Entscheidungsstichwort (Thema)

Psychiatrische Untersuchung vor Zulassung als Kassenarzt. Versagung der Zulassung als Kassenarzt

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Vorschrift des § 21 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) idF vom 20. Juli 1977 (BGBl I 1977, 1332) - Ungeeignetheit wegen schwerwiegender persönlicher Mängel - handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift mit der Folge, daß die Beweislast (- iS einer objektiven Feststellungslast -) grundsätzlich dem nach § 368b RVO, § 19 ZO-Ärzte zuständigen Zulassungsausschuß obliegt, der die Versagungsgründe geltend macht.

 

Orientierungssatz

Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß ein Arzt, der sich weigert, sich im Rahmen des kassenärztlichen Zulassungsverfahrens psychiatrisch untersuchen zu lassen, damit praktisch das Vorliegen von zulassungshindernden Charaktermängeln eingesteht.

 

Normenkette

ZO-Ärzte § 21 Fassung: 1977-07-20; RVO § 368a Abs 3, § 368b; ZO-Ärzte §§ 19, 17-18

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 15.08.1980; Aktenzeichen L 6 Ka 7/80)

SG Mainz (Entscheidung vom 13.02.1980; Aktenzeichen S 2 Ka 11/79)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Kassenarzt - wieder - zuzulassen ist.

Der im Jahre 1943 geborene Kläger hat im Jahre 1970 das medizinische Staatsexamen abgelegt und promoviert. Im November 1971 erfolgte die Approbation. Ab 1. Juli 1973 war er in Hallerndorf/Kreis Forchheim (Oberfranken-Bayreuth) und ab 8. April 1974 für Borkum als Kassenarzt zugelassen. Durch Beschluß vom 13. August 1974 hat ihm der Zulassungsausschuß Aurich der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Niedersachsen die Zulassung entzogen; der Widerspruch wurde durch Beschluß vom 23. Juni 1976 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Beschlüsse mit der Begründung aufgehoben, daß durch den Wegzug des Klägers von Borkum das Entziehungsverfahren erledigt sei. Am 18. Oktober 1976 hat der Kläger beantragt, ihn als praktischen Arzt in Gillenfeld, Kreis Daun, zur kassenärztlichen Tätigkeit zuzulassen. Der Antrag wurde durch Beschluß des Zulassungsausschusses der KÄV Trier vom 24. November 1976 abgelehnt. Der beklagte Berufungsausschuß hat den Widerspruch durch Beschluß vom 29. Juni 1977 mit der Begründung zurückgewiesen, daß Dr. K. gemäß § 21 der Zulassungsordnung für Ärzte (ZOÄ) als Kassenarzt aufgrund schwerwiegender charakterlicher Mängel ungeeignet sei. Die Ungeeignetheit lasse sich sowohl aus Vorkommnissen, die im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit stünden, als auch aus anderen Begebenheiten erschließen. Zu den erstgenannten Fällen gehöre der vorzeitige Abbruch der Praxisvertretungen in Nörvenich und Jügesheim, die Belästigung des Vorsitzenden der KÄV Pfalz durch nächtliche Telefonanrufe, das aggressive und provozierende Auftreten im Gesundheitsamt Kusel, der Streit mit einem Gerichtsvollzieher und dessen Ehefrau, die tätliche Auseinandersetzung mit einem 71jährigen Sägewerksbesitzer, die vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses durch das Hotel Europa in Borkum und die vorausgegangene Störung der Mittagsruhe im Hotel sowie die körperliche Mißhandlung des schwerbeschädigten Hotelbetriebsleiters; zu den letztgenannten Fällen seien zu rechnen: die Strafbefehle vom 21. März 1972, 27. März 1972 und 26. Juni 1973 wegen Unfallflucht, Nötigung eines Verkehrsteilnehmers und Körperverletzung eines Polizeibeamten nach einem selbst verschuldeten Verkehrsunfall sowie die von Dr. K. veranlaßte Falschbeurkundung notarieller Grundstücksverträge.

Das SG hat die Klage - durch Urteil vom 3. Mai 1978 - mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger den Zulassungsantrag unter der Bedingung gestellt habe, daß kein anderer Kassenarzt für die (nur 1.000 Einwohner zählende) Gemeinde Gillenfeld zugelassen werde; mit der Zulassung des praktischen Arztes Dr. S . am 23. November 1972 sei diese (negative) Bedingung eingetreten, weshalb sich die Klage als unbegründet erweise. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache mit der Begründung zurückverwiesen, das SG sei aufgrund seiner Beweiswürdigung zu Unrecht davon ausgegangen, daß kein wirksamer Zulassungsantrag mehr vorliege (Urteil vom 16. Februar 1979). Das SG hat durch Urteil vom 13. Februar 1980 die Klage erneut abgewiesen; es sei festzustellen, "daß weiterhin Zweifel an der Geeignetheit des Klägers als Kassenarzt bestehen und die Folgen der objektiven Beweislosigkeit der Kläger als Antragsteller zu tragen hat". Durch Urteil vom 15. August 1980 hat das LSG unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, den - zwischenzeitlich in Wuppertal (Klinikum B.) tätigen - Kläger als Kassenarzt in Gillenfeld zuzulassen. Entgegen der Ansicht des SG setze die Versagung der Zulassung nach § 21 ZOÄ voraus, daß die Nichteignung positiv festgestellt werden könne; bloße Zweifel reichten nicht aus. Der Nachweis der Ungeeignetheit sei nicht erbracht. Es komme nur darauf an, ob der Kläger heute ungeeignet sei. Der für einen Kassenarzt nicht unbedenkliche Vorwurf, der Kläger habe während einer Praxisvertretung zu Unrecht noch Krankengeld bezogen, könne nicht mehr aufrechterhalten werden, da der Kläger die Arbeitsaufnahme mit der Krankenkasse abgesprochen gehabt und das zu viel erhaltene Krankengeld, von dessen rechtmäßigem Empfang er gutgläubig ausgegangen sei, inzwischen auch zurückgezahlt habe. Auch die übrigen früheren Vorkommnisse könnten die Versagung der Zulassung nicht rechtfertigen. Beim Kläger bestünden zwar immer noch aggressive Mechanismen. Entscheidend sei aber, daß es ihm schon nach kurzer psychotherapeutischer Behandlung und einer Diabetes-Diät gelungen sei, mit seinen Autoritätskonflikten und Aggressionen besser fertig zu werden. Die Aussagen der vom SG vernommenen Chefärzte, bei denen der Kläger während seiner Hals-Nasen-Ohren-Fachausbildung als Assistent beschäftigt war, bestätigten die Auffassung des Senats, daß trotz möglicher gelegentlicher "Rückfälle" keine schwerwiegenden Bedenken bestünden, den Kläger wieder als Kassenarzt zuzulassen. Den vereinzelten Beschwerden von Patienten über unangebrachte Ironie und Grobheit des Klägers komme dagegen ebensowenig Bedeutung zu wie den (in der Sachverhaltsübersicht des Berufungsausschusses Niedersachsen aufgezeichneten) Vorwürfen von Patienten aus der Zeit in Borkum. Der Kläger bestreite die Vorwürfe durchweg substantiiert. Die erneute Vernehmung der Patienten verspreche keine bessere Sachverhaltsaufklärung mehr. Die Weigerung des Klägers, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, kehre die Beweislast nicht um.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen Ziff 1 und 2. Hierzu wird vorgetragen: Beklagte: 1. Das LSG habe § 21 ZOÄ insoweit verkannt, als es davon ausgeht, daß die Beweislast bei einem "non liquet" grundsätzlich die Beklagte treffe, das LSG es vielmehr unterlassen habe, den Kläger wegen der Verweigerung seines Einverständnisses zu einer psychiatrischen Untersuchung als beweisfällig anzusehen. Angesichts des Beweisergebnisses sei der Kläger verpflichtet gewesen, durch sein Einverständnis bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. 2. Es werde als Verfahrensmangel gerügt, daß das LSG unter Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) es unterlassen habe, den "vereinzelten Beschwerden von Patienten über unangebrachte Ironie und Grobheit des Klägers" und den in der obengenannten "Sachverhaltsübersicht angeführten Vorwürfen von Patienten aus der Zeit in Borkum" weiter nachzugehen. Indem das LSG feststelle, daß diesen Beschwerden und Vorwürfen keine Bedeutung zukomme und eine bessere Sachverhaltsaufklärung nicht zu erwarten sei, verstoße es gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung, so daß auch insoweit ein Verfahrensmangel - wegen Verstosses gegen §128 SGG - gerügt werde. Eine solche vorweggenommene Beweiswürdigung liege auch insoweit vor, als das LSG es abgelehnt habe, ein auch ohne Einwilligung des Klägers mögliches psychiatrisches Aktengutachten einzuholen. Darin liege ein weiterer Verstoß gegen § 128 SGG.

Beigeladene Ziffer 1: 1. Der Kläger trage die Beweislast dafür, daß er gemäß den Bestimmungen der §§ 19 ff ZOÄ zur Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit geeignet sei. Selbst wenn man aber mit dem Kläger und dem LSG die Auffassung vertreten könne, daß § 21 ZOÄ "keine negative Anspruchsvoraussetzung beinhaltet, sondern lediglich als rechtshindernde Vorschrift zu verstehen" sei, so ändere dies nichts daran, daß die nach Auffassung des LSG offengebliebene Frage der Eignung beweislastmäßig zu Lasten des Klägers gehe, weil er nämlich eine entsprechende Klärung bewußt durch die Weigerung, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen, verhindert habe. Der festgestellte Sachverhalt lasse den Schluß zu, daß eine ärztliche Begutachtung für den Kläger ein negatives Ergebnis gehabt hätte. Da hier drei ärztliche Zeugen - insoweit werde auf die Zitate der Beklagten in ihrer Revisionsbegründungsschrift verwiesen - einen pathologischen Befund bekundet hätten, sei die Weigerung des Klägers als Beweisverhinderung und seine Berufung auf die Beweislast der Beklagten als arglistig anzusehen. 2. Die Revision werde weiter darauf gestützt, daß das LSG durch Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 103 SGG) und gegen anerkannte Grundsätze der Beweiswürdigung (§ 128 SGG) tragende Elemente des Verfahrensrechts verletzt habe. Ein Verstoß gegen § 103 SGG sei darin zu sehen, daß das LSG es unterlassen habe, Beschwerden über den Kläger nachzugehen, die - erstens - den vor dem SG vernommenen Zeugen zugetragen worden seien und die - zweitens - sich aus der obengenannten Sachverhaltsübersicht ergäben. Soweit das LSG ausgeführt habe, daß die erneute Vernehmung der Patienten keine bessere Sachverhaltsaufklärung verspreche, liege in dieser Beweisantizipation gleichzeitig ein Verstoß gegen § 128 SGG. Ein weiterer Verstoß gegen §§ 103, 128 SGG sei darin zu sehen, daß das LSG nach der Weigerung des Klägers, sich ärztlich untersuchen zu lassen, kein Gutachten nach Aktenlage eingeholt habe.

Die Beigeladene Ziff 2 hat zur Begründung ihrer Revision sich auf die Revisionsbegründung des Beklagten und der Beigeladenen Ziff 1 berufen und sich diesen Begründungen "vollinhaltlich" angeschlossen.

Die Revisionskläger beantragen: a) Auf die Revision des Beklagten sowie der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 wird das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 15. August 1980 - L 6 Ka 7/80 - abgeändert. b) Die Berufung gegen das Urteil des SG Mainz vom 13. Februar 1980 - S 2 Ka 11/79 Mz - wird zurückgewiesen. Hilfsweise: Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Ein Verstoß gegen die §§ 103, 128 SGG liege nicht vor. Er - der Kläger - habe im übrigen davon ausgehen dürfen, daß die von dem Zeugen Dr. J. festgestellte Hypoglykämie ursächlich für die latenten Aggressionen gewesen sei, so daß ihm ein psychiatrisches Gutachten deshalb als nicht mehr erforderlich erschienen sei, weil aufgrund einer entsprechenden Diät, wie sich aus den Bekundungen des Zeugen Dr. Sch. ergebe, keine Aggressionen mehr aufgetreten seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet.

1. Das angefochtene Urteil läßt bei der Anwendung des § 21 ZOÄ keinen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Beweislast erkennen.

Das LSG hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ein Arzt, der die Zulassungsvoraussetzungen nach § 368a Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO), §§ 17, 18 ZOÄ erfüllt, grundsätzlich einen Anspruch auf Zulassung als Kassenarzt hat (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Stand: Januar 1981, Anm 3 zu § 368a RVO) und daß im Rahmen der Hinderungsgründe der §§ 20, 21 ZOÄ für eine Ermessensausübung kein Raum ist. Da die Versagung der Zulassung einer Beschränkung der Berufswahl gleichkommt (vgl BSG 15, 177, 182; 28, 80, 82; 34, 252, 254), sind solche Eingriffe nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl BVerfGE 7, 377 ff, 44, 105, 117 f, 48, 292, 296 f). Die Versagung der Zulassung als Kassenarzt ist nach § 21 ZOÄ - ebenso wie ihre Entziehung bei gröblicher Pflichtverletzung nach § 368a Abs 6 RVO - deshalb nur zulässig, wenn die in der Person des Arztes liegenden Mängel so beschaffen sind, daß sie die Funktionsfähigkeit des Systems der kassenärztlichen Versorgung gefährden können (vgl dazu Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 - 6 RKa 10/78 - und den dazu ergangenen Beschluß des BVerfG vom 5. September 1980 - 1 BvR 727/80 -; ferner das Urteil des Senats vom 8. Juli 1981 - 6 RKa 17/80 -). Da beim Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen nach § 368a Abs 3 RVO, §§ 17, 18 ZOÄ aber grundsätzlich davon auszugehen ist, daß der Arzt auch als Kassenarzt geeignet ist, handelt es sich bei der Vorschrift des § 21 ZOÄ - Ungeeignetheit wegen schwerwiegender persönlicher Mängel - um eine Ausnahmevorschrift mit der Folge, daß die Beweislast (iS einer objektiven Feststellungslast) grundsätzlich dem nach § 368b RVO, § 19 ZOÄ zuständigen Zulassungsausschuß obliegt, der die Versagensgründe geltend macht. Dies entspricht der Regel der Beweislastverteilung, wonach die Nichterweislichkeit einer zu den gewöhnlichen Entstehungsursachen eines Rechts gehörenden Tatsache einerseits und die Nichterweislichkeit von anomalen Hinderungs- und Erlöschensgründen andererseits jeweils zu dessen Lasten geht, der sich zur Geltendmachung seiner Rechtsposition darauf beruft. Wer sich also auf den ausnahmsweisen Nichteintritt einer regelmäßigen Folge stützt, ist hinsichtlich der Voraussetzungen der rechtshindernden Norm beweisbelastet (Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl 1965, S. 124). Das LSG hat daher mit Recht ausgeführt, daß im Falle der Nichterweislichkeit seiner Ungeeignetheit nach § 21 ZOÄ dem Arzt, der, wie hier, alle sonstigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, die Zulassung nicht verweigert werden darf, da es sich bei § 21 ZOÄ um eine (rechtshindernde) Ausnahmevorschrift handelt.

2. Durch die Weigerung des Klägers, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, wird, wie das LSG ebenfalls zu Recht ausgeführt hat, diese Beweislast nicht umgekehrt. Abgesehen davon, daß von einer eigentlichen "Umkehr" der Beweislast nicht die Rede sein kann, wenn der beweisbelasteten Seite die Beweisführung durch die andere Seite treuwidrig vereitelt oder erschwert wird (Rosenberg, aaO, S 186 ff), es vielmehr nur darum geht, ob durch das treuwidrige Verhalten der Beweis als erbracht anzusehen ist, hat das LSG insoweit, als es einen Schluß von der Weigerung des Klägers auf das Eingeständnis seiner charakterlichen Unzuverlässigkeit abgelehnte, kein Recht, weder durch Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze als solche noch durch eine (in der Verletzung allgemeiner Erfahrungssätze liegende) Überschreitung des Rahmens der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) verletzt, so daß auch kein Verstoß gegen die Beweislastverteilung vorliegt. Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß ein Arzt, der sich weigert, sich im Rahmen des kassenärztlichen Zulassungsverfahrens psychiatrisch untersuchen zu lassen, damit praktisch das Vorliegen von zulassungshindernden Charaktermängeln eingestehe.

Nach § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 3 der Bundesärzteordnung (BÄO) idF vom 14. Oktober 1977 (BGBl I 1885) ist die Approbation als Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller "nicht wegen eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht zur Ausübung des ärztlichen Berufs unfähig oder ungeeignet ist". Und nach § 6 Abs 1 Nr 3 dieser Vorschrift kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn "Zweifel bestehen, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 3 noch erfüllt sind und der Arzt sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen". Nicht um jene Feststellungen wäre es aber bei dem hier fraglichen Gutachten gegangen, sondern darum, beim Kläger charakterliche bzw moralische Mängel iS des § 21 ZOÄ aufzudecken. Dafür, analog § 6 Abs 1 Nr 3 BÄO auch insoweit eine Mitwirkungspflicht des Arztes zu fordern, fehlt es indessen an der Gleichheit der Interessenlage. Das mag dann anders sein, wenn Zweifel hinsichtlich einer - beiden Bestimmungen unterfallenden - Rauschgift- bzw Trunksucht bestehen. Das ist hier aber nicht der Fall.

3. Soweit die Beklagte und die Beigeladene Ziff 1 rügen, das LSG habe es unterlassen, Beschwerden und Vorwürfe von Patienten weiter nachzugehen, womit es seine Aufklärungspflicht nach § 103 SGG verletzt habe, wurde die Revision nicht formgerecht begründet. Nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG sind, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben. Demnach müssen Vorgänge so genau bezeichnet werden, daß das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit der Behauptung unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (Meyer-Ladewig, aaO, Rdnr 12 zu § 164). Diesem Erfordernis genügt das Vorbringen der Beklagten und der Beigeladenen Ziff 1 nicht. Weder genügen Hinweise auf frühere Schriftsätze und sonstige Aktenteile noch reicht das Vorbringen aus, das Gericht habe nicht ausreichend aufgeklärt. Vielmehr hätte dargelegt werden müssen, warum das LSG sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen, welche Beweismittel - bei Zeugen unter namentlicher Benennung - es konkret hätte benutzen müssen und zu welchen Ergebnissen diese Ermittlungen geführt hätten (BSG SozR Nr. 28 zu § 164 SGG). Das ist hier nicht geschehen. Aus denselben Gründen vermag daher auch die Rüge nicht durchzugreifen, das LSG habe durch das Unterlassen weiterer Zeugenvernehmungen die Beweiswürdigung vorweggenommen. Soweit diese Rüge aber darauf gestützt wird, daß das LSG über den Kläger kein Gutachten nach Aktenlage eingeholt habe, liegt eine Vorwegnahme des Beweisergebnisses schon deshalb nicht vor, weil das LSG zur - nicht zu beanstandenden - Begründung ausgeführt hat, daß die Erhebung eines solchen Gutachtens einerseits unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses und andererseits deswegen unzweckmäßig sei, weil damit keine Verhaltensweisen des Klägers aus jüngerer Zeit erfaßt würden; daß das LSG sich insoweit zur Einholung eines Gutachtens habe gedrängt fühlen müssen, ist nicht ersichtlich.

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen Ziff 1 und 2 waren daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 194 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1657263

BSGE, 291

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