Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Schutzfrist nach § 1587p BGB
Orientierungssatz
Aus § 1587p BGB kann nicht entnommen werden, daß die dem Rentenversicherungsträger darin eingeräumte Schutzfrist schon mit der Zustellung der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich an den Rentenversicherungsträger als einen am Verfahren Beteiligten zu laufen beginnt; § 1587p BGB setzt in seinem ersten Halbsatz vielmehr eine rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts voraus. Bei sinnvoller, am Zweck der Vorschrift orientierter Auslegung muß daher für die Fristbestimmung auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem der Versicherungsträger von der Rechtskraft bzw Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung erfährt; von da an bedarf er des ihm vom Gesetzgeber zugedachten Schutzes vor der Gefahr einer Doppelzahlung.
Normenkette
BGB § 1587b Abs 1 S 1 Fassung: 1976-06-14; AVG § 83a Abs 4 S 2 Fassung: 1976-06-14; BGB § 1587p Halbs 1 Fassung: 1976-06-14; RVO § 1304a Abs 4 S 2 Fassung: 1976-06-14
Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 16.06.1981; Aktenzeichen S 2 An 377/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Zahlungsbeginn eines im Wege des Versorgungsausgleichs erhöhten Altersruhegeldes.
Die 1934 von der Klägerin mit I - E K (K.) geschlossene Ehe hat das Familiengericht mit Urteil vom 5. Dezember 1978 geschieden und vom Versicherungskonto des K. auf das Versicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 474,10 DM übertragen. Zur Zeit der Scheidung bezogen beide Ehegatten bereits Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung. Am 13. Dezember 1978 stellte das Familiengericht der Beklagten als einer am Verfahren Beteiligten das Urteil zu; unter dem 2. November 1979 setzte es sie davon in Kenntnis, daß das Urteil am 9. Oktober 1979 rechtskräftig und wirksam geworden sei. Hierauf minderte die Beklagte die Rentenbezüge von K. ab 1. Dezember 1979 und berechnete die der Klägerin ab diesem Zeitpunkt entsprechend den übertragenen Rentenanwartschaften neu; dadurch erhöhte sich das Altersruhegeld der Klägerin von monatlich 178,40 DM auf 673,80 DM (Bescheid vom 27. März 1980). Mit der Klage begehrte die Klägerin, die Neuberechnung schon ab 1. November 1979 vorzunehmen. Die Beklagte hätte den im November 1979 überzahlten Betrag rechtzeitig von K. zurückfordern können, sie, die Klägerin, könne sich an K. nicht mehr wenden, weil er am 3. März 1980 verstorben sei.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage mit Urteil vom 16. Juni 1981 entsprochen. Die Erhöhung aus den übertragenen Rentenanwartschaften sei vom Ablauf des Monats an zu gewähren, in dem die Entscheidung des Familiengerichts rechtskräftig geworden sei; das sei hier vom November 1979 an. § 1587p des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) begründe die erst einen Monat später erfolgte Erhöhung nicht. Zwar sei darin bestimmt, daß der versorgungsberechtigte Ehegatte, wenn durch die rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts Rentenanwartschaften übertragen worden seien, eine Leistung des Versicherungsträgers an den verpflichteten Ehegatten bis zum Ablauf des Monats gegen sich gelten lassen müsse, der dem Monat folge, in dem die Entscheidung dem Versicherungsträger zugestellt worden sei. Damit sei jedoch nicht die Zustellung der rechtskräftigen Entscheidung gemeint. Sei die Auslegung der Beklagten, es komme bei dem Begriff "Zustellung der Entscheidung" auf die Kenntnis des Versicherungsträgers von der Rechtskraft an, weil erst ab Rechtskraft die Übertragung wirksam werde, auch sehr praktikabel, so stehe einer dahingehenden Auslegung der Wortlaut des § 1587p BGB entgegen. Danach sei der Zeitpunkt ausschlaggebend, zu dem die Zustellung des Urteils, ob rechtskräftig oder nicht, bewirkt worden sei. Das SG hat gegen seine Entscheidung die Berufung und auf Antrag der Beklagten - mit Zustimmung der Klägerin - durch Beschluß die Sprungrevision zugelassen.
Mit der Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Sie hält § 1587p BGB für verletzt. Das SG habe übersehen, daß die Vorschrift dem Schutz des Versicherungsträgers vor der Gefahr einer doppelten Leistung diene. Der Versicherungsträger solle mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger zahlen dürfen, bis er durch Zustellung der Entscheidung von dem Anwartschaftsübergang Kenntnis erlangt habe. Hierbei müsse der Begriff "Entscheidung" als "rechtskräftige Entscheidung" aufgefaßt werden, denn nur durch eine solche Entscheidung könnten endgültig Anwartschaften übertragen werden. Der Auslegungsstreit rühre von der nicht eindeutigen Fassung des § 1587p BGB her. Nachdem entgegen der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers die Rentenversicherungsträger am Verfahren über den Versorgungsausgleich beteiligt seien, ihnen daher die Entscheidung des Familiengerichts schon vor der Rechtskraft zugestellt werde, hätte § 1587p BGB dieser Sachlage angepaßt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. In einem Ergänzungsgesetz zum Versorgungsausgleich solle das Versäumte bereinigt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Beklagten ist von Erfolg. Entgegen der Ansicht des SG kann die Klägerin nicht verlangen, daß ihr das um die übertragene Rentenanwartschaft erhöhte Altersruhegeld schon ab 1. November 1979 gezahlt wird.
Der Klägerin ist durch Urteil des Familiengerichts ein Versorgungsausgleich in der Form der Übertragung von Rentenanwartschaften (sog Rentensplitting, § 1587b Abs 1 Satz 1 BGB) zugesprochen worden; nach dem unangefochtenen Sachverhalt ist die Entscheidung seit dem 9. Oktober 1979 rechtskräftig und wirksam (§ 629d der Zivilprozeßordnung -ZPO-); dies ist der Beklagten unter dem 2. November 1979 vom Familiengericht mitgeteilt worden. Bei Eintritt der Rechtskraft waren die Voraussetzungen des § 83a Abs 4 Satz 2 Buchst b des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1421) bei dem Verpflichteten K. und bei der Klägerin erfüllt, beiden wurde bereits ein Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung gewährt. Die Beklagte war daher gehalten, bei dem Altersruhegeld der Klägerin die übertragene Rentenanwartschaft rentensteigernd zu berücksichtigen; hierfür gibt § 83a AVG, der die rentenversicherungsrechtlichen Folgen bei einer nach § 1587b Abs 1 BGB übertragenen Rentenanwartschaft regelt (BSG, Urteil vom 11. Februar 1982 - 11 RA 8/81 -, zur Veröffentlichung bestimmt), insgesamt die Grundlage. Damit wäre zwar die Beklagte an sich ab der "Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts" (§§ 83a Abs 4 S 2 AVG, 629d ZPO) verpflichtet gewesen, die erhöhte Leistung an die Klägerin auszuzahlen. Zu beachten ist im Falle der beiderseitigen Rentnerschaft jedoch auch § 1587p BGB. Nach dieser Vorschrift muß, wenn durch die rechtskräftige Entscheidung des Familiengerichts Rentenanwartschaften auf den berechtigten Ehegatten übertragen worden sind, dieser eine Leistung an den verpflichteten Ehegatten gegen sich gelten lassen, die der Versicherungsträger bis zum Ablauf des Monats an den verpflichteten Ehegatten bewirkt, der dem Monat folgt, in dem dem Versicherungsträger die Entscheidung zugestellt worden ist.
Entgegen dem SG kann aus § 1587p BGB nicht entnommen werden, daß die dem Rentenversicherungsträger eingeräumte Frist sogar schon vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung beginne, weil es für den Beginn auf den Zeitpunkt der zum Ingangsetzen der Rechtsmittelfrist bewirkten - förmlichen - Zustellung (§§ 317 Abs 1 Satz 1, 621c bzw §§ 621a Abs 1 Satz 2, 329 Abs 3 ZPO) der Entscheidung nach deren Erlaß ankomme. Laut seinem ersten Halbsatz setzt § 1587p BGB die "rechtskräftige Entscheidung" des Familiengerichts voraus, was nur erneut bedeuten kann, daß der Rentenversicherungsträger auf jeden Fall bis zur Rechtskraft an den rentenberechtigten Versorgungsausgleichsschuldner in voller Höhe weiterzahlen muß. Ist er dazu jedoch kraft Gesetzes verpflichtet, dann wäre es ihm, wenn man dem SG folgte, bei Eintritt der Rechtskraft nach Ablauf der in den Familienrechtsstreitigkeiten geltenden einmonatigen Rechtsmittelfrist (§§ 516, 621e Abs 3 ZPO) in aller Regel unmöglich, die ihm durch § 1587p BGB eingeräumte weitere Frist auszuschöpfen oder, wie der vorliegende Fall zeigt (s auch BSG, Urteil vom 7. September 1982 - 1 RA 61/81 -), überhaupt zu nutzen; die Vorschrift des § 1587p BGB liefe bei einer solchen wörtlichen Anwendung mit Sicherheit weit überwiegend leer. Daß dies nicht der Sinn der Bestimmung sein kann, liegt auf der Hand. Auf welche Weise es dazu gekommen ist, daß § 1587p BGB mit seinem derzeitigen Wortlaut an der Wirklichkeit fast vollständig vorbeigeht, läßt sich allein aus der Entstehungsgeschichte erklären.
In dem Zweiten Bericht und Antrag des Rechtsausschusses (6. Ausschusses) des Bundestages zum Regierungsentwurf eines 1. EheRG vom 28. November 1975 - BT-Drucks 7/4361 S 50 Spalte 2 (dort noch zu § 1587q) - heißt es, die Vorschrift solle die Rentenversicherungsträger gegen die Gefahr schützen, doppelt leisten zu müssen; sie lehne sich an § 407 BGB an und sehe vor, daß dann, wenn der Versorgungsausgleich durch Anwartschaftsübertragung stattgefunden habe, der Rentenversicherungsträger mit befreiender Wirkung solange an den bisherigen Gläubiger der Rentenleistung zahlen dürfe, bis er durch Zustellung des Urteils von dem Übergang des Anwartschaftsrechts Kenntnis erlangt habe; wegen des zur Änderung der bisherigen Zahlungsanweisungen benötigten Zeitraums sei bestimmt, daß dieser Schuldnerschutz nicht bereits im Augenblick der Zustellung entfalle, sondern erst eine die technischen Schwierigkeiten (der EDV) berücksichtigende angemessene Zeit später.
Diese Begründung läßt klar erkennen, daß für den späteren § 1587p BGB der Grundgedanke des § 407 BGB maßgebend gewesen ist. Zum einen hat der Gesetzgeber den darin für das Gebiet des Privatrechts konzipierten Schutz des Schuldners im Falle der Abtretung der Forderung durch den bisherigen Gläubiger dem Sinne nach für die öffentlich-rechtlichen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung beim Versorgungsausgleich durch Rentensplitting übernommen, zum anderen hat er den entsprechenden Schutz aus Gründen verwaltungstechnischer Gegebenheiten in zeitlicher Hinsicht sogar noch ausgeweitet. § 1587q (später 1587p) ist - auf Veranlassung des Bundesrates - zu einer Zeit entstanden, in der sich noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt hatte, daß die Rentenversicherungsträger am Verfahren über den Versorgungsausgleich beteiligt sein sollten (so auch VerbKomm vor § 1304 RVO zu § 1587p BGB, Rz 2). Darum ist der Gesetzgeber - folgerichtig - davon ausgegangen, den Versicherungsträgern werde die Entscheidung des Familiengerichts erst nach deren Rechtskraft "zugestellt". Unter dieser Voraussetzung ergibt der Wortlaut des § 1587p BGB einen mit der Gesetzesbegründung übereinstimmenden schlüssigen Sinn. Nachdem der Gesetzgeber sich jedoch entschlossen hatte, den Rentenversicherungsträgern im Versorgungsausgleichsverfahren die Stellung als Verfahrensbeteiligte einzuräumen und deshalb - zwar ebenfalls durch den Rechtsausschuß (6. Ausschuß), wohl aber nicht auf Empfehlung des Bundesrates hin - noch den § 53b in das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) eingefügt hat, nach dessen Abs 2 das Familiengericht die Rentenversicherungsträger in den Fällen des § 1587b Abs 1 und 2 BGB beteiligen muß, kann eine am Wortlaut orientierte sinnvolle Anwendung des § 1587p BGB nicht mehr stattfinden, weil nun die Entscheidung den Versicherungsträgern nicht erst nach Eintritt der Rechtskraft zugestellt wird, sondern bereits nach Erlaß zugestellt werden muß. Diese Konsequenz ist im weiteren Verlauf der Gesetzgebungsarbeiten offensichtlich unbeachtet geblieben. Um den auf der Hand liegenden Widerspruch zu beseitigen, hätte es in § 1587p BGB (oder an anderer Stelle des Gesetzes) einer Anpassung an die verfahrensrechtliche Stellung des Versicherungsträgers bedurft; eine solche ist indessen nicht geschehen (so auch das Schrifttum: VerbKomm aaO; v. Hornhardt/Minz/Schmeiduch/Winter/Zimmermann, Der Versorgungsausgleich, Anm 2 zu § 1587p; Maier in MünchKomm ErgBd, Rz 2 zu § 1587p; Palandt, BGB, 41. Aufl, § 1587p, Anm 1; Bergner in SGb 1978, 133, 141).
Bei sinnvoller, dh am Zweck der Vorschrift ansetzender Auslegung muß daher für die Fristbestimmung auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem der Versicherungsträger von der Rechtskraft bzw Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung über die Rentenanwartschaftsübertragung erfährt. