Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19. November 1998 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist, ob die Klägerin ein Recht zur Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen hat.
Die 1928 in Lodz/Polen geborene Klägerin ist Verfolgte des Nationalsozialismus iS des § 1 Abs 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Von April 1943 bis August 1944 arbeitete sie in einer Schneiderei im Ghetto Lodz. Anschließend wurde sie bis April 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern gefangen gehalten. 1948 wanderte sie nach Israel aus, wo sie heute als israelische Staatsangehörige lebt. Im Februar 1990 beantragte sie die Feststellung von Versicherungszeiten, die Nachentrichtung von Beiträgen nach den §§ 21, 22 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) und die Entrichtung laufender freiwilliger Beiträge. Im Juni 1990 stellte sie einen Antrag auf Altersruhegeld. Die Beklagte lehnte zunächst sämtliche Anträge ab, half den hiergegen erhobenen Widersprüchen aber später teilweise ab: Sie bewilligte der Klägerin ab 1. März 1993 Regelaltersrente unter Berücksichtigung ihrer im Ghetto Lodz zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Beitragszeiten und von weiteren Zeiten als Ersatzzeiten. Das Recht der Klägerin zur Entrichtung laufender freiwilliger Beiträge stellte sie für Zeiten ab 1. Januar 1990 fest.
Im Laufe dieses Verfahrens beantragte die Klägerin sodann im Februar 1998 die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Januar 1950 bis Januar 1971 nach § 10 WGSVG in der am 31. Dezember 1989 geltenden Fassung (aF). Zur Nachentrichtung sei sie im Wege eines Herstellungsanspruchs berechtigt. Zwar sei die Antragsfrist des § 10 Abs 1 Satz 4 WGSVG aF am 31. Dezember 1975 abgelaufen. Sie habe aber keine Möglichkeit gehabt, diese Frist einzuhalten. Erst seit dem Urteil des BSG vom 18. Juni 1997 zum Ghetto Lodz sei für sie das Nachentrichtungsrecht nach § 10 WGSVG aF erstmals in Betracht gekommen. Die Beklagte sei daher zur Neueröffnung der abgelaufenen Frist verpflichtet. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Nachentrichtung ab (Bescheid vom 29. April 1998; Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1998).
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 19. November 1998 abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Frist neu zu eröffnen. Mit seinem Urteil zum Ghetto Lodz habe der 5. Senat des BSG weder das Recht fortgebildet noch den Kreis der zur Nachentrichtung Berechtigten erweitert. Bei Ablauf der Antragsfrist Ende 1975 habe keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorgelegen, nach der eine im Ghetto gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung unter keinen Umständen rentenversicherungspflichtig gewesen sei.
Mit der Sprungrevision trägt die Klägerin vor: Nach der Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten vom 22. Dezember 1941 (sog Ostgebiete-VO, RGBl I 777) habe die Reichsversicherungsordnung (RVO) auf Juden (sog Schutzangehörige) und Staatenlose polnischen Volkstums keine Anwendung gefunden. Verfolgten Juden aus den eingegliederten Ostgebieten könne daher nicht entgegengehalten werden, sie hätten die Nachentrichtung bis zum 31. Dezember 1975 beantragen müssen. Ihre Beschäftigungszeiten seien erst nach der genannten Entscheidung des BSG zum Ghetto Lodz berücksichtigungsfähig gewesen. Das Versäumen der Frist sei unschädlich, wenn der Verfolgte sein Nachentrichtungsrecht bis zu ihrem Ablauf weder gekannt habe noch habe kennen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG vom 19. November 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1998 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, sie zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10 WGSVG aF zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
II
Die Sprungrevision der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig. Die Klägerin hat kein Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 WGSVG aF.
1. Die Klägerin war allerdings früher nach dieser Vorschrift iVm § 9 Satz 1 WGSVG aF nachentrichtungsberechtigt, weil bei ihr eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aus Verfolgungsgründen beendet worden ist. Ihre Beschäftigung in einer Schneiderei im Ghetto Lodz von April 1943 bis August 1944 unterlag der Rentenversicherungspflicht und wird dementsprechend von der Beklagten als Pflichtbeitragszeit angerechnet (vgl BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15). Diese Beschäftigung wurde durch die Verbringung in ein Konzentrationslager im August 1944 beendet.
Die Klägerin hat das Nachentrichtungsrecht gemäß § 10 WGSVG aF jedoch nicht rechtzeitig ausgeübt. Als sie sich wegen einer Beitragsentrichtung erstmals im Juni 1990 an einen Rentenversicherungsträger wandte, war die Antragsfrist des § 10 Abs 1 Satz 4 WGSVG aF (31. Dezember 1975), bei der es sich um eine materielle Ausschlußfrist handelt (vgl BSG SozR 5070 § 10 Nr 19 S 42), abgelaufen.
2. Eine Wiedereinsetzung nach § 27 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), die im Grundsatz auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Rechts zulässig ist (vgl BSGE 64, 153 = SozR 1300 § 27 Nr 4), kommt hier nicht in Betracht. § 27 SGB X ist am 1. Januar 1981 und damit erst nach Ablauf sowohl der versäumten Frist als auch nach Ablauf der Frist des § 27 Abs 3 SGB X zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und Nachholung der versäumten Rechtshandlung in Kraft getreten (vgl BSG SozR 5070 § 10 Nr 19 S 42). Zwar kann es geboten sein, auch außerhalb des § 27 SGB X für Ausschlußfristen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorzusehen (BSG SozR 5070 § 10 Nr 19 S 42). Einen solchen Fall hat der Senat jedoch bei bloßer Unkenntnis gesetzlicher Vorschriften über befristete Rechte verneint (vgl BSGE 67, 90, 92 = SozR 3-1200 § 13 Nr 1; BSGE 72, 80, 83 = SozR 3-1300 § 27 Nr 3 S 5 f). Dies gilt auch, wenn ein Verfolgter nach Versäumung der Antragsfrist geltend macht, er habe erst nach Fristablauf in Israel von der Nachentrichtungsregelung erfahren (BSG SozR 3-5070 § 21 Nr 3).
Ob neben einer Wiedereinsetzung ein auf dasselbe Ziel gerichteter sozialrechtlicher Herstellungsanspruchs in Betracht kommt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen, kann dahingestellt bleiben. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, daß die Versäumung der Antragsfrist hier der Beklagten iS einer Verletzung sozialrechtlicher Nebenpflichten zugerechnet werden könnte.
3. Eine Nachentrichtung entsprechend § 10 WGSVG aF mit Neueröffnung der Antragsfrist kommt nicht in Betracht. Allerdings enthielten die §§ 21, 22 WGSVG idF des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 eine Wiedereröffnung dieses Nachentrichtungsrechts. Sie greift jedoch, wie nicht umstritten ist, für die Klägerin unmittelbar nicht ein.
Die §§ 21, 22 WGSVG sind durch Art 21 Nr 5 RRG 1992 in das WGSVG eingefügt worden und gemäß Art 85 Abs 5 RRG 1992 am 1. Januar 1990 in Kraft getreten. Sie enthalten in § 21 WGSVG eine Regelung zur Wiedereröffnung von Nachentrichtungsrechten ua nach § 10 WGSVG aF und begründen in § 22 WGSVG ein neues Nachentrichtungsrecht. Inhalt, Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich der §§ 21, 22 WGSVG hat der Senat bereits näher dargelegt (vgl BSGE 74, 165 = SozR 3-5070 § 21 Nr 1; SozR 3-5070 § 21 Nr 7 S 29 ff). Hierauf wird Bezug genommen.
Die erforderlichen Nachentrichtungsanträge konnten nur bis zum 31. Dezember 1990 gestellt werden (vgl § 21 Abs 4, § 22 Abs 4 WGSVG). Diese Antragsfrist hat die Klägerin eingehalten. § 22 WGSVG sieht eine Nachentrichtung von Beiträgen jedoch frühestens ab 1. Februar 1971 vor (vgl § 22 Abs 2 WGSVG). Die Vorschrift scheidet daher als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin (Nachentrichtung bis Januar 1971) aus.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen, unter denen nach § 21 WGSVG das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 WGSVG aF bis 31. Dezember 1990 erneut vorgesehen war. Satz 1 des § 21 Abs 1 WGSVG idF des RRG 1992 gilt für Personen, bei denen erstmals nach § 20 Abs 2 WGSVG vermutet wird, daß ihre Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis eine wesentliche Ursache für das Verlassen des Vertreibungsgebietes war; sie konnten nochmals einen Antrag auf Nachentrichtung gemäß § 10 WGSVG aF stellen, wenn sie einen solchen Antrag bereits vor dem 1. Januar 1976 (erfolglos) gestellt hatten oder sie in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis 1. Dezember 1980 berechtigt waren, einen solchen Antrag zu stellen. Hiernach war die Klägerin schon deshalb nicht nachentrichtungsberechtigt, weil sie vor dem 1. Januar 1976 keinen Antrag nach § 10 WGSVG aF gestellt hatte und dazu auch vom 1. Dezember 1979 bis 1. Dezember 1980 (nach deutsch-amerikanischem Abkommensrecht) nicht berechtigt war.
Auch Satz 3 des § 21 Abs 1 WGSVG greift zugunsten der Klägerin nicht ein. Diese Vorschrift betrifft Verfolgte mit Zeiten, die vor der Eingliederung in den später eingegliederten Ostgebieten ua nach polnischem Recht zurückgelegt worden waren und deren Anerkennung die Rechtsprechung wegen § 1 Abs 2 Ostgebiete-VO früher abgelehnt hatte. § 17 Abs 1 Buchst b Fremdrentengesetz (FRG) idF des RRG 1992 stellte klar, daß § 1 Abs 2 der Ostgebiete-VO der Berücksichtigung solcher Zeiten nicht entgegensteht. Hieran knüpfte Satz 3 des § 21 Abs 1 WGSVG an und ließ den Antrag auf Nachentrichtung nach § 10 WGSVG aF bis zum 31. Dezember 1990 für diesen Personenkreis zu, wenn er einen solchen Antrag auch schon vor dem 1. Januar 1976 stellen konnte. Satz 3 des § 21 Abs 1 WGSVG verlangte jedoch, daß durch die mit dem RRG 1992 erfolgte Änderung des FRG (dort § 17 Abs 1 Buchst b letzter Halbsatz) erstmalig die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung von Zeiten nach dem FRG geschaffen wurden. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Sie hat keine Beschäftigungs- oder Beitragszeiten zurückgelegt, die nach dem FRG überhaupt oder „erstmalig” berücksichtigungsfähig sind. Ihr geht es um eine Nachentrichtung von Beiträgen wegen angeblich erstmaliger Berücksichtigungsfähigkeit von Zeiten, die sie als jüdische Verfolgte nach der Eingliederung in den Ostgebieten unter der Geltung von Reichsrecht zurückgelegt hat.
4. Der Senat hat eine entsprechende Anwendung des § 21 Abs 1 Satz 3 WGSVG auf derartige Sachverhalte mit Urteil vom 4. Juni 1998 (SozR 3-5070 § 21 Nr 7) abgelehnt. Hieran hält er fest. Eine entsprechende Anwendung käme allenfalls in Betracht, wenn die Rechtsprechung ursprünglich eine Berücksichtigung der im Ghetto oder nach der Eingliederung in den Ostgebieten zurückgelegten Beschäftigungs- und Beitragszeiten abgelehnt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall.
Es liegt keine frühere höchstrichterliche Rechtsprechung vor, wonach eine in einem Ghetto gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung unter keinen Umständen eine versicherungspflichtige Beschäftigung darstellt (vgl SozR 3-5070 § 21 Nr 7 S 38). Zwar hatte der 1. Senat des BSG für einen Bewohner des Ghettos Tarnow die Arbeit in einem Beschäftigungsverhältnis verneint. Maßgebend dafür war jedoch, daß der damalige Kläger zu unentgeltlicher Zwangsarbeit herangezogen worden war und unentgeltliche Arbeit auch außerhalb eines Zwangsarbeitsverhältnisses nicht zur Versicherungspflicht geführt hätte (vgl BSG SozR 5070 § 14 Nr 9). Im Jahre 1997 hat der 5. Senat des BSG (BSGE 80, 250, 253 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15) dann entschieden, daß allein die Beschränkung der Freizügigkeit des Arbeitnehmers wie im Ghetto Lodz während des Zweiten Weltkrieges die Verrichtung nichtselbständiger Arbeit in einem Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis nicht ausschließt. Im Gebiet von Lodz sei das Recht der RVO durch die Ostgebiete-VO eingeführt worden. Auf die Beschäftigung der dortigen (jüdischen) Klägerin von Januar 1942 bis 1944 sei § 1226 Abs 1 Nr 1 RVO in der damaligen Fassung anzuwenden.
Der 5. Senat des BSG sah sich bei seiner Entscheidung an einer Anerkennung der im Ghetto Lodz von der jüdischen Klägerin verrichteten Arbeit als rentenversicherungspflichtige Beschäftigungszeit durch § 1 Abs 1 Satz 2 der Ostgebiete-VO nicht gehindert. Danach fanden die Vorschriften der Ostgebiete-VO „keine Anwendung auf Schutzangehörige und Staatenlose polnischen Volkstums”. Zwar erhielten Personen, die zu den sog Schutzangehörigen und Staatenlosen polnischen Volkstums gehörten, nach der Rechtsprechung des BSG für ihre vor dem 1. Januar 1942 (vgl § 1 Abs 3 Ostgebiete-VO) an polnische Versicherungsträger entrichteten Beiträge wegen § 1 Abs 2 Ostgebiete-VO grundsätzlich keine Leistungen aus der bundesdeutschen Rentenversicherung; Fremdrentenzeiten wurden bei diesem Personenkreis insoweit nicht berücksichtigt (vgl BSG SozR Nr 5 zu § 17 FRG; BSGE 62, 109, 111 = SozR 5050 § 17 Nr 11; SozR 3-5070 § 21 Nr 7 S 33). Hieraus kann jedoch entgegen der Ansicht der Revision nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, die Anrechnung der nach der Eingliederung im Ghetto Lodz zurückgelegten reichsrechtlichen Beschäftigungszeiten wäre früher wegen § 1 Abs 2 Ostgebiete-VO ebenso abgelehnt worden wie die Anrechnung der polnischen Beschäftigungszeiten. Höchstrichterliche Entscheidungen, die wegen der damaligen Sonderbehandlung der „Schutzangehörigen und Staatenlosen polnischen Volkstums” die Anerkennung ihrer nach dem Stichtag (1. Januar 1942) zurückgelegten Zeiten als Reichsbeitragszeiten abgelehnt hätten, sind nicht bekannt. Bereits im Verfahren, das der Entscheidung des erkennenden Senats vom 4. Juni 1998 (SozR 3-5070 § 21 Nr 7 S 37) zugrunde lag, hatte der Rentenversicherungsträger vorgetragen, daß es eine entsprechende Verwaltungspraxis nicht gegeben habe. Die Revision hat auch im vorliegenden Verfahren nichts Gegenteiliges vorgebracht und belegt. Die von ihr in diesem Zusammenhang genannten Urteile des BSG (SozR Nr 5 zu § 17 FRG, SozR Nr 6 zu § 1321 RVO und SozR 2200 § 1250 Nr 9) betreffen nicht die Auswirkungen des § 1 Abs 2 Ostgebiete-VO auf die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten, die nach den Reichsversicherungsgesetzen in den eingegliederten Ostgebieten zurückgelegt wurden. Sollte es gleichwohl im Einzelfall zu Ablehnungen solcher Zeiten gekommen sein, war es erforderlich und den hiervon Betroffenen auch zuzumuten, den Rechtsweg zu beschreiten. Die Klägerin hat jedoch bis zum Ablauf der Frist des § 10 WGSVG aF weder eine Berücksichtigung ihrer im Ghetto Lodz zurückgelegten Beschäftigungszeiten beantragt noch ein Nachentrichtungsbegehren auf die verfolgungsbedingte Unterbrechung solcher Zeiten gestützt.
5. Die Klägerin hat schließlich kein Recht auf Neueröffnung der abgelaufenen Frist, weil sie diese nicht hätte einhalten können.
Die Ausübung eines Nachentrichtungsrechts bis zu einer bestimmten Frist setzt voraus, daß der Berechtigte sein Recht kennen und die Frist einhalten kann. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 24. Oktober 1985 (SozR 5070 § 10a Nr 13 S 43) für Härteausgleichsempfänger verneint, weil der Wortlaut des Gesetzes (§ 10a WGSVG) den Kreis der Berechtigten mit den Ausbildungsgeschädigten nur unvollständig (lückenhaft) umschrieben hatte; als die Lücke zugunsten der Härteausgleichsberechtigten durch eine spätere gerichtliche Entscheidung geschlossen wurde, war die Frist für die Ausübung des Rechts bereits verstrichen. Um die lückenfüllende Entscheidung des Gerichts zugunsten der Härteausgleichsempfänger nicht „leerlaufen” zu lassen, hielt es der Senat damals für geboten, auch die gesetzliche Fristenregelung entsprechend zu ergänzen und die Antragsfrist neu zu eröffnen (ähnlich BSG SozR 5070 § 10a Nr 15). Bei der Klägerin liegen die im Urteil vom 24. Oktober 1985 (SozR 5070 § 10a Nr 13 S 43) genannten Kriterien für eine Neueröffnung der Frist des § 10 Abs 1 Satz 4 WGSVG aF jedoch nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, daß sie ihr Nachentrichtungsrecht bis zum Ablauf der Frist (31. Dezember 1975) nicht kennen konnte und nicht in der Lage war, es auszuüben. Sie hat sich nach den Feststellungen des SG erstmals 1990 an die Beklagte gewandt; zuvor hatte der Rentenversicherungsträger keinen Anlaß zur Prüfung, ob ihre im Ghetto Lodz zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Versicherungszeiten anzuerkennen waren. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß eine frühere Klärung dieser Frage für die Klägerin aussichtslos und es deswegen bloßer Formalismus gewesen wäre, einen entsprechenden Nachentrichtungsantrag noch bis zum 31. Dezember 1975 zu stellen (hierzu oben 4).
Hiernach erwies sich die Sprungrev ision der Klägerin als unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 542755 |
NZS 2000, 312 |
SozSi 2001, 70 |