Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 1997 aufgehoben und das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. September 1996 geändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auf den Beitragszuschuß des Arbeitgebers verzichten kann.
Der 1955 geborene Kläger ist seit 1980 bei einem privaten Versicherungsunternehmen krankenversichert. Im Oktober 1986 trat er als Angestellter in die Dienste des beklagten Landes. Sein Gehalt lag zunächst über der Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAV-Grenze) des § 165 Abs 1 Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an erhielt er vom Beklagten den Arbeitgeberzuschuß nach § 405 Abs 1 RVO, seit 1989 nach § 257 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Die hierzu erforderlichen Bescheinigungen des privaten Versicherungsunternehmens legte der Kläger jeweils dem Beklagten vor. Danach sah der vertragliche Krankenversicherungsschutz Leistungen vor, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe aus der gesetzlichen Krankenversicherung entsprachen.
Nach dem Arbeitsvertrag gilt für das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Aufgrund des § 40 Abs 1 BAT und des § 1 des Tarifvertrages über die Gewährung von Beihilfen an Angestellte, Lehrlinge und Anlernlinge des beklagten Landes vom 26. Mai 1964 (Gemeinsames Amtsblatt Baden-Württemberg – GABl S 528) erhält der Kläger in Krankheitsfällen Beihilfe in sinngemäßer Anwendung der für die Landesbeamten jeweils geltenden Beihilfevorschriften, soweit er nach § 3 des Tarifvertrages nicht als Pflichtversicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung auf die ihm dort zustehenden Sachleistungen zu verweisen ist. Diese Regelungen sind zwar gekündigt, gelten für den Kläger aber noch weiter. Als dieser im Jahre 1988 mit seinem Gehalt die JAV-Grenze unterschritt, befreite ihn die Allgemeine Ortskrankenkasse gemäß § 173b RVO mit Wirkung vom 1. Januar 1988 von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO.
Nachdem der Kläger im September 1989 geheiratet hatte und im April 1991 sein Sohn M. geboren wurde, versicherte er ab 1. November 1992 sich, seine nunmehr nicht mehr berufstätige Ehefrau und seinen Sohn bei dem privaten Versicherungsunternehmen nur bezüglich des durch die Beihilfe nicht gedeckten Vomhundertsatzes (Kläger 50 vH, Ehefrau 30 vH, Sohn M. 20 vH) sowie sich selbst mit einem Krankengeld von 160 DM täglich. Seinen im September 1994 geborenen Sohn T. versicherte er entsprechend zu 20 vH.
Als der Beklagte im Januar 1993 unter Berufung auf die tarifvertraglichen Beihilfebestimmungen die Beihilfe des Klägers wegen des nach wie vor gezahlten Beitragszuschusses nur nach der Hälfte der geltend gemachten Aufwendungen berechnete, stellte der Kläger am 23. November 1994 den Antrag, „unter Verzicht auf die Zahlung von Zuschüssen gemäß § 257 SGB V zukünftig die Beihilfe zu 100 vH der beihilfefähigen Aufwendungen zu gewähren” und diese Änderung rückwirkend vorzunehmen. Der Beklagte, der dem Kläger im Jahre 1994 bei einem Bruttogehalt von 72.722,42 DM einen Beitragszuschuß von 3.041,52 DM gezahlt hatte, lehnte den Antrag ab. Ein Verzicht auf den Beitragszuschuß sei nicht zulässig, weil er unabdingbar sei.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 26. September 1996 festgestellt, der Kläger sei mit Wirkung von Dezember 1994 nicht mehr iS des § 257 SGB V zuschußberechtigt; für die Zeit vorher hat es die Klage abgewiesen. Der Zuschuß nach § 257 SGB V sei zwar keine Sozialleistung iS des § 11 des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil (SGB I), jedoch wie eine solche zu behandeln mit der Folge, daß § 46 SGB I entsprechend anwendbar sei. Da die Unwirksamkeitsvoraussetzungen des § 46 Abs 2 SGB I hier nicht gegeben seien, habe der Kläger entsprechend § 46 Abs 1 SGB I durch einseitige Erklärung auf den Zuschuß verzichten können. Der im November 1994 erklärte Verzicht wirke jedoch nicht für die Vergangenheit. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten durch Urteil vom 16. Mai 1997 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Kläger berechtigt ist, den Beitragszuschuß nach § 257 Abs 2 SGB V ab 1. Dezember 1994 nicht in Anspruch zu nehmen. Zwar sei § 46 SGB I (Verzicht) nicht entsprechend anwendbar. Der Anspruch nach § 257 SGB V sei aber für den Kläger disponibel. Der Nichtinanspruchnahme des Zuschusses stehe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht entgegen (BSGE 52, 152, 162 = SozR 2200 § 405 Nr 10). Nach ihr könne zugunsten des Beschäftigten von der gesetzlichen Regelung abgewichen werden. Dieses solle hier geschehen. Denn die durch den Beitragszuschuß herbeigeführte Minderung der Beihilfeleistungen wirke sich bei höheren Aufwendungen im Krankheitsfall (etwa ab 15.000 DM jährlich) zu Lasten des Beschäftigten aus und führe zu einer Lücke in dessen Versicherungsschutz.
Der Beklagte hat Revision eingelegt, mit der er eine Verletzung des § 257 SGB V rügt. Mit Sinn und Zweck des Zuschusses sei es nicht vereinbar, auf ihn zu verzichten oder ihn nicht in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn dies aber nach dem Günstigkeitsprinzip zulässig sein sollte, käme ein Verzicht hier nicht in Betracht, weil er nur günstiger für den Kläger sei, wenn seine Aufwendungen eine bestimmte Höhe überschritten. Lägen diese jedoch niedrig, sei der Beitragszuschuß günstiger. Dies zeige, daß eine Beurteilung der Günstigkeitsfrage immer erst nach Bekanntwerden der jeweiligen Aufwendungen im Krankheitsfalle möglich sei. Ließe man den Verzicht zu, läge es in der Hand des Klägers, je nach Kostenanfall auf den Zuschuß zu verzichten oder nicht. Für ein solches Taktieren könne § 257 SGB V keine Grundlage bieten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 16. Mai 1997 aufzuheben, das Urteil des SG vom 26. September 1996 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Der Bezug des Beitragszuschusses führe bei ihm in Verbindung mit den Beihilfevorschriften zu einer Versorgungslücke im Krankheitsfalle. Denn die Regelung, wonach die Inanspruchnahme dieses Zuschusses zur Folge habe, daß sich die prozentuale Beihilfe nur noch auf den um die Leistungen der Krankenversicherten reduzierten Kostenbetrag beziehe, bewirke zwangsläufig, daß er sich und seine Familie im Krankheitsfalle nicht zu 100 vH absichern könne. Nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfe der Bezug von Beitragszuschüssen nicht zur Folge haben, daß der Arbeitnehmer weder durch die Beihilfe noch durch eine private Krankenversicherung in der Lage sei, das Krankheitskostenrisiko vollständig abzusichern.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Kläger kann auf den Beitragszuschuß nach § 257 SGB V nicht verzichten.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der vom Kläger geltend gemachte Verzicht auf den für die Zeit seit dem 1. Dezember 1994 geschuldeten Zuschuß. Zu dem für die frühere Zeit geschuldeten Zuschuß hat das SG rechtskräftig entschieden, daß er von dem im November 1994 ausgesprochenen Verzicht des Klägers ohnehin nicht erfaßt wird.
Den Zuschuß, um dessen Verzichtbarkeit noch gestritten wird, hat der Beklagte nach Abs 2 Nr 1 des § 257 SGB V idF von Art 1 Nr 139 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) zu leisten. Der Kläger ist nämlich seit 1988 von der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichert, von dem er für sich und seine Angehörigen, die im Falle seiner Versicherungspflicht bei ihm familienversichert wären, Vertragsleistungen beanspruchen kann, die der Art nach den Leistungen des SGB V entsprechen. Dem steht nicht entgegen, daß er selbst nur zu 50 vH, seine Ehefrau nur zu 30 vH und seine Söhne nur zu je 20 vH privat krankenversichert sind, so daß im Krankheitsfalle von dem Versicherungsunternehmen höchstens der jeweilige Prozentsatz des Rechnungsbetrages erstattet wird. Daß auch Leistungen aus solchen Teilversicherungen der Art nach denen nach dem SGB V entsprechen, ergibt sich bereits aus dem Wortsinn des § 257 Abs 2 Nr 1 SGB V; denn eine Leistung, die „der Art nach” einer anderen Leistung entspricht, braucht ihr nicht auch „dem Umfang nach” zu entsprechen. Dies wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. Im Bericht des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu § 257 Abs 2 SGB V heißt es: „Zudem wird sichergestellt, daß Aufwendungen für private Krankenversicherungen zuschußfähig sind, soweit diese Leistungen gewähren, die das SGB V vorsieht. Eine Absicherung des gesamten Leistungskatalogs nach dem SGB V ist also nicht erforderlich; dem Beschäftigten bleibt es vielmehr überlassen, welche Leistungen er im einzelnen absichern will” (vgl Ausschußbericht zu Art 1 § 266 des Entwurfs eines Gesundheits-Reformgesetzes, BT-Drucks 11/3480 S 65). Schließlich stimmt dieses Ergebnis mit der Rechtsprechung zu § 173a RVO überein, wonach sich Rentner – und iVm § 315a Abs 1 Satz 2 RVO Rentenantragsteller – von der Versicherungspflicht (§ 165 Abs 1 Nr 3, § 315a Abs 1 Satz 1 RVO) befreien lassen konnten, wenn sie bei einem Versicherungsunternehmen versichert waren und für sich und die Angehörigen, für die ihnen Familienkrankenpflege zustand, Vertragsleistungen erhielten, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprachen. Hierzu hat der Senat bei einer Rentnerin, die wegen der Beihilfeberechtigung ihres Ehemannes sich nur mit einer Kostendeckung von 40 vH privat gegen Krankheit versichert hatte, entschieden, daß die Voraussetzungen für die Befreiung nach § 173a iVm § 315a Abs 1 Satz 2 RVO erfüllt sind, weil hierfür die Leistungen eines Krankenversicherungsunternehmens ausreichten, die ihrer Art nach – nicht auch ihrer Höhe nach – der Krankenhilfe entsprechen (BSG SozR 2200 § 173a Nr 4). Das Versicherungsunternehmen, bei dem der Kläger sich und seine Angehörigen versichert hat, erfüllt auch die seit dem 1. Juli 1994 geltenden Anforderungen des § 257 Abs 2a und 2b SGB V.
Auf den Beitragszuschuß nach § 257 SGB V konnte der Kläger nicht wirksam verzichten. Ein Verzicht auf diesen Zuschuß durch einseitige Erklärung ist unzulässig.
Ein solcher Verzicht kann nicht auf § 46 SGB I gestützt werden. Danach kann auf Ansprüche auf Sozialleistungen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (Abs 1). Er ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden (Abs 2). Die Vorschrift betrifft den einseitigen Verzicht (so die Begründung zu § 46 des Entwurfs eines SGB I, BT-Drucks 7/868 S 30, 31). Die Verzichtserklärung ist mithin eine einseitige, gestaltende und empfangsbedürftige Willenserklärung, die den Anspruch auf die Sozialleistung, nicht aber das ihm zugrundeliegende Stammrecht erlöschen läßt (vgl BSG SozR 3-1200 § 46 Nr 3).
Eine unmittelbare Anwendung des § 46 Abs 1 SGB I auf den Beitragszuschuß des Klägers scheidet aus, weil der Beklagte in seiner hier maßgeblichen Funktion als Arbeitgeber nicht Leistungsträger iS dieser Vorschrift ist. Nach der in § 12 SGB I enthaltenen Begriffsbestimmung sind Leistungsträger die in den §§ 18 bis 29 SGB I aufgeführten Körperschaften, Anstalten und Behörden. Arbeitgeber, auch wenn sie – wie der Beklagte – juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, fallen nicht darunter.
§ 46 Abs 1 SGB I ist hier nicht entsprechend in dem Sinne anzuwenden, daß der Arbeitgeber einem Leistungsträger gleichgestellt wird. Eine hierzu erforderliche, im Wege der Analogie zu schließende planwidrige Gesetzeslücke besteht nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Verzicht auf Sozialleistungen durch einseitige Erklärung bewußt auf solche Leistungen beschränkt, die von den gesetzlich bestimmten Leistungsträgern erbracht werden. Hierfür sprechen folgende Gründe:
Der Beitragszuschuß wird, wenngleich er dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, nicht von einer im Verhältnis zum Versicherten im Über- und Unterordnungsverhältnis stehenden Stelle, sondern vom Arbeitgeber erbracht. Dieser steht bei der Erfüllung seiner durch § 257 SGB V auferlegten Pflichten dem betroffenen Arbeitnehmer gleichrangig gegenüber; insbesondere sind ihm in dieser Funktion keine hoheitlichen Aufgaben etwa als „beliehener Unternehmer” übertragen worden.
Schuldverhältnisse zwischen gleichberechtigten Personen erlöschen grundsätzlich nicht dadurch, daß der Gläubiger dem Schuldner gegenüber eine einseitige Verzichtserklärung abgibt. Vielmehr ist hierzu die Annahme der Verzichtserklärung durch den Schuldner erforderlich. Dies ergibt sich für das Schuldrecht aus § 305 iVm § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), dem die Rechtsprechung entnommen hat, daß einseitige Erklärungen bei Schuldverhältnissen nur ausnahmsweise Geltung haben sollen (vgl RGZ 72, 168, 171; BGH NJW 1987, 3203). Beruht eine Leistungsverpflichtung zwischen zwei nicht im hoheitlichen Verhältnis zueinander stehenden Personen auf gesetzlichen Vorschriften, sind grundsätzlich die §§ 305, 397 BGB auch auf das gesetzlich begründete Schuldverhältnis entsprechend anzuwenden, weil die Interessenlage der an diesem Verhältnis Beteiligten im wesentlichen die gleiche ist wie bei den Parteien des vertraglichen Schuldverhältnisses. Der Schuldner kann ein berechtigtes Interesse daran haben, daß er die geschuldete Leistung – sogar gegen den Willen des Gläubigers – erbringt. Öffentlich-rechtliche Belange stehen dem in der Regel nicht entgegen.
Gegen den einseitigen Verzicht (§ 46 Abs 1 SGB I) auf den Beitragszuschuß spricht schließlich das in § 32 SGB I enthaltene Verbot privatrechtlicher Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des SGB abweichen. Diese Vorschrift ist nach den Gesetzesmaterialien auf § 257 SGB V anwendbar (vgl Begründung zu Art 1 S 266 des Entwurfs eines GRG, BT-Drucks 11/2237 S 228) und muß auf Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Beitragszuschuß jedenfalls entsprechend angewendet werden. Sie würde bei Anwendung des § 46 Abs 1 SGB I weitgehend bedeutungslos. So ist nicht auszuschließen, daß ein Arbeitnehmer zur Erlangung beruflicher Vorteile oder zur Vermeidung beruflicher Nachteile auf den Beitragszuschuß ganz oder teilweise verzichtet. Ein so herbeigeführter Verzicht würde – da er einseitig erklärt wird – nicht einmal sicherstellen, daß die erwarteten Vorteile eintreten oder die befürchteten Nachteile ausbleiben. Dementsprechend könnte ein Widerruf des Verzichts Schwierigkeiten mit sich bringen und aus diesem Grunde unterlassen werden. Würde mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung getroffen, die den gleichen sachlichen Inhalt hätte wie die einseitige Verzichtserklärung, nämlich unter Vorbehalt des Widerrufs für die Zukunft dem Arbeitgeber die Zahlung und Tragung des Beitragszuschusses zu erlassen, wäre diese Vereinbarung nach § 32 SGB I nichtig, weil sie nur Nachteiliges für den Arbeitnehmer regelt (vgl zum früheren § 405 Abs 3 RVO BSGE 52, 152, 162 = SozR 2200 § 405 Nr 10). Dann aber kann es nicht zulässig sein, daß die einseitige Verzichtserklärung das bei einer Vereinbarung Verbotene herbeiführen kann.
Allerdings schließt § 32 SGB I nach seinem Wortlaut nur privatrechtliche Vereinbarungen zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten aus. Öffentlich-rechtliche Verträge (§ 53 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫) werden dagegen in § 32 SGB I nicht genannt. Sie können im Rahmen des § 54 SGB X (Vergleich) oder des § 55 SGB X (Austauschvertrag) abweichend von § 53 Abs 2 SGB X auch über Sozialleistungen getroffen werden (§ 54 Abs 2 und § 55 Abs 3 SGB X). Dies erscheint gerechtfertigt, weil ein Sozialleistungsträger als Partei eines solchen Vertrages öffentlich-rechtlich organisiert, an Recht und Gesetz gebunden ist sowie aufsichtsrechtlicher Kontrolle unterliegt. Von ihm kann erwartet werden, daß sein Verwaltungshandeln unparteiisch und frei von privaten Interessen ist. Dies kann bei Partnern einer privatrechtlichen Vereinbarung im allgemeinen nicht vorausgesetzt werden. Die Gründe, die bei § 32 SGB I dafür sprechen, öffentlich-rechtliche Verträge mit Leistungsträgern anders zu behandeln als private Vereinbarungen, sprechen auch dafür, die Vorschrift des § 46 Abs 1 SGB I auf einseitige Verzichtserklärungen gegenüber Leistungsträgern zu beschränken.
Scheitert ein einseitiger Verzicht auf den Beitragszuschuß nach § 46 Abs 1 SGB I bereits daran, daß der Arbeitgeber nicht als Leistungsträger iS dieser Vorschrift anzusehen ist, kann offenbleiben, ob dieser Zuschuß eine Sozialleistung darstellt.
Eine Vereinbarung über den Verzicht auf den Beitragszuschuß unter gleichzeitiger Zusage einer höheren Beihilfe ist zwischen den Beteiligten nicht getroffen worden. Der Senat brauchte daher nicht zu entscheiden, ob eine derartige Vereinbarung im Hinblick auf § 32 SGB I zulässig wäre. Ferner konnte offenbleiben, ob der Beklagte verpflichtet ist, eine solche Vereinbarung mit dem Kläger zu schließen. Eine solche Verpflichtung des Beklagten ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden. Zwar hat der Kläger am 23. November 1994 beim Beklagten beantragt, „unter Verzicht auf die Zahlung von Zuschüssen gemäß § 257 SGB V zukünftig die Beihilfe zu 100 vH der beihilfefähigen Aufwendungen zu gewähren.” In seinem Klageantrag hat der Kläger jedoch lediglich die Feststellung beantragt, daß er mit Wirkung von November 1992, hilfsweise mit Wirkung von November 1994, nicht mehr zuschußberechtigt iS des § 257 SGB V sei. Nur hierüber haben die Vorinstanzen entschieden. Die Frage, ob der Beklagte unter Verzicht des Klägers auf den Beitragszuschuß verpflichtet ist, ihm die Beihilfe zu 100 vH der beihilfefähigen Aufwendungen zu gewähren, geht über den Klageantrag hinaus und kann auch grundsätzlich nicht von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit entschieden werden.
Schließlich kann ein Recht des Klägers, den Zuschuß nicht in Anspruch zu nehmen, entgegen der Ansicht des LSG nicht daraus abgeleitet werden, daß der Anspruch auf ihn disponibel sei. Diese Annahme stützt das LSG auf Nr 4.5 der Hinweise des Beklagten zur Durchführung der Tarifverträge über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende (Bekanntmachung des Justizministeriums vom 8. April 1991, Die Justiz 1991 S 139 bis 142). Dort wird ausgeführt, daß Arbeitnehmer, die den Beitragszuschuß nach § 257 SGB V nicht in Anspruch nehmen, unvermindert Beihilfe nach Maßgabe der Beihilfevorschriften erhalten sollen. Hieraus folgt jedoch nicht ein Recht des Klägers, den Zuschuß nicht in Anspruch zu nehmen. Denn das Recht, den Zuschuß nicht in Anspruch zu nehmen, kann nur derjenige haben, der entweder von vornherein keinen Anspruch auf den Zuschuß hat oder dessen Anspruch erloschen ist. Wer aber die Voraussetzungen des § 257 SGB V erfüllt, den Anspruch aber gleichwohl bei seinem Arbeitgeber nicht geltend macht und dadurch den Zuschuß nicht ausgezahlt erhält, verliert nicht das Recht, den Zuschuß in Anspruch zu nehmen, und erhält somit auch kein Recht, den Zuschuß nicht in Anspruch zu nehmen. Die Geltendmachung des Zuschusses beim Arbeitgeber ist nämlich weder eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung noch setzt sie ein förmliches Verfahren in Gang; vielmehr ist der Arbeitgeber allein aufgrund seiner gesetzlichen Indienstnahme verpflichtet, die Voraussetzungen für die Zahlung des Zuschusses festzustellen und diesen an den Arbeitnehmer auszuzahlen (BSG USK 82182 S 821, 825). Selbst wenn die Nr 4.5 der genannten Hinweise so zu verstehen sein sollte, daß auch ein zuschußberechtigter Arbeitnehmer, der diesen Zuschuß lediglich deswegen nicht erhält, weil er ihn nicht geltend macht, Anspruch auf die unverminderte Beihilfe haben sollte, beeinflußt dies den Anspruch auf den Beitragszuschuß nicht. Ob es zulässig ist, daß der Beklagte in seinen auf Tarifverträgen fußenden Beihilfevorschriften für Arbeitnehmer die Gewährung einer höheren Beihilfeleistung selbst dann zuläßt, wenn ein bestehender Anspruch auf den Beitragszuschuß tatsächlich nicht verwirklicht wird, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Dies müßte vielmehr von den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit entschieden werden. Entsprechendes würde gelten, wenn der Kläger sich beihilferechtlich unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten auf Nr 4.5 der genannten Hinweise berufen würde.
Der Unzulässigkeit des Verzichts auf den Beitragszuschuß des Arbeitgebers steht das Urteil des BSG vom 27. November 1991 (SozR 3-1200 § 46 Nr 3) nicht entgegen. Darin wurde der Verzicht eines in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversicherten Rentners auf den Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers nach der damaligen Regelung des § 83e des Angestelltenversicherungsgesetzes für zulässig gehalten. Im Gegensatz zum Zuschuß nach § 257 SGB V handelte es sich bei jenem Zuschuß um eine ausdrücklich im SGB I (§ 23 Abs 1 Nr 1 Buchst e SGB I) genannte Sozialleistung, die von einem Leistungsträger iS des § 46 Abs 1 SGB I erbracht wurde.
Die Unzulässigkeit eines einseitigen Verzichts auf den Beitragszuschuß nach § 257 SGB V verstößt nicht gegen das Grundgesetz (GG). Die Revision hat keine Verfassungsnorm angeführt, die verletzt sein könnte. Sie hat in diesem Zusammenhang lediglich vorgetragen, nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfe der Bezug des Beitragszuschusses nicht zur Folge haben, daß der Arbeitnehmer weder durch die Beihilfe noch durch eine private Krankenversicherung in der Lage sei, das Krankheitskostenrisiko vollständig abzusichern; ausgehend von einem solchen „Grundrecht” des Arbeitnehmers auf die Sicherungsmöglichkeit seiner Krankheitskosten käme die „Nichtinanspruchnahme des Beitragszuschusses” mit der zwingenden Folge einer hundertprozentigen Absicherung des Krankheitskostenrisikos in Betracht. Ein derartiges Grundrecht auf eine vollständige Absicherung der Krankheitskosten besteht nicht. Eine solche Absicherung kann insbesondere nicht aus dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG abgeleitet werden; denn ihm läßt sich regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren (BVerfGE 82, 60, 80 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5 mwN).
Die gesetzliche Regelung zum Beitragszuschuß (§ 257 SGB V), mit der die Stellung versicherungsfreier oder befreiter Arbeitnehmer beitragsrechtlich der versicherungspflichtig Beschäftigter angenähert werden sollte (vgl BSGE 78, 297, 309, 310 mwN = SozR 3-2500 § 5 Nr 29 S 114), führt bei den freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmern im wesentlichen zu einer Vollversicherung einschließlich der beitragsfreien Familienversicherung. Anders ist es jedoch bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern. Bei ihnen richten sich Leistungen und Beiträge nicht nach dem Gesetz, sondern nach dem privatrechtlich vereinbarten Leistungsumfang, nach dem auch bei Familienangehörigen die entsprechenden Prämien zu zahlen sind. Eine Vollversicherung ist nicht vorgeschrieben, kann aber in der Regel frei vereinbart werden. Demgegenüber ist der Beitragszuschuß des Arbeitgebers an privat krankenversicherte Arbeitnehmer der Höhe nach doppelt begrenzt, und zwar nach Maßgabe des § 257 Abs 2 Satz 2 SGB V einmal auf die Hälfte des Höchstbeitrages Versicherungspflichtiger und zum anderen auf die Hälfte der tatsächlich gezahlten Prämien. Liegen die Versicherungsprämien höher als der nach § 257 Abs 2 Satz 2 SGB V zu bestimmende Höchstbeitrag (was insbesondere bei Versicherung mehrerer Familienmitglieder der Fall sein kann), so erhält der privat Krankenversicherte mit dem Zuschuß weniger als die Hälfte seiner Aufwendungen für die Versicherung. Die insoweit entstehenden Nachteile sind bekannt, wenn sich ein versicherungsfreier Arbeitnehmer für eine Privatversicherung statt für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet. Gleiches gilt, wenn sich ein Versicherungspflichtiger – wie der Kläger – befreien läßt, auch wenn die nachteiligen Folgen dieser Entscheidung erst nach späterer Gründung einer Familie eintreten.
Auch unter Berücksichtigung der genannten Nachteile kann die nach Art und Umfang gesetzlich festgelegte Zuschußregelung sozialversicherungsrechtlich nicht zugunsten anderer Beteiligungen des Arbeitgebers am Krankenversicherungsschutz des Arbeitnehmers (hier: Beihilfe) ersetzt werden. Sie läßt sich allenfalls durch arbeitsrechtliche Regelungen ergänzen oder verbessern, nicht jedoch abbedingen, erst recht nicht durch Auslegung eines fortwirkenden Tarifvertrags, die je nach Höhe der Aufwendungen im Krankheitsfalle zu einem günstigeren oder ungünstigeren Ergebnis führt als die gesetzliche Regelung.
Die Unzulässigkeit des Verzichts führt nicht zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG. Bei einem Vergleich des Klägers mit privat krankenversicherten Angestellten ohne Beihilfeansprüche ergibt sich keine Schlechterstellung des Klägers. Denn diese erhalten wie er den Beitragszuschuß innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen unabhängig vom Umfang ihrer Krankenversicherung; würden sie diesen Zuschuß nicht geltend machen, erhielten sie dadurch keine höhere Kostenerstattung durch das private Krankenversicherungsunternehmen. Bei einem Vergleich des Klägers mit beihilfeberechtigten privat versicherten Angestellen, die den Zuschuß nicht erhalten, obwohl sie zuschußberechtigt sind, wird der Kläger allerdings schlechter gestellt. Dies kann aber nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 257 SGB V oder des § 46 SGB I führen, weil Ursache der Schlechterstellung nicht diese Gesetzesvorschriften, sondern die Tarifbestimmungen über die Gewährung von Beihilfen an Arbeitnehmer in einer bestimmten Auslegung durch den Beklagten sind. Sofern insoweit gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßen werden sollte, ist die Verfassungswidrigkeit durch Änderung der Tarifbestimmungen oder ihrer Auslegung, nicht aber durch Änderung der genannten Gesetzesvorschriften herbeizuführen. Dies folgt aus dem höheren Rang formeller Gesetze gegenüber tariflichen Regelungen.
Der Revision des Beklagten war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1064894 |
BSGE, 40 |
DB 1999, 592 |
FA 1999, 136 |
ZBR 1999, 142 |
AP, 0 |
PersR 1998, 485 |
SGb 1998, 654 |
SozSi 1999, 342 |