konnte das LSG davon ausgehen, daß der Einkommensverlust des Klägers auch im Vergleich zu der Verdienstschmälerung ähnlich betroffener Kriegsbeschädigter im allgemeinen Erwerbsleben noch sehr erheblich war und weit über den Durchschnitt hinausging (BSG 30, 21, 23).

Da das LSG nach alledem verfahrensfehlerfrei und materiell-rechtlich zutreffend entschieden hat, war die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669062

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