Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. apparative Ausstattung. Allgemeinarzt

 

Orientierungssatz

1. Es gehört zur Vergleichbarkeit, daß die Fallkostendifferenz anhand spezieller Leistungsarten ermittelt wird (vgl BSG vom 18.5.1983 6 RKa 18/80 = BSGE 55, 110, 112). Denn erst dadurch werden verschiedene Leistungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Gleichartigkeit zusammengefaßt und wird ihre statistische Vergleichbarkeit hinreichend verbessert, ganz abgesehen davon, daß dem Arzt durch den Gesamtleistungsvergleich weder ein Ansatz für eine Korrektur seines Verhaltens noch die Chance gegeben wird, Einwendungen des Kostenausgleichs zwischen verschiedenen Leistungsarten zu erheben.

2. Bei einem praktischen Arzt mit einem sogenannten "großen Labor" ist bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung ein Vergleich mit solchen Ärzten erforderlich, die ebenfalls über eine derartige apparative Ausstattung verfügen, wobei es freilich nicht auf die Größe dieser Ausstattung, sondern auf ihre Gleichartigkeit ankommt.

Bei einem solchen Vergleich mit Ärzten der gleichen apparativen Ausstattung ist jedoch ein Rückgriff auf die Krankheitserscheinungen der Patientenschaft erforderlich.

 

Normenkette

RVO § 368n Abs 5, § 368e; EKV-Ä § 15

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 14.03.1984; Aktenzeichen L 7 Ka 8/82)

SG Berlin (Entscheidung vom 25.08.1982; Aktenzeichen S 71 Ka 38/81)

 

Tatbestand

Der Kläger ist als praktischer Arzt am Ersatzkassenvertrag beteiligt. Die Prüfungskommission der Beklagten hat seine Honorarforderungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise bei folgenden Leistungssparten bzw Leistungsarten gekürzt: Laborleistungen (Quartale I bis III/1980), Sonderleistungen (II, III/ 1980), Beratungen (II/1980), physikalisch-medizinische Leistungen (I, II/1980). Auf die Widersprüche des Klägers und des Beigeladenen hat die Beschwerdekommission diese Kürzungen aufgehoben und jeweils eine Kürzung der Gesamtforderungen (der Quartale I bis III/1980) ausgesprochen. Auf die Klage des Arztes hat das Sozialgericht (SG) wie folgt erkannt: "Die Entscheidungen der Prüfungskommission vom 18.6., 6.10.1980 und 12.1.1981 in der Fassung der Entscheidung der Beschwerdekommission vom 11.9.1981 werden aufgehoben". In der Begründung wurde ua ausgeführt, daß die Beschwerdekommission die Kürzungen zu pauschal und ohne ausreichende Begründung vorgenommen habe und daß es auch nicht sachgerecht sei, statt einer Kürzung bei den Leistungsarten eine Kürzung hinsichtlich der Gesamtleistungsdifferenz vorzunehmen. Der beigeladene Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) hat Berufung eingelegt. Nachdem der Kläger die Klage insoweit zurückgenommen hatte, als eine Kürzung bei den physikalisch-medizinischen Leistungen (I, II/1980) und bei den Sonderleistungen hinsichtlich des Quartals III/1980 erfolgte, hat das Landessozialgericht (LSG) die Bescheide der Prüfungskommission im übrigen aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ua ausgeführt: Der Widerspruchsbescheid enthalte keine Gründe für die Kürzung und stelle unrichtigerweise nicht auf einzelne Leistungssparten, sondern auf die Gesamtleistung ab. Aber auch die Bescheide der Prüfungskommission könnten keinen Bestand haben. Da der Kläger als praktischer Arzt ein großes Labor betreibe, wie es üblicherweise nur Internisten führten, hätte er mit entsprechenden Internisten verglichen werden müssen. Die 15 %ige Kürzung des Honorars für Sonderleistungen könne bei einer Streuungsmaß-Abweichung von + 157 ebenfalls keinen Bestand haben. Aber auch die Kürzungen für Beratungen ließen sich nicht aufrechterhalten, nicht nur, weil dem Bescheid die Begründung für die Kürzung fehle, sondern auch deshalb, weil eine Streuungsmaß-Abweichung von + 178 nicht extrem hoch sei und weil die Beratungen von den Patienten veranlaßt würden, nicht aber vom Arzt gesteuert werden könnten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision des Beigeladenen. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, durch ihre Beschwerdekommission über die Widersprüche neu zu entscheiden.

Der Kläger und die Beklagte beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nach Maßgabe des Urteilstenors begründet.

1. Die Beschwerdekommission der Beklagten hat eine Kürzung des Gesamthonorars vorgenommen. Es gehört zur Vergleichbarkeit, daß die Fallkostendifferenz anhand spezieller Leistungsarten ermittelt wird (BSGE 55, 110, 112). Denn erst dadurch werden verschiedene Leistungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Gleichartigkeit zusammengefaßt und wird ihre statistische Vergleichbarkeit hinreichend verbessert, ganz abgesehen davon, daß dem Arzt durch den Gesamtleistungsvergleich weder ein Ansatz für eine Korrektur seines Verhaltens noch die Chance gegeben wird, Einwendungen des Kostenausgleichs zwischen verschiedenen Leistungsarten zu erheben. Die Begründung des Bescheides läßt aber nicht erkennen, warum eine Kürzung hinsichtlich der Gesamtleistung vorgenommen wurde.

2. Der Widerspruchsbescheid ist aus einem weiteren Grund rechtsfehlerhaft. Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger ein sogenanntes großes Labor (mit 27 Parametern) betreibt, wie es üblicherweise nur Internisten führen. An diese tatsächlichen Feststellungen, die mit keiner Verfahrensrüge angegriffen wurden, ist der Senat gebunden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Die Beschwerdekommission hat nicht begründet, warum sie diese Umstände weder in einen Vergleich mit praktischen Ärzten noch in einen Vergleich mit Internisten eingehen ließ.

Von der Nutzung einer solchen apparativen Ausstattung, wie sie beim Kläger vorliegt, werden die auf Seiten der Patientenschaft bestehenden Leistungsumstände mitbestimmt. Jedenfalls wird ihre Anwendungsmöglichkeit auch zu mehr entsprechenden Leistungen führen. Insofern ist ein Vergleich mit solchen Ärzten erforderlich, die ebenfalls über eine derartige apparative Ausstattung verfügen, wobei es freilich nicht auf die Größe dieser Ausstattung, sondern auf ihre Gleichartigkeit ankommt.

Bei einem solchen Vergleich mit Ärzten der gleichen apparativen Ausstattung ist jedoch ein Rückgriff auf die Krankheitserscheinungen der Patientenschaft erforderlich. Medizinische Apparate, insbesondere medizinische Laboratorien, können zu einer ausgedehnten Nutzung und zu routinemäßigen Untersuchungen verleiten. Ein (bloßer) Vergleich mit Ärzten, die über die gleiche apparative Ausstattung verfügen, wäre daher wenig aussagekräftig. Außer der Berücksichtigung des Fachgebiets und weiterer Spezialisierungen ist daher ein Rückgriff auch auf die Krankheitserscheinungen der Patientenschaft erforderlich. Auf welche Weise die Prüfgremien hier eine Vergleichbarkeit herstellen, unterliegt ihrer vom Gericht nur beschränkt überprüfbaren eigenen Beurteilung. Zwar bringt schon die Methode des statistischen Vergleichs mit sich, daß damit keine Einzelfallprüfungen gemeint sein können. Jedoch sind typisierende Zusammenfassungen von Diagnosen mit quantitativen Vergleichen oder auch die von vornherein quantitative Zusammenfassung von Einzeldiagnosen zu vergleichbaren Krankheitsfallgruppen denkbar, um insoweit eine homogene und aussagekräftige Vergleichsgruppenbildung zu ermöglichen. Dabei werden die Prüfbehörden auch in Erwägung ziehen müssen, sich als Vergleichsmaterial entsprechende Statistiken anderer Kassenärztlicher Vereinigungen zunutze zu machen.

3. Die hier maßgebende Verwaltungsentscheidung ist der Bescheid der Beschwerdekommission der Beklagten (§ 15 Ziffer 6ff Ersatzkassenvertrag - EKV -, Beschluß Nr 14 der Arbeitsgemeinschaft nach § 19 EKV vom 9. Oktober 1963; § 95 SGG). Es war daher lediglich über den Bescheid der Beschwerdekommission zu entscheiden. Soweit das LSG über die Bescheide der Prüfungskommission entschieden hat, war daher das Berufungsurteil aufzuheben. Das SG hat dagegen nur über den Widerspruchsbescheid geurteilt (ohne freilich die Verpflichtung der Beschwerdekommission auszusprechen, nun über die Widersprüche neu zu entscheiden); die mißverständliche Fassung seines Urteilstenors mag dagegen sprechen - wodurch offenbar auch das LSG in seiner Auffassung bestimmt wurde -, die Entscheidungsgründe ergeben jedoch, daß das SG allein die Entscheidung der Beschwerdekommission aufheben wollte; einer entsprechenden Teilaufhebung auch des erstinstanzlichen Urteils bedurfte es daher nicht.

Mit der Aufhebung des Bescheides der Beschwerdekommission ist die Entscheidung über die Widersprüche gegen die Bescheide der Prüfungskommission noch offen; sie kann nur von der Widerspruchsbehörde selbst getroffen werden. Diese ist an die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663415

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