Leitsatz (amtlich)
Ein handbetriebener Krankenfahrstuhl kann auch dann zustehen, wenn der Gebrauch der Beine (des Bewegungsapparates) nur unmittelbar durch eine Schädigungsfolge beeinträchtigt ist.
Ein blinder Ohnhänder hat Anspruch auf die Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles.
Leitsatz (redaktionell)
Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des DV § 13 BVG § 3 Abs 3 Fassung 1956-08-18 (= DV § 13 BVG § 4 Abs 4 Fassung 1961 und 1964) sind auch dann voll nachprüfbar, wenn es sich nicht nur um die Sachleistung handelt, sondern um die Ersatzleistung des DV § 13 BVG § 5 Abs 2 Fassung 1956 (= DV § 13 BVG § 5 Abs 1 Fassung 1961 und 1964).
Normenkette
BVG § 13 Fassung: 1956-06-06, § 13 DV § 1 Buchst. i Fassung: 1956-08-18, § 13 DV § 3 Abs. 3 Fassung: 1956-08-18, § 13 DV § 5 Abs. 1 Fassung: 1961-06-06, § 13 DV § 5 Abs. 1 Fassung: 1964-10-30, § 13 DV § 4 Abs. 4 Fassung: 1961-06-06, § 13 DV § 4 Abs. 4 Fassung: 1964-10-30, § 13 DV § 5 Abs. 2 Fassung: 1956-08-18
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird der Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. November 1963 sowie der Bescheide vom 2. Juli 1957 und 30. September 1957 verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Der Kläger bezieht nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wegen "Verlustes beider Hände und Erblindung beider Augen" die Rente eines Erwerbsunfähigen, eine Pflegezulage, eine Schwerstbeschädigtenzulage, einen Berufsschadensausgleich, einen Ersatz für Mehrverschleiß an Kleidern und Wäsche und schließlich eine Beihilfe in Höhe von zwei Dritteln der sog. Führhundzulage nach § 13 Abs. 3 Satz 3 BVG aF.
Am 30. April 1957 beantragte der Kläger, ihm für die Beschaffung eines Kleinwagens (Pkw) einen Zuschuß in Höhe von 1000,- DM zu gewähren. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 2. Juli 1957 abgelehnt, der Widerspruch mit Bescheid vom 30. September 1957 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat, nachdem der Kläger seinen geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses auf 2000,- DM erhöht hatte, mit Urteil vom 8. November 1963 die Klage abgewiesen: Maßgebende Vorschriften seien § 11 Abs. 1 BVG idf vom 1. Juli 1957, § 1 Buchst. i, § 3 Abs. 3 und § 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 13 BVG idF vom 18. August 1956. Nach § 5 Abs. 2 der DVO sei die Gewährung des vom Kläger beantragten Zuschusses eine Kannleistung, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestehe und deren Gewährung in das Ermessen der Versorgungsbehörde gestellt sei. Entscheidungen über Kannleistungen seien hinsichtlich der Ausübung des Ermessens von den Gerichten nur daraufhin nachprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden seien oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sei (§ 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Vorliegend könne der vom Kläger beantragte Zuschuß nach § 5 Abs. 2 DVO zu § 13 BVG - neben weiteren Voraussetzungen - nur "anstelle" eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles gewährt werden, d. h. nur, wenn dem Kläger ein Anspruch auf Lieferung eines solchen Fahrzeuges zustehe. Damit habe der Gesetzgeber die Gewährung des Zuschusses von tatbestandsmäßigen Voraussetzungen abhängig gemacht, welche außerhalb des der Verwaltung eingeräumten Ermessens lägen. Diese Voraussetzung liege vorliegend nicht vor. Zwar seien bei Blinden an die ausreichende Gehfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 der DVO zu § 13 BVG strengere Anforderungen zu stellen als bei anderen Beschädigten; das ergebe sich schon aus der Fassung dieser Vorschrift, wonach eine den Bedürfnissen des Beschädigten (im Einzelfalle) entsprechende Gehfähigkeit bestehen oder erzielt sein müsse, wenn die Lieferung eines Selbstfahrers oder Krankenfahrstuhles versagt werden solle. Beim Kläger sei die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit jedoch nicht durch eine unzureichende Gehfähigkeit, sondern durch die Blindheit und die damit verbundene Unmöglichkeit bedingt, sich ohne fremde Hilfe und Führung zu bewegen. Die Gehfähigkeit als solche sei bei ihm jedoch nicht eingeschränkt. Dem Umstand, daß Blinde ohne fremde Hilfe und Führung nicht auskommen könnten, werde durch die Gewährung einer entsprechenden Pflegezulage sowie einer Führhundzulage oder an deren Stelle einer Beihilfe für fremde Führung in Höhe von zwei Dritteln der Führhundzulage Rechnung getragen. Keinesfalls seien Blinde, die nicht zugleich beinamputiert seien oder deren Gehfähigkeit nicht durch andere Umstände eingeschränkt sei, auf ein handbetriebenes Krankenfahrzeug für den Straßengebrauch angewiesen. Auch die angeführte Unbeholfenheit bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel könne die Gewährung eines Zuschusses zur Beschaffung eines motorisierten Fahrzeuges nicht rechtfertigen; denn diese Unbeholfenheit sei nicht die Folge einer verminderten Gehfähigkeit, sondern Auswirkung der Schädigungsfolge, weshalb nach § 13 Abs. 3 BVG eine Beihilfe und nach § 35 Abs. 1 BVG eine Pflegezulage gewährt würden. Nach allem seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen dieses ihm am 22. Februar 1964 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger gemäß § 161 SGG mit Einwilligung des Beklagten und Schriftsatz vom 13. März 1964, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 14. März 1964, Sprungrevision eingelegt. Die Revisionsbegründungsschrift vom 11. Mai 1964 ist - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 22. Mai 1964 - am 12. Mai 1964 eingegangen. Mit ihr rügt der Kläger die Verletzung der §§ 10, 11, 13 BVG i. V. m. §§ 1 Buchst. i, 3 Abs. 3 und 5 Abs. 2 der DVO zu § 13 BVG. Er trägt vor, das SG habe ebenso wie der Beklagte die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung falsch beurteilt und die zwingenden Leistungsvoraussetzungen zu Unrecht verneint. Denn bei richtiger Auslegung der einschlägigen Vorschriften habe er Anspruch auf Lieferung eines Krankenfahrstuhles. Er sei nämlich nicht nur Blinder, der seine blindheitsbedingte Gehunfähigkeit durch einen Blindenführhund ausgleichen könne, sondern er sei auch Ohnhänder, dem es wegen Fehlens der Hände an dem erforderlichen Kontaktgefühl fehle; als Ohnhänder könne er auch keinen Taststock benutzen, um Bodenunebenheiten oder sonstige Hindernisse zu ertasten. Das alles bedeute, daß seine mangelnde Gehfähigkeit nicht durch orthopädische Hilfsmittel oder durch einen Blindenführhund ausgeglichen werden könne. Überdies sei es auch offenkundig, daß er aus zwingenden persönlichen Gründen ein ihm an sich zustehendes handbetriebenes Fahrzeug nicht benutzen könne. Für den Fall, so führt der Kläger schließlich aus, daß das SG die Behauptungen über die Auswirkungen des Fehlens der Hände auf die Gehfähigkeit nicht als erwiesen angesehen habe, seien im übrigen auch die §§ 103, 128 SGG verletzt.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, durch die Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges könne ein den Bedürfnissen des Klägers entsprechender Zustand nicht erzielt werden; deshalb stehe ihm ein solches nicht zu. Damit entfalle auch die Möglichkeit, anstelle eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges einen Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges zu gewähren.
Auf den Schriftsatz des Klägers vom 11. Mai 1964 und auf den des Beklagten vom 6. August 1964 wird verwiesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist gem. § 161 Abs. 1 SGG zulässig, da das SG die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG an sich ausgeschlossene Berufung gegen sein Urteil gem. § 150 Nr. 1 SGG zugelassen hat und eine vom Beklagten unterzeichnete Einwilligung zur Einlegung der Sprungrevision mit der Revisionsschrift vorgelegt worden ist.
Die Revision ist auch begründet.
Da der Kläger den Bescheid vom 2. Juli 1957 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1957, mit dem sein Antrag auf Gewährung einer einmaligen Leistung abgelehnt worden ist, angefochten und dessen Aufhebung beantragt hat, richtet sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes nach der Rechtslage in dem Zeitpunkt, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung ergangen ist (BSG 7, 8 mit weiteren Nachweisen), also nach dem BVG in der Fassung vom 1. Juli 1957 und der DVO zu § 13 BVG i. d. F. vom 18. August 1956.
Gemäß § 10 Abs. 1 BVG aF hat der Beklagte dem Kläger wegen der anerkannten Folgen der Schädigung Heilbehandlung zu gewähren. Diese umfaßt gemäß § 11 Abs. 1 BVG aF auch die Ausstattung mit den Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder die Folgen der Schädigung zu erleichtern. Nach § 1 Buchst. i DVO zu § 13 BVG wird ua als Hilfsmittel auch ein Krankenfahrstuhl gewährt, gemäß § 3 Abs. 3 dieser Verordnung aber nur dann, wenn nicht anderweitig, z. B. durch orthopädische Hilfsmittel, eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit erzielt werden kann. Nach § 5 Abs. 2 kann die Versorgungsverwaltung dem Beschädigten anstelle eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles einen Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges gewähren, sofern er für Berufszwecke hierauf angewiesen ist oder wenn er aus zwingenden persönlichen Gründen ein handbetriebenes Fahrzeug nicht benutzen kann.
Die Gewährung des vom Kläger beantragten Zuschusses ist demnach eine sogenannte Kannleistung, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht und deren Gewährung in das Ermessen der Versorgungsverwaltung gestellt ist. Entscheidungen über Kannleistungen sind hinsichtlich der Ausübung des Ermessens von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin nachprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Diese Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung des ausgeübten Verwaltungsermessenes schließt jedoch nicht aus, daß der angefochtene Verwaltungsakt unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten auf seine Rechtmäßigkeit hin nachgeprüft wird; denn der Verwaltungsakt kann auch bei gesetzmäßiger Ausübung des Ermessens auf einer unrichtigen Anwendung des Rechts beruhen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber die Gewährung der Kannleistung nicht ausschließlich in das Ermessen der Verwaltung gestellt, sondern auch noch von dem Vorliegen bestimmter Tatbestände abhängig gemacht hat. Leistungen können in solchen Fällen nur dann gewährt werden, wenn diese Tatbestände erfüllt sind; denn diese sind sodann zwingende Leistungsvoraussetzungen. Über ihr Vorliegen wird nicht im Rahmen der Ausübung des Verwaltungsermessens, sondern unabhängig hiervon und diesem vorgeschaltet entschieden, so daß für die Ermessensentscheidung erst Raum ist, wenn die Behörde das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale bejaht hat. Versagt die Verwaltung in einem solchen Fall die beantragte Kannleistung, weil sie bereits das Vorliegen dieser Tatbestände verneint, so ist diese Entscheidung von den Gerichten nachprüfbar, da insoweit nicht die der Verwaltung allein vorbehaltene Ermessensausübung, sondern eine Entscheidung über das Nichtvorliegen gesetzlicher Tatbestände der gerichtlichen Kontrolle unterworfen wird (BSG im SozR BVG § 13 Nr. 1).
Im vorliegenden Fall kann der vom Kläger beantragte Zuschuß gemäß § 5 Abs. 2 DVO zu § 13 BVG - neben weiteren Voraussetzungen - nur "anstelle" eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles gewährt werden, d. h. nur dann, wenn dem Kläger ein Anspruch auf Lieferung eines solchen Fahrzeuges zusteht. Damit hat der Gesetzgeber die Gewährung des Zuschusses von tatbestandsmäßigen Voraussetzungen abhängig gemacht, die außerhalb des der Verwaltung durch die Kannleistung eingeräumten Ermessens liegen (BSG aaO).
