Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Härte. Unterhalt. Unterhaltsabfindung. Unterhaltsvereinbarung. Rente. Kürzung. Anspruch auf Unterhalt. Nachzahlung. Beiladung. notwendige Beiladung
Leitsatz (amtlich)
Dem aus einem Versorgungsausgleich Verpflichteten steht im Rahmen des § 5 VersorgAusglHärteG die ungekürzte Rente auch dann zu, wenn er den Unterhaltsanspruch des Berechtigten durch eine Kapitalabfindung abgegolten hat.
Normenkette
VersorgAusglHärteG § 5 Abs. 1, § 6; BGB § 1585 Abs. 1-2, § 1585c; SGG § 75 Abs. 2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 25.03.1993; Aktenzeichen L 2 Kn 84/91) |
SG Dortmund (Urteil vom 15.03.1991; Aktenzeichen S 25 Kn 203/90) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. März 1993 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte die sich aus ihrer Verurteilung ergebende Nachzahlung nur zur Hälfte an den Kläger auszuzahlen hat.
Die Beklagte hat dem Kläger drei Viertel seiner außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Antrags nach § 44 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) die ungekürzte Auszahlung seines Knappschaftsruhegeldes trotz des durchgeführten Versorgungsausgleichs.
Die Ehe des 1929 geborenen Klägers wurde durch Urteil des Familiengerichts im November 1986 geschieden. Die im Jahre 1931 geborene Ehefrau, von Beruf Kinderkrankenschwester, war seit der Eheschließung 1954 nicht berufstätig gewesen. Durch gerichtlichen Vergleich trafen der Kläger und seine Ehefrau ua folgende Regelung:
“Zur Abgeltung der nachehelichen Unterhaltsansprüche zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin 200.000,-- DM in jährlichen Raten von 50.000,-- DM. Die erste Rate ist fällig zum 10. 1. 1987, die Folgeraten jeweils zum 10. 1. der folgenden Jahre. Der Antragsteller verpflichtet sich, in Höhe des geschuldeten Abfindungsbetrages eine Bankbürgschaft beizubringen, welche die Zahlung des vollen Betrages in jedem Falle gewährleistet, zB auch für den Fall, daß der Antragsteller vorher versterben sollte. … Der Antragsteller verpflichtet sich ferner, für den Monat Dezember 1986 einen Unterhaltsbetrag von 2.500,-- DM an die Antragsgegnerin zu zahlen.”
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Knappschaftsruhegeld wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Mai 1989 (Bescheid vom 24. Mai 1989) und kürzte dabei das Ruhegeld wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs, kündigte jedoch einen weiteren Bescheid zum Antrag des Klägers auf ungekürzte Zahlung der Rente an. Mit Bescheid vom 25. August 1989 lehnte sie diesen Antrag mit der Begründung ab, § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (VAHRG) sei bei einer Ablösung von Unterhaltsansprüchen nicht anwendbar. Dieser Bescheid wurde bindend. Nachdem der Kläger im Januar 1990 die letzte Rate an seine frühere Ehefrau gezahlt hatte, beantragte er im Februar 1990 erneut die Auszahlung der ungekürzten Rente ab 1. Mai 1989, was die Beklagte ablehnte (Bescheid vom 22. März 1990). Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 25. August 1989 zurückzunehmen sowie dem Kläger ungekürztes Altersruhegeld (ARG) ab 1. Mai 1989 nach Maßgabe des § 5 VAHRG zu gewähren. Die Vereinbarung über die “Abgeltung” der nachehelichen Unterhaltsansprüche habe sich als Vorausleistung auf den Unterhaltsanspruch der Ehefrau für die Zeit bis zur eigenen Rentenberechtigung nach Vollendung des 63. Lebensjahres im Jahre 1994 erwiesen. Die Ehefrau des Klägers sei unterhaltsberechtigt gewesen. Das Begehren, den Unterhalt bis zur eigenen Rentenberechtigung in der Art einer Abfindung zu erhalten, sei von ihr ausgegangen und habe auf der Sorge beruht, bei einer laufenden Unterhaltsgewährung nach einem evtl Ableben des Klägers ungesichert dazustehen. Den Willen der Vergleichsparteien, die gezahlte Abfindung als Unterhalt für die Jahre 1987 bis 1994 anzusehen, habe die geschiedene Ehefrau des Klägers unabhängig vom vorliegenden Verfahren bereits in einer vor dem Sozialgericht (SG) geführten Beitragsstreitigkeit herausgestellt; dem habe die Beklagte durch die Verteilung der Abfindungssumme auf den gesamten Zeitraum bei der Beitragsermittlung auch Rechnung getragen. Damit werde die vorliegende Fallkonstellation vom Anwendungsbereich des § 5 VAHRG erfaßt: Der Kläger sei nach dem Beginn des Ruhegeldes ab Mai 1989 in doppelter Weise belastet worden, nämlich einerseits durch die Auswirkungen der – durch Kreditaufnahme finanzierten – Abfindungszahlungen für den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau bis 1994 und durch die infolge des Versorgungsausgleichs eingetretene Kürzung der eigenen Rentenansprüche. Die Beklagte sei zur ungekürzten Rentengewährung bereits ab Mai 1989 zu verurteilen gewesen; sie habe mit den angefochtenen Bescheiden den Anspruch des Klägers auf Zahlung der ungeminderten Rente ohne zeitliche Begrenzung und damit für den Zeitraum ab Beginn des ARG abgelehnt. Darin sei konkludent eine Neuüberprüfungsentscheidung gemäß § 44 SGB X zu sehen.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 5 VAHRG. Diese Vorschrift sei nicht anwendbar, wenn Unterhaltsansprüche nach § 1585 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch eine Kapitalabfindung abgelöst worden seien. § 5 VAHRG setze nach seiner Zielrichtung eine laufende (regelmäßige) Unterhaltsverpflichtung voraus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. März 1993 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15. März 1991 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Schreiben vom 8. November 1993 die Beteiligten auf die Regelung des § 6 VAHRG hingewiesen und eine Äußerungsfrist bis zum 1. Dezember 1993 gesetzt. Mit Schriftsätzen vom 22. und 28. Dezember 1993 hat der Kläger eine Abtretungserklärung seiner geschiedenen Ehefrau vorgelegt, nach der er die Auszahlung der vollen Nachzahlung an sich verlangen könne.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Die Revision der Beklagten ist nur teilweise begründet. Zu Recht hat das LSG unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Beklagte verpflichtet, den bindenden Bescheid vom 25. August 1989 gemäß § 44 Abs 1 SGB X zurückzunehmen und dem Kläger ab Mai 1989 ungekürztes Knappschaftsruhegeld zu gewähren (1); die sich hieraus ergebende Nachzahlung steht dem Kläger jedoch nur zur Hälfte zu (2).
(zu 1) Dem Kläger kommt die Vorschrift des § 5 Abs 1 VAHRG zugute. Hiernach wird die Versorgung des Verpflichteten nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat bzw bei ungekürzter Versorgung hätte. Unter diese Vorschrift gehört auch der hier vorliegende Fall, daß Unterhaltsansprüche der aus dem Versorgungsausgleich berechtigten geschiedenen Ehefrau des Klägers durch eine Abfindung abgelöst wurden.
Dabei kann dahinstehen, ob ihr ein gesetzlicher Anspruch auf eine derartige Kapitalabfindung statt auf eine laufende Geldrente zustand (was § 1585 Abs 2 BGB für den Fall vorsieht, daß ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete hierdurch nicht unbillig belastet wird) oder ob ihr Anspruch lediglich auf dem Unterhaltsvertrag (§ 1585c BGB) beruht. In jedem Fall reicht aus, daß, wie hier, ohne die Abfindung im streitigen Zeitraum laufend Unterhalt zu zahlen wäre.
Dies folgt aus der Zielrichtung der Vorschrift des § 5 VAHRG. Mit den Regelungen dieses Gesetzes ist der Gesetzgeber dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Urteil vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) nachgekommen, bestimmte als verfassungswidrig angesehene Härten beim Versorgungsausgleich zu beseitigen (hierzu im einzelnen Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 14. Januar 1986, BSGE 59, 246, 247f = SozR 5795 § 15 Nr 1 sowie insbesondere BSG vom 8. Dezember 1988, SozR 2200 § 1304a Nr 15 S 27f auch zum Gesetzgebungsverfahren des VAHRG).
Im hier interessierenden Zusammenhang hatte das BverfG ausgeführt (BVerfGE 53, 257, 302 ff), es sei verfassungswidrig, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolge, ohne daß sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirke. Dies könne zB der Fall sein, wenn beim Ausgleichspflichtigen früher als beim Ausgleichsberechtigten ein Versicherungsfall eintrete. Dann könne es nicht nur zu einem Unterhaltsdefizit zu Lasten des Ausgleichsberechtigten kommen, sondern auch zu einer weiteren Einschränkung der Freiheit der Lebensführung des ausgleichspflichtigen Partners. Unabhängig davon lasse sich der Versorgungsausgleich beim Entstehen derartiger Versorgungslücken in seinen Auswirkungen nicht mehr mit Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 2 Grundgesetz (GG) als zusätzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art 14 Abs 1 GG) rechtfertigen.
Dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung hat der Gesetzgeber durch § 5 VAHRG (nunmehr unbefristet infolge der Streichung des § 13 Abs 2 VAHRG durch Art 30 Nr 2 Buchst b Rentenüberleitungsgesetz) Rechnung getragen. Im Gesetzgebungsverfahren keine Berücksichtigung fanden Vorschläge, die Aufhebung der Kürzung von einer Mindesthöhe geleisteten Unterhalts abhängig zu machen (vgl den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 9/2296, S 14 f). Soweit ersichtlich, wurde jedoch die Behandlung solcher Fälle nicht erörtert, in denen der an sich geschuldete nacheheliche Unterhalt in Form einer Geldrente (§ 1585 Abs 1 BGB) durch eine Kapitalabfindung ersetzt wird.
Hieraus kann nach Auffassung des Senats nur der Schluß gezogen werden, daß auch im Rahmen des § 5 VAHRG der gesetzgeberischen Wertung des § 1585 BGB Rechnung zu tragen ist. Hiernach aber tritt die Kapitalabfindung nicht etwa an die Stelle des Unterhalts, sondern an die Stelle der als Unterhalt zu zahlenden Geldrente (ebenso bereits früher § 62 Ehegesetz aF): Als Teil des die “Gestaltung des Unterhaltsanspruches” betreffenden Gliederungspunktes, der die §§ 1585 bis 1585c BGB umfaßt, regelt § 1585 Abs 1 den Grundsatz, daß der laufende Unterhalt “durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren” ist. Nach Abs 2 kann der Berechtigte uU “statt der Rente … eine Abfindung in Kapital verlangen”. Danach aber stellt eine Abfindung in Kapital ebenso eine Unterhaltsgewährung dar wie die Zahlung einer Geldrente. Dies gilt nicht nur dann, wenn eine derartige Kapitalabfindung aufgrund eines Anspruchs nach § 1585 Abs 2 BGB durchgesetzt wird, sondern ebenso, wenn sich die Ehegatten hiervon unabhängig nach § 1585c BGB auf eine derartige Abfindung einigen. Denn auch durch Vereinbarung nach § 1585c BGB wird eine Einigung über den Unterhalt erzielt. Geht man hiervon aus, so vermeidet man im Rahmen des § 5 VAHRG unnötige Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Fällen des § 1585 Abs 2 BGB einer- und des § 1585c BGB andererseits.
Nur in der vom Senat vertretenen Auslegung des § 5 Abs 1 VAHRG wird dem Anliegen des BVerfG Rechnung getragen; auch dieses hat ersichtlich nicht auf die Art abgestellt, in der der Verpflichtete seine Unterhaltsleistungen erbringt.
Der Senat läßt hierbei offen, ob als “Anspruch auf Unterhalt” iS des § 5 Abs 1 VAHRG auch ein lediglich auf einer Vereinbarung nach § 1585c BGB beruhender Unterhaltsanspruch gelten kann, wenn eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung nicht besteht. Denn der Kläger ist, auf der Grundlage der nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, seiner geschiedenen Ehefrau jedenfalls so lange unterhaltspflichtig, bis diese mit Vollendung des 63. Lebensjahres einen eigenen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat.
Ebenfalls nicht zu entscheiden hat der Senat über die Fallgestaltung, daß der Unterhaltsberechtigte ohne Gegenleistung auf einen an sich geschuldeten Unterhalt verzichtet. Denn die von den Scheidungsparteien geschlossene Unterhaltsvereinbarung kann, entgegen der Auffassung des SG, nicht als Unterhaltsverzicht gewertet werden. Dies gilt jedenfalls bis zum Erwerb eines eigenen Rentenanspruchs durch die geschiedene Ehefrau des Klägers. Die genannte Vereinbarung enthält gerade eine Einigung darüber, in welcher Form der Kläger den Unterhalt für diese Zeit zu gewähren hat, nicht jedoch einen Verzicht auf eine Unterhaltsleistung.
Bedenken gegen die Anwendung des § 5 Abs 1 VAHRG auf die Fälle einer Unterhaltsabfindung können auch nicht aus dem Argument hergeleitet werden, der Berechtigte habe nach Erhalt der Abfindung gar keinen “Anspruch auf Unterhalt” iS dieser Vorschrift. Denn diese Wendung kann nicht darauf abstellen, ob ein an sich bestehender Unterhaltsanspruch bereits erfüllt wurde. Dann hätte zB der Berechtigte gegen den Verpflichteten nach Erhalt einer jährlichen Vorauszahlung in jenem Jahr auch keinen “Anspruch auf Unterhalt” mehr. Demgegenüber ist sinnvollerweise nur darauf abzustellen, ob dem Berechtigten ohne Berücksichtigung bereits erfolgter Zahlungen ein Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten zusteht.
Der Senat sieht sich daher nicht in der Lage, der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (≪VGH≫ Urteil vom 9. März 1988, FamRZ 1989, 515) zu folgen, wonach die Kürzung der Versorgung des Verpflichteten aufgrund des Versorgungsausgleichs auch dann nicht gemäß § 5 Abs 1 VAHRG ausgesetzt wird, wenn der Berechtigte auf seine Unterhaltsansprüche wegen der Gewährung einer Abfindungssumme verzichtet hat. Der VGH begründet dies hauptsächlich mit der Erwägung, daß in einem solchen Fall weder der derzeitige laufende Lebensunterhalt des ausgleichsverpflichteten Ehegatten durch Erfüllung einer laufenden Unterhaltspflicht gemindert sei, noch ein Unterhaltsdefizit zu Lasten des ausgleichsberechtigten Ehegatten entstehen könne. Deshalb komme eine analoge Anwendung von § 5 Abs 1 VAHRG im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Diese Argumentation übersieht, daß die genannte Bestimmung bereits in unmittelbarer Anwendung den Fall einer Kapitalabfindung zur Abgeltung der Unterhaltsansprüche trifft, so daß der Gesetzgeber diesen Lebenssachverhalt ausdrücklich iS der Auffassung des LSG geregelt hat. Hiergegen spricht auch nicht das Argument des VGH, daß damit die finanziellen Verpflichtungen der Versorgungsträger über den vom Gesetzgeber vorgesehenen Umfang hinaus erweitert würden.
Auch aus der Zweckbestimmung des § 5 Abs 1 VAHRG lassen sich keine Argumente gegen die Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat ableiten. Zwar wird zT die Meinung vertreten, daß mit dem Aussetzen der Kürzung der Versorgung des Verpflichteten zum einen der Unterhaltsanspruch des Berechtigten gesichert werden solle; zum anderen bezwecke sie die Vermeidung einer übermäßigen wirtschaftlichen Belastung des Verpflichteten in Zeiten, in denen er trotz bestehender Unterhaltspflicht nur eine gekürzte Versorgung erhält. Beide Zielrichtungen setzten aber erkennbar eine laufende Unterhaltszahlung voraus, so daß § 5 VAHRG bei einer Abfindung von Unterhaltsansprüchen selbst dann nicht anwendbar sein dürfte, wenn bei Bestimmung des Abfindungsbetrages von einem – noch nicht abgelaufenen – Zeitraum der Unterhaltsgewährung ausgegangen worden sei (so zB auch Michaelis/Sander, DAngVers 1983, 104, 110). Diese Argumentation trifft im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu, da der Kläger, wie vom LSG festgestellt, zur Aufbringung der Kapitalabfindung Kredite aufnehmen mußte, die mit Zins- und Rückzahlungsbelastungen auch noch nach Gewährung der Abfindung verbunden sind. Nichts anderes gilt aber auch für den Fall, daß der Verpflichtete die Abfindung aus seinem Vermögen leisten kann. Denn auch dann bleibt er nach Leistung der Abfindungssumme durch den Vermögens- wie durch den Zinsverlust wirtschaftlich belastet.
Die Vorteile, die – je nach Fallgestaltung – nicht nur der Unterhaltsberechtigte, sondern auch der Unterhaltsverpflichtete aus einer Kapitalabfindung ziehen kann und auf die die Revision hinweist, vermögen ebenfalls nicht zu einer anderen Betrachtungsweise zu führen. Diese Einwände gegen die hier vertretene Auffassung erledigen sich bereits deshalb, da § 5 Abs 1 VAHRG in keiner Weise auf die Höhe des dem Berechtigten geleisteten Unterhalts abstellt.
(zu 2) Der Kläger kann nach alledem zwar das ungekürzte laufende Altersruhegeld verlangen, von der sich hieraus ergebenden Nachzahlung allerdings nur die Hälfte. Dies folgt aus § 6 VAHRG.
Nach dieser Vorschrift hat eine auf § 5 VAHRG beruhende Nachzahlung zu gleichen Teilen an den Ausgleichsverpflichteten und -berechtigten (hier: den Kläger und seine geschiedene Ehefrau) zu erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn der Ausgleichsberechtigte materiell keine Berechtigung am Auszahlungsbetrag hat – etwa weil der Verpflichtete den auch unter Berücksichtigung der höheren Rente zustehenden Unterhaltsbetrag bereits gezahlt hat.
Dem Ausgleichsverpflichteten steht dann allerdings frei, dem Versorgungsträger eine Abtretungserklärung oä des Berechtigten vorzulegen und die Auszahlung der vollen Nachzahlung an sich zu verlangen. Differenzen zwischen den Scheidungsparteien wären auf dem Zivilrechtsweg auszutragen.
Die pauschalierende Regelung des § 6 VAHRG soll vermeiden, daß die Versorgungsträger (hier: die Beklagte) zu prüfen haben, welche finanziellen Auswirkungen durch die vorausgegangene Kürzung der Versorgung im einzelnen entstanden sind (insgesamt hierzu BSG vom 19. Dezember 1991, SozR 3-5795 § 6 Nr 2 S 10).
Die Vorschrift erfaßt neben den Nachzahlungen, die nach der Verkündung des VAHRG im Jahre 1983 durch dessen Rückwirkung entstanden sind, auch solche Nachzahlungen, die sich durch die Dauer des Rentenverfahrens ergeben (BSG aaO S 11 f mwN). Nichts anderes gilt auch für den vorliegenden Fall der Nachzahlung aufgrund eines erfolgreichen Antrags nach § 44 SGB X.
Da die Interessen der ausgleichsberechtigten geschiedenen Ehefrau des Klägers durch die Entscheidung des Senats nicht berührt wurden, war sie zum Verfahren nicht gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen (anders als in den Verfahren BSG vom 18. Januar 1990, BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 und BSG vom 19. Dezember 1991, SozR 3-5795 § 6 Nr 2, wo sich jeweils der Ausgleichsverpflichtete gegen die Aufteilung der Nachzahlung zwischen ihm und dem Berechtigten gewandt hatte).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlaß, auf den Schriftsatz des Klägers vom 22. Dezember 1993 erneut in die Beratung einzutreten, bestand nicht. Das BSG kann neues tatsächliches Vorbringen bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 913339 |
NJW 1994, 2374 |