Leitsatz (amtlich)
Auch erwerbsunfähige Hirnbeschädigte können eine erhöhte Pflegezulage nur dann erhalten, wenn ihre Gesundheitsstörung so schwer ist, daß sie dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege erfordert.
Normenkette
BVG § 35 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1950-12-20, S. 3 Fassung: 1950-12-20, S. 1 Fassung: 1960-06-27, S. 2 Fassung: 1960-06-27, S. 4 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger bezieht seit dem Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) am 1. Oktober 1950 vor allem wegen der Folgen einer Verletzung der linken Großhirnhälfte die Versorgungsrente eines Erwerbsunfähigen. Als Schädigungsfolgen wurden zuletzt (Bescheid vom 4. Mai 1972) anerkannt:
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1. |
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Narbe mit Knochendefekt in der linken Scheitelgegend; Hirnschädigung mit gespannter Halbseitenlähmung rechts, Sprachstörungen, deutlichen psychischen Veränderungen; |
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2. |
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Narben am rechten Bein; |
Schwere Schädigung des rechten Ischiasnerven;
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3. |
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Narben am linken Bein; |
Hautweichteilnarbe am linken Unterschenkel;
Mit geringer Verformung verheilter Schienbeinbruch links;
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4. |
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Narben über dem Kreuzbein. |
Durch Bescheid vom 28. November 1951 bewilligte das Versorgungsamt (VersorgA) G dem Kläger als erwerbsunfähigem Hirnverletzten eine Pflegezulage von monatlich DM 50,- (§ 35 Abs. 1 Satz 3 BVG vom 20. Dezember 1950; BGBl 791; im folgenden: BVG aF), die sich in der Folgezeit erhöhte und ab 1. Juni 1960 (Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes-KOV - 1. NOG - vom 27. Juni 1960; BGBl I 453) nach der Stufe I (§ 35 Abs. 1 Satz 4 BVG idF des 1. NOG; im folgenden: BVG nF) bemessen wurde (Bescheid vom 31. Juli 1961). Der Kläger bezieht ferner seit dem 1. November 1961 Schwerstbeschädigtenzulage, ab 1. Januar 1970 nach Stufe VI.
Am 13. November 1961 beantragte er die Gewährung einer Pflegezulage der Stufe II. In dem daraufhin eingeholten Gutachten der R Landesklinik für Hirnverletzte in B vom 10. Oktober 1963 hielten Oberarzt Dr. W und Dr. L den Kläger insbesondere aufgrund der schweren spastischen Rechtsseitenlähmung und der erheblichen Sprachstörungen für in einem höheren als dem der Stufe I der Pflegezulage entsprechenden Maße pflegebedürftig und schlugen die Gewährung einer Pflegezulage der Stufe II vor. Dem stimmte der Leitende Arzt des VersorgA nicht zu. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1963, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 1. April 1964, lehnte das VersorgA sowohl die Neufeststellung des Anspruchs auf Pflegezulage (§ 62 Abs. 1 BVG) als auch die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG-KOV) vom 2. Mai 1955 (BGBl I 202) ab. Seine hiergegen gerichtete Klage nahm der Kläger zurück.
Am 15. November 1968 beantragte er abermals eine höhere Pflegezulage, weil sich sein Leidenszustand verschlimmert habe und im übrigen die Leistung von Anfang an zu niedrig bemessen worden sei. Nach Erhebung eines Gutachtens des Chefarztes der Neurologischen Abteilung des Knappschafts-Krankenhauses G, Dr. F, vom 16. Februar 1969 lehnte das VersorgA den Antrag ab, weil sich die anerkannten Schädigungsfolgen nicht verschlimmert hätten und an der Bindung des Bescheides vom 16. Dezember 1963 festgehalten werde (Bescheid vom 1. April 1969, Widerspruchsbescheid vom 1. September 1969). Im nachfolgenden Rechtsstreit verpflichtete sich der Beklagte, die Höhe der Pflegezulage auf den Antrag des Klägers vom 15. November 1968 im Zugunstenwege zu überprüfen; der Kläger nahm seine Klage zurück.
In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. März 1971 vertrat Oberregierungsmedizinalrat Dr. S die Ansicht, nach der Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 7 zu § 35 BVG sei bei erwerbsunfähigen Hirnverletzten die Höhe der Pflegezulage allein von der Schwere der Krankheitserscheinungen und nicht von dem Vorliegen einer gesteigerten Hilflosigkeit (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BVG) abhängig. Hiernach stehe dem Kläger Pflegezulage der Stufe II zu. Der daraufhin vorgeschlagenen Erteilung eines Zugunstenbescheides versagte das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen die Zustimmung. Mit Bescheid vom 4. Mai 1972 lehnte das VersorgA die Erteilung einer Zugunstenentscheidung über die Gewährung einer höheren Pflegezulage ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 1973).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab November 1968 Pflegezulage der Stufe II zu bewilligen (Urteil vom 11. April 1974). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung seiner Ehefrau der Berufung des Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 4. Dezember 1975). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Berufung sei nicht nach § 148 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen, weil letztlich wiederum die Erstfeststellung der Pflegezulage streitig sei. Der Bescheid vom 28. November 1951 sei nicht unrichtig. Das Erfordernis einer schädigungsbedingten erhöhten Hilflosigkeit in Form dauernden Krankenlagers oder außergewöhnlicher Pflege für die Gewährung einer über die Stufe I hinausgehenden Pflegezulage (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BVG) gelte auch für erwerbsunfähige Hirnbeschädigte; bei ihnen sei das Erfordernis der Hilflosigkeit nicht generell durch ein anderes anspruchsbegründendes Merkmal - die Schwere der Krankheitserscheinungen - ersetzt. § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG stehe dem nicht entgegen; hierdurch werde im Hinblick auf die Besonderheiten schwerer Hirnverletzungen lediglich ohne Prüfung des Einzelfalles unwiderlegbar vermutet, daß Hilflosigkeit i.S. des § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG vorliege. Eine höhere Pflegezulage hingegen könne nicht losgelöst von den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 BVG gewährt werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der VV Nr. 7 zu § 35 BVG; sie bedeute nur, daß bei der Prüfung, ob eine erhöhte Hilflosigkeit vorliege, die sich in dem Grad der Hirnleistungsschwäche (der psychischen Störungen) und der Bereitschaft zu Krampfanfällen äußernde Schwere der Krankheitserscheinungen vorrangig zu berücksichtigen sei. Hingegen widerspreche es dem Charakter der Pflegezulage, sie als Ausgleich für die besondere Schwere der Gesundheitsstörungen zu gewähren. Der Kläger bedürfe weder dauernden Krankenlagers noch außergewöhnlicher Pflege. Er könne sogar noch einen großen Teil der Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe erledigen und, wenn auch mit bemerkenswertem Energieaufwand, einer Berufstätigkeit nachgehen.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, es liege im Sinne des Gesetzes, wenn die VVen zu § 35 BVG den Personenkreis der Hirnverletzten besonders hervorheben und die Versorgungsverwaltung dem Rechnung tragen müsse. Wenn bei schweren psychischen und physischen Störungen und der Gebrauchsbehinderung mehrerer Gliedmaßen eventuell sogar eine Pflegezulage der Stufe V in Betracht komme, so sei nicht einzusehen, daß er - der Kläger -, bei dem diese Merkmale sowie eine vollständige Halbseitenlähmung, schwerste psychische Störungen und Bewußtseinsstörungen vorlägen und die Schädigung der rechten Gliedmaßen ihrem Verlust gleichzusetzen sei, nicht wenigstens Pflegezulage der Stufe II erhalte. Hierfür spreche auch die Mehrzahl der vorliegenden ärztlichen Äußerungen. Daß er berufstätig sei, dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 1975 abzuändern und die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Einwendungen des Klägers gegen die Beweiswürdigung durch das LSG für unbeachtlich.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig begründet worden. Die Revisionsbegründung läßt mit ausreichender Bestimmtheit (vgl. BSGE 1, 227, 231; 8, 31, 32) erkennen, daß der Kläger eine insbesondere unter Beachtung der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften fehlerhafte Anwendung und Auslegung des § 35 Abs. 1 BVG durch das Berufungsgericht rügt (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Revision ist nicht begründet.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei als Streitgegenstand des Verfahrens "eine Zugunstenregelung in bezug auf die Erstfeststellung der Pflegezulage" angesehen und deswegen die Berufung nicht für ausgeschlossen gehalten (§ 148 Nr. 3 SGG). Daß bereits durch den Bescheid vom 16. Dezember 1963 die Gewährung einer höheren Pflegezulage auch im Zugunstenwege abgelehnt worden ist, hat einer sachlichen Überprüfung des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 4. Mai 1972 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1973 schon deswegen nicht entgegengestanden, weil der Beklagte sich im Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1970 verpflichtet hatte, die Höhe der Pflegezulage im Zugunstenwege zu überprüfen, und damit die früheren ablehnenden Bescheide gegenstandslos geworden sind (vgl. BSG SozR 3900 § 40 Nr. 3).
Nach § 40 Abs. 1 VerwVG-KOV in der seither unverändert geltenden Fassung des 1. NOG (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes vom 6. Mai 1976; BGBl I 1169) kann die Verwaltungsbehörde zugunsten des Berechtigten jederzeit einen neuen Bescheid erteilen. Ihr ist damit ein sogen. Handlungsermessen eingeräumt worden, dessen Ausübung zur Voraussetzung hat, daß die frühere Entscheidung von Anfang an unrichtig gewesen ist (BSGE 29, 278, 282 = SozR VerwVG § 40 Ca 15 Nr. 12; BSG SozR 3900 § 40 Nr. 3). Hat ein früherer, bindend gewordener Bescheid zweifelsfrei gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen, und ergibt seine Nachprüfung im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung nach § 40 Abs. 1 VerwVG-KOV, daß er materiell offensichtlich unhaltbar ist, so hat die Versorgungsbehörde nicht mehr die Wahl, ob sie zugunsten des Berechtigten einen neuen Bescheid erteilen oder davon Abstand nehmen will; sie ist vielmehr verpflichtet, einen der materiellen Rechtslage entsprechenden neuen Bescheid zu erteilen (BSGE 19, 286, 288; 26, 146, 148 f; 36, 21, 22; BSG SozR VerwVG § 40 Ca 20 Nr. 16). Das Tatbestandsmerkmal der "Unrichtigkeit des Erstbescheides" unterliegt im Streitfalle wie jedes Tatbestandsmerkmal der vollen tatrichterlichen Nachprüfung (BSGE 29, 278, 284).
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Bescheid vom 28. November 1951 und damit inzidenter auch den Bescheid vom 31. Juli 1961 nicht als von Anfang an unrichtig angesehen und deswegen den Beklagten nicht für verpflichtet gehalten, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung einer höheren Pflegezulage zu erteilen oder ihm - wie das SG gemeint hat - Pflegezulage der Stufe II zu gewähren. Das angefochtene Urteil begegnet allerdings insofern Bedenken, als das Berufungsgericht ersichtlich die Richtigkeit der Bescheide unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils geltenden und demnach nicht auf der Grundlage der im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide jeweils maßgebenden Rechtsvorschriften geprüft hat. Aber auch unter Zugrundelegung dieser Vorschriften erweist sich die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Bescheid vom 28. November 1951 und der aufgrund des 1. NOG erlassene Bescheid vom 31. Juli 1961 nicht unrichtig gewesen seien, als zutreffend. Das gilt insbesondere insoweit, als das Berufungsgericht eine rechtliche Unrichtigkeit verneint hat.
Erwerbsunfähige Hirnverletzte (Hirnbeschädigte) können eine den Mindestbetrag (§ 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF) bzw. die Stufe I (§ 35 Abs. 1 Satz 4 BVG nF) übersteigende Pflegezulage nur dann erhalten, wenn ihre Gesundheitsstörung so schwer ist, daß sie dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege erfordert (§ 35 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz BVG aF; § 35 Abs. 1 Satz 2 BVG nF).
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG aF wird dem Beschädigten, solange er infolge der Schädigung so hilflos ist, daß er nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen kann, eine Pflegezulage von DM 50,- monatlich gewährt; ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung der für die Pflege erforderlichen Aufwendungen auf DM 75.-, 100.-, 125.- oder 150.- zu erhöhen. Blinde erhalten in der Regel die Pflegezulage von DM 100.-. Erwerbsunfähige Hirnverletzte erhalten eine Pflegezulage von mindestens DM 50.-. Abgesehen von wiederholten Erhöhungen der Beträge der Pflegezulage sowie ihrer Zuordnung zu bestimmten Stufen von I bis V, einer redaktionellen Änderung (Aufteilung der bisherigen Halbsätze des Abs. 1 Satz 1 in Sätze 1 und 2) und der Einfügung des § 35 Abs. 1 Satz 5 BVG ist die Regelung im Grundsatz bis heute unverändert geblieben (vgl. nunmehr § 35 Abs. 1 BVG idF der Bekanntmachung vom 22. Juni 1976; BGBl I 1633). Das gilt insbesondere bezüglich der Voraussetzungen für eine erhöhte Pflegezulage und der Sonderregelung zugunsten erwerbsunfähiger Hirnbeschädigter, so daß die nachfolgenden Ausführungen zu § 35 BVG aF auch für die Auslegung der Vorschrift in ihren seit dem Inkrafttreten des 1. NOG geltenden Fassungen maßgebend sind.
