Leitsatz (amtlich)
1. BVG § 30 Abs 3 und 4 DV § 7 ist eine Sonderregelung, die, wenn ihre Anwendbarkeit feststeht, auch allein maßgebend bleibt. Feststellungen, die für die Anwendbarkeit der BVG § 30 Abs 3 und 4 DV §§ 3 bis 5 nicht ausgereicht haben, dürfen dann nicht mehr als zusätzliche Erwägungen bei BVG § 30 Abs 3 und 4 DV § 7 herangezogen werden.
2. Der vermutliche Abschluß einer beruflichen Ausbildung ist nicht nach einem konkreten beruflichen Ausbildungsgang, sondern nach einer durchschnittlichen Dauer der Ausbildung zu bestimmen.
3. Für eine vermutliche Hochschulausbildung ist eine Dauer von 5 Jahren anzunehmen.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1971-12-16, Abs. 4 Fassung: 1971-12-16; BVG§30Abs3u4DV § 7 Abs. 1 S. 5 Fassung: 1968-02-28, Abs. 2 Fassung: 1968-02-28, Abs. 1 S. 4, Abs. 2 Fassung: 1974-04-11
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 1975 und der Bescheid des Versorgungsamtes D vom 18. Juni 1971 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 1972 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Berufsschadensausgleich bereits für die Zeit vom 1. April 1974 an zu gewähren.
Im übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der am 12. Mai 1947 geborene Kläger, der sich schon vor der im Oktober 1966 bestandenen Reifeprüfung freiwillig zur Bundeswehr gemeldet hatte, leistete als Soldat auf Zeit von Januar 1967 bis zu seiner Entlassung aus der Bundeswehr am 2. Januar 1969 Wehrdienst. Mit Beginn des Sommersemesters 1969 nahm er das Studium der Rechtswissenschaften auf. Ende Juni 1969 wurde eine Lymphogranulomatose festgestellt, die nach ärztlichem Urteil im August 1968 begonnen hatte. Seit 1973 ist der Kläger aus gesundheitlichen Gründen vom Studium ständig beurlaubt.
Durch Bescheid vom 16. März 1971 gewährte ihm das Versorgungsamt (VersorgA) D gemäß § 81 a des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) wegen der Gesundheitsstörung "Lymphogranulomatose" Kannversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. vom 1. Januar 1970 an. Die Entscheidung über einkommensabhängige Leistungen blieb vorbehalten.
Mit Bescheid vom 18. Juni 1971 lehnte das VersorgA die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab, weil ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht vorliege; auch ohne die Gesundheitsstörung würde sich der Kläger noch in Hochschulausbildung befinden. Der Widerspruch war vergeblich (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1972).
Die Klage, mit der der Kläger die Gewährung von Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 13 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) ab 1. Oktober 1972 verlangt hatte, hat das Sozialgericht (SG) Duisburg durch Urteil vom 22. November 1973 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 21. Januar 1975 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, da Art, Umfang und Dauer einer bindend bewilligten Kannleistung denen der Rechtsansprüche entsprächen, könne auch die Gewährung von Berufsschadensausgleich im Wege der Verpflichtung des Beklagten zur Leistung verlangt werden, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Dies sei indessen nicht der Fall. Die Schädigung des Klägers sei während seines Bundeswehrdienstes im August 1968 eingetreten. In diesem Zeitpunkt sei seine Schulausbildung abgeschlossen gewesen, weil er die Reifeprüfung schon im Oktober 1966 bestanden habe. Seine berufliche Ausbildung habe er damals noch nicht begonnen gehabt. Seine früheren Angaben über das Berufsziel und insbesondere der