Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.09.1994; Aktenzeichen L 11 J 63/94)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. September 1994 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines höheren Altersruhegeldes unter Anrechnung einer (weiteren) Ersatzzeit wegen Verschleppung nach Vollendung des 65. Lebensjahres.

Die am 14. Juni 1914 geborene Klägerin arbeitete von 1931 bis 1941 in einer Kolchose in M … /Sowjetunion. Dann wurde sie zwangsweise nach Sibirien umgesiedelt, wo sie bis 1953 wiederum als Landarbeiterin in einer Kolchose tätig war. Von 1981 bis März 1991 bezog sie nach ihren Angaben in der Sowjetunion eine Altersrente. Am 2. April 1991 siedelte die Klägerin in das Bundesgebiet über. Sie ist Inhaberin des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge „A”.

Auf ihren Antrag vom 16. Mai 1991 gewährte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 29. Oktober 1992 Altersruhegeld ab 1. Juli 1979, zahlbar ab 2. April 1991. Dabei ging sie von einem am 13. Juni 1979 eingetretenen Versicherungsfall (Vollendung des 65. Lebensjahres) aus und rechnete neben Pflichtbeitragszeiten lediglich 4 Monate als Ersatzzeit wegen Vertreibung an. Auf ihren hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin ua Ersatzzeiten von der Zwangsumsiedelung im Jahre 1941 bis zu ihrer Ausreise aus der Sowjetunion unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. April 1987 – 5a RKn 13/86 – geltend machte, nahm die Beklagte den Bescheid vom 29. Oktober 1992 durch Bescheid vom 9. Februar 1993 zurück und stellte die Rente unter Anrechnung einer Ersatzzeit der Internierung vom 1. November 1941 bis 13. Juni 1979 neu fest. Gleichzeitig lehnte sie eine Anrechnung von Ersatzzeiten über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus mit der Begründung ab, Ersatzzeiten sollten verlorengegangene Beitragszeiten ersetzen, Altersrentenempfänger seien aber versicherungsfrei gewesen und hätten daher keine Beitragszeiten erwerben können. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie (weiterhin) die Anrechnung der Ersatzzeit über die Vollendung ihres 65. Lebensjahres hinaus bis zu ihrer Übersiedelung in das Bundesgebiet geltend machte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1993 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 9. Februar 1993 abgeholfen worden war. Die von der Klägerin hiergegen bei dem Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage, mit der sie den von der Beklagten abgelehnten Anspruch auf Anrechnung einer weiteren Ersatzzeit unter Hinweis auf ihr Gestaltungsrecht zur Verschiebung des Versicherungsfalls nach § 1248 Abs 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) weiterverfolgte, wurde durch Urteil vom 7. März 1993 abgewiesen. Auch die Berufung war erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat sein Urteil vom 19. September 1994 auf folgende Erwägungen gestützt: Ersatzzeiten könnten nach ihrem Sinn und Zweck nur dann und insoweit angerechnet werden, als zumindest die rechtliche Möglichkeit bestanden habe, gültige Beiträge zu entrichten. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folge, stehe der rechtlichen Unmöglichkeit einer wirksamen Beitragsentrichtung die bloße theoretische Möglichkeit gleich (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1251 Nr 127). Da sich aus den vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) übermittelten Rentenzugangsübersichten ergebe, daß nur etwa 0,1 % der pflichtversicherten Frauen in der Zeit von 1980 bis 1991 von der Möglichkeit des hinausgeschobenen Altersruhegeldes nach § 1248 Abs 6 RVO Gebrauch gemacht hätten, sei davon auszugehen, daß das Hinausschieben des Versicherungsfalls über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus eine bloße theoretische, praktisch jedoch kaum in Anspruch genommene Möglichkeit darstelle, die der rechtlichen Unmöglichkeit gleichzustellen sei. Der Zeitraum vom 1. Mai 1979 bis 31. März 1991 sei daher nicht als Ersatzzeit anzuerkennen.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die gegen sie gerichteten Zwangsmaßnahmen seien nicht mit der Vollendung des 65. Lebensjahres beendet gewesen, auch habe sie bis zur Ausreise aus der Sowjetunion keine der Anrechnung einer Ersatzzeit entgegenstehende Leistung bezogen. Sie könne daher den Versicherungsfall nach § 1248 Abs 6 RVO auf einen Zeitpunkt verschieben, der dieser besonderen Situation Rechnung trage; das Verhalten der Inländer sei nicht geeignet, ihre besondere Opferlage zu widerlegen. § 1248 Abs 6 RVO enthalte keinerlei Bedingungen. Das BSG gehe in seiner Rechtsprechung auch bei Aussiedlern durchaus von einem gestaltungsfähigen Versicherungsleben nach Vollendung des 65. Lebensjahres im Herkunftsland aus; es gebe keine Entscheidung, welche die Anrechnung von Ersatzzeiten jenseits des 65. Lebensjahres verbiete. Einen Grundsatz, nach dem eine Besserstellung von Aussiedlern gegenüber Inländern zu vermeiden sei, gebe es nicht; im übrigen würden Deutsche aus der Sowjetunion nicht gegenüber vergleichbaren Inländern bevorzugt, denn die Anrechnung einer längeren Ersatzzeit wiege in keiner Weise den materiellen Schaden auf, der den Berechtigten dadurch entstanden sei, daß sie nicht das deutsche Altersruhegeld hätten beziehen können.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. September 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. März 1994 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 9. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 1993 zu verurteilen, ihr höheres Altersruhegeld unter Anerkennung des Zeitraums vom 1. Mai 1979 bis 31. März 1991 als Ersatzzeit nach § 1251 Abs 1 Nr 3 RVO zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, Sinn und Zweck einer Ersatzzeit sei es, dem Versicherten einen Ausgleich für Zeiträume zu gewähren, in denen ihm im Hinblick auf die in § 1251 Abs 1 RVO genannten Tatbestände eine Beitragsentrichtung regelmäßig nicht möglich und wegen außergewöhnlicher Umstände auch nicht zu erwarten gewesen sei. Da Frauen unter normalen Verhältnissen keine Beiträge über das 65. Lebensjahr hinaus mehr entrichtet hätten, könnten Ersatzzeiten für diese Zeit auch nicht über eine extensive Auslegung des § 1251 RVO Anrechnung finden.

Die Beteiligten haben sich gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Berufungsurteil ist nicht zu beanstanden. Das LSG hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin höheres Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Mai 1979 bis 31. März 1991 als Ersatzzeit zuzusprechen.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften des Vierten Buches der RVO, denn der Rentenantrag ist bereits im Mai 1991 – also bis zum 31. März 1992 – gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫; vgl BSG SozR 3-2200 § 1259 Nr 14).

Nach § 1251 Abs 1 Nr 3 RVO iVm § 1258 Abs 1 RVO werden für die Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre und damit auch der Rentenhöhe Zeiten, in denen der Versicherte während oder nach Beendigung des Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen an der Rückkehr aus dem Ausland oder aus den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten verhindert gewesen oder dort festgehalten worden ist, als Ersatzzeiten angerechnet. Ob diese Voraussetzungen bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vorgelegen haben, ist den Feststellungen des LSG nicht hinreichend klar zu entnehmen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die Anrechnung einer solchen Ersatzzeit bereits aus anderen Gründen ausscheidet.

Der Umstand, daß die Klägerin in der Sowjetunion eine Altersrente bezog, stünde der Anrechnung einer Ersatzzeit während dieses Rentenbezuges allerdings auch dann nicht entgegen, wenn diese dem deutschen Altersruhegeld entsprochen hätte (st Rspr des BSG, s zB SozR 2200 § 1251 Nr 45 = BSGE 46, 54; SozR 2200 § 1251 Nr 102). Die Klägerin war auch nicht aus Rechtsgründen gehindert, den Versicherungsfall des Alters (Vollendung des 65. Lebensjahres) noch während des Klageverfahrens vor dem SG auf den 1. Februar 1991 zu verschieben, weil der Rentenbewilligungsbescheid zu diesem Zeitpunkt noch nicht bindend war (st Rspr des BSG, vgl zB BSGE 37, 247, 281 = SozR 2200 § 1248 Nr 3; BSGE 46, 279, 281 = SozR 2200 § 1248 Nr 25). Auch ist dem Wortlaut des § 1251 Abs 1 Nr 3 RVO weder ein Mindestalter noch eine Altersgrenze zu entnehmen, bis zu der Ersatzzeiten erworben werden können.

Die Anrechnung der streitigen Zeit als Ersatzzeit ist jedoch deshalb ausgeschlossen, weil Ersatzzeiten nach ihrem Sinn und Zweck für Zeiträume nach der Vollendung des 65. Lebensjahres einer Versicherten grundsätzlich nicht zuerkannt werden können. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sollen die in § 1251 Abs 1 RVO erschöpfend aufgezählten Tatbestände der Versicherten Ersatz für Zeiten gewähren, in denen es ihr aufgrund einer Opferlage oder wegen eines Eingriffs „von hoher Hand” regelmäßig nicht möglich war, Beiträge – insbesondere Pflichtbeiträge – zu leisten. Die Kausalität zwischen einer während des Vorliegens eines Ersatzzeittatbestandes gegebenen Beitragslücke und dem Ersatzzeittatbestand wird dabei vom Gesetzgeber unterstellt (vgl BSG SozR Nrn 8, 42, 53 zu § 1251 RVO; SozR 2200 § 1251 Nr 113 mwN).

Als Ausnahme hiervon hat das BSG aus Sinn und Zweck der Ersatzzeiten jedoch abgeleitet, daß Zeiten, in denen es der Versicherten auch ohne Rücksicht auf den Ersatzzeittatbestand bereits aus rechtlichen Gründen schlechthin unmöglich war, Beiträge zu entrichten, nicht als Ersatzzeiten angesehen werden können. Für solche Beitragslücken entfällt die Grundlage für die fiktive Kausalität (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nrn 92, 101, 102, 113). Als weitere Ausnahme hat das BSG Zeiten vor Vollendung des 14. Lebensjahres der Versicherten trotz Fehlens einer wirksamen Beitragsentrichtung entgegenstehender Rechtsvorschriften nicht als Ersatzzeit anerkannt, weil Kinder bis zu diesem Alter typischerweise ihre Schulpflicht erfüllen und erst danach eine Beschäftigung aufnehmen, Kinderarbeit in der Zeit vorher zumindest unüblich und praktisch ausgeschlossen war, eine Lücke im Rentenversicherungsverlauf mithin in aller Regel und typischerweise erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres eintreten konnte (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 83 mwN).

Diese Rechtsprechung legt es nahe, auch für das Ende der Versicherungsbiographie den typischen Verlauf zu berücksichtigen. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze für das Altersruhegeld, also der Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 1248 Abs 5 RVO), können Versicherungslücken typischerweise nicht mehr eintreten, Ersatzzeiten mithin grundsätzlich nicht mehr erworben werden, weil es nicht Sinn der Ersatzzeitenregelung ist, einen Ausgleich dort zu gewähren, wo ein Schaden allenfalls denkmöglich, aber äußerst unwahrscheinlich ist. Der erkennende Senat schließt sich insoweit nach eigener Prüfung der entsprechenden Rechtsansicht des 5. und des 8. Senats des BSG an (vgl BSG Urteile vom 12. April 1995 – 5 RJ 56/94 – und vom 20. Juni 1995 – 8 RKn 14/94 –).

Allerdings wäre die Anrechnung einer Ersatzzeit auch nach Vollendung des 65. Lebensjahres in Ausnahmefällen denkbar (vgl Kasseler Komm-Niesel, § 1251 RVO, RdNr 4), etwa wenn die Versicherte vor Vollendung des 65. Lebensjahres in die Bundesrepublik übergesiedelt wäre und hier eine Anschlußersatzzeit wegen Krankheit oder unverschuldeter Arbeitslosigkeit gemäß § 1251 Abs 1 Nr 2 RVO auch noch nach Vollendung des 65. Lebensjahres zurückgelegt hätte. Ein solcher „untypischer Fall” liegt hier jedoch nicht vor. Die Klägerin hatte bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres bereits die Wartezeit für das Regelaltersruhegeld erfüllt und bezog seit 1981 Altersrente. Unter derartigen Voraussetzungen Ersatzzeiten auch für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres zuzubilligen, würde den typischen Verlauf mißachten und den Ausnahmefall zum Regelfall erheben.

Aus den vom LSG aufgrund einer Auskunft des VDR getroffenen Feststellungen ergibt sich nämlich, daß der Erwerb von Pflichtbeitragszeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres zumindest bei Frauen eine bloß theoretische, praktisch jedoch völlig unwahrscheinliche Möglichkeit darstellt. Diese Feststellungen sind nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und daher für den erkennenden Senat bindend (§ 163 SGG). Wenn danach etwa im Jahre 1979 – dem Jahr, in dem die Klägerin ihr 65. Lebensjahr vollendete – nur 0,2 % der Frauen von der Möglichkeit Gebrauch machten, den Versicherungsfall über diesen Zeitpunkt hinauszuschieben, so ist daraus mit dem LSG zu schließen, daß Frauen regelmäßig spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausscheiden und keinen versicherungspflichtigen Beschäftigungen mehr nachgehen. Hiervon geht zB auch der Verordnungsgeber der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) aus, wenn er das Vergleichs- bzw Durchschnittseinkommen mit Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte das 65. Lebensjahr vollendet, auf 75 vH senkt (§ 8 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BSchAV).

Entgegen ihrer Ansicht muß sich die Klägerin dieses Verhalten der Inländerinnen auch entgegenhalten lassen. Die von ihr zurückgelegten Ersatzzeiten können im Rahmen des § 1251 Abs 2 Satz 1 RVO nur aufgrund ihrer nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannten Pflichtbeitragszeiten angerechnet werden. Diese Beitragszeiten werden durch § 15 Abs 1 Satz 1 FRG den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt. Das bewirkt die volle Einordnung der Fremdbeitragszeiten in das Rentenrecht der Bundesrepublik (vgl BSGE 65, 53, 55 = SozR 2200 § 1254 Nr 8). Diese Einordnung der Beitragszeiten wirkt sich auch auf die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Ersatzzeiten aus. Der Entschädigungscharakter dieser Zeiten wird vom Eingliederungsprinzip des FRG überlagert. Die Klägerin wird danach grundsätzlich so behandelt, als hätte sie ihr gesamtes Versicherungsleben im Inland verbracht. Angesichts der oben dargelegten Verhältnisse in der Bundesrepublik hätte die Klägerin aber typischerweise keine Beitragszeiten mehr nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres zurückgelegt, sondern ihre Versicherungsbiographie wäre zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen.

Aus der Neuregelung der Anrechenbarkeit von Ersatzzeiten im SGB VI kann nicht auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, den Erwerb von Ersatzzeiten generell über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus zuzulassen. Zwar ließe der Wortlaut des § 250 Abs 2 Nr 2 SGB VI, der das Entstehen von Ersatzzeiten während des Bezuges einer Altersrente außerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland nach Vollendung des 65. Lebensjahres ausschloß, die Auslegung zu, daß bei Nichtbezug einer Altersrente Ersatzzeiten auch nach diesem Zeitpunkt entstehen konnten. Aus der Begründung zu § 245 des Entwurfs zum Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992 – (BT-Drucks 11/4124 S 200) ergibt sich jedoch, daß mit dieser Regelung keine Erweiterung der Anrechenbarkeit von Ersatzzeiten, sondern eine (vermeintliche) Einschränkung beabsichtigt war. Durch Art 1 Nr 10 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) wurde dann klargestellt, daß unabhängig vom Lebensalter der Versicherten jeder Bezug einer Altersrente das Entstehen von Ersatzzeiten ausschließt; gleichzeitig wurde insoweit die fiktive Kausalität zwischen Ersatzzeittatbestand und Beitragslücke aufgehoben. Damit sollte unter Korrektur der Rechtsprechung des BSG, nach der „Rußlanddeutsche … für die Rentenbezugszeit bis zum 65. Lebensjahr eine volle Abgeltung und somit eine Besserstellung gegenüber den Versicherten im Bundesgebiet” erhielten, die Anrechnung von Ersatzzeiten auf das „ursprüngliche Regelungsziel” zurückgeführt werden, nämlich Zeiten zu ersetzen, in denen der Versicherte aus nicht in seiner Person liegenden Gründen an der Beitragszahlung gehindert war, weil durch die mit diesen Zeiten verbundenen außergewöhnlichen Umstände eine Beitragsleistung nicht zu erwarten war (vgl BT-Drucks 12/5017 S 48 zu Nr 8a). Auch daraus ist zu entnehmen, daß die Gewährung von Ersatzzeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres als Regelfall zu keinem Zeitpunkt im Willen des Gesetzgebers lag.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173194

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