Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Urteil vom 25.02.1991) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 1991 mit der Maßgabe aufgehoben, daß die in ihm enthaltene Entscheidung über den Rechtsweg unberührt bleibt. Der Rechtsstreit wird an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zu klären ist das für die Entscheidung über den Rechtsweg einzuhaltende Verfahren.
Im Anschluß an die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nimmt die klagende Landesversicherungsanstalt (LVA) die Beklagte als Trägerin einer Zusatzversorgungskasse auf Beiträge gemäß § 10b Versorgungsausgleichs-Härteregelungsgesetz (VersorgAusglHärteG) im Wege der Leistungsklage in Anspruch. Gegenüber der im Januar 1990 in Höhe von 1.927,36 DM erhobenen Beitragsforderung der Klägerin verwies die Beklagte darauf, daß infolge des zwischenzeitlichen Todes der versorgungsausgleichsberechtigten Ehefrau aus den bei der Klägerin begründeten Rentenanwartschaften Leistungen nicht zu erbringen seien.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 25. Februar 1991 den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Es hat ausgeführt, daß nicht um Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern um einen an die Stelle der Erstattung nach § 1304b Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) tretenden Geldbetrag gestritten werde. Das ergebe sich auch daraus, daß die Rentenanwartschaften für den Ausgleichsberechtigten nicht erst mit der Beitragszahlung, sondern bereits mit der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts begründet würden. Die Klägerin hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie hält den Sozialrechtsweg für gegeben, weil § 10b VersorgAusglHärteG dem materiellen Sozialversicherungsrecht angehöre. Dies werde durch § 225 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) klargestellt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 1991 aufzuheben und den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie weist auf die privatrechtliche Ausgestaltung des Mitgliedschaftsverhältnisses in der Rheinischen Zusatzversorgungskasse hin. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch habe seine Grundlage im Recht des Versorgungsausgleichs und stelle lediglich eine Regelung des Verwaltungsverfahrens zwischen zwei Versorgungsträgern dar; er könne daher nicht dem materiellen Sozialversicherungsrecht zugeordnet werden.
Entscheidungsgründe
II
Das Rechtsmittel der Klägerin führt zur Zurückverweisung an das Landessozialgericht (LSG).
Das SG hatte über die Frage des Rechtswegs nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß zu entscheiden. Das ergibt sich aus § 17a Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in der seit 1. Januar 1991 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S 2809), das nach seinem Art 21 nur auf diejenigen Entscheidungen keine Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten verkündet worden sind (BGHZ 114, 1; BVerwG Buchholz 300 § 17a GVG Nr 2; BAG NZA 1992, 317). Die angefochtene Entscheidung vom 25. Februar 1991 unterfällt also der Neuregelung, die als (einziges) Rechtsmittel gegen eine erstinstanzliche Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs die Beschwerde an das obere Landesgericht kennt; lediglich das obere Landesgericht kann die weitere Beschwerde an den obersten Gerichtshof des Bundes zulassen (§ 17a Abs 4 Satz 3 und 4 GVG). Danach wäre die Sprungrevision unzulässig.
Im Prozeßrecht ist jedoch allgemein anerkannt, daß die inkorrekte Form einer Entscheidung nicht zum Ausschluß eines sonst zulässigen Rechtsmittels führen darf (stellvertretend: Albers in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl 1993 Grundzüge § 511 ZPO Rz 28 mwN, Kopp, VwGO, 9. Aufl 1992, Vorbemerkung § 124 Rz 22 mwN und mit irrtümlicher Zitierung von VGH Mannheim NJW 1982, 2460 für die Gegenmeinung). Wegen des damit verbundenen Prozeßrisikos kann der Betroffene wählen, ob er das durch die inkorrekte Form veranlaßte oder das eigentlich zulässige Rechtsmittel einlegen möchte. Allerdings darf durch diesen „Grundsatz der Meistbegünstigung” der dem korrekten Verfahren entsprechende Instanzenzug nicht erweitert werden, so daß die Revision gegen einen unzutreffend in die Form eines Urteils gekleideten Beschluß keine Sachentscheidung des Revisionsgerichts erlaubt; sie führt entweder zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht, damit die bislang fehlende Beschwerdeentscheidung nachgeholt werden kann (BVerwGE 30, 92, 98), oder zur Verwerfung als unzulässig, wenn die Voraussetzungen der im korrekten Verfahren möglichen Rechtsbeschwerde an das Revisionsgericht nicht vorliegen (BGH NJW-RR 1990, 1483 mwN). Der Grundsatz der Meistbegünstigung gibt dem Rechtsmittelgericht also keine zusätzlichen Kompetenzen: Eine in der falschen Form getroffene Entscheidung enthebt das Rechtsmittelgericht nicht von der Prüfung der für das Rechtsmittel gegen die formal richtige Entscheidung geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Im hier zu beurteilenden Fall liegen die Voraussetzungen für eine zulässige Beschwerde an das Bundessozialgericht (BSG) nicht vor, denn deren Zulassung kann nach § 17a Abs 4 Satz 4 GVG nur durch das LSG ausgesprochen werden. Die Besonderheit des hier zu entscheidenden Falles gegenüber den angeführten Beispielen liegt allerdings darin, daß eine sachliche Entscheidung des Revisionsgerichts über die Frage des Rechtswegs in diesem Rechtsstreit nicht völlig ausgeschlossen ist – eine solche würde nämlich dann erforderlich, wenn das LSG im (nachzuholenden) Beschwerdeverfahren die grundsätzliche Bedeutung oder eine Divergenz iS von § 17a Abs 4 Satz 5 GVG bejahte. Dieser Gesichtspunkt könnte aus prozeßökonomischen Gründen eine sofortige Rechtswegentscheidung durch das Revisionsgericht nahelegen. Damit wäre jedoch nicht berücksichtigt, daß es der Gesetzgeber ausschließlich in die Entscheidung des oberen Landesgerichts gestellt hat, ob die Frage des Rechtswegs an den jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes gelangt, denn eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der weiteren Beschwerde ist nicht vorgesehen (vgl BVerwG Buchholz 300 § 17a GVG Nr 1; BAG NZA 1992, 954, 957; Kissel NJW 1991, 945, 949; aM Kopp aaO § 41 Rz 30). Das für die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde angeführte Argument der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (Kopp aaO) überzeugt den Senat nicht, weil es die erforderliche Analogie zu § 160a Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen die ausdrückliche Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/7030 S 38) nicht zu rechtfertigen vermag. In die demnach ausschließliche Kompetenz des oberen Landesgerichts zur Entscheidung über die Zulassung der weiteren Beschwerde darf das Revisionsgericht auch dann nicht eingreifen, wenn der Rechtsstreit aufgrund einer formal inkorrekten Entscheidung bei ihm anhängig geworden ist (eine sachliche Rechtswegentscheidung ist demgegenüber geboten, wenn der Rechtsstreit auf inkorrektem Wege beim oberen Landesgericht anhängig ist: BAG NZA 1992, 954).
Mangels Zulassungsentscheidung des zuständigen LSG kann der Senat also im anhängigen Verfahren über die Frage des Rechtswegs nicht entscheiden. Wegen des Grundsatzes der Meistbegünstigung darf das eingelegte Rechtsmittel andererseits aber auch nicht als unzulässig verworfen werden. Um trotz der inkorrekten Entscheidung das Verfahren nunmehr in die richtige Bahn zu lenken, bleibt als einzige Möglichkeit die Zurückverweisung an das bisher übergangene Beschwerdegericht (vgl nochmals BVerwGE aaO). Dieses hat im Verfahren nach § 17a Abs 4 Satz 3 GVG über den Rechtsweg und über die Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 17a Abs 4 Satz 4 und 5 GVG durch Beschluß zu entscheiden (vgl BAG NZA 1992, 954, 957 und BGH NJW 1993, 470, 471); deshalb hat der Senat im Tenor klargestellt, daß die Rechtswegentscheidung des SG (vorerst) unberührt bleibt. Eine Zurückverweisung an das SG, damit dieses in der richtigen Form über den Rechtsweg befinde, ist nicht geboten, denn es genügt, wenn das LSG die in § 17a GVG vorgesehene Form einhält. Eine Zurückverweisung in die erste Instanz ist in derartigen Fällen höchstens dann in Betracht zu ziehen, wenn in einem Sachurteil entgegen § 17a Abs 3 Satz 2 GVG der Rechtsweg bejaht wird, weil dadurch die Sperrwirkung des § 17a Abs 5 GVG ausgelöst werden könnte (vgl dazu BAG aaO).
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen