Leitsatz (amtlich)

An der bisherigen Rechtsprechung wird festgehalten, wonach es bei einer Neufeststellung gemäß BVG § 62 Abs 1, die nach einem ohne ärztliche Nachuntersuchung erteilten Umanerkennungsbescheid nach dem 1954-09-30 erfolgt, auf den Vergleich mit den Verhältnissen ankommt, die bei Erlaß des Bescheides nach früheren versorgungsrechtlichen Bestimmungen bestanden haben. Ob die wesentliche Änderung der Verhältnisse vor oder nach Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten ist, ist unerheblich (Anschluß BSG 1960-01-21 8 RV 549/58 = BSGE 11, 237, Anschluß BSG 1961-08-17 8 RV 269/60 = BSGE 15, 26, Anschluß BSG 1962-02-22 8 RV 701/60, Anschluß BSG 1963-04-24 11 RV 804/62 = SozR Nr 24 zu § 62 BVG).

 

Leitsatz (redaktionell)

BVG § 86 Abs 3 als Ausnahmevorschrift zu BVG § 62 Abs 1 besagt nicht, daß nach dem 1954-09-30 der ohne Nachuntersuchung erlassene Bescheid nach BVG § 62 Abs 1 nur geändert werden kann, wenn die wesentliche Änderung nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten ist.

Die Versorgungsverwaltung wird nach dem 1954-09-30 für die Zukunft nicht an der im Umanerkennungsbescheid getroffene Regelung festgehalten, wenn der Nachweis nicht gelingt, daß die Änderung der Verhältnisse erst nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten ist.

Die Fehlerhaftigkeit eines ohne Untersuchung erlassenen Bescheides nach BVG § 86 Abs 3 ist auch nach dem 1954-09-30 nicht nach den Verhältnissen zu beurteilen, die bei seinem Erlaß bestanden haben, sondern für die Neufeststellung nach BVG § 62 Abs 1 kommt es auf die dem Altbescheid zugrunde gelegten Verhältnisse und den sich hieraus ergebenden Zeitpunkt an.

 

Normenkette

BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 86 Abs. 3 Fassung: 1956-06-06

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Mai 1962 aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Juli 1959 stattgegeben hat.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der 1939 zum militärischen Dienst einberufene Kläger geriet im April 1945 in russische Gefangenschaft, aus der er im April 1948 entlassen wurde. Auf Grund des Rentengutachtens des Dr. F vom 1. Oktober 1949 stellte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hannover mit Bescheid vom 22. März 1950 Eiweißmangelschaden mit Blutsenkung und Trigeminus-Neuralgie (anfallsweise) als durch den militärischen Dienst entstandene Schädigungsfolgen fest und bewilligte nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 ab 1. Mai 1948 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v. H., ab 1. April 1949 nach einer MdE um 40 v. H. Mit Umanerkennungsbescheid vom 1. Februar 1952 wurde ohne Nachuntersuchung unter Übernahme der bisher anerkannten Schädigungsfolgen und der MdE um 40 v. H. dem Kläger ab 1. Oktober 1950 Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bewilligt. Im Gutachten vom 10. Dezember 1956 kam Dr. D zu dem Ergebnis, der anerkannte Eiweißmangelschaden und der Blutunterdruck bestünden nicht mehr. Die anfallsweise Trigeminus-Neuralgie sei weiterhin anzuerkennen, mindere die Erwerbsfähigkeit des Klägers aber nur um 10 v. H. Mit dem auf § 62 Abs. 1 BVG gestützten Bescheid vom 12. Januar 1957 entzog das Versorgungsamt (VersorgA) Hannover dem Kläger die Rente ab 1. März 1957. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) beantragte der Kläger, den Beklagten zu verurteilen, zusätzlich eine Wassersucht in den Beinen und Herzbeschwerden anzuerkennen und weiterhin Versorgungsrente zu zahlen. Das SG holte Befundberichte von Dr. P, Dr. W und Dr. B ein und hörte Dr. T als Sachverständigen. Dieser schloß sich dem Gutachten des Dr. D an. Das SG wies mit Urteil vom 30. Juli 1959 die Klage ab.

Im Berufungsverfahren holte das Landessozialgericht (LSG) von der Medizinischen Klinik des Krankenhauses N in Hannover ein Gutachten ein. Dr. E und Dr. H kamen darin zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden Folgen eines Eiweißmangelschadens nicht mehr und ein Herzschaden als Folge der Dystrophie sei nicht vorhanden; bei seinem Bluthochdruck handele es sich offenbar um einen essentiellen anlagebedingten Hypertonus. In einer ergänzenden Stellungnahme äußerten sich diese Sachverständigen dahin, es lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob der Eiweißmangelschaden schon vor dem Bescheid vom 1. Februar 1952 ausgeheilt war; es sei aber möglich, daß er damals nicht mehr bestanden habe.

Durch Urteil vom 24. Mai 1962 hob das LSG das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide auf und wies im übrigen die Berufung zurück. Der Beklagte habe die Versorgungsbezüge nach § 62 BVG nur dann neu feststellen dürfen, wenn die wesentliche Änderung der Verhältnisse nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheids vom 1. Februar 1952 eingetreten sei. Das ergebe sich aus der bindenden Wirkung des rechtsverbindlich gewordenen Umanerkennungsbescheides. Voraussetzung der Neufeststellung sei außerdem, daß sich die Verhältnisse objektiv geändert hätten. Da im vorliegenden Fall der Umanerkennungsbescheid ohne Untersuchung ergangen sei, müsse zwar von den beim Kläger erhobenen Befunden und Krankheitsäußerungen ausgegangen werden, die für den Erlaß des Bescheides nach früherem Versorgungsrecht maßgebend gewesen seien und die Dr. ... beschrieben habe. Aus dem Gutachten des Dr. ... ergebe sich auch, daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zu verzeichnen sei, da der Eiweißmangelschaden mit Blutdrucksenkung nicht mehr bestehe. Bei dieser Sachlage würde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG zu bejahen sein. Es treffe aber nicht zu, daß der frühere Bescheid und der Umanerkennungsbescheid in solchen Fällen als eine Einheit zu betrachten seien.

Das BSG habe sich insoweit nicht auf die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts beziehen dürfen, weil eine dem § 2 des Altrentnergesetzes vom 30. Juni 1923 (RGBl I 542 ff) entsprechende Vorschrift nicht in das BVG aufgenommen worden sei. Auch ergebe sich gerade aus der nur auf die Frage des ursächlichen Zusammenhangs beschränkten Verbindlichkeit früherer Feststellungen nach § 85 BVG grundsätzlich, daß die früher erhobenen Befunde und deren Bewertung für die Umanerkennung nach dem BVG nicht verbindlich sein sollten. Daher genüge zur Feststellung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach Erlaß eines Umanerkennungsbescheides nicht der Vergleich zwischen den Befunden und Krankheitsäußerungen, die für den Bescheid nach altem Recht maßgeblich gewesen seien, mit denen, die dem Neufeststellungsbescheid zugrunde gelegen hätten. Die Ermächtigung zu einer Neufeststellung ohne den Nachweis, wann die Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, habe das Gesetz auf die Fälle des § 86 Abs. 3 BVG beschränkt. Diese Ermächtigung sei im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes bis 30. September 1954 befristet worden. Nach Ablauf dieser Frist dürfe die Versorgungsbehörde Bescheide nur zurücknehmen, wenn sie von Anfang an rechtswidrig waren oder wenn nach Erlaß des Umanerkennungsbescheides eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Habe die Versorgungsverwaltung vor Erlaß des Umanerkennungsbescheides keine Nachuntersuchung durchgeführt, so trage sie die objektive Beweislast dafür, daß eine Änderung nach dem Umanerkennungsbescheid eingetreten sei. Das LSG habe auf Grund der ergänzenden Äußerung der Sachverständigen Dr. E und Dr. H nicht die Überzeugung gewinnen können, daß die wesentliche Änderung der Verhältnisse nach dem Umanerkennungsbescheid vom 1. Februar 1952 eingetreten sei. Die Berufung des Klägers sei daher begründet, soweit er die Aufhebung der Bescheide vom 12. Januar und 16. Mai 1957 begehre. Die Berufung sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch aus medizinischen Gründen nicht begründet, soweit der Kläger die Feststellung von Wassersucht und Herzbeschwerden als weiteren Schädigungsfolgen begehre. Die Revision wurde zugelassen.

Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 62 Abs. 1 BVG. Er bezieht sich auf die Rechtsprechung des BSG zu der Frage, welcher Zeitpunkt bei Anwendung des § 62 BVG für die Feststellung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse maßgebend ist, wenn der Umanerkennungsbescheid ohne Untersuchung und der Neufeststellungsbescheid nach dem 30. September 1954 ergangen ist. Im übrigen führt er aus, das Gesetz habe nicht vorgeschrieben, daß unter den erleichterten Voraussetzungen des § 86 Abs. 3 BVG eine Neufeststellung bis zum 30. September 1954 erfolgen müsse. Nur wenn ein Zwang hierzu bestanden hätte, wäre dem LSG darin zu folgen, daß die Versorgungsverwaltung ein Risiko eingegangen wäre, wenn dem Umanerkennungsbescheid nicht bis spätestens 30. September 1954 ein Neufeststellungsbescheid gefolgt wäre; denn der Erlaß eines Bescheides nach § 62 BVG habe der Versorgungsverwaltung jederzeit, vor und nach dem 30. September 1954, offen gestanden und § 86 Abs. 3 BVG habe nur die Umanerkennung erleichtern wollen. Schließe man sich der Auffassung des LSG an, so wäre in vielen Fällen die Anwendung des § 62 Abs. 1 BVG für die Zukunft schlechterdings ausgeschlossen. Aus § 85 BVG lasse sich nicht herleiten, daß die früher erhobenen Befunde und deren Bewertung für die Anerkennung nach dem BVG nicht verbindlich sein sollten; denn ohne diese Befunde wäre ein Anerkenntnis nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften nicht vorgenommen worden und würde eine Übertragung der Schädigungsfolgen auf die nach neuem Recht ergehenden Bescheide nicht möglich gewesen sein. Darum treffe die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts zu. § 2 des Altrentnergesetzes sinngemäß auch auf den Fall der Umanerkennung nach § 86 Abs. 3 BVG zu.

Der Beklagte beantragte, das Urteil des LSG Niedersachsen vom 24. Mai 1962 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie ist auch im wesentlichen begründet.

Das LSG hat festgestellt, daß der Eiweißmangelschaden mit Blutdrucksenkung, der 1949 auf Grund der Untersuchung durch Dr. F in dem Bescheid vom 22. März 1950 nach der SVD Nr. 27 und ohne Nachuntersuchung in dem Umanerkennungsbescheid vom 1. Februar 1952 nach dem BVG als Schädigungsfolge festgestellt worden ist, im Jahre 1956 bei der Untersuchung durch Dr. D. nicht mehr bestanden hat. Diese Feststellung ist für das BSG bindend (§ 163 SGG). Aus ihr ergibt sich, daß der Rentenentziehungsbescheid vom 12. Januar 1957 und der gleichlautende Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 1957 nach § 62 Abs. 1 BVG rechtmäßig sind, wenn die Trigeminus-Neuralgie, die anerkannt geblieben ist, die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in einem rentenberechtigenden Grade (25 v. H. oder mehr) gemindert hat. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG 11, 237, 241 f; 15, 26, 27 f; Urteile vom 22. Februar 1962 - 8 RV 701/60 - und vom 24. April 1963 - 11 RV 804/62 - mit weiteren Hinweisen). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Die Gründe, die das LSG veranlaßt haben, sich der Rechtsprechung des BSG nicht anzuschließen, hält der Senat nicht für überzeugend. Im Urteil vom 24. April 1963 hat sich schon der 11. Senat des BSG eingehend mit den auch hier von dem LSG vorgebrachten Einwänden gegen die Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt. Diesem Urteil des 11. Senats stimmt der erkennende Senat grundsätzlich zu. Im einzelnen sei noch auf folgendes hingewiesen. Die Auffassung des LSG läßt sich insbesondere nicht mit der Bindungswirkung des Umanerkennungsbescheides und der nach § 85 BVG nur beschränkten Verbindlichkeit einer nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Entscheidung begründen, weil diese ausschließlich die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des BVG betreffe. Es ist zwar richtig, daß die in dem Umanerkennungsbescheid getroffene Regelung rechtlich nur auf diesem Bescheid, und somit nicht auf dem nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften (§ 84 Abs. 2 BVG) erlassenen Bescheid (Altbescheid) beruht, denn die früheren Vorschriften waren außer Kraft getreten. Das schließt aber nicht aus, daß in diesem Bescheid die im Altbescheid getroffene Regelung über die Bewertung des Grades der MdE übernommen werden durfte, wie dies in § 86 Abs. 3 BVG bestimmt ist, und daß die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gesundheitsstörung und schädigendem Vorgang nach § 85 Abs. 1 BVG ebenso wie im früheren Bescheid entschieden werden mußte. Regelmäßig kann es bei einer Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG zwar nur auf die Verhältnisse ankommen, die bei Erlaß des Bescheides, der geändert werden soll, bestanden haben. Sie sind den Verhältnissen, die Anlaß zur Neufeststellung geben, gegenüber zu stellen. § 86 Abs. 3 BVG hat jedoch die Versorgungsverwaltung ermächtigt, in dem nach dem BVG ohne Untersuchung ergehenden Bescheid eine Regelung ohne Rücksicht darauf zu treffen, wie die Verhältnisse zur Zeit des Erlasses des Umanerkennungsbescheides tatsächlich gewesen sind. In einem solchen Ausnahmefall muß aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes entnommen werden, ob es für eine Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG auf die Verhältnisse ankommen soll, die bei Erlaß des Umanerkennungsbescheides bestanden haben und auf den sich hieraus ergebenden Zeitpunkt, oder ob hierfür ausschließlich die Verhältnisse maßgebend sind, die dem nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassenen Bescheid zugrunde lagen. Die Zulassung eines Bescheides nach § 86 Abs. 3 BVG ohne sachliche Prüfung der Verhältnisse hat nur eine vereinfachte, reibungslose Überleitung der Versorgungsbezüge auf das neue Recht ermöglichen sollen. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, daß schließlich in aller Regel eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich sei (vgl. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, Protokoll der 35. Sitzung vom 4. Oktober 1950 S. 97 C). Bis zum 30. September 1954 hat die Versorgungsverwaltung in diesen Fällen die Rente dann unter erleichterten Voraussetzungen neu feststellen dürfen, wenn sich nur ergab, daß die in dem Umanerkennungsbescheid getroffene Regelung über die Höhe der MdE unzutreffend war. Sie brauchte dabei nicht nachzuweisen, daß - vor oder nach dem Umanerkennungsbescheid - im Vergleich zu dem nach früherem Versorgungsrecht ergangenen Bescheid eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten war. Die Vorschrift des § 86 Abs. 3 BVG als Ausnahmevorschrift zu § 62 Abs. 1 BVG besagt aber nicht, daß nach dem 30. September 1954 der ohne Nachuntersuchung erlassene Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG nur geändert werden könne, wenn die wesentliche Änderung nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten ist. Die nach § 86 Abs. 3 BVG zugelassene vereinfachte Feststellung der Versorgungsbezüge nach dem BVG sollte der Versorgungsverwaltung bis zum 30. September 1954 eine Anpassung der getroffenen Feststellung an die tatsächlichen Verhältnisse erleichtern , nicht aber als für die Zeit ab 1. Oktober 1954 praktisch fast unmöglich machen. Die vereinfachte Umanerkennung kann sonach, da sie nur einer Überleitung der Versorgungsbezüge auf das neue Recht diente, nicht die Wirkung haben, dem Beschädigten nach dem 30. September 1954 eine Rente zu sichern, die ihm wegen Änderung der in dem Umanerkennungsbescheid als maßgeblich zugrunde gelegten Verhältnisse nicht mehr zusteht. Der Versorgungsverwaltung sollte auch kein Risiko auferlegt werden, daß sie nach dem 30. September 1954 für die Zukunft an der im Umanerkennungsbescheid getroffenen Regelung festgehalten wird, wenn der Nachweis nicht gelingt, die Änderung der Verhältnisse sei erst nach dem Erlaß des Umanerkennungsbescheides eingetreten. Dem Umanerkennungsbescheid wurden vielmehr sachlich die Verhältnisse zugrunde gelegt, die für den Altbescheid maßgebend gewesen waren; dagegen waren die für die Beurteilung der gesundheitlichen Schädigung nach dem BVG maßgebenden Verhältnisse, die bei Erlaß des Umanerkennungsbescheids tatsächlich bestanden, für den Erlaß dieses Bescheides unwesentlich; sie wurden nicht festgestellt. Aus diesem Grunde ist insoweit die Regelung, die in einem Bescheid nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften getroffen wurde, mit dem Umanerkennungsbescheid zu einer "Einheit verschmolzen" (BSG 11, 237, 242; 15, 26, 28). War der Umanerkennungsbescheid bei seinem Erlaß bereits überholt, weil die in dem Altbescheid zugrunde gelegten Verhältnisse nicht mehr zutrafen, so ist die Rechtswidrigkeit des Umanerkennungsbescheides ausschließlich eine Folge davon, daß er ohne Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse von den früheren Verhältnissen ausgegangen ist. Weil die tatsächlichen Verhältnisse bei Erlaß des Umanerkennungsbescheides nicht maßgebend waren, kann es für die Beurteilung einer Änderung der Verhältnisse auch nicht auf den Zeitpunkt seines Erlasses ankommen. Maßgebend sind nach der materiellen Bedeutung und Tragweite, die das Gesetz ersichtlich dem Umanerkennungsbescheid beigemessen hat, vielmehr die Verhältnisse, die dem nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften erlassenen Bescheid zugrunde lagen.

Da sich hiernach unmittelbar aus dem BVG ergibt, daß die Fehlerhaftigkeit eines ohne Untersuchung erlassenen Bescheides nach § 86 Abs. 3 BVG auch nach dem 30. September 1954 nicht nach den Verhältnissen zu beurteilen ist, die bei seinem Erlaß bestanden haben, sondern daß es für die Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG auf die dem Altbescheid zugrunde gelegten Verhältnisse und den sich hieraus ergebenden Zeitpunkt ankommt, ist auf die Rechtslage nicht näher einzugehen, die sich nach § 57 des Reichsversorgungsgesetzes im Hinblick auf § 2 des Altrentnergesetzes ergab, wenn der Umanerkennungsbescheid ohne Nachuntersuchung erlassen war (vgl. hierzu BSG 11, 242).

Das LSG hat somit § 62 Abs. 1 BVG verletzt, weil es für die Neufeststellung den Nachweis für erforderlich hielt, daß die Änderung der Verhältnisse nach dem Erlaß des ohne Untersuchung erlassenen Bescheides eingetreten ist. Es hat aus diesem Grunde nicht die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 12. Januar und 16. Mai 1957 feststellen dürfen. Auf die Revision des Beklagten war daher das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als es der Berufung des Klägers stattgegeben hat. Soweit der Kläger die zusätzliche Feststellung von Wassersucht und Herzbeschwerden als Schädigungsfolgen begehrt hat, hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Dennoch konnte der Senat nicht abschließend entscheiden und die Berufung des Klägers nicht in vollem Umfange zurückweisen, weil das LSG nicht festgestellt hat, um welchen Grad die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Trigeminus-Neuralgie gemindert ist. Es hat zu dieser Schädigungsfolge nicht Stellung genommen und sich insbesondere nicht mit der Auffassung der Sachverständigen Dr. E und Dr. H auseinandergesetzt, daß die durch dieses Leiden bedingte MdE keine MdE "von über 25 v. H." bedinge. Dem BSG ist eine selbständige tatsächliche Feststellung und Beweiswürdigung verwehrt. Daher war die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das LSG wird festzustellen haben, in welchem Grade die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Trigeminus-Neuralgie gemindert ist und ob ihm deswegen noch eine Versorgungsrente zusteht.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2253216

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