Die Ansicht des SG, bei erwerbsunfähigen Hirnverletzten bzw. Hirnbeschädigten (vgl. BSGE 8, 130, 132 f und nunmehr § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG nF) werde das Erfordernis der (gesteigerten) Hilflosigkeit als Voraussetzung für die Gewährung der (erhöhten) Pflegezulage generell durch eine andere Anspruchsvoraussetzung, nämlich die Schwere der Krankheitserscheinung, ersetzt, ist schon nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Einzelregelungen in § 35 Abs. 1 BVG unzutreffend. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG aF, der durch seine Voranstellung als Grundregelung charakterisiert ist, sind der Anspruch auf die "einfache" Pflegezulage von dem Vorliegen einer Hilflosigkeit (zum Begriff vgl. BSGE 8, 97, 99; 12, 20, 22, 24; 15, 10, 12 f; 20, 205; BSG SozR BVG § 35 Ca 3 Nr. 7) und der Rechtsanspruch (vgl. BSG SozR 3100 § 35 Nr. 3) auf eine erhöhte Pflegezulage von einer gesteigerten Hilflosigkeit infolge des Erfordernisses dauernden Krankenlagers oder außergewöhnlicher Pflege (vgl. hierzu BSG SozR BVG § 35 Ca 8 Nr. 13) abhängig. Dies gilt zunächst für alle Beschädigten ohne Rücksicht auf die Art ihrer Schädigung und die Höhe der dadurch verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Erst durch § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BVG aF werden für bestimmte Gruppen von Beschädigten in beschränktem Umfange Sonderregelungen getroffen. Blinde erhalten in der Regel die (später erhöhte) Pflegezulage von DM 100.-, erwerbsunfähige Hirnverletzte (zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit im hier verwendeten Sinne vgl. BSGE 1, 56, 57; 8, 69, 71; 22, 82, 83; BSG SozR BVG § 35 Ca 15 Nr. 19) eine Pflegezulage von mindestens DM 50.-.
Ob hierdurch dem erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten ausnahmsweise trotz Nichtvorliegens einer Hilflosigkeit Pflegezulage gewährt wird oder ob diese Leistung nicht vielmehr deswegen zuerkannt wird, weil erfahrungsgemäß erwerbsunfähige Hirnverletzte immer hilflos sind, so daß lediglich eine Hilflosigkeit fingiert wird, um unnötige Verwaltungsarbeit zu ersparen, und sich damit § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF gar nicht als Ausnahmevorschrift vom Prinzip der Hilflosigkeit als Voraussetzung für die Gewährung der Pflegezulage darstellt, kann dahinstehen (ebenso wie zu § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG nF; vgl. BSGE 20, 205, 208; 22, 82, 85). Denn in jedem Falle ist § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF eine Ausnahmevorschrift; unerheblich ist, ob der Ausnahmecharakter darin besteht, daß dem erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten Pflegezulage trotz Nichtvorliegens von Hilflosigkeit gewährt wird, oder darin, daß der sonst erforderliche Nachweis der Hilflosigkeit durch eine Fiktion oder eine unwiderlegbare Vermutung (so BSG SozR 3100 § 35 Nr. 5) ersetzt bzw. Hilflosigkeit unterstellt wird (so BSGE 8, 69, 71). Schon von dieser seiner Rechtsnatur als Ausnahmevorschrift her ist § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF eng auszulegen (BSGE 1, 56, 58; 8, 130, 134). Aber auch ohne Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze ist eine enge Auslegung allein von seinem Wortlaut her geboten. Erwerbsunfähige Hirnverletzte erhalten "mindestens" die einfache Pflegezulage. Durch die Verwendung des Wortes "mindestens" wird der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF und damit der Umfang der Abweichung von dem in Satz 1 der Vorschrift verankerten Grundsatz eindeutig begrenzt und - wie im übrigen auch ein Vergleich mit der Sonderregelung für blinde Beschädigte (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BVG aF) ergibt - eine Ausnahmeregelung zugunsten der erwerbsunfähigen Hirnverletzten nur insofern getroffen, als ihnen ohne Vorliegen bzw. ohne den Nachweis einer Hilflosigkeit die einfache Pflegezulage gewährt werden soll. Für den Anspruch auf Gewährung einer höheren Pflegezulage gilt dies hingegen nicht; dieser Anspruch wird von der Ausnahmevorschrift des § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG nicht erfaßt und damit wieder der Grundregelung des Satzes 1 unterstellt mit der Folge, daß ebenso wie allen anderen Beschädigten (mit Ausnahme der Blinden) auch erwerbsunfähigen Hirnverletzten eine erhöhte Pflegezulage nur dann gewährt werden darf, wenn ihr durch die Schädigungsfolgen jedenfalls wesentlich mitverursachter Gesamtleidenszustand (vgl. BSGE 41, 80, 83 = SozR 3100 § 35 Nr. 2) so schwer ist, daß er dauerndes Krankenlager oder außergewöhnliche Pflege erfordert.
Das SG hat seine gegenteilige Auffassung im wesentlichen auf die VV Nr. 7 zu § 35 BVG gestützt (hier maßgeblich idF vom 1. März 1951 - Beilage zu BAnz Nr. 61 vom 30. März 1951; BVBl 1951, 1 -; zum jetzigen Rechtszustand vgl. VV Nr. 7 Satz 2 zu § 35 BVG vom 26. Juni 1969 - Beilage zu BAnz Nr. 119 vom 4. Juli 1969 und zu BVBl Heft 7/ 1969 - idF der VV vom 25. April 1975 - BAnz Nr. 83 vom 6. Mai 1975; BVBl 1975, 61 -). Danach ist die Frage, ob bei erwerbsunfähigen Hirnverletzten eine höhere Pflegezulage als DM 50.- in Betracht kommt, im Einzelfall nach der Schwere der Krankheitserscheinungen zu entscheiden; der Grad der Hirnleistungsschwäche, die Bereitschaft zu Krampfanfällen usw. sind dabei zu berücksichtigen. Das SG hat hierin eine für die Verwaltung bindende Anweisung gesehen, daß bei der Prüfung, welche Stufe der Pflegezulage in Betracht komme, abweichend von § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF andere Merkmale zu beachten seien. Dem ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Das SG hat das Wesen und die Bedeutung von Verwaltungsvorschriften und ihr Verhältnis zu dem Gesetz, dessen Durchführung sie dienen, verkannt.
Verwaltungsvorschriften, sofern sie nicht aufgrund einer gesetzlichen Einzelermächtigung erlassen worden sind und deswegen Rechtssatzcharakter mit allgemein verbindlicher Wirkung haben (BSGE 29, 41, 42), sind allgemeine Anweisungen an nachgeordnete Verwaltungsbehörden zur Ausführung eines Gesetzes. Im Gegensatz zu Rechtsnormen besitzen sie lediglich verwaltungsinterne Bedeutung (BSGE 29, 41, 42); sie müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften halten, zu denen sie ergangen sind, und stellen unter dieser Voraussetzung für die Verwaltung bindende Interpretationsvorschriften dar, denen nur zu entnehmen ist, wie nach Meinung der erlassenden Behörde das Gesetz auszulegen ist (BSGE 4, 165, 167; BSG SozR BVG § 35 Ca 12 Nr. 18; SozR 3100 § 35 Nr. 5). Die sich aus ihnen ergebende Auffassung muß im Gesetz erkennbar Ausdruck gefunden haben; die Auslegung muß sich immer im Rahmen des noch möglichen Wortlauts, äußerstenfalls des Wortsinns und des Sinnzusammenhanges des Gesetzes halten (BSGE 8, 140; BSG SozR BVG § 35 Ca 12 Nr. 18). Im übrigen enthalten allgemeine Verwaltungsvorschriften keine authentische Auslegung gesetzlicher Vorschriften (BSGE 6, 252, 254 f; 8, 130, 133; 10, 108, 122); ihnen kommt keine normative Wirkung (BSG SozR 3100 § 35 Nr. 5) und deswegen auch keine Verbindlichkeit für die Auslegung des zugrundeliegenden Gesetzes im gerichtlichen Verfahren zu (BSGE 11, 190, 191; 15, 137, 140 f).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze würde die VV Nr. 7 zu § 35 BVG in der Auslegung durch das SG, wonach bei erwerbsunfähigen Hirnverletzten abweichend von § 35 Abs. 1 BVG für die Bemessung der Höhe der Pflegezulage generell die Schwere der Krankheitserscheinungen maßgebend ist, im Widerspruch zu der zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschrift stehen und allein wegen dieser unrichtigen Auslegung des Gesetzes (vgl. BSGE 13, 40, 42) der Verbindlichkeit entbehren. Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß die VV Nr. 7 zu § 35 BVG einer anderen als der vom SG vorgenommenen Auslegung zugänglich ist und sich diese andere Auslegung im Rahmen des § 35 Abs. 1 BVG hält.
Die Auslegung des § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BVG aF dahingehend, daß auch erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten eine erhöhte Pflegezulage nur bei gesteigerter Hilflosigkeit zu gewähren ist, entspricht dem Rechtscharakter der Pflegezulage als einer nach Grund und Höhe ausschließlich von einer durch den Leidenszustand geprägten Hilflosigkeit (nicht Hilfsbedürftigkeit; vgl. BSGE 3, 217, 222; 20, 205) und dadurch bedingten persönlichen Wartung und Pflege abhängigen Leistung (BSGE 8, 69, 70 und 97, 99; 12, 20, 22; 20, 205). Von dem Grad der MdE hingegen darf die Bewilligung der Pflegezulage grundsätzlich nicht abhängig gemacht werden (BSGE 8, 97, 99; 17, 114, 119; 41, 80, 85); damit werden die Hilflosigkeit und ihr Ausmaß auch nicht notwendigerweise unmittelbar durch die Schwere der Schädigung (BSGE 41, 80, 84) und eventuell damit verbundene Schmerzen und seelische Begleiterscheinungen geprägt (BSG SozR BVG § 35 Ca 11 Nr. 17). Angesichts dessen ist es grundsätzlich systemfremd, die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Pflegezulage zu gewähren ist, von der Art der Schädigungsfolgen und dem Ausmaß der durch sie bewirkten Erwerbsminderung abhängig zu machen. Dies kann allenfalls aufgrund einer Ausnahmevorschrift innerhalb der darin festgelegten Grenzen geschehen. § 35 Abs. 1 Satz 3 BVG aF steckt diese Grenzen bei erwerbsunfähigen Hirnverletzten dahin ab, daß bei ihnen die Art der Schädigung und der Grad der dadurch hervorgerufenen MdE lediglich die Gewährung der einfachen Pflegezulage rechtfertigen.
Das Berufungsgericht hat hiernach im Ergebnis zutreffend die Unrichtigkeit des Bescheides vom 28. November 1951 verneint. Dasselbe gilt für den Bescheid vom 31. Juli 1961, durch welchen dem Kläger für die Zeit ab 1. Juni 1960 (Inkrafttreten des 1. NOG) eine Pflegezulage der Stufe I bewilligt worden ist. Die für den Neufeststellungsbescheid maßgebenden Bestimmungen (§ 35 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 BVG nF) haben gegenüber dem bis zu ihrem Inkrafttreten geltenden Recht in dem hier erheblichen Umfange inhaltlich keine Änderung erfahren (vgl. BSGE 22, 82).
Die Feststellung des LSG, der Leidenszustand des Klägers erfordere weder dauerndes Krankenlager noch außergewöhnliche Pflege, ist für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG; vgl. BSGE 15, 10, 13). Zulässige und begründete Revisionsrügen sind hiergegen nicht vorgebracht worden. Das Revisionsgericht kann insoweit nur nachprüfen, ob das Berufungsgericht die tatsächlichen Feststellungen unter Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen, getroffen hat (BSG SozR 1500 § 163 Nr. 2; Urteil vom 24. November 1976 - 1 RA 151/75 -). Eine dementsprechende Rüge hat der Kläger nicht erhoben. Sein Vorbringen, das Gutachten des Dres. W und L vom 10. Oktober 1963 und die Stellungnahme des Dr. S vom 1. März 1971 sprächen für den geltend gemachten Anspruch, richtet sich gegen die allein dem Berufungsgericht vorbehaltene Beweiswürdigung. Abgesehen davon brauchte das Berufungsgericht diesen ärztlichen Äußerungen umso weniger zu folgen, als sie auf dem unzutreffenden rechtlichen Gesichtspunkt beruhen, daß sich bei erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten die Höhe der Pflegezulage stets nach der Schwere der Krankheitserscheinung richte. Das weitere Vorbringen der Revision, die Aussage der Ehefrau des Klägers enthalte viele Merkmale, die einen erhöhten Aufwand bei der Pflege aufzeigten, betrifft ebenfalls allein die Beweiswürdigung und weist keine Gesichtspunkte auf, nach denen sie verfahrensfehlerhaft vorgenommen sein könnte.
Die Revision des Klägers war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen