Leitsatz (redaktionell)

1. Wurde die Berechtigte im Rahmen ihres Rentenverfahrens nicht über die Anzeige- und Rückerstattungspflicht belehrt, kann die Versorgungsverwaltung die von ihr in gutem Glauben empfangenen Überzahlungen nicht zurückfordern.

2. KOV-VfG § 47 Abs 2 ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein Bescheid nach BVG § 62 Abs 1 ergangen ist; auch ein Ruhensbescheid nach BVG § 65 Abs 1 Nr 2 rechtfertigt die Anwendung des KOV-VfG § 47 Abs 2 (vergleiche auch BSG 1958-11-13 8 RV 811/56 = SozR Nr 4 zu § 47 VerwVG).

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 2 Fassung: 1955-05-02; BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 65 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-08-07; BGB § 242

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Mai 1959 aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15. Februar 1955 wird dahin abgeändert, daß der Bescheid des Versorgungsamts Köln vom 18. Februar 1954 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1954, soweit er eine Rückforderung ausspricht, aufgehoben wird. Im übrigen wird die Berufung des Beklagten sowie die Anschlußberufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Klägerin, deren Ehemann 1944 im Dienst als Reichsbahnbeamter einem Fliegerangriff zum Opfer fiel, beantragte im Juni 1951 Versorgung. Das Formblatt zur Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) für die Hinterbliebenen (Angehörigen), das den Hinweis enthielt, wesentliche Veränderungen der Verhältnisse seien anzuzeigen und zu Unrecht empfangene Bezüge zurückzuzahlen, blieb unausgefüllt, wurde aber am 1. Oktober 1951 mit dem von der Klägerin unterschriebenen Vermerk versehen: "Ich beziehe eine Bundesbahnpension von ca. 98.- DM von der Bundesbahn-Pensionsstelle Köln. Ich begehre keine Ausgleichsrente." Auf Anfrage des Versorgungsamts (VersorgA) teilte die Eisenbahndirektion Köln am 6. Oktober 1951 mit, die Hinterbliebenenbezüge der Klägerin betrügen nach der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge monatlich 98.53 DM; ab 1. Juli 1951 werde außerdem eine widerrufliche laufende Unterstützung von 10.- DM monatlich ohne Rechtsverbindlichkeit gewährt. Das Witwengeld nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen würde 61,32 DM betragen, die widerrufliche Unterstützung nur 7.- DM. Auf Grund dieser Mitteilung gewährte das VersorgA der Klägerin durch Bescheid vom 3. Mai 1952 neben der Grundrente von 40.- DM eine Teilausgleichsrente, und zwar ab 1. Juni 1951 monatlich 19.- DM ab 1. Juli 1951 monatlich 12.- DM, und ab 1. April 1952 monatlich 17.- DM. Gleichzeitig stellte es fest, daß die Rente gemäß § 65 Abs. 1 Ziff. 2 BVG zum Teil ruhe, nämlich ab 1. Juni 1951 bis auf 21,79 DM, ab 1. Juli 1951 bis auf 11,79 DM und ab 1. April 1952 bis auf 16,79 DM. Bei einer Einkommensüberprüfung durch Fragebogen gab die Klägerin am 16. April 1953 zur Frage nach Renten ein monatliches Einkommen von 106,77 DM an. Das VersorgA änderte darauf die Rente nicht, weil es annahm, es handele sich um die bisherige Höhe der Unfallfürsorgerente abzüglich eines Sterbekassenbeitrages.

Eine Nachfrage bei der Bundesbahnkasse vom Januar 1954 ergab, am 11. Februar 1954, daß sich das Witwengeld der Klägerin bei gleichzeitigem Anstieg auch des allgemeinen beamtenrechtlichen Witwengeldes seit dem 1. Juli 1951 viermal erhöht hatte. Das VersorgA errechnete daraufhin im Bescheid vom 18. Februar 1954, daß die Witwenrente der Klägerin gemäß § 65 Abs. 1 Ziff. 2 BVG ab 1. November 1951 bis auf 6,72 DM, ab 1. April 1952 bis auf 11,72 DM, ab 1. Februar 1953 bis auf 9,29 DM und ab 1. Mai 1953 völlig ruhte, stellte eine Überzahlung von 266,66 DM fest und forderte diese von der Klägerin zurück. Ihr Widerspruch, in dem sie geltend machte, sie sei nie zur Anzeige von Einkommensänderungen aufgefordert worden, wurde durch Bescheid vom 31. März 1954 mit der Begründung zurückgewiesen, sie habe mit ihrer am 1. Oktober 1951 geleisteten Unterschrift den Fragebogen, der diese Aufforderung enthalten habe, bestätigt. Mit der Klage begehrte die Klägerin zunächst, unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides zu entscheiden, daß die Überzahlung in Ausgabe zu belassen sei, weil sie diese gutgläubig verbraucht habe. Entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung zuletzt gestellten Klageantrag stellte das Sozialgericht (SG) im Urteil vom 15. Februar 1955 fest, die Klägerin sei nicht verpflichtet, den übererhobenen Betrag von Versorgungswitwenrente an den Beklagten zurückzuzahlen. Die Klägerin sei gutgläubig gewesen; die Rückforderung verstoße gegen Treu und Glauben.

Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 13. Mai 1959 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Es wies gleichzeitig die Anschlußberufung der Klägerin zurück, mit der diese den Beklagten verpflichtet wissen wollte, von der Rückforderung des Betrages von 266,66 DM abzusehen, und ließ die Revision zu. Die jeweils rückwirkenden Erhöhungen der beamtenrechtlichen Bezüge hätten nach § 65 Abs. 1 Ziff. 2 BVG auch das Ruhen des Rechts auf Bezüge aus der Kriegsopferversorgung für die Vergangenheit bewirkt. Daher sei die Hinterbliebenenrente aus der Kriegsopferversorgung insoweit zu Unrecht an die Klägerin gezahlt worden. Objektiv ohne Rechtsgrund gezahlte Versorgungsbezüge seien nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) grundsätzlich zurückzuzahlen; Ausnahmen hiervon seien nur im eng begrenzten Rahmen der Absätze 2 und 3 dieser Bestimmung möglich. Hier komme nur Abs. 2 in Frage, aber auch diese Vorschrift erfasse den vorliegenden Fall nicht unmittelbar, denn sie setze voraus, daß die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhe. Dazu könne die rückwirkende Erhöhung für die Versorgungsbezüge relevanter anderweitiger Bezüge an sich nicht gerechnet werden. Da solche Änderungen aber von § 62 BVG nicht und von den §§ 41 ff VerwVG nur unvollkommen erfaßt würden, müsse § 47 Abs. 2 VerwVG gleichwohl auf derartige Fälle angewandt werden. Die Rückforderung sei zwar wegen der geringen Höhe des Gesamteinkommens der Klägerin auch bei Berücksichtigung der Nachzahlung von beamtenrechtlichen Bezügen nicht nach § 47 Abs. 2, zweite Alternative VerwVG vertretbar; es sei aber zu prüfen, ob die Klägerin habe wissen müssen, daß ihr die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustanden (§ 47 Abs. 2, erste Alternative VerwVG). Entscheidend sei, ob die Klägerin beim Empfang der Nachzahlungen von deren Anrechenbarkeit auf die bereits empfangenen Versorgungsleistungen wußte oder wissen mußte. Im Sonderfall rückwirkender Gewährung anrechenbarer Bezüge sei "Bösgläubigkeit", die sonst bereits im Zeitpunkt der Zahlung der Versorgungsbezüge vorliegen müsse, nur insoweit zu fordern, als dem Empfänger der Versorgungsleistungen beim Empfang der Nachzahlungen, falls er sie schon früher bekommen hätte, deren Anrechenbarkeit bekannt war oder bekannt sein mußte. Die Klägerin sei über die Anrechenbarkeit der Unfallfürsorgeleistungen durch den von ihr am 1. Oktober 1951 unterschriebenen Einkommensfragebogen und durch den Bewilligungsbescheid vom 3. Mai 1952 genügend unterrichtet worden. Sie habe auch spätestens am 1. Februar 1953 - bei Auszahlung der ersten Nachzahlung - gewußt, daß eine Erhöhung ihrer Beamtenhinterbliebenenbezüge eingetreten war, und habe folglich wissen können, daß dadurch ihre Versorgungshinterbliebenenbezüge beeinflußt werden konnten. Gleichwohl habe sie dem VersorgA die seit dem 1. Februar 1953 laufend eingetretenen Erhöhungen ihrer Beamtenhinterbliebenenbezüge nicht mitgeteilt. Deshalb verdiene sie den ihr vom SG zugebilligten Schutz nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 47 VerwVG. Sie meint, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihr über den 31. Oktober 1951 hinaus bis zum 28. Februar 1954 Witwenrente in bisheriger Höhe zu zahlen. Die Voraussetzungen einer Rückforderung nach § 47 Abs. 2 VerwVG seien nicht erfüllt. Zutreffend habe das LSG die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Rückforderung verneint. Dagegen sei es zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin habe gewußt oder wissen müssen, daß ihr bei Zahlung der Witwenrente in der Zeit vom 31. Oktober 1951 bis 28. Februar 1954 diese Rente nicht in der bisherigen Höhe zustand. Sie besitze weder Rechtskenntnisse noch kenne sie die Rentenberechnung. Es sei ihr deshalb auch unbekannt gewesen, daß ihre beamtenrechtlichen Bezüge zu einer Veränderung ihrer Versorgungswitwenrente führen konnten. Auch aus dem Bescheid vom 3. Mai 1952, der im wesentlichen eine Rentenberechnung gewesen sei, habe sie nichts Gegenteiliges entnehmen können. Der Beklagte habe trotz der Einkommensanzeige vom 16. April 1953, die ein gegenüber der Rentenbewilligung verändertes Einkommen enthielt, keine Neuberechnung der Rente vorgenommen und sie dadurch in dem Glauben an die Rechtmäßigkeit der Bezüge noch bestärkt. Auf eine Verpflichtung zur Anzeige jeder Einkommensänderung habe der Beklagte weder im Bescheid vom 3. Mai 1952 noch bei anderer Gelegenheit hingewiesen. Wenn er auf den von der Klägerin am 1. Oktober 1951 unterschriebenen Fragebogen hinweise, müsse er sich entgegenhalten lassen, die Klägerin habe angenommen, dieser Fragebogen diene nur zur Berechnung der Witwenrente, die bald darauf mit Bescheid vom 3. Mai 1952 gewährt wurde. Sie habe aus dem Verhalten des Beklagten entnehmen dürfen, Angaben über ihr Einkommen würden jeweils besonders von ihr erfragt werden. Aber selbst wenn ein Rückforderungsanspruch des Beklagten bestehen sollte, sei seine Geltendmachung unzulässige Rechtsausübung, denn während sie ihren Verpflichtungen stets in dem erforderlichen Maße nachgekommen sei, habe es der Beklagte versäumt, sie über die Pflicht zur Anzeige von Einkommensveränderungen zu belehren und sie zur Anzeige ihrer Einkommensverhältnisse anzuhalten. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 15. Februar 1955 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LSG und unter Abänderung des Urteils des SG die Klage als unzulässig abzuweisen; hilfsweise, unter Abänderung des Urteils des LSG die Anschlußberufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen, ferner hilfsweise, die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Der Beklagte hält die von der Klägerin zunächst erhobene Feststellungsklage für ebenso unzulässig wie die Verpflichtungsklage, zu der sie in der Berufungsinstanz übergegangen sei. Zulässig sei allein die reine Anfechtungsklage gewesen, auf die die Klägerin in der Revisionsinstanz aber nach § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht mehr übergehen könne. Deshalb müsse die Klage als unzulässig abgewiesen werden. Unbegründet sei die Revision, soweit sie Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Berufung des Beklagten erstrebe, denn das Urteil des LSG sei zumindest im Ergebnis zutreffend. Der vorliegende Fall, der keine Neufeststellung gemäß § 62 BVG sondern ein Ruhen nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG betreffe und somit nicht auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruhe, sei zwar - entgegen BSG in SozR VerwVG § 47 Ca 2 Nr. 4 - und nicht nach § 47 Abs. 2 sondern allein nach § 47 Abs. 1 VerwVG zu beurteilen, wobei eine ergänzende Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben ausscheide; aber selbst bei Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG sei der Rückforderungsanspruch, wie vom LSG dargelegt, gegeben, weil die Klägerin spätestens am 1.2.1953 gewußt habe bzw. wissen konnte, daß eine Erhöhung der beamtenrechtlichen Bezüge eingetreten und für die Versorgungsbezüge von Bedeutung war.

Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

Die Auffassung der Beklagten, die Klage sei sowohl als - in erster Instanz erhobene - Feststellungsklage wie auch als - in zweiter und dritter Instanz erhobene - "Verpflichtungs-" bzw. Leistungsklage unzulässig, trifft nicht zu. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist nur über die erhobenen Ansprüche zu entscheiden. Dabei sind die Gerichte nach § 123 SGG nicht an die Fassung der Anträge gebunden (BSG 9, 20). Auf die wörtliche Fassung des Antrags kommt es mithin nicht an; maßgebend ist ihr Sinn und Inhalt (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGG, 3. Aufl. § 123 Anm. 3 S. II 111). Wenn sich dieser zweifelsfrei bestimmen läßt, ist eine mißverständliche Fassung unschädlich. Im vorliegenden Fall trifft dies zu. Sinn und Inhalt der von der Klägerin gestellten Anträge lassen von Anfang an ein Begehren der Klägerin erkennen, wie es in der Revisionsbegründung im einzelnen näher dargelegt worden ist. Hier trägt die Klägerin vor, der streitige Bescheid vom 18. Februar 1954 werde nicht beanstandet, soweit er ihre Rente für die Zukunft neu feststelle; er sei jedoch rechtswidrig, soweit er für die Zeit vom 31. Oktober 1951 bis 28. Februar 1954 einen Betrag von 266,66 DM zurückfordere. Prozeßziel der Klägerin war sonach in allen Instanzen die Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 1954 und des Widerspruchsbescheides, soweit diese eine Rückforderung aussprachen bzw. bestätigten. Wenn die Klägerin dabei in den Vorinstanzen abweichende oder mißverständliche Formulierungen wählte, so ändert dies nichts am erkennbaren Inhalt ihres Begehrens, das während des gesamten Verfahrens nur der Aufhebung der Rückforderung galt. Nach § 123 SGG muß daher die Klage von Anfang an als eine gegen die Rückforderung gerichtete Anfechtungsklage angesehen werden, an deren Zulässigkeit auch der Beklagte keinen Zweifel hegt. Bezüglich der Zulässigkeit der Berufung gegen das SG-Urteil ist auf BSG 3, 234 zu verweisen. Danach handelt es sich beim Streit um die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge weder um Ansprüche auf einmalige Leistungen (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) noch um Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume (§ 148 Nr. 2 SGG). Auch die Berufung war daher zulässig.

Der erst in der mündlichen Verhandlung, also nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gestellte Antrag des Revisionsbeklagten, die Anschlußberufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen, kann nicht als eine Anschlußrevision aufgefaßt werden. Denn die unselbständige Anschlußrevision ist nur bis zum Ende der Revisionsbegründungsfrist des Gegners zulässig (§§ 556 der Zivilprozeßordnung, 202 SGG), die hier bereits mit dem 5. Dezember 1959 abgelaufen war. Im übrigen hat das LSG die Anschlußberufung der Klägerin bereits zurückgewiesen, so daß es insoweit auch an einer Beschwer des Beklagten fehlt.

Sachlich muß die Anfechtungsklage Erfolg haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Beklagten im vorliegenden Fall § 47 VerwVG ist (vgl. BSG 3, 234 ff; 6, 11; 11, 46 f) oder ob der Bescheid vom 18. Februar 1954 und der Widerspruchsbescheid vom 31. März 1954 nicht in den zeitlichen Geltungsbereich des VerwVG fallen (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Ca 3 Nr. 9) und deshalb nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu beurteilen sind. Das sachliche Ergebnis wird hier durch die unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht beeinflußt.

Voraussetzung der Rückforderung ist sowohl nach § 47 VerwVG als auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts, daß es sich um eine zu Unrecht empfangene Leistung handelt. Das trifft hier zu. Das Ruhen der Rente konnte vom Beklagten rückwirkend auch für die Zeit angeordnet werden, für welche die Rente bereits bewilligt war (BSG 4, 281; SozR VerwVG § 47 Ca 2 Nr. 4 sowie mit abweichender Begründung Urteil des BSG vom 24.4.1963 - 11 RV 976/60 -). Der auf § 62 BVG gestützte Neufeststellungsbescheid vom 18. Februar 1954 war durch die erst nach Erlaß des früheren Bescheides vom 3.5.1952, nämlich im Jahre 1953, erfolgten Nachzahlungen erforderlich geworden. Es handelte sich also um später eingetretene wesentliche Änderungen der Verhältnisse i. S. des § 62 Abs. 1 BVG, die eine Minderung bzw. Entziehung der Hinterbliebenenrente bewirkten, welche gemäß § 61 Abs. 4 BVG aF mit Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen für die bis dahin gewährten Bezüge weggefallen sind, einzutreten hatte. Demnach hat der Beklagte das bereits im Bescheid vom 3. Mai 1952 für einen Teil der Rente ausgesprochene Ruhen im Bescheid vom 18. Februar 1954 für die zurückliegende Zeit zu Recht auf weitere Teile und ab 1. Mai 1953 d. h. einen Monat nach der ab 1.4.1953 erfolgten vorletzten Erhöhung der Pensionsbezüge auf die gesamte Rente erstreckt.

Die über den Auszahlungsanspruch hinaus erbrachten Leistungen hat die Klägerin deshalb zu Unrecht empfangen.

Nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts ist eine zu Unrecht empfangene Leistung in aller Regel in vollem Umfang zu erstatten. Eine Ausnahme ist dann anzuerkennen, wenn die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstieße. Bereits die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts hat die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs als rechtswidrig angesehen, wenn sie gegen Treu und Glauben verstieß (vgl. BSG in SozR VerwVG § 47 Ca 11 Nr. 13, ferner BSG Urteil vom 17.5.1962 - 11 RV 116/60 -). Auch im vorliegenden Fall ist die Rückforderung unter diesem Gesichtspunkt rechtswidrig, denn der Beklagte hat die Klägerin selbst in den Glauben versetzt, die gezahlten Rentenbeträge stünden ihr zu und die Klägerin hat die in Wahrheit überzahlten Beträge in gutem Glauben verbraucht. Im gesamten Verwaltungsverfahren ist die Klägerin nur einmal, und zwar in dem Fragebogen, den sie am 1.10.1951 unterschrieb, darauf hingewiesen worden, daß sie jede Änderung der dargestellten Verhältnisse unverzüglich anzuzeigen und unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge zurückzuzahlen habe. Dieser Hinweis, der in aller Regel genügen wird, um Rückforderungsansprüche der Versorgungsverwaltung zu sichern, genügt aber im vorliegenden Fall nicht, um den Einwand, die Rückforderung verstoße gegen Treu und Glauben, zu entkräften. Der Hinweis erfolgte zwar im Zusammenhang mit Fragen nach den Einkommensverhältnissen der Klägerin. Er bezog sich aber in für die Klägerin erkennbarer Weise nur auf die Ausgleichsrente , denn das verwendete Formblatt brachte an besonders hervorgehobener Stelle zum Ausdruck, wenn keine Ausgleichsrente begehrt werde, sei die Einreichung des Formblattes und damit die Beantwortung der darin gestellten Fragen nicht erforderlich. Erst an späterer Stelle folgte der Hinweis, jede Änderung der dargestellten Verhältnisse sei unverzüglich anzuzeigen. Da sich die Klägerin dafür entschied, Ausgleichsrente nicht zu begehren - die an sie geleisteten Zahlungen erreichten auch nicht einmal den Betrag der Witwengrundrente - entfiel für die mindestens nach ihrer Vorstellung die Verpflichtung, die im Formblatt erfragten Verhältnisse darzustellen. Stellte die Klägerin aber zu Recht ihre Verhältnisse entsprechend dem Formblatt nicht dar, so war sie auch nicht verpflichtet, eine Änderung der "dargestellten Verhältnisse" anzuzeigen. Wenn sie - obwohl das nicht von ihr verlangt worden war - an einer freien Stelle des Formblattes angab, daß sie von der Bundesbahnpensionsstelle Köln eine Pension von ca. 98.- DM beziehe, so übernahm sie damit jedenfalls nicht die Verpflichtung, Änderungen dieses Einkommens unverzüglich anzuzeigen. Der Hinweis, unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge müßten zurückgezahlt werden, erfolgte im Formblatt erst nach dem Hinweis auf die Anzeigepflicht. Er konnte und mußte von der Klägerin dahin verstanden werden, daß nur die wegen Nichtanzeige einer Änderung der erfragten und demgemäß "dargestellten Verhältnisse" zu Unrecht empfangene Versorgungsbezüge zurückzuzahlen seien. In dieser Auffassung mußte die Klägerin durch den Bescheid vom 3. Mai 1952 noch bestärkt werden, der einen Hinweis auf Anzeige- und Rückzahlungspflichten überhaupt nicht enthielt, obwohl darin - entgegen ihrem Begehren - ein Ausgleichsrentenanspruch bejaht wurde. Aus der in diesem Bescheid enthaltenen ausführlichen Berechnung des Betrages ging deutlich hervor, daß dieser vom Unterschied der allgemeinen beamtenrechtlichen Versorgung zur Beamtenunfallfürsorge und damit mittelbar von der Höhe ihrer Hinterbliebenenbezüge aus der Beamtenunfallfürsorge abhängig war. Hieraus konnte die Klägerin erkennen, daß das VersorgA die für die Rentenberechnung notwendigen Einkommens- und Vergleichsbeträge selbst bei der Bundesbahn in Köln ermittelt hatte. Mußte aber die Klägerin aus dem Bescheid vom 3. Mai 1952 erkennen, daß es für den Betrag der ihr zu zahlenden Rente auf die ihr ohnehin nicht bekannte jeweilige Differenz zwischen allgemeiner beamtenrechtlicher Versorgung und Beamtenunfallfürsorge ankam und wurde sie insoweit weder auf Anzeige- noch auf Rückerstattungspflichten hingewiesen, so konnte sie annehmen, das VersorgA lasse sich - wie bisher - von der Bundesbahnpensionsstelle unmittelbar über Veränderungen in der für ihre Versorgungsrente maßgeblichen Differenz unterrichten, so daß Überzahlungen nicht eintreten könnten. Auch durch die Übersendung des von der Klägerin am 16. April 1953 ausgefüllt zurückgegebenen Einkommensfragebogens wurde diese Annahme nicht beeinträchtigt, denn nachdem auch hierbei kein Hinweis auf eine Verpflichtung zur Anzeige späterer Veränderungen und zur Rückzahlung überhobener Beträge gegeben wurde, war für die Klägerin nicht ersichtlich, daß sie etwa nun das VersorgA selbständig über ihre Einkommensentwicklung unterrichten sollte. Dies umso weniger, als es nicht allein auf ihr Einkommen aus der Beamtenunfallfürsorge, sondern auf den die allgemeine beamtenrechtliche Versorgung übersteigenden Betrag dieses Einkommens ankam, den sie selbst nie angeben konnte. Aus der Zusendung dieses Fragebogens konnte die Klägerin daher allenfalls schließen, das VersorgA wolle sich vergewissern, ob sie außer ihren Beamtenwitwenbezügen noch andere Einkünfte habe. Ließ somit der Beklagte die Klägerin bis zum Empfang des Bescheides vom 18. Februar 1954 in dem nach den gesamten Umständen gerechtfertigten Glauben, er kontrolliere die für ihre Versorgungsrente maßgebende Differenz zwischen allgemeiner Beamtenversorgung und Beamtenunfallfürsorge laufend selbst und wies er sie nicht darauf hin, daß sich aus rückwirkender Erhöhung dieser Differenz Überzahlungen mit der Folge von Rückforderungsansprüchen ergeben könnten, so verstieß es gegen Treu und Glauben, wenn er schließlich im Bescheid vom 18. Februar 1954 die Erstattung von Überzahlungen forderte, die die Klägerin in gutem Glauben empfangen und verbraucht hatte.

Auch bei Anwendung des § 47 VerwVG ist ein Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht gegeben, denn die Voraussetzungen des hier maßgebenden Abs. 2 dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Wie das BSG bereits entschieden hat, ist die Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG nicht auf die Fälle beschränkt, in denen wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse ein Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG ergangen ist. Auch die Tatsache, daß ein Ruhensbescheid nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG erteilt werden mußte, rechtfertigt die Anwendung des § 47 Abs. 2 VerwVG (vgl. SozR VerwVG § 47 Ca 2 Nr. 4). Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Abgesehen hiervon ist aber der Bescheid vom 18.2.1954 ausdrücklich auf § 62 BVG gestützt; es handelt sich hierbei nicht etwa um einen erstmals erteilten Ruhensbescheid. Der Beklagte irrt, wenn er meint, weil eine Erhöhung der Beamtenunfallfürsorge zu einer entsprechenden Erhöhung des Ruhensbetrages und somit im Endergebnis nicht zu einer Erhöhung des Gesamteinkommens führe, bedeute sie keine die Lebenshaltung des Empfängers berührende wesentliche Änderung der Verhältnisse. Die Frage, ob der Empfänger einer Überzahlung endgültig in deren Genuß bleibt, gehört nicht, wie der Beklagte anzunehmen scheint, zu den Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VerwVG, sondern ist der Gegenstand seiner Regelung; denn die Vorschrift setzt nur eine auf wesentlicher Änderung der Verhältnisse beruhende Überzahlung voraus und macht das Rückforderungsrecht allein von der Bösgläubigkeit des Empfängers der Überzahlung bzw. von der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der Rückforderung abhängig. Daß die rückwirkende Gewährung wiederkehrender Leistungen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bedeutet, hat der erkennende Senat bereits entschieden (vgl. BSG 13, 56); für die rückwirkende Erhöhung wiederkehrender Leistungen kann nichts anderes gelten. Somit beruht im vorliegenden Fall die vom Beklagten festgestellte Überzahlung auf später eingetretenen rückwirkenden wesentlichen Änderungen der Verhältnisse. Für die Rückforderung ist deshalb nicht § 47 Abs. 1 VerwVG sondern Abs. 2 dieser Vorschrift maßgebend. Was zunächst die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin angeht, so hat das LSG festgestellt, die geringe Höhe ihres Gesamteinkommens lasse eine Rückforderung des überzahlten Betrages nicht als vertretbar erscheinen. Dies ist von keiner Seite beanstandet worden. Die Rückforderung nach § 47 Abs. 2 VerwVG hängt mithin allein noch davon ab, ob die Klägerin wußte oder wissen mußte, daß ihr die gezahlten Versorgungsbeträge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustanden. Wie der erkennende Senat unter Aufgabe früherer Rechtsprechung bereits entschieden hat, muß das Wissen oder Wissenmüssen des Empfängers von Überzahlungen, daß ihm diese nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustehen, im Zeitpunkt der Zahlung jeder einzelnen Versorgungsrente, die infolge veränderter Verhältnisse zu Unrecht bewirkt ist, vorhanden sein. Tritt das Wissen oder Wissenmüssen zu einem späteren Zeitpunkt ein, so wird der Empfänger nur bösgläubig bezüglich der Zahlungen, die er nach diesem Zeitpunkt erhält (BSG 13, 56, 59). Im vorliegenden Fall hat das LSG festgestellt, die Klägerin habe spätestens am 1. Februar 1953 - bei Auszahlung der ersten Nachzahlung - gewußt, daß eine Erhöhung ihrer Beamtenhinterbliebenenbezüge eingetreten war; folglich habe sie "wissen können", daß dadurch ihre Versorgungshinterbliebenenbezüge verändert bzw. beeinflußt werden konnten. Ein Wissen der Klägerin um das Nichtzustehen dieser Bezüge hat das LSG demnach ebensowenig wie ein "Wissenmüssen" festgestellt. Das vom LSG festgestellte "Wissenkönnen" reicht aber zu einer Rückforderung nach § 47 Abs. 2 VerwVG nicht aus. Insoweit ist auch keine irreführende Ausdrucksweise des LSG anzunehmen; denn der erkennende Senat vermag aus dem gegebenen Sachverhalt ebenfalls ein "Wissenmüssen" nicht zu entnehmen. Ob die Klägerin ab 1. Februar 1953 wissen mußte , daß ihr Versorgung nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Höhe zustand, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit, ihres Bildungsgrades und ihrer Einsichtsfähigkeit sowie aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (BSG 5, 269; 9, 47; 13, 59). Da die Klägerin in speziellen Fragen des Versorgungs- und Beamtenrechts offensichtlich keinerlei besondere Kenntnisse besitzt und ihr solche auch nicht zuzumuten sind, kann nicht angenommen werden, sie habe wissen müssen , daß sich durch Erhöhung ihrer Bezüge aus der Beamtenunfallfürsorge auch die Differenz dieser Bezüge gegenüber der allgemeinen beamtenrechtlichen Versorgung und damit der Ruhensbetrag ihrer Versorgungsrente erhöhte. Die Klägerin konnte zwar aus der komplizierten Rentenberechnung im Bescheid vom 3. Mai 1952 - wenn sie diese verstand - entnehmen, daß eine Erhöhung dieser Differenz sich mindernd auf ihren Rentenauszahlungsanspruch auswirkte. Die Differenz selbst konnte und mußte sie aber nicht kennen, denn sie erhielt weder von ihrer Pensionszahlstelle eine Mitteilung darüber, noch hatte ihr der Beklagte aufgegeben, sich bei Änderung ihrer Bezüge jeweils danach zu erkundigen. Die Erhöhung ihrer Bezüge aus der Beamtenunfallfürsorge allein zwang sie ebenfalls nicht zu der Annahme, die Differenz gegenüber der allgemeinen beamtenrechtlichen Versorgung habe sich erhöht, denn sie wußte nicht und mußte auch nicht wissen, ob es sich dabei um einheitliche Zuschläge zu allen beamtenrechtlichen Bezügen, um eine prozentual gleichmäßige oder um eine mit dem Zahlbetrag der Bezüge ansteigende oder abnehmende Erhöhung handelte. Bis zur Erteilung des Rückforderungsbescheides vom 18. Februar 1954 konnte also die Klägerin nicht die für den Begriff des Wissenmüssens erforderliche und genügende Erkenntnis gewinnen, daß die Erhöhung des ihr aus der Beamtenunfallfürsorge zufließenden Einkommens eine Minderung ihres Anspruchs auf Auszahlung der ihr bewilligten Versorgungswitwenrente nach sich zog (vgl. BSG 13, 56, 60). Nach dem 18. Februar 1954 aber hat die Klägerin keine Versorgungsrente mehr bezogen; der hier umstrittene Rückforderungsbetrag betrifft vielmehr nur vor diesem Zeitpunkt erfolgte Zahlungen. Der Bescheid vom 18. Februar 1954 erweist sich somit als rechtswidrig, soweit er eine Rückforderung ausspricht und unterliegt in diesem Umfang der Aufhebung; gleiches gilt für den die Rückforderung bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 31. März 1954. Da das LSG dies verkannt hat, mußte sein Urteil aufgehoben werden. Das im sachlichen Ergebnis zutreffende Urteil des SG bedurfte nur wegen des Feststellungsanspruchs der Richtigstellung. Im übrigen mußte die sachlich nicht begründete Berufung des Beklagten ebenso wie die Anschlußberufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2290824

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