Beginn des Universitätsbesuches sprächen jedoch dafür, daß er auch ohne die Schädigung das juristische Studium durchgeführt hätte. Hingegen fehlten berufsbezogene Kriterien, die die Einstufung gemäß den §§ 3 bis 5 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) zuließen. Insbesondere lasse sich der konkrete Berufsweg des Klägers nach Abschluß der juristischen Ausbildung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilen. Es sei unklar, ob er in der freien Wirtschaft (§ 3 DVO), im öffentlichen Dienst (§ 4 DVO) oder selbständig (§ 5 DVO) tätig geworden wäre. Das Vergleichseinkommen sei sonach gemäß § 7 Abs. 2 DVO entsprechend Abs. 1 dieser Vorschrift zu bestimmen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 DVO stehe der Berufsschadensausgleich frühestens nach dem vermutlichen Abschluß der beruflichen Ausbildung zu. Mit "vermutlich" sei ein geringerer Grad von Zuverlässigkeit der Erkenntnis als mit "wahrscheinlich" gemeint. Im vorliegenden Falle könne nicht davon ausgegangen werden, daß der unversehrte Kläger seine juristische Ausbildung mit der ersten Staatsprüfung beendet hätte. Ein solcher Abschluß sei die Ausnahme. Die berufliche Ausbildung des Klägers sei vermutlich erst zu dem Zeitpunkt beendet, an dem er ohne die Schädigung die Befähigung zum Richteramt erlangt hätte. Da die Mindestdauer des Jurastudiums bis zur ersten Staatsprüfung 3 1/2 Jahre betrage, sich an das erste Staatsexamen ein Vorbereitungsdienst von 2 Jahren anschließe und für die beiden Staatsprüfungen ein Zeitraum von etwa 6 Monaten in Ansatz gebracht werden müsse, habe der Kläger - der auch ohne die Schädigung das Studium erst im Sommersemester (April) 1969 begonnen hätte - im Zeitpunkt der Verkündung des Berufungsurteils seine Berufsausbildung noch nicht abschließen können. Ein Berufsschadensausgleich nach § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 DVO könne daher nicht gewährt werden.
Entsprechend diesem Urteil hat das VersorgA Düsseldorf dem Kläger mit Bescheid vom 25. April 1975 für die Zeit ab 1. April 1975 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach der Besoldungsgruppe A 13 BBesG, Dienstaltersstufe 4, bewilligt.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erhebt der Kläger verschiedene Verfahrensrügen und vertritt die Meinung, das LSG habe § 7 DVO unrichtig angewandt. Es habe die - auch in dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 7. August 1964 (BVBl 1964, 129) zum Ausdruck gekommene - gewohnheitsrechtliche Vermutung nicht berücksichtigt, daß die berufliche Ausbildung bei Hochschulabschluß mit dem 25. Lebensjahr beendet sei. Ferner habe es gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze verstoßen, weil es aus der Aufnahme des juristischen Studiums bei Versehrtheit einen Schluß auf das auch als Unversehrter angestrebte berufliche Ausbildungsziel gezogen habe. Es habe weiter die offenkundige Tatsache nicht beachtet, daß das juristische Referendarexamen der endgültige Abschluß einer Hochschulausbildung sei und zur Ausübung verschiedener Berufe befähige. Der juristische Vorbereitungsdienst nach bestandenem ersten Staatsexamen dürfe nicht berücksichtigt werden. Schließlich habe das LSG die Rechtsbegriffe "wahrscheinlich" und "vermutlich" zu seinem - des Klägers - Nachteil verkannt. Der von ihm abgeleistete Grundwehrdienst dürfe bei der Ermittlung des vermutlichen Endes der beruflichen Ausbildung nicht mitgerechnet werden. Auch der BMA habe in seinem Rundschreiben vom 7. August 1964 einen abgeleisteten Wehrdienst nicht berücksichtigt.
Der Kläger, der zunächst die Anträge aus der Berufungsinstanz (Gewährung von Berufsschadensausgleich nach der Besoldungsgruppe A 13 BBesG ab 1. April 1973) gestellt hatte, beantragt nunmehr (Schriftsatz vom 8. September 1976),
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das beklagte Land zu verurteilen, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zum Berufsschadensausgleich dem Kläger rückwirkend ab dessen 25. Lebensjahr Berufsschadensausgleich zu gewähren unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens, welches § 7 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG für den Fall der vermutlichen Hochschulausbildung vorsieht,
hilfsweise,
das beklagte Land zu verurteilen, dem Kläger Berufsschadensausgleich zu gewähren unter Berücksichtigung einer Einstufung nach § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG unter Zugrundelegung des Vergleichseinkommens eines selbständig Tätigen mit abgeschlossener Hochschulausbildung,
weiter hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Er trägt vor, für die Zeit vor dem 1. April 1975 (vgl. Bescheid des VersorgA Düsseldorf vom 25. April 1975) könne dem Kläger Berufsschadensausgleich nicht gewährt werden, weil er erst dann die Berufsstellung, aus der sich das für die Ermittlung des Einkommensverlustes maßgebende höhere Durchschnittseinkommen errechne, erreicht hätte. Der vom Kläger geleistete Bundeswehrdienst dürfe bei den nach § 7 DVO erforderlichen "Vermutungen" nicht außer Betracht bleiben. § 7 Abs. 1 Satz 1 DVO spreche ausschließlich Behinderungen im beruflichen Werdegang infolge einer Schädigung an. Ein Schaden im Beruf, der durch andere Umstände als durch eine Schädigung im Sinne des BVG verursacht worden sei, könne nicht berücksichtigt werden. Auch die Behauptung des Klägers, er habe sein Studium mit dem ersten Staatsexamen abschließen wollen, könne nicht berücksichtigt werden, weil dies mit dem für § 7 DVO besonders maßgebenden Grundsatz der Pauschalierung nicht zu vereinbaren sei.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist zulässig, aber nur teilweise im Sinne des Hauptantrages begründet.
Das LSG hat richtig ausgesprochen, daß der Kläger - obwohl ihm Versorgung nur im Wege der Kannleistung zuerkannt worden ist - nicht nur Klage auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide erheben, sondern auch die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung verlangen kann, weil Art, Dauer und Umfang der Kannleistungen denen der Rechtsansprüche entsprechen, auch soweit es um die von der Beschädigtenversorgung abgeleiteten Versorgungsansprüche geht (vgl. Verwaltungsvorschrift Nr. 9 zu § 81 SVG). Im übrigen konnte der erkennende Senat dem LSG nur teilweise folgen.
Durch den Bescheid vom 25. April 1975, der dem Kläger ab 1. April 1975 den begehrten Berufsschadensausgleich zugesprochen hat, ist der Kläger von diesem Zeitpunkt an klaglos gestellt worden. Der Streit geht im Revisionsverfahren nur noch darum, ob Berufsschadensausgleich von einem früheren Zeitpunkt an zusteht. Insoweit hat das Begehren des Klägers im Revisionsverfahren gewechselt. Er hat zunächst beantragt, ihm Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 13 BBesG ab 1. April 1973 zu gewähren. Später hat er diesen Antrag teils beschränkt, teils erweitert. Er begehrt jetzt Berufsschadensausgleich bereits seit seinem 25. Lebensjahr, d.h. - da er am 12. Mai 1947 geboren ist - gemäß § 60 Abs. 1 BVG seit dem 1. Mai 1972, aber nur noch nach dem Vergleichseinkommen, welches in § 7 DVO bei vermutlichem Hochschulabschluß vorgesehen ist. Dieser Antrag ist bestimmt genug; es ist ohne weiteres ersichtlich, daß das nach Meinung des Klägers maßgebende Vergleichseinkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 13 BBesG, Dienstaltersstufe 4, ist (vgl. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 DVO). Eine nach § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung liegt hierin nicht, sondern eine nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG statthafte Erweiterung und Beschränkung des Klageantrags.
Das LSG hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Bei Ausbruch des Schädigungsleidens im August 1968 hatte der Kläger mit dem Bestehen der Reifeprüfung seine Schulausbildung bereits abgeschlossen, eine Berufsausbildung hingegen noch nicht begonnen. Konkrete Feststellungen über sein Berufsziel, ob er also unselbständig in der privaten Wirtschaft, im öffentlichen Dienst oder selbständig tätig geworden wäre, hat das LSG nicht treffen können. Es hat aber angenommen, daß der Kläger auch als Gesunder das Jurastudium aufgenommen hätte und bestrebt gewesen wäre, die Befähigung zum Richteramt zu erreichen. Die ersten beiden Feststellungen hat der Kläger nicht mit Revisionsrügen angegriffen, so daß sie für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG). Daß das LSG ein konkretes Berufsziel hätte feststellen müssen, hat der Kläger nicht geltend gemacht, zumal sein Vorbringen uneinheitlich und teilweise widersprüchlich ist. Soweit Rügen gegen die übrigen Feststellungen des LSG als hinreichend substantiiert angesehen werden können, kann dahinstehen, ob sie berechtigt sind, weil diese tatsächlichen Umstände für die Entscheidung des Falles keine Bedeutung haben. Sofern das LSG deswegen, weil der Kläger erst als bereits Geschädigter das Jurastudium aufgenommen hat, nicht die Schlußfolgerung hat ziehen dürfen, daß er als Gesunder das gleiche Studienfach eingeschlagen hätte, wäre die berufliche Laufbahn des Klägers erst recht nicht feststellbar und auch damit § 7 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG anwendbar. Die Schlußfolgerungen, die das LSG aus dem von ihm angenommenen Berufsziel der Befähigung zum Richteramt auf das vermutliche Ende der beruflichen Ausbildung gezogen hat, sind - wie die späteren Ausführungen zeigen werden - nach materiellem Recht unrichtig, so daß auch insoweit der Rüge des Klägers, er hätte nur das erste juristische Staatsexamen abgelegt oder ein anderes kürzeres Studienziel erstrebt, nicht nachgegangen zu werden braucht.
Das LSG hat zutreffend § 7 DVO angewandt. Diese Vorschrift ist bis zum 31. Dezember 1973 i.d.F. vom 28. Februar 1968 (BGBl I 194), für die darauffolgende Zeit i.d.F. vom 11. April 1974 (BGBl I 927) anzuwenden. Nach beiden Fassungen sind die Grundvoraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 7 DVO dieselben; die neue Fassung hat lediglich die Höhe des Vergleichseinkommens insofern abgeändert, als nicht mehr stets das Endgrundgehalt der in Betracht kommenden Besoldungsgruppe maßgebend ist, sondern das Grundgehalt entsprechend einem nach verschiedenen Lebensaltern abgestuften System von Dienstaltersstufen.
Nach § 7 Abs. 1 DVO ist das Vergleichseinkommen nach den Besoldungsgruppen des BBesG entsprechend dem vom Beschädigten vermutlich erreichten Schulabschluß zu ermitteln, wenn dieser infolge einer vor Abschluß der Schulausbildung erlittenen Schädigung in seinem beruflichen Werdegang behindert worden ist. Die Eingruppierung ist nach seiner Veranlagung und seinen Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse des Beschädigten, vorzunehmen. Der Berufsschadensausgleich ist frühestens nach dem vermutlichen Abschluß der beruflichen Ausbildung zu gewähren. Dies gilt nach § 7 Abs. 2 DVO entsprechend, wenn die Schädigung nach Abschluß der Schulausbildung, jedoch vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist und sich nicht feststellen läßt, welchen Beruf der Beschädigte ohne die Folgen der Schädigung wahrscheinlich angestrebt hätte.
Auf den vorliegenden Fall ist § 7 Abs. 2 DVO anzuwenden, weil der Kläger nach ärztlicher Feststellung im August 1968 und damit vor Beginn seiner Berufsausbildung erkrankt ist. Für den Beginn des Berufsschadensausgleichs ist somit entscheidungserheblich, wann der Kläger als Gesunder seine berufliche Ausbildung vermutlich abgeschlossen hätte. Das LSG hat insoweit auf eine vom Kläger angestrebte Befähigung zur Ausübung des Richteramts abgestellt. Das ist rechtsfehlerhaft. § 7 Abs. 2 DVO verweist auf Abs. 1. Dieser regelt nur den Fall, daß eine Schulausbildung noch nicht abgeschlossen worden ist und damit nach einem konkreten Berufsziel gar nicht gefragt werden kann. Dasselbe gilt im Rahmen des § 7 Abs. 2 DVO. Zwar ist danach § 7 Abs. 1 DVO nur "entsprechend" anzuwenden. Das kann jedoch zu keinem anderen Ergebnis führen. § 7 Abs. 2 DVO geht gerade davon aus, daß sich nicht feststellen läßt, welchen Beruf der Beschädigte ohne die Folgen der Schädigung wahrscheinlich angestrebt hätte. Die Wahl des Wortes "entsprechend" zwingt nicht dazu, den vermutlichen Abschluß der Berufsausbildung so konkret wie nach den feststellbaren Besonderheiten des Falles möglich zu berechnen. Sie war vielmehr deshalb notwendig, weil in den Fällen des § 7 Abs. 2 DVO die Schulausbildung des Beschädigten bereits abgeschlossen ist, so daß von einer "vermutlichen" Volksschul-, Mittelschul-, höheren Schul- oder Hochschulausbildung nicht gesprochen werden kann. Die vom LSG zur Bestimmung des vermutlichen Berufsabschlusses herangezogene Aufnahme des rechtswissenschaftlichen Studiums durch den Kläger würde zu der widersprüchlichen und für den Beschädigten nachteiligen Folge führen, daß einerseits nach den §§ 3 bis 5 DVO (vgl. im einzelnen § 3 Abs. 4 DVO, § 4 Abs. 1 Buchst. d DVO, § 5 Abs. 1 DVO) ein Vergleichseinkommen nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesG nicht zugrunde gelegt werden könnte, weil das konkrete Berufsziel nicht festzustellen ist, andererseits aber die für diesen Vorteil nicht ausreichenden Feststellungen im Rahmen des § 7 Abs. 2 DVO doch wieder berücksichtigt und den Beginn des Berufsschadensausgleichs zeitlich zurückversetzen würden.
Bei der Lösung dieses Konfliktes ist auf die Systematik, die in den §§ 3 bis 7 DVO zum Ausdruck kommt, abzustellen. Zunächst ist soweit wie möglich zu versuchen, die Einordnung des Beschädigten nach den §§ 3 bis 5 DVO unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Erhöhung des Durchschnittseinkommens nach § 6 DVO vorzunehmen; erst wenn hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen werden können, muß auf § 7 DVO als Hilfsmöglichkeit zurückgegriffen werden (vgl. BSG vom 27. März 1969 - 8 RV 143/68 - = BVBl 1969, 117). Darin kommt zum Ausdruck, daß § 7 DVO eine Sonderregelung darstellt, die aber, wenn ihre Anwendbarkeit feststeht, auch allein maßgebend bleiben muß. Feststellungen, die für die Anwendbarkeit der §§ 3 bis 5 DVO nicht ausgereicht haben, dürfen dann nicht mehr als zusätzliche Erwägungen bei § 7 DVO herangezogen werden.
Das Vergleichseinkommen wird nach § 7 DVO auf eine Weise festgelegt, die von der der §§ 3 bis 5 DVO abweicht. Auch für den Beginn des Berufsschadensausgleichs trifft § 7 DVO eine Sonderregelung; hiernach ist die Leistung erst nach dem vermutlichen Abschluß der beruflichen Ausbildung zu gewähren. Für diesen vermutlichen Abschluß sind irgendwelche beruflichen Ausbildungsgänge unerheblich; er ist allein nach der vom Beschädigten begonnenen (§ 7 Abs. 1 DVO) oder abgeschlossenen (§ 7 Abs. 2 DVO) Schulausbildung vorzunehmen. Es ist also nicht von einem konkreten, für einen bestimmten Berufsweg charakteristischen, sondern von einem typischen, durchschnittlichen Abschluß einer Ausbildung auszugehen, die der begonnenen oder abgeschlossenen Schulausbildung entspricht.
Der Senat hält die vom BMA in seinem Rundschreiben vom 7. August 1964 (aaO) und in dem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 27. März 1974 angenommene Dauer einer vermutlichen Hochschulausbildung von 5 Jahren für einen vertretbaren Mittelweg. Hierbei wird berücksichtigt, daß ein Studium je nach der gewählten Fachrichtung mehr oder weniger als 5 Jahre in Anspruch nehmen kann und daß sich für einzelne Studienrichtungen an das Universitätsstudium ein Vorbereitungsdienst anschließt, an andere nicht. Dieses Abstellen auf einen Mittelwert paßt sich in das System des Berufsschadensausgleichs ein, der von einem durchschnittlichen Berufserfolg ausgeht (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BSGE 27, 69; 27, 178; 33, 60). Wenn beim Nachzeichnen einer beruflichen Entwicklung Spitzenwerte außer Betracht bleiben müssen, muß auch für die vermutliche Dauer einer beruflichen Bildung ein zwischen den möglichen Extremen liegender Zeitraum angenommen werden. Das ist hier ein Zeitraum von 5 Jahren.
Bei der Bestimmung des Zeitpunkts, an dem die berufliche Ausbildung des Klägers vermutlich abgeschlossen wäre, muß der von ihm geleistete Wehrdienst berücksichtigt werden. Zweck des Berufsschadensausgleichs ist die Abgeltung eines schädigungsbedingten Nachteils. Daß der Kläger während der Zeit seines Wehrdienstes keinen Beruf hat ausüben können, hat aber nicht an den Schädigungsfolgen gelegen, sondern ist eine Folge der allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes gewesen. Auch kann der Kläger den Wehrdienst, der die Anerkennung seiner Erkrankung als Schädigungsfolge überhaupt erst ermöglicht hat, bei der Bemessung der Dauer einer davon abgeleiteten Versorgungsleistung nicht als ungeschehen ansehen. Ebensowenig kann er damit argumentieren, er werde, wenn der Wehrdienst den Beginn des Berufsschadensausgleichs verschieben könne, schlechter behandelt als diejenigen Berechtigten nach dem BVG, die bereits in früher Jugend geschädigt worden seien, so daß bei ihnen die Ableistung eines Wehrdienstes gar nicht in Frage kommen könne. Dies ist eine zwangsläufige Folge des Zeitpunktes der Schädigung; der Kläger mag sich vor Augen halten, daß auf der Grundlage seiner Ansicht Beschädigte, die während einer Kriegsgefangenschaft gesundheitlich beeinträchtigt worden sind, noch schlechter behandelt würden als er selbst, weil sie erst nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft versorgungsberechtigt werden (vgl. § 60 Abs. 1 BVG). Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der BMA in seinem Rundschreiben vom 7. August 1964 bei der Bestimmung der Dauer der Berufsausbildung die Ableistung des Wehrdienstes nicht mitgerechnet habe. Dazu hat der BMA schon deswegen keinen Anlaß gehabt, weil zur Zeit der Veröffentlichung des Rundschreibens (BVBl 1964, 129) der jetzige § 7 Abs. 2 DVO noch kein Bestandteil der DVO gewesen ist. Er ist erst in die DVO i.d.F. vom 28. Februar 1968 aufgenommen worden. Der BMA hatte sich somit im Jahre 1964 nur mit vor Abschluß der Schulausbildung Geschädigten zu befassen, bei denen ihm die Ableistung des Wehrdienstes als unmöglich erscheinen konnte.
Der Zeitpunkt des vermutlichen Abschlusses der beruflichen Ausbildung des Klägers errechnet sich sonach wie folgt: Auch als Gesunder hätte er seine Berufsausbildung - Durchführung eines Studiums - erst mit dem Sommersemester 1969 beginnen können, weil er zwischen dem Bestehen der Reifeprüfung (Oktober 1966) und dem Beginn des Wehrdienstes (Januar 1967) kein Semester hätte zurücklegen können und die Aufnahme des Studiums nach der Entlassung aus dem Wehrdienst (Januar 1969) erst zum 1. April 1969 (Beginn des Sommersemesters) möglich gewesen ist. Bei der hier anzunehmenden durchschnittlichen Dauer der Berufsausbildung von 5 Jahren wäre diese am 31. März 1974 beendet worden, so daß dem Kläger ab 1. April 1974 der begehrte Berufsschadensausgleich gewährt werden muß. Dementsprechend mußte das Urteil des LSG abgeändert werden.
Bei der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung ist der Senat davon ausgegangen, daß das SG mit Urteil vom 22. November 1973 die Klage zu Recht abgewiesen hat, weil zu diesem Zeitpunkt die berufliche Ausbildung vermutlich noch nicht abgeschlossen gewesen wäre. Der Kläger kann damit eine Erstattung der ihm vor dem SG entstandenen außergerichtlichen Kosten nicht verlangen. In den Rechtsmittelzügen hat er in einem Umfange obgesiegt, der es rechtfertigt, ihm die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten durch den Beklagten erstatten zu lassen.
Fundstellen