Leitsatz (amtlich)
Die Erhöhung der Grundrente (Alterszulage) gemäß BVG § 31 Abs 1 S 2 ist nicht auf den Berufsschadensausgleich gemäß BVG § 30 Abs 5 idF des 2. NOG anzurechnen.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 5 Fassung: 1964-02-21, § 31 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11. Juli 1967 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Dem 1899 geborenen Kläger, dessen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nur wegen besonderer beruflicher Betroffenheit von 40 v. H. auf 50 v. H. heraufgesetzt worden war, wurde vom 1. Januar 1964 an ein Berufsschadensausgleich gewährt. Dieser wurde mit Bescheid vom 24. November 1965 unter Vorbehalt und mit Bescheid vom 18. Oktober 1966 endgültig festgestellt. Auf den Berufsschadensausgleich wurde gemäß § 30 Abs. 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht nur der Unterschied zwischen der Grundrente bei einer MdE um 40 v. H. und einer solchen um 50 v. H. (20,- DM), sondern auch noch die weitere Erhöhung um 10,- DM angerechnet, die der Kläger nach Vollendung seines 65. Lebensjahres in Erhöhung seiner Grundrente gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG erhielt. In gleicher Weise verfuhr die Versorgungsverwaltung auch bei der Neufeststellung der Versorgungsbezüge in dem Bescheid vom 14. Dezember 1966. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er sich gegen die Anrechnung der 10,- DM auf den Berufsschadensausgleich gewandt hatte, wurde mit Bescheid vom 17. März 1967 zurückgewiesen, weil die Grundrente für Schwerbeschädigte mit einer MdE um 50 v. H. nach Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG nicht mehr nur 80,- DM, sondern 90,- DM betrage und dieser Betrag daher der Ermittlung des wegen Erhöhung der MdE erzielten Mehrbetrages im Sinne des § 30 Abs. 5 BVG zugrunde gelegt werden müsse. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 11. Juli 1967 die Bescheide vom 18. Oktober und 14. Dezember 1966 geändert und entschieden, daß der Zuschlag zur Grundrente gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG von 10,- DM nicht auf den Berufsschadensausgleich angerechnet werden darf. Es hat ausgeführt, bei einer rein wörtlichen Auslegung des § 30 Abs. 5 BVG scheine auch die Erhöhung der Grundrente um 10,- DM anzurechnen zu sein, da erst durch die Erhöhung der MdE auf 50 v. H. gemäß § 30 Abs. 2 BVG die Eigenschaft eines Schwerbeschädigten erlangt worden sei und nur Schwerbeschädigte den "Alterszuschlag" bekommen könnten. Eine solche Auslegung widerspreche jedoch dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. 5 BVG. Die Anrechnung erfasse nur den Mehrbetrag der Grundrente, der auf der Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit beruhe; der dem Schwerbeschädigten gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG zustehende "Zuschlag" werde jedoch wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt. Die Erhöhung der Grundrente nach § 30 Abs. 2 BVG könne nur im Rahmen der Bewertung der MdE betrachtet werden. Der § 30 Abs. 5 BVG solle verhüten, daß für die berufliche Betroffenheit eine doppelte Entschädigung sowohl nach § 30 Abs. 2 BVG als auch nach Abs. 3 BVG gewährt werde. Schließlich würde die Anrechnung des Zuschlages bei Schwerbeschädigten mit einer gemäß § 30 Abs. 2 BVG auf 50 v. H. festgesetzten MdE eine Versagung der ihnen nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG uneingeschränkt zustehenden Erhöhung bedeuten. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen dieses, am 20. Juli 1967 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. August 1967, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 16. August 1967, Sprungrevision eingelegt und die schriftliche Erklärung des Klägers beigefügt, in der dieser sich mit der Durchführung der Sprungrevision einverstanden erklärt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Köln vom 11. Juli 1967 zu ändern und die Klage abzuweisen, ferner auszusprechen, daß außergerichtliche Kosten - auch im ersten Rechtszug - nicht zu erstatten sind.
In der Revisionsbegründung vom 12. Oktober 1967, die innerhalb der bis zum 20. Oktober 1967 verlängerten Begründungsfrist am 13. Oktober 1967 beim BSG eingegangen ist, rügt der Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 30 Abs. 5 BVG. Die MdE des Klägers sei nur wegen besonderer beruflicher Betroffenheit (§ 30 Abs. 2 BVG) von 40 v. H. auf 50 v. H. erhöht worden. Nur dadurch sei der Kläger Schwerbeschädigter geworden und nur deswegen habe sich seine Grundrente gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG um 10,- DM erhöht. Diese Erhöhung sei somit eine Folge der Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit, und insoweit sei diese auch der Grund für die weitere Erhöhung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG. Die Anrechnung des Zuschlages ergebe sich sonach schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Sie entspreche auch dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. 5 BVG, der doppelte Versorgungsleistungen vermeiden wolle, die aus verschiedenen Bestimmungen erwachsen, aber auf dem gleichen Sachverhalt beruhen. Die schon im Ersten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) bei der Einführung des Berufsschadensausgleichs vorgesehene Anrechnung des durch eine Höherbewertung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG erzielten Mehrbetrages der Grundrente habe erhöhte Bedeutung erlangt, als durch das 2. NOG der Berufsschadensausgleich allen Schwerbeschädigten zugestanden wurde und die Anrechnung nunmehr schon bei einer Erhöhung der MdE auf 50 v. H. vorzunehmen ist. Anzurechnen sei nach Sinn und Zweck des § 30 Abs. 5 BVG nicht nur die durch eine höhere Bewertung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG erlangte Erhöhung der Grundrente, sondern auch deren weitere Erhöhung nach Vollendung des 65. Lebensjahres, soweit auch diese durch die Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG bedingt sei. Diese Auslegung des § 30 Abs. 5 BVG entspreche dem auch in anderen Vorschriften des BVG, wie in den §§ 55, 65 BVG, ausgedrückten Rechtsgedanken, daß die gleiche Ursache nicht zu gleichartigen öffentlich-rechtlichen Leistungen führen solle. Bei § 30 Abs. 5 BVG handele es sich nicht um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen sei. Entgegen der Auffassung des SG könne auch aus den Vorschriften über die automatische Pflegezulage (§ 35 BVG) und über die Witwenbeihilfe (§ 48 BVG) nicht der Grundsatz hergeleitet werden, daß nach Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit eine Anrechnung der erhöhten Rente auf andere Versorgungsleistungen ausgeschlossen sei. Das SG habe verkannt, daß den weiteren Versorgungsleistungen in den angeführten Fällen völlig andere Ursachen zugrunde lägen, die im Falle des § 35 BVG in der Unterstellung einer Hilflosigkeit infolge einer besonders schweren Gesundheitsstörung und im Falle des § 48 BVG in der Notwendigkeit der Sicherstellung des Lebensunterhaltes bestünden. Der Berufsschadensausgleich beruhe jedoch ebenso wie die Erhöhung der MdE auf der Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Die Anrechnung sei daher keine Ausnahme, sondern entspreche einem allgemeinen Rechtsgedanken.
Der Kläger beantragt,
die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 11. Juli 1967 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die Rechtsauffassung des SG für zutreffend.
Die Sprungrevision des Beklagten ist statthaft. Nach § 161 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann gegen die nach § 150 SGG mit der Berufung anfechtbaren Urteile des SG unter Umgehung des Berufungsverfahrens die Revision unmittelbar beim BSG eingelegt werden (Sprungrevision), wenn der Rechtsmittelgegner einwilligt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das Urteil des SG war jedenfalls infolge der Zulassung gemäß § 150 Abs. 1 Nr. 1 SGG mit der Berufung anfechtbar, so daß dahingestellt bleiben kann, ob die Berufung überhaupt ausgeschlossen und die Zulassung nach § 150 Nr. 1 SGG notwendig war. Die schriftliche Einwilligungserklärung des Klägers liegt ebenfalls vor. Die sonach statthafte Revision ist auch form- und fristgerecht (§§ 164, 166 SGG) eingelegt und begründet worden und daher zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, daß die gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG gewährte Alterszulage zur Grundrente nicht auf den Berufsschadensausgleich des Klägers anzurechnen ist. Für die Anrechnung bestimmt § 30 Abs. 5 BVG in der hier anzuwendenden Fassung des 2. NOG (ebenso wie die spätere Fassung des 3. NOG): "Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so wird der durch die Erhöhung erzielte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich angerechnet". Wenn danach nur der "wegen besonderen beruflichen Betroffenseins" erzielte Mehrbetrag der Grundrente angerechnet werden soll, so kann darunter nicht die gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG gewährte Alterszulage fallen, die wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt wird. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes kann also der dem Kläger als Alterszuschlag zur Grundrente gewährte Mehrbetrag von 10,- DM monatlich nicht auf seinen Berufsschadensausgleich angerechnet werden.
Der anderweitigen Ansicht des Beklagten kann nicht gefolgt werden, welche dieser mit der Begründung vertritt, daß es sich bei der Alterszulage wenigstens dann um eine (mittelbare) Erhöhung der Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins i. S. des § 30 Abs. 5 BVG idF des 2. NOG handele, wenn ein Beschädigter, dessen MdE im allgemeinen Erwerbsleben nur 40 v. H. betragen würde, die Schwerbeschädigteneigenschaft mit einer MdE um 50 v. H. nur wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erlangt hat und damit zugleich auch in den Genuß der Alterszulage gekommen ist. Mit dem in § 30 Abs. 5 BVG erwähnten Mehrbetrag, um den die Grundrente eines Beschädigten wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden ist, hat der Gesetzgeber nur eine Erhöhung gemeint, die gemäß Abs. 2 desselben § 30 BVG erfolgt ist. Genau genommen entspricht der Wortlaut des Abs. 5 des § 30 aaO nicht der Konstruktion der Beschädigtenrente, wonach eine besondere berufliche Betroffenheit zunächst nur zu einer Erhöhung der MdE führt, und diese MdE dann, gleichgültig ob sie auf der Grundlage des Abs. 1 oder des Abs. 2 des § 30 BVG festgesetzt worden ist, ohne weiteres die Höhe der Grundrente gemäß § 31 BVG (wie auch die Höhe der Ausgleichsrente) bestimmt. Es wird also wegen beruflichen Betroffenseins nicht die Grundrente erhöht, wie dies nach dem Wortlaut des Abs. 5 des § 30 BVG zu sein scheint, sondern nur die MdE; die Höhe der Grundrente wird allein von der Höhe der MdE, nicht aber von einer Berufsbetroffenheit bestimmt. Wenn das Gesetz daher von der wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöhten Grundrente spricht, so hat es diese Formulierung offenbar nur zur Vereinfachung des Wortlautes gewählt, darunter aber diejenige Erhöhung der Grundrente verstanden, die auf einer wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöhten MdE beruht. Das bedeutet mit anderen Worten, daß das Gesetz nur diejenige Erhöhung der Grundrente gemeint hat, die gemäß Abs. 2 des § 30 BVG zu einer Erhöhung der MdE und daraufhin zu einer Erhöhung der Grundrente geführt hat. Diese dem Gesetz zugrunde liegende Auffassung findet ihre Bestätigung in der geschichtlichen Entwicklung dieser Vorschrift. Der Vorgänger des Abs. 5 des § 30 BVG idF des 2. NOG war der Abs. 4 Satz 5 des § 30 BVG idF des 1. NOG. In jener Vorschrift, die entsprechend dem durch das 1. NOG für Erwerbsunfähige eingeräumten Berufsschadensausgleich auch nur von Erwerbsunfähigen spricht, ist ausdrücklich gesagt, daß nur diejenige Erhöhung der Grundrente zur Anrechnung kommen soll, die "nach Abs. 2" erhöht worden ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber von diesem Gedanken der Anrechnung nur bei der über Abs. 2 erhöhten Grundrente abgekommen ist und mit dem 2. NOG auch andere Erhöhungen der Grundrente, wie eine Erhöhung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG, in die Anrechnung zuungunsten der Beschädigten hat einbeziehen wollen. Daher muß angenommen werden, daß der Abs. 5 des § 30 BVG idF des 2. und 3. NOG, wenn auch mit einem geringfügig geänderten Wortlaut, ebenso wie schon der frühere Abs. 4 Satz 5 des § 30 BVG idF des 1. NOG, ausdrücklich nur diejenige Erhöhung der Grundrente zur Anrechnung bringen will, die auf eine wegen besonderen beruflichen Betroffenseins gemäß Abs. 2 erhöhte MdE zurückgeht.
Daß nur diese Erhöhung der Grundrente und nicht eine solche gemeint sein kann, die wegen Erreichung eines bestimmten Lebensalters gewährt wird, folgt auch daraus, daß im Recht der Kriegsopferversorgung - wie auch im Recht der Sozialversicherung - die Gewährung von zwei Leistungen nebeneinander grundsätzlich nur dann ausgeschlossen wird, wenn die beiden Leistungen aus demselben Leistungsgrund gewährt sind. Es ist daher verständlich, daß der Gesetzgeber diejenige Leistung, die wegen besonderen beruflichen Betroffenseins gegeben worden ist, so die über die Erhöhung der MdE gemäß Abs. 2 des § 30 BVG erhöhte Grundrente, nicht noch neben dem Berufsschadensausgleich gewähren will, der gleichfalls wegen besonderen beruflichen Betroffenseins gewährt wird. Dagegen bliebe unverständlich, warum der Gesetzgeber die Erhöhung der Grundrente wegen Erreichung eines Lebensalters auf den Berufsschadensausgleich zur Anrechnung bringen sollte, der aus ganz anderen Erwägungen und aus ganz anderen Voraussetzungen als denen des Alters gezahlt wird.
Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Alterszulage gegen deren Anrechnung auf den Berufsschadensausgleich. Mit der Alterszulage nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG soll erreicht werden, daß ein Schwerbeschädigter mit einem Lebensalter von 65 Jahren 10,- DM mehr Grundrente erhält als ein anderer Beschädigter unter gleichen Verhältnissen, der aber dieses Lebensalter noch nicht erreicht hat. Dieser Sinn der Alterszulage würde aber völlig vereitelt werden, wenn sie bei einem Schadensausgleich zur Anrechnung käme; denn dann würde ein 65-jähriger Schwerbeschädigter mit einer wegen besonderen beruflichen Betroffenseins auf 50 v. H. erhöhten MdE die gleichen Bezüge an Grundrente und Berufsschadensausgleich beziehen wie ein Beschädigter unter gleichen Verhältnissen, der noch nicht 65 Jahre alt ist. Der Sinn der Alterszulage ist es aber doch, daß der 65-jährige Schwerbeschädigte um 10,- DM besser gestellt wird als ein Schwerbeschädigter unter gleichen Verhältnissen bei geringerem Lebensalter.
Nach alledem ist die Erhöhung der Grundrente gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG (Alterszulage) nicht gemäß § 30 Abs. 5 BVG auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen.
Das SG hat sonach den § 30 Abs. 5 BVG richtig angewandt. Die Sprungrevision des Beklagten war daher nicht begründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen