Leitsatz (redaktionell)

Auswirkungen der Krankenversicherungsfreiheit von Beamten auf die Rentnerkrankenversicherung - Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4:

Nach RVO § 165 Abs 1 Nr 3 versicherungspflichtige Bezieher einer Hinterbliebenenrente, die eine nach RVO § 169 versicherungsfreie Beschäftigung ausüben und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, haben keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4.

 

Orientierungssatz

Die Versicherungsfreiheit des Beamten nach RVO § 169 greift nicht auf das Versicherungsverhältnis in der Krankenversicherung der Rentner über (Festhaltung an BSG 1973-10-04 3 RK 91/72 - SozR Nr 76 zu § 165 RVO).

 

Normenkette

RVO § 169 Abs. 1 Fassung: 1945-03-17, § 165 Abs. 6 Fassung: 1967-12-21, § 381 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1967-12-21, § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1967-12-21

 

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. August 1973 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15. Dezember 1971 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der verstorbene Ehemann der Klägerin, aus dessen Versicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - Beklagten zu 1) - diese seit 1958 Witwenrente bezieht, war bis zu seinem Tod bei der Techniker-Krankenkasse - Beklagten zu 2) - krankenversichert. Die Klägerin, die zunächst Angestellte und bei der Postbetriebskrankenkasse versichert war, wurde infolge Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit zum 1. Januar 1960 nach § 169 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfrei und versicherte sich privat bei der Postbeamten-Krankenkasse.

Die Beklagte zu 1) lehnte den Antrag der Klägerin auf Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO ab, weil sie bei der Beklagten zu 2) als Rentnerin pflichtversichert sei. Die Beklagte zu 2) stellte ihrerseits - auch nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens - fest, daß die Klägerin bei ihr pflichtversichert sei und daß eine Befreiung nicht möglich sei.

Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die - gegen die Bescheide der Beklagten zu 1) und der damals lediglich beigeladenen Beklagten zu 2) gerichtete - Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat hingegen die Beklagte zu 1) unter Aufhebung ihres entgegenstehenden Bescheides - und der Bescheide der nunmehr als Beklagte zu 2) bezeichneten Krankenkasse - verurteilt, der Klägerin den Beitragszuschuß vom 1. Januar 1960 an zu gewähren: Der in der sozialen Krankenversicherung herrschende Gedanke der Solidarität der Versichertengemeinschaft verbiete es zwar regelmäßig, allein wegen der fehlenden Schutzbedürftigkeit, wie sie in § 169 RVO für das Verhältnis zum Dienstherren unterstellt werde, die Versicherungspflicht aufgrund eines anderen Beschäftigungsverhältnisses auszuschließen. Dieser Gedanke gelte aber nicht für die Versichertengemeinschaft der Rentner. Hier stehe der Gedanke der Subsidiarität im Vordergrund, wie er in § 165 Abs. 6 RVO zum Ausdruck komme. Da § 169 RVO die durch ein Beschäftigungsverhältnis an sich begründete Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO beseitige, müsse eine solche Wirkung erst recht gegenüber der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO eintreten. Dies gelte besonders dann, wenn wie hier eine private Versicherung vorliege, die den Voraussetzungen der §§ 173a und 173b RVO entspreche.

Die Beklagten haben die zugelassene Revision eingelegt. Sie beantragen die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Zur Begründung, die nach Fristverlängerung für die Beklagte zu 1) auch seitens der Beklagten zu 2) erst in der verlängerten Frist einging, nehmen sie auf das inzwischen ergangene Urteil des Senats vom 4. Oktober 1973 (- 3 RK 91/72 - in SozR Nr. 76 zu § 165 RVO) Bezug.

Die Klägerin ist nicht vertreten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revisionen - auch die der Beklagten zu 2) - sind zulässig. Die enge Verknüpfung der beiden Streitsachen, die zu der Beiladung der späteren Beklagten zu 2) geführt hatte und bei der die Beiladung der Beklagten zu 1) lediglich wegen der gemeinsamen Beklagtenrolle unterblieben ist, legt es nahe, daß die Beklagte zu 2) hinsichtlich der Revisionsbegründung von der Beklagten zu 1) wirksam vertreten worden ist (vgl. § 62 der Zivilprozeßordnung iVm § 74 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Eine endgültige Klärung dieser Frage ist aber nicht erforderlich, weil die Auffassung der Beklagten zu 2), die Fristverlängerung gelte auch für sie, angesichts der geschilderten engen Verknüpfung beider Streitsachen jedenfalls nicht als schuldhaft im Sinne des § 67 SGG zu beurteilen ist, so daß hilfsweise (vgl. BSG 4, 156, 159) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden mußte.

Die Revisionen sind auch begründet. Die Versicherungsfreiheit, die die Klägerin als Beamtin genießt, führt weder zur Versicherungsfreiheit in der KVdR, der die Klägerin als Bezieherin von Witwenrente angehört, noch berechtigt sie zur Befreiung von dieser Versicherung. An dieser Auffassung, die der Senat in seinem vorgenannten Urteil vom 4. Oktober 1973 - das den Beteiligten in vollem Wortlaut bekannt ist - begründet hat, hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest.

Es kann zwar mit dem LSG anerkannt werden, daß der durch Beihilfeansprüche und private Versicherung gewährleistete Schutz der Klägerin im Krankheitsfall auch ohne KVdR ausreichend ist und daß deshalb eine Ausdehnung des Subsidiaritätsprinzips, wie es in § 165 Abs. 6 RVO zum Ausdruck kommt (vgl. dazu Urteil des Senats vom 27. April 1961 - 3 RK 27/57 in SozR Nr. 24 zu § 165 RVO), erwogen werden könnte. Wollte man diesem Gedanken jedoch Geltung verschaffen, dann kann dies aber nicht lediglich dazu führen, daß an die Stelle des Beitragsanspruchs des zuständigen Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 381 Abs. 2 RVO) ein entsprechender Anspruch der Klägerin tritt (§ 381 Abs. 4 RVO). Die fehlende Schutzbedürftigkeit der Klägerin kann nicht ihre Ansicht stützen, ihr müsse - unter Verdrängung der gesetzlichen Krankenversicherung - ein privater Versicherungsschutz finanziert werden, was ihr eigentliches Prozeßziel ist. Denn die Pflichtversicherung in der KVdR und der Anspruch auf Beitragszuschuß sind lediglich zwei Erscheinungsformen des von der Rentenversicherung finanzierten Krankenschutzes.

Da sich somit das Urteil des SG als richtig darstellt, war unter Aufhebung des entgegenstehenden Urteils des LSG die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (§§ 170 Abs. 2 Satz 1, 193 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1648061

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