Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 30.10.1992) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 1992 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie das Kindergeld für die Monate Februar bis September 1988 betrifft; im übrigen wird sie zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger für 1987, 1988 und das erste Halbjahr 1989 zustehenden Kindergeldes streitig.
Die Beklagte gewährte ihm im streitigen Zeitraum für drei Kinder jeweils unter dem Vorbehalt der Rückforderung (§ 11 Abs 3 bzw 4 Bundeskindergeldgesetz ≪BKGG≫) das volle Kindergeld nach § 11 Abs 1 BKGG (370,– DM/Monat); lediglich für die Monate Februar bis September 1988 wurde dem Kläger nur für zwei Kinder (volles) Kindergeld in Höhe von je 150,– DM/Monat gewährt (Bescheide der Beklagten vom 29. Dezember 1987, 23. Februar 1988 und 17. November 1988).
Die Steuerbescheide des Klägers wiesen für 1987 einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 211.843,– DM und für 1988 in Höhe von 56.364,– DM aus; infolge einer Anrechnung von Verlusten der Vorjahre hatte der Kläger in beiden Jahren keine Steuern zu entrichten. Auf der Grundlage der Einkünfte für 1987 stellte die Beklagte den Kindergeldanspruch für 1987 (insoweit hatte der Kläger den Antrag nach § 11 Abs 4 BKGG gestellt) und das erste Halbjahr 1989 mit 260,– DM/Monat, auf der Grundlage der Einkünfte 1988 den Anspruch für die Monate Februar bis September 1988 mit je 120,– DM abweichend von den Vorbehaltszahlungen fest. Das hiernach überzahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 2.200,– DM forderte sie zurück (Bescheide vom 26. März 1990).
Der gegen die Bescheide gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage teilweise stattgegeben: Bei der Berechnung des den Sockelbetrag überschreitenden einkommensabhängigen Teils des Kindergeldes sei für das gesamte Jahr 1988 ein Kinderfreibetrag für die Tochter Elke anzusetzen gewesen; § 10 BKGG sehe eine jahresweise Betrachtung vor. Dagegen mindere der vom Finanzamt berücksichtigte Verlustvortrag nicht das für die Leistungsjahre 1987 und 1989 zu berücksichtigende Einkommen des Klägers iS des § 11 BKGG.
Das Landessozialgericht (LSG) hat nur die Berufung der Beklagten als begründet angesehen. Bei der Berechnung des Kindergeldes für die Monate Februar bis September 1988 sei ein Kinderfreibetrag für die Tochter Elke nicht anzusetzen gewesen; während dieser Zeit habe dem Kläger für Elke kein Kindergeld zugestanden. Es seien jeweils die Verhältnisse im Leistungsmonat zugrunde zu legen. Die Berufung des Klägers hat das LSG hingegen zurückgewiesen. Eine Minderung des Einkommens nach § 11 BKGG durch den Vortrag von Verlusten aus den Vorjahren sei nicht möglich.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision bezieht sich der Kläger auf sein gesamtes erst- und zweitinstanzliches Vorbringen sowie – hinsichtlich der Rückforderung für das Kalenderjahr 1988 – auf die Ausführungen des SG. Hinsichtlich der Rückforderung für die Jahre 1987 und 1989 rügt er inhaltlich eine Verletzung der §§ 10 und 11 BKGG. Im Gegensatz zur Auffassung des LSG könne der Verlustabzug nach § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Berechnung des Kindergelds durchaus in der Form berücksichtigt werden, daß die Verlustabzüge nur zur Minderung der jeweils betroffenen Einkunftsart führten. Auch führten die Verluste vergangener Jahre zu einer Minderung des realen Einkommens des Kindergeldberechtigten, da in der Regel sie abdeckende Kredite zurückgeführt werden müßten. Außerdem sei der Kläger als sich gewerblich betätigender, unbeschränkt haftender Einzelunternehmer gegenüber einem beschränkt haftenden Kommanditisten benachteiligt. Bei diesem wirke sich ein Verlustabzug für die Vorjahre immanent aus und finde daher bei der Kindergeldberechnung Berücksichtigung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 1992, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13. März 1992 teilweise sowie die Bescheide des Arbeitsamtes Hamm vom 26. März 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 1990 aufzuheben;
er erklärt, er begehre nicht – auch nicht hilfsweise – die Berechnung des Kindergeldes für 1987 auf der Grundlage des Einkommens des Jahres 1985.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
1. Die Revision des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Rückforderung überzahlten Kindergelds für das Jahr 1988 richtet. Insoweit liegt keine ausreichende Revisionsbegründung vor. Nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG muß die Begründung der Revision einen bestimmten Antrag enthalten sowie die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Diesen Erfordernissen genügt die Revisionsbegründung zur Rückforderung für das Jahr 1988 jedoch nicht.
Die für ein Rechtsmittel gesetzlich vorgeschriebene Begründung ist bei einer Mehrheit von mit dem Rechtsmittel verfolgten Ansprüchen für jeden von ihnen erforderlich. Unter einer Mehrheit von Ansprüchen sind dabei nicht notwendig nur Ansprüche im streng prozessualen Sinne (vgl § 123 SGG) zu verstehen. Der gesetzliche Begründungszwang soll klarstellen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird. Deshalb muß sich bei einem teilbaren Streitgegenstand – mit für jeden dieser Teile anderem zugrunde gelegtem Sachverhalt – die Begründung auf alle Teile des angefochtenen Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt wird; widrigenfalls ist das Rechtsmittel für den nichtbegründeten Teil unzulässig (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 26. Januar 1983, SozR 1500 § 164 Nr 22; BSG vom 16. März 1989, BSGE 65, 8, 11 = SozR 1300 § 48 Nr 55).
Der Rückforderungsanspruch für im Jahre 1988 überzahltes Kindergeld ist ein derartiger abteilbarer Streitgegenstand. Er war nicht nur Gegenstand eines getrennten der drei dem Kläger am 26. März 1990 erteilten Bescheide; die Rückforderung stützt sich auch hinsichtlich des Jahres 1988 auf einen anderen Lebenssachverhalt als hinsichtlich der Jahre 1987 und 1989. Denn die Rückforderung für die Monate Februar bis September 1988 beruht nicht auf der fehlenden Absetzung des Verlustabzugs; insoweit war vielmehr nur streitig, ob bei der Berechnung des Freibetrages für 1988 ein Kinderfreibetrag für die Tochter Elke während des gesamten Jahres anzusetzen war.
In dieser Hinsicht hat der Kläger mit seiner Revisionsbegründung jedoch weder eine angeblich verletzte Rechtsnorm genannt noch enthält sie Ausführungen, die sich mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzen. Eine Revision wird aber allein durch Bezugnahme auf vor der Zustellung des angefochtenen Urteils eingereichte Schriftsätze nicht formgerecht begründet (BSG vom 23. Juli 1986, SozR 1500 § 164 Nr 28 mwN).
2. Im übrigen ist die Revision unbegründet.
Die insoweit noch streitigen Bescheide über die Rückforderung einer Überzahlung an Kindergeld für die Jahre 1987 und 1989 erweisen sich – in Übereinstimmung mit beiden vorinstanzlichen Urteilen – nicht als rechtswidrig.
Die für die Rückforderung geltenden gesetzlichen Voraussetzungen sind erfüllt (hierzu im Folgenden unter 1). Sie begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (hierzu im Folgenden unter 2). Auf ein evtl Recht des Klägers, das Kindergeld für 1987 – trotz seines damals gestellten Antrags nach § 11 Abs 4 BKGG – auf der Grundlage des (historischen) Einkommens von 1985 berechnen zu lassen, kommt es im vorliegenden Fall nicht an (hierzu im Folgenden unter 3).
(1) Der Rückforderungsanspruch für die Jahre 1987 und 1989 findet seine rechtliche Grundlage in § 11 Abs 4 Satz 3 (für das Jahr 1987) und § 11 Abs 3 Satz 5 (für das Jahr 1989) BKGG (idF des 11. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1985, BGBl I, 1251). Nach diesen Vorschriften hat die Beklagte Kindergeld, das über die Sockelbeträge hinaus gezahlt wurde und für dessen Berechnung zur Zeit seiner Zahlung die maßgebende Steuerfestsetzung noch nicht vorlag (für § 11 Abs 3 betreffend das Einkommen im vorletzten Kalenderjahr vor dem Leistungsjahr, nach § 11 Abs 4 das Einkommen im Leistungsjahr, wenn der Berechtigte vor seinem Ablauf ein Einkommen glaubhaft macht, bei dessen Berücksichtigung das Kindergeld nicht nur in Höhe des Sockelbetrages zu leisten wäre), abschließend festzusetzen, sobald sich das maßgebende Einkommen endgültig feststellen läßt. Überzahltes Kindergeld ist vom Berechtigten zu erstatten. Die genannten Vorschriften enthalten eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Rückforderung des nach § 11 Abs 3 Satz 3 bzw § 11 Abs 4 Satz 1 BKGG unter Rückforderungsvorbehalt gezahlten Kindergeldes. Die Regelungen gehen als Sonderbestimmung den Regelungen der §§ 44 ff des Zehnten Buches des Sozialge setzbuches (SGB X) über die rückwirkende Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten und über die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Leistungen vor (vgl die Entscheidung des Senats vom 22. Februar 1989, BSG SozR 5870 § 11 Nr 2 Satz 2).
Eine Überzahlung iS der genannten Vorschriften war eingetreten. Der Kläger hatte 1987 sowie im ersten Halbjahr 1989 370,– DM/Monat an Kindergeld bezogen. Aufgrund der Einkommensverhältnisse nach der Steuerfestsetzung für 1987 stand ihm jedoch für den noch streitigen Zeitraum lediglich der Sockelbetrag für drei Kinder, nämlich monatlich 260,– DM an Kindergeld zu.
Bei der Feststellung der Höhe des Kindergeldes ist nach § 10 Abs 2 BKGG das volle Kindergeld iS des § 10 Abs 1 BKGG stufenweise bis auf den Sokelbetrag von 70,– DM für das zweite und von 140,– DM für jedes weitere Kind zu mindern, wenn das Jahreseinkommen des Berechtigten und seines nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten den für ihn maßgeblichen Freibetrag um 480,– DM übersteigt. Für je 480,– DM, um die das Jahreseinkommen den Freibetrag übersteigt, wird das Kindergeld um 20,– DM/Monat gemindert (§ 10 Abs 2 Satz 4 BKGG). Dies bedeutet, daß kein den Sockelbetrag überschreitendes Kindergeld für drei Kinder beansprucht werden kann, wenn das Jahreseinkommen den Freibetrag um mehr als 2.880,– DM überschreitet (Differenz „volles” Kindergeld für 3 Kinder ≪370,– DM≫ zum Sockelbetrag ≪260,– DM≫: 110,– DM; diese entsprechen fünf Schritten à 20,– DM und einem à 10,– DM; 6 × 480,– DM = 2.880,– DM).
Der Freibetrag des Berechtigten ist nach § 10 Abs 2 Satz 3 BKGG zu bestimmen. Dieser beläuft sich im Falle des Klägers für das Jahr 1987 auf 54.200,– DM: Für ihn und seine Ehefrau waren 26.600,– DM, für jedes seiner drei Kinder 9.200,– DM anzusetzen. Das diesem Freibetrag (§ 10 Abs 2 Satz 3 BKGG) gegenüberzustellende maßgebliche Jahreseinkommen des Klägers nach § 11 BKGG betrug jedoch für 1987 weit mehr als (54.200,– DM + 2.880,– DM =) 57.080,– DM.
Maßgebend ist insoweit die Summe der in diesem Jahr erzielten positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG (§ 11 Abs 1 Satz 1 BKGG), also entsprechend den Feststellungen des LSG 211.843,– DM. Hiervon waren nach den Feststellungen des LSG gemäß § 11 Abs 2 BKGG lediglich die anerkannten Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 7.603,– DM abzuziehen (§ 11 Abs 2 Nr 2 BKGG), da keine Steuern (§ 11 Abs 2 Nr 1 BKGG) zu zahlen waren. Bei dieser Berechnung ist ein Verlustabzug nach § 10d EStG nicht zu berücksichtigen. § 2 Abs 1 EStG zählt die sieben der Einkommensteuer unterliegenden Einkunftsarten auf; Abs 2 bestimmt, bei welchen Einkunftsarten die Einkünfte durch Gewinnermittlung (§ 2 Abs 2 Nr 1 EStG) und bei welchen Einkunftsarten sie als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind (§ 2 Abs 2 Nr 2 EStG). In diesem Rahmen spielt ein Verlustabzug keine Rolle.
Vielmehr ist ein Verlustabzug bei Ermittlung des „Einkommens” nach § 2 Abs 4 EStG zu berücksichtigen, nämlich wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Die Höhe des so berechneten Einkommens ist jedoch im Rahmen des Kindergeldrechts unerheblich. § 11 Abs 1 BKGG nimmt § 2 Abs 4 EStG gerade nicht in Bezug, sondern ausdrücklich nur dessen Abs 1 und 2. Denn für die Zwecke der Berechnung des Kindergeldes ist in § 11 Abs 2 BKGG eigenständig geregelt, welche Beträge von den im Rahmen der Steuerfestsetzung festgestellten Einkünften abzuziehen sind. Diese Vorschrift erwähnt den Verlustabzug nach § 10d EStG nicht. Eine dem Kläger günstigere Auslegung ist nicht möglich. Wenn der Gesetzgeber, wie erwähnt, nur auf bestimmte Teile des § 10 EStG zur Bestimmung des Jahreseinkommens iS des § 11 Abs 1 BKGG Bezug nimmt und in § 11 Abs 2 BKGG einzeln angibt, welche Abzüge hiervon gemacht werden können, so kann diese Regelung nicht im Wege der Auslegung erweitert werden.
Dabei kann dahinstehen, ob, wie die Revision meint, der Verlustabzug derart aufgeschlüsselt werden könnte, daß Verlustabzüge aus den Vorjahren nur bei den jeweils betroffenen Einkunftsarten des maßgeblichen Kalenderjahres berücksichtigt würden. Damit würde allenfalls ein Verstoß gegen das Verbot des Ausgleichs mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten (§ 11 Abs 1 Satz 2 BKGG) vermieden. Hieraus kann jedoch in keinerlei Hinsicht die kindergeldrechtliche Zulässigkeit eines derartigen Vorgehens abgeleitet werden, dem, wie aufgezeigt, bereits der Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 BKGG sowie seines Abs 2 entgegensteht.
(2) Die Nichtberücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG bei der Ermittlung des Jahreseinkommens des Klägers nach § 11 BKGG verletzt auch kein Verfassungsrecht.
Dies ergibt sich zwar noch nicht aus der Bindungswirkung verfassungsrechtlicher Entscheidungen nach § 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluß vom 29. Mai 1990 (BVerfGE 82, 60, 61) in der Entscheidungsformel zwar § 11 Abs 1 BKGG für mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar erklärt. Dabei hat es jedoch nur über den in dieser Vorschrift enthaltenen Ausschluß eines Verlustausgleichs bei der Berechnung des für die Kindergeldbemessung maßgeblichen Einkommens entschieden (BVerfGE 82, 60 Leitsatz 3 sowie S 97 ff) und nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG bei der Berechnung des Kindergelds.
Auf der Grundlage der Erwägungen dieses Beschlusses läßt sich aber auch die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 11 BKGG beantworten, soweit diese Vorschrift die Berücksichtigung des Verlustabzugs nach § 10d EStG ausschließt. Dies gilt nicht nur für den Fall, daß der Verlustabzug lediglich auf der Grundlage sogenannter fiktiver Verluste, deren steuerliche Anerkennung eigentlich eine Subvention darstellt, beruht. Der Ausschluß der Berücksichtigung derartiger Verluste bedeutet keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG. Denn die Kindergeldberechtigten, deren Einkommen aufgrund von steuerlichen Förderungstatbeständen und Subventionsregelungen lediglich rechnerisch, nicht jedoch effektiv gemindert ist, sind unter sozialen Gesichtspunkten nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie Berechtigte, die tatsächlich nur geringere Einkünfte erzielt haben und denen daher die effektiv verlorenen Mittel nicht zur Verfügung stehen (BVerfGE 82, 60, 99).
An der verfassungsrechtlichen Beurteilung hat sich auch dadurch nichts geändert, daß nach § 11 Abs 2 Nr 4 BKGG – eingefügt durch das 12. Gesetz zur Änderung des BKGG vom 30. Juni 1989 (BGBl I, 1294) – unter bestimmten Voraussetzungen (hierzu Wickenhagen/Krebs, BKGG, § 11 RdNr 32 – Stand: Juni 1992) gewisse steuerliche Förderungen bei der Schaffung von Wohnraum auch im Kindergeldrecht einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. Diese Vorschrift hat zum einen im streitigen Zeitraum noch nicht gegolten (Art 1 Nr 5 iVm Art 8 des 12. ÄndG-BKGG vom 30. Juni 1989, BGBl I 1294); zum anderen bewirkt sie allenfalls, daß die positiven Einkünfte desselben Jahres aus Vermietung und Verpachtung auf Null sinken. Schließlich läßt sich eine derartige Ausnahmeregelung für den Wohnungsbau aus sozialpolitischen Erwägungen rechtfertigen, selbst wenn sie verfassungsrechtlich nicht geboten ist (hierzu BVerfGE 82, 60, 100).
Nichts anderes gilt im Ergebnis jedoch auch, wenn der Verlustabzug nach § 10d EStG auf realen Verlusten beruht – und zwar selbst dann, wenn diese, wie vom Kläger vorgetragen, auch noch im Jahr der Steuerfestsetzung das effektive Einkommen mindern, etwa weil aufgrund der früheren Verluste aufgenommene Darlehen zurückzuführen sind. Denn nach dem zitierten Beschluß des BVerfG findet die hierdurch bedingte Gleichbehandlung von Kindergeldberechtigten mit ungleicher wirtschaftlicher Lage ihre Rechtfertigung in dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität (BVerfGE 82, 60, 101 ff). Die Auseinanderrechnung fiktiver und realer Verluste – noch dazu solcher der Vorjahre – würde einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordern (hierzu im einzelnen: BVerfGE 82, 60, 102 sowie 103 f zu § 7b EStG).
Zu einer Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG gibt auch nicht die Regelung des § 11 Abs 2 Nr 1 BKGG Anlaß. Hiernach ist vom Einkommen des maßgeblichen Kalenderjahres (§ 11 Abs 1 Satz 1 BKGG) die für dieses Kalenderjahr (tatsächlich) zu leistende Einkommensteuer abzuziehen. Damit erhöht die Inanspruchnahme steuerlicher Vergünstigungen, wie eines Verlustabzugs, das kindergeldrelevante Einkommen und vermindert dadurch den Anspruch auf Kindergeld (vgl Fischer, DVBl 1986, 91 f). Das BVerfG hat dies für unbedenklich gehalten (BVerfGE 82, 60, 104) und ausgeführt: „Durfte danach der Gesetzgeber nach Maßgabe des § 11 Abs 1 BKGG den Verlust als solchen unberücksichtigt lassen, dann war er … auch nicht verpflichtet, wenigstens die auf diesen Verlust entfallende fiktive Steuer zum Abzug von den Einkünften zuzulassen. Diese Steuerbelastung ist den betroffenen Kindergeldberechtigten tatsächlich nicht entstanden und konnte daher ihre soziale Bedürftigkeit nicht beeinträchtigen.” Der Senat läßt offen, ob er sich dieser Argumentation anschließt. Sie dürfte nach Auffassung des Senats dem Umstand, daß sich damit bestimmte steuerliche Vergünstigungen für Kinderlose uU günstiger auswirken als für Steuerpflichtige mit Kindern,
nur unvollkommen Rechnung tragen; sie berücksichtigt insbesondere nicht das aus Art 6 Abs 1 GG herzuleitende Verbot, Kinderlose gegenüber Personen mit Kindern zu bevorzugen.
Diese Frage kann jedoch im Ergebnis dahinstehen. Denn auch dann, wenn der Kläger berechtigt gewesen wäre, für das Jahr 1987 die ihn ohne Berücksichtigung des Verlustabzugs treffende – fiktive – Einkommensteuer nach § 11 Abs 2 Nr 1 BKGG von seinem Jahreseinkommen 1987 abzuziehen, hätte sich kein höherer Kindergeldanspruch ergeben. Sogar für den Fall, daß man das gesamte vom LSG festgestellte Jahreseinkommen des Klägers von 211.843,– DM als zu versteuerndes Einkommen ansähe – nach der Splittingtabelle wären für das Jahr 1987 dann 86.222,– DM an Steuern angefallen – ergäbe sich beim Abzug dieser fiktiven Steuer und der Vorsorgeaufwendungen von 7.603,– DM noch immer ein Jahreseinkommen des Klägers, das den (oben näher erläuterten) Grenzwert von 57.080,– DM deutlich überschreitet. Damit besteht keine Möglichkeit zur Gewährung eines den Sockelbetrag (§ 10 Abs 2 Satz 1 BKGG) überschreitenden Kindergeldes.
Ein (vertikaler) Verlustausgleich aus negativen Einkünften anderer Einkunftsarten kann dem Kläger von vornherein nicht zustatten kommen, weil § 11 Abs 1 Satz 2 BKGG dessen Berücksichtigung ausdrücklich ausschließt und diese Regelung auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl BVerfGE 82, 60).
Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung des Klägers als Einzelunternehmer liegt auch nicht im Verhältnis zu der entsprechenden Behandlung von Kommanditisten vor. Zwar wirkt sich die Art und Weise, wie bei Kommanditisten angefallene Verluste aus den Vorjahren steuerrechtlich zu behandeln sind, derart aus, daß in der Tat uU frühere Verluste zu einer Verminderung späterer positiver Einkünfte führen können (§ 15a EStG). Hieraus kann der Kläger jedoch keine Rechte herleiten. Denn wenn sich die Berechnung des Kindergeldes nach §§ 10, 11 BKGG teilweise an das Steuerrecht anlehnt – was keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet -ist aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) nicht zu beanstanden, daß sich steuerrechtliche Sonderregelungen (zur Zielrichtung des § 15a EStG: Kirchhof/Söhn, EStG, Kommentar, § 15a RdNrn A 1 ff, Stand: September 1989) auch im Kindergeldrecht niederschlagen. Jedenfalls begründen derartige sachlich begründete Ausnahmeregelungen für bestimmte, eng umgrenzte Personenkreise, keinen Anspruch anderer auf entsprechende Behandlung, wenn für diese die sachliche Begründung nicht gleichermaßen gilt.
Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich schließlich auch nicht daraus, daß der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen zumindest insoweit steuerfrei belassen muß, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird, daß insbesondere bei der Besteuerung in der Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muß (BVerfGE 82, 60, 83 ff). Denn nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger im maßgeblichen Jahr 1987 keine Steuern gezahlt.
(3) Die Beklagte hat der Berechnung des Kindergeldes für 1987 nicht nach § 11 Abs 3 BKGG das „historische”) Einkommen des vorletzten Kalenderjahres vor dem Leistungsjahr (also 1985) zugrunde gelegt, sondern auf den Antrag des Klägers nach § 11 Abs 4 BKGG das „aktuelle”) voraussichtliche Einkommen im Leistungsjahr 1988. Wie vom Senat nunmehr bestätigt, führte das Einkommen 1987 nur zu einem Kindergeldanspruch in Höhe des Sockelbetrags. Dies wirft die Frage auf, ob der Berechtigte an seinen Antrag nach § 11 Abs 4 BKGG gebunden bleibt oder wieder die (Regel-)Berechnung des Kindergeldes nach dem „historischen” Einkommen verlangen kann, wenn dieses zu einer höheren Leistung führt (zu einer entsprechenden Fallkonstellation beim Erziehungsgeld neuerdings BSG vom 10. August 1993 – 14b/4 REg 3/91 –). Dies kann jedoch unentschieden bleiben. Denn der Kläger hat – auf Anfrage des Senats – seine Revision dahingehend eingeschränkt, daß er nicht – auch nicht hilfsweise – die Berechnung des Kindergeldes für 1987 auf der Grundlage des Einkommens des Jahres 1985 begehrt.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen