Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ruhen des Anspruchs auf Leistungen bei Beitragsrückstand nach einem Krankenkassenwechsel. keine Tatbestands- oder Feststellungswirkung des bestandskräftigen Ruhensbescheids der Vorgänger-Krankenkasse. Zurückweisung von Beteiligtenvorbringen als verspätet
Leitsatz (amtlich)
1. Beitragsrückstände eines Mitglieds mindestens in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate bei einer Vorgänger-Krankenkasse berechtigen bei Krankenkassenwechsel die nachfolgende Krankenkasse, das Ruhen des Leistungsanspruchs des Mitglieds festzustellen.
2. Der bestandskräftige Ruhensbescheid der Vorgänger-Krankenkasse entfaltet im Versicherungsverhältnis des Mitglieds zur nachfolgenden Krankenkasse weder Tatbestands- noch Feststellungswirkung.
3. Das Berufungsgericht kann Beteiligtenvorbringen nur dann als verspätet zurückweisen, wenn der Vorsitzende oder der hierzu befugte Berichterstatter dem betroffenen Beteiligten mit unterschriebener Verfügung eine Ausschlussfrist mit Belehrung gesetzt hat und diese hat zustellen lassen.
Normenkette
SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 13, § 16 Abs. 3a S. 1 Fassung: 2009-07-17, S. 2 Fassung: 2009-07-17, §§ 227, 240; KSVG § 16 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, Abs. 2 S. 2 Fassung: 2001-08-17, S. 5 Fassung: 2001-08-17; SGG § 63 Abs. 1 S. 1, § 106a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Mai 2014 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Leistungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der beigeladenen Krankenkasse (KK; im Folgenden einheitlich: Beigeladene) ab 1.1.2008 in der Auffangversicherung versichert (§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB V). Die Beigeladene errechnete die Monatsbeiträge (Bescheid vom 6.5.2008: GKV 115,14 Euro/Monat; vom 1.1. bis 31.3.2008 insgesamt 345,42 Euro; Zahltag: 15. eines Monats für den Vormonat). Sie mahnte rückständige Beiträge, Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 538,18 Euro an und wies darauf hin, der Leistungsanspruch ruhe, wenn für mindestens zwei Monate die fälligen Beiträge nicht entrichtet worden seien. Eine Leistungsgewährung sei dann nicht mehr möglich. Sie bat vergeblich darum, den gesamten Rückstand innerhalb einer Woche zu überweisen (Schreiben vom 19.5.2008) und stellte das Ruhen der Leistungsansprüche ab dem dritten Tag nach Zugang des Bescheides fest (Bescheid vom 3.6.2008, laut Postzustellungsurkunde am 5.6.2008 in den zur Wohnung L.-Str. 124 in W. gehörenden, mit dem Namen des Klägers versehenen Briefkasten eingelegt). Die Beigeladene mahnte den Kläger in der Folge mehrfach. Er wechselte ab 1.11.2011 zur Rechtsvorgängerin der beklagten KK (im Folgenden einheitlich: Beklagte). Sie stellte fest, wegen der Beitragsrückstände bei der Beigeladenen ruhe sein Leistungsanspruch (§ 16 Abs 3a SGB V) ab Zugang des Bescheides, bis der Kläger alle rückständigen Beiträge gezahlt habe oder hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder SGB XII geworden sei (Bescheid vom 11.11.2011; Widerspruchsbescheid vom 17.2.2012).
Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe keine Mitteilung über Beitragsrückstände, keine Mahnung und keine Schreiben seit 2007 erhalten, da er vor deren Zugang aus der L.-Str. 124 in W. verzogen sei. Dies habe auch ein vergleichsweise beendetes Verfahren (SG Freiburg - S 14 KR 4808/11 ER) gezeigt. Im Übrigen rechtfertigten Beitragsrückstände bei der Beigeladenen nicht, dass die Beklagte das Ruhen der Ansprüche feststelle. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.2.2013). Der Kläger hat mit seiner Berufung vorgetragen, er habe einen der Gewerberäume in der L.-Str. 83 in W. bewohnt (entsprechend dem vorgelegten Vertrag ab 1.1.2008 gemietet). Er sei 2009 nach S. verzogen. Er habe sich nicht umgemeldet. Der Zeuge T. F. könne seinen Wegzug aus der L.-Str. 124 bestätigen, da dieser dort vor und nach dem Umzug gewohnt habe. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Die bestandskräftige Feststellung des Ruhens der Leistungsansprüche (§ 16 Abs 3a SGB V) durch die Beigeladene begründe die Voraussetzungen der Ruhensfeststellung der Beklagten. Der Kläger habe die Indizwirkung der Postzustellungsurkunde nicht widerlegt. Der Zeuge sei nicht zu vernehmen (§ 106a Abs 3 SGG). Der Kläger habe ihn erst lange nach Ablauf der gesetzten Frist benannt (Urteil vom 27.5.2014).
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 16 Abs 3a SGB V, des gesetzlichen Richters, des § 106a Abs 3 SGG und sinngemäß des § 137 SGG. Der Ruhensbeschluss einer KK habe nach einem KK-Wechsel keine Folgen. Die ihm beim LSG gesetzte Frist für weiteres Vorbringen habe der Vorsitzende weder unterschrieben noch zustellen lassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Mai 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. Februar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2012 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Mai 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).
Der erkennende Senat kann darüber, ob die beklagte KK rechtmäßig das Ruhen der Leistungsansprüche des Klägers feststellte, mangels ausreichender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Es beruht auf der Verletzung des § 16 Abs 3a S 2 SGB V und der Präklusionsregelung des § 106a SGG. Das LSG hat zwar im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Beklagte das Ruhen der Leistungsansprüche des Klägers auch wegen Beitragsrückständen bei der beigeladenen KK mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate feststellen darf, wenn er sie trotz Mahnung nicht zahlte (dazu 1.). Die Feststellungen des LSG reichen aber nicht aus, um zu entscheiden, ob die Ruhensfeststellung der Beklagten rechtmäßig ist, weil die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Kläger hat zudem die vom LSG hierzu getroffenen Feststellungen mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, während die weiteren prozessualen Rügen unzulässig sind (dazu 2.). Das LSG wird nun die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen haben (dazu 3.).
1. Die Beklagte durfte das Ruhen der Leistungsansprüche des Klägers auch dann feststellen, wenn er Beitragsrückstände nicht bei ihr, sondern nur bei der Beigeladenen mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate hatte, die er trotz Mahnung nicht bezahlte.
a) Nach § 16 Abs 3a SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 15 Nr 01 Buchst a Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009, BGBl I 1990 mWv 23.7.2009) ruht der Anspruch auf Leistungen für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) Versicherte, die mit einem Betrag in Höhe von GKV-Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen, nach näherer Bestimmung des § 16 Abs 2 KSVG (Satz 1). Entsprechendes gilt für Mitglieder nach den Vorschriften des SGB V, die mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen, ausgenommen sind Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25 und 26 SGB V und Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind; das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn Versicherte hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches werden (Satz 2).
§ 16 Abs 2 KSVG (idF durch Art 12 6. SGGÄndG vom 17.8.2001, BGBl I 2144 mWv 2.1.2002) bestimmt: Ist der Versicherte mit einem Betrag in Höhe von GKV-Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn die Künstlersozialkasse (KSK) zu mahnen. Ist der Rückstand zwei Wochen nach Zugang der Mahnung noch höher als der Beitragsanteil für einen Monat, stellt die KSK das Ruhen der Leistungen fest; das Ruhen tritt drei Tage nach Zugang des Bescheides beim Versicherten ein. Voraussetzung ist, dass der Versicherte in der Mahnung nach S 1 auf diese Folge hingewiesen worden ist. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Ruhensbescheid haben keine aufschiebende Wirkung. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen GKV-Beitragsanteile und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile nach Abs 1 (betreffend den Beitragsanteil zur GKV) sowie nach § 16a Abs 1 KSVG (betreffend den Beitragsanteil zur sozialen Pflegeversicherung) gezahlt sind. Die KSK kann bei Vereinbarung von Ratenzahlungen das Ruhen vorzeitig für beendet erklären. Die zuständige KK ist von der Mahnung sowie dem Eintritt und dem Ende des Ruhens zu unterrichten.
b) Die Beklagte ist als KK nach § 16 Abs 3a S 2 SGB V entsprechend § 16 Abs 2 S 2 KSVG ermächtigt, das Ruhen der Leistungen festzustellen, wenn der gesetzlich geregelte Beitragsrückstand trotz Mahnung besteht (vgl Peters in Kasseler Komm, Stand 1.4.2015, § 16 SGB V RdNr 27).
c) Der für eine Ruhensfeststellung erforderliche Beitragsrückstand trotz Mahnung muss sich nicht auf die KK beziehen, der der betroffene Versicherte angehört. Das folgt aus dem aufgezeigten Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem Regelungssystem und dem Zweck der Norm.
aa) Schon der Wortlaut des § 16 Abs 3a S 2 SGB V beschränkt den relevanten Beitragsrückstand nicht auf Beiträge bei der KK, deren Mitglied der betroffene Versicherte ist. Der einbezogene § 16 Abs 2 S 5 KSVG verdeutlicht vielmehr, dass das Ruhen erst endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind.
bb) Auch die Entstehungsgeschichte unterstreicht, dass für die Ruhensfeststellung der Beitragsrückstand trotz Mahnung als solcher genügt, unabhängig vom Beitragsgläubiger. Die Regelung des § 16 Abs 3a S 2 SGB V beruht auf der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (≪14. Ausschuss≫; BT-Drucks 16/4200 S 12 zu Nr 9a zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100). Danach sollte neben der Erhebung von Säumniszuschlägen die Nichtzahlung von Beiträgen weiterhin für den Versicherten im Interesse der Versichertengemeinschaft spürbare Konsequenzen haben. Entsprechend des über § 16 Abs 3a S 1 SGB V in Bezug genommenen § 16 Abs 2 KSVG sollte das Ruhen erst enden, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind (vgl Bericht des 14. Ausschusses, BT-Drucks 16/4249 S 31 Zu Nummer 9 ≪§ 16≫).
cc) Das Regelungssystem spricht ebenfalls dafür, generell Beitragsrückstände des Versicherten für die GKV und nicht nur Rückstände bei seiner KK ausreichen zu lassen. Ähnlich liegt es nämlich bei der Grundregelung für die Künstlersozialversicherung in § 16 Abs 3a S 1 SGB V. Die Versicherten nach dem KSVG schulden ihren Beitragsanteil zur GKV der KSK (vgl § 16 Abs 1 S 1 Halbs 1 KSVG), nicht aber der KK, der sie angehören. Dies ist grundsätzlich die gewählte KK (vgl zur Mitgliedschaft § 173 Abs 1, § 186 Abs 3 und § 190 Abs 5 SGB V). Für die Ruhensfeststellung genügt dementsprechend der Beitragsrückstand bei einem dritten Träger, der KSK. Hierfür ist es ohne Belang, ob der Versicherte nach Entstehen des Beitragsrückstands seine KK wechselt.
dd) Der Regelungszweck der Ruhensfeststellung zielt schließlich darauf ab, dass die Nichtzahlung von Beiträgen für die Versicherten im Interesse der Versichertengemeinschaft spürbare Konsequenzen hat. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn für die Ruhensfeststellung nur Beitragsrückstände bei der KK relevant wären, der das betroffene Mitglied angehört.
2. Wechselt ein nach den Vorschriften des SGB V versichertes Mitglied die KK, ist die neue KK dementsprechend berechtigt, das Ruhen der Leistungsansprüche des Versicherten auch wegen dessen Beitragsrückständen bei der zuvor für ihn zuständigen KK mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate festzustellen, wenn er diese trotz Mahnung nicht zahlte. Es steht nicht fest, dass diese Voraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Ruhensfeststellung der Beklagten erfüllt waren (dazu a). Die weiteren Verfahrensrügen sind unzulässig (dazu b).
a) Der Kläger war nach den unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) seit 1.1.2008 nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V pflichtversichert. Es steht aber weder fest, in welcher Höhe der Kläger deshalb der Beigeladenen Beiträge schuldete, noch dass er seine Beitragsschuld trotz Mahnung nicht bezahlte. Das LSG hat hierzu keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern sich auf die "Tatbestandswirkung" der Ruhensfeststellung der Beigeladenen (Bescheid vom 3.6.2008) gestützt und den Beweisantrag des Klägers auf Einvernahme eines Zeugen als präkludiert zurückgewiesen (§ 106a SGG). Das verletzt den Kläger in seinen Rechten.
aa) Im betroffenen Zeitraum erfolgte die Beitragsbemessung der nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V in der GKV pflichtversicherten Personen, zu denen auch der Kläger gehört, gemäß § 227 SGB V in entsprechender Anwendung des § 240 SGB V (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 21 RdNr 11). Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs 1 S 1 SGB IV). Dennoch ist es zulässig, wenn die aktuell zuständige KK - oder im Rechtsstreit das Gericht - nicht aufgrund eigenständiger eigener Ermittlungen die rechtmäßige Beitragshöhe und -schuld feststellt, sondern hierzu etwa auf bestandskräftige - und seien es auch nur deklaratorische - Bescheide der früher zuständigen KK zur Beitragshöhe zurückgreift, um den Umfang der Beitragsschuld festzustellen, jedenfalls wenn ihre Rechtmäßigkeit nicht angezweifelt ist.
bb) Das LSG hat sich aber nicht auf Beitragsbescheide gestützt, sondern lediglich auf die "Tatbestandswirkung" der Ruhensfeststellung der Beigeladenen. Dieser Ansatz trägt schon deshalb nicht, weil sich eine denkbare Tatbestandswirkung einer Ruhensfeststellung allein auf den Verfügungssatz beschränkt, hier also die Feststellung des Ruhens der Leistungsansprüche des Klägers gegen die Beigeladene. Die Tatbestandswirkung (Drittbindungswirkung) von Verwaltungsakten besagt lediglich, dass Behörden und Gerichte die in einem bindenden Bescheid getroffene Regelung, solange sie Bestand hat, als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben (vgl BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 11 RdNr 16; s auch zB BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 f mwN). Eine in der Sache vom LSG angenommene Feststellungswirkung der Ruhensfeststellung müsste gesetzlich geregelt sein, sieht das Gesetz aber nicht vor. Nur die Feststellungswirkung schließt auch Sachverhaltsmerkmale und rechtliche Wertungen in die "Bindung" mit ein (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 29 S 136).
cc) Aber auch, wenn man den in einer Ruhensfeststellung enthaltenen Begründungselementen Indizcharakter beimessen wollte, käme dies vorliegend nicht in Betracht. Das LSG hat nämlich die Präklusionsregelung des § 106a SGG nicht rechtmäßig angewandt. Die Regelung ist zwar auch im Berufungsverfahren anwendbar (vgl zB Hauck in Hennig, SGG, Stand Juni 2015, § 106a RdNr 3). Der LSG-Senat kann die Befugnis entgegen der Auffassung des Klägers auch auf den Berichterstatter übertragen (vgl ebenda RdNr 6). Ihre Anwendung setzt aber ua voraus, dass die Verfügung mit der Fristsetzung vom Vorsitzenden oder - bei Übertragung - vom Berichterstatter unterschrieben ist (vgl entsprechend zB BVerwG Beschluss vom 5.9.1997 - 1 B 166/97 - Juris RdNr 12 ff mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 106a RdNr 4 mwN) und zugestellt wird (§ 63 Abs 1 S 1 SGG; vgl zB Hauck in Hennig, SGG, Stand Juni 2015, § 106a RdNr 7). Schon daran fehlt es.
b) Die weiteren prozessualen Rügen des Klägers sind unzulässig. Er rügt mit der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts eine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG. Nach diesem Verfahrensgrundrecht haben die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der sich aus dem GVG, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungsplänen und den Besetzungsregelungen ergibt (vgl zB BSG Urteil vom 10.9.1998 - B 7 AL 36/98 R - Juris RdNr 18). Der Kläger bezeichnet hierbei aber nicht iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG alle Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen (vgl BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN; s ferner BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff mwN, insoweit nicht abgedruckt in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Notwendig ist hierfür eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (stRspr, vgl zB BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49; BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - Juris RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Daran fehlt es. Der Kläger setzt sich schon nicht mit den getroffenen Regelungen des Geschäftsverteilungsplans des LSG auseinander. Gleiches gilt im Ergebnis, soweit der Kläger Mängel der ihm zugestellten Ausfertigung rügt. Das Urteil in der dem Revisionsgericht übersandten Gerichtsakte des LSG trägt die Unterschriften der Richter, die Zustellung einer Ausfertigung ist dort verfügt. Ein Mangel der Ausfertigung ist durch Zustellung einer mangelfreien Ausfertigung geheilt.
3. Das LSG wird nunmehr festzustellen haben, dass der Kläger bei Erlass der angegriffenen Ruhensfeststellung der Beklagten mit einem Betrag in Höhe von GKV-Beitragsanteilen für zwei Monate bei der Beigeladenen im Rückstand war und trotz Mahnung nicht zahlte. Hierzu sind die Ermittlungsergebnisse des beim SG Freiburg anhängig gewesenen Verfahrens (S 14 KR 4808/11 ER) und die vorgelegten Vertragsurkunden zu berücksichtigen. Auch die Einvernahme des vom Kläger benannten Zeugen ist notwendig. Das LSG wird zu berücksichtigen haben, dass sich die Beweiskraft der Zustellungsurkunde bei der Ersatzzustellung nicht darauf erstreckt, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift wohnt. Die Erklärung des Zustellers begründet nur ein beweiskräftiges Indiz. Dem Zusteller fehlen die Möglichkeiten, vollständig zu überprüfen, ob es sich tatsächlich bei der Zustelladresse um eine Wohnung im Sinne des Zustellungsrechts handelt (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 3.6.1991 - 2 BvR 511/89 - NJW 1992, 224, 225; Hauck in Zeihe, SGG, Stand 1.4.2015, Anhang 8, § 178 ZPO Anm 4d). Die Indizwirkung der Postzustellungsurkunde zur Anschrift des Adressaten kann schon durch eine substantiierte, plausible und schlüssige Darstellung entkräftet werden (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 5.10.1996 - 2 BvR 2195/95 - NStZ-RR 1997, 70).
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 8734117 |
BSGE 2016, 298 |