Die Entscheidung über die Aufhebungsklage des Klägers hängt also davon ab, ob der Kläger die Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles beanspruchen kann. Ein solcher Anspruch besteht nach § 3 Abs. 3 DVO zu § 13 BVG nur dann, wenn mit Hilfe von Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann.
Das SG hat in dem angefochtenen Urteil unangegriffen festgestellt, daß die Bewegungsfähigkeit des Klägers insoweit eingeschränkt ist, als es ihm unmöglich sei, sich ohne fremde Hilfe und Führung zu bewegen, darüber hinaus bestehe auch Unbeholfenheit bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Dabei hat es den alleinigen Grund für die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und für die Unbeholfenheit bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in der beiderseitigen Blindheit des Klägers gesehen, durch welche die Gehfähigkeit als solche aber nicht eingeschränkt werde; im übrigen werde dem Umstand, daß ein Blinder nicht ohne fremde Führung und Hilfe auskommen könne, bereits durch die Gewährung einer entsprechenden Pflegezulage sowie einer Führhundzulage oder an deren Stelle einer Beihilfe für fremde Führung in Höhe von 2/3 der Führhundzulage Rechnung getragen.
Der Auffassung des SG, daß ein sog. " Nurblinder " durch seine Blindheit allein in seiner seinen Bedürfnissen entsprechenden Gehfähigkeit grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird, ist zuzustimmen; denn zahlreiche Blinde bewegen sich, wie gerichtsbekannt, nicht nur in der ihnen am meisten vertrauten häuslichen Umgebung ohne fremde Führung und Hilfe durch dritte Personen, sondern sie nehmen ohne solche Führung und Hilfe auch am Straßenverkehr teil, sei es mit Führhund oder mit Taststock. Das SG hat aber die Tatsache unberücksichtigt gelassen und zumindest in seine Betrachtungen nicht einbezogen, daß der Kläger nicht nur auf beiden Augen blind ist, sondern daß er - als weitere Schädigungsfolge - auch den Verlust beider Hände zu beklagen hat. Zwar ist auch ein Ohnhänder - ohne weitere Schädigungsfolgen - durch diese Schädigungsfolge allein nicht und zweifelsfrei noch weniger als ein Nurblinder in seiner Gehfähigkeit behindert. Das SG hätte aber, selbst wenn es - im übrigen zutreffend - die beiderseitige Blindheit in den Vordergrund stellen wollte, auch prüfen müssen, ob nicht hier alle Schädigungsfolgen zusammen, die beiderseitige Blindheit und der Verlust beider Hände, geeignet sind, die Gehfähigkeit des Klägers so zu beeinträchtigen, daß er die Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles beanspruchen könnte. Denn es selbst hat in Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat (BSG aaO) zu Recht ausgeführt, daß bei Blinden an die ausreichende Gehfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 3 DVO zu § 13 BVG strengere Anforderungen zu stellen sind als bei anderen Beschädigten. Das ergibt sich schon aus der Fassung dieser Vorschrift, nach der eine "den Bedürfnissen des Beschädigten", d. h. des Beschädigten im Einzelfall, entsprechende Gehfähigkeit vorhanden sein muß, wenn die Gewährung eines Krankenfahrstuhles versagt werden soll. Das muß insbesondere auch dann gelten, wenn mit Hilfe von Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln der erstrebte Erfolge einer ausreichenden Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann. Im übrigen geht es auch nicht an, wie das SG meint, bei bestehender Blindheit es nur auf diese im Zusammenhang mit einer Beinschädigung oder gegebenenfalls auch anderen Schädigungen des Bewegungsapparates abzustellen. Denn § 3 Abs. 3 DVO zu § 13 BVG enthält nichts darüber, daß eine den Bedürfnissen des Beschädigten nicht entsprechende Gehfähigkeit nur wegen Schäden im Bewegungsapparat oder nur der Beine bestehen muß, um den Anspruch auf einen Selbstfahrer oder Krankenfahrstuhl zu rechtfertigen. Vielmehr hat nach dieser Vorschrift einen solchen Anspruch einfach der Beschädigte, bei dem mit Hilfe von Körperersatzstücken, orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln eine seinen Bedürfnissen entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann. Daran ändert nichts, wenn man die Durchführungs-Verordnung zu § 13 BVG in den Fassungen vom 6. Juni 1961 oder 30. Oktober 1964 zur Auslegung des § 3 Abs. 3 DVO zu § 13 BVG in der Fassung vom 18. August 1956 heranziehen will. § 4 Abs. 4 der Durchführungsverordnung in den Fassungen vom 6. Juni 1961 und 30. Oktober 1964 sagen nichts anderes wie § 3 Abs. 3 der DVO idF vom 18. August 1956: Handbetriebene Krankenfahrzeuge für den Straßengebrauch und für den Hausgebrauch werden geliefert, wenn mit Hilfe von Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann.
Nach allem hat der Kläger hiernach einen Anspruch auf Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrstuhles, auch wenn eine "unmittelbare Gehbehinderung" durch Schäden am Bewegungsapparat nicht besteht. Denn seiner unzureichende Gehfähigkeit beruht entgegen der Auffassung des SG nicht allein auf seiner Blindheit, sondern im Zusammenwirken dieser Blindheit mit dem Fehlen der beiden Hände. Ein blinder Ohnhänder ist nicht in der Lage, sich so wie der Nurblinde von einem Führhund führen zu lassen, weil das Fehlen der Hände und damit das mangelnde Kontaktgefühl die Arbeit zwischen Hund und Blindem erschweren oder sogar unmöglich machen; das Fehlen der Hände, selbst bei vorhandenen Arbeitsprothesen oder funktionierenden Krukenbergstümpfen , verhindert auch das sichere Führen eines Taststockes, mit dem der Nurblinde bei Wegen außerhalb des Hauses die mannigfachen Unebenheiten, Bordsteine usw. ertasten kann; schließlich ist der Blinde Ohnhänder auch bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, besonders beim Ein- und Aussteigen, stark behindert und deshalb wesentlich unbeholfener als der Nurblinde , der wenigstens in der Lage ist, einmal Ergriffenes und damit auch sich selbst festzuhalten. Hiernach besteht eine den Bedürfnissen des Klägers entsprechende Gehfähigkeit nicht; ihm steht deshalb als blindem Ohnhänder nach § 3 Abs. 3 der DVO zu § 13 BVG ein Anspruch auf Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges zu.
Danach hat das SG die außerhalb des der Verwaltung eingeräumten Ermessens liegenden tatbestandsmäßigen Voraussetzungen zur Gewährung eines Zuschusses für die Beschaffung eines Motorfahrzeuges (§ 5 Abs. 2 DVO zu § 13 BVG) zu Unrecht verneint; denn die Verwaltungsbehörde hätte den Antrag des Klägers nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen dürfen. Das angefochtene Urteil mußte deshalb insoweit aufgehoben werden.
Ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 DVO zu § 13 BVG vorliegen, d. h. ob dem Kläger anstelle eines ihm wie ausgeführt zustehenden handbetriebenen Krankenfahrzeuges ein Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges gewährt werden kann, ist - nach ihrer Rechtsauffassung zutreffend - weder vom Beklagten noch vom SG geprüft worden, so daß dazu auch keine Feststellungen getroffen worden sind. Für die Nachprüfung einer Ermessensentscheidung dahin, ob ggf. der Kläger für Berufszwecke auf ein Motorfahrzeug angewiesen ist oder ob er aus zwingenden persönlichen Gründen ein handbetriebenes Fahrzeug nicht benutzen kann (§ 5 Abs. 2 DVO), ist deshalb für das Revisionsgericht kein Raum. Im übrigen könnte es auch dann, wenn eine Ermessensentscheidung hierzu schon vorläge, diese nur dahin nachprüfen, ob der Beklagte die ihm im § 5 Abs. 2 DVO eingeräumten gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von diesem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG); es wäre nicht befugt, an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde eine eigene Entscheidung zu setzen und einer Leistungsklage stattzugeben.
Unter Aufhebung des Urteils des SG ... und der angefochtenen Bescheide war deshalb der Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses für die Beschaffung eines Motorfahrzeuges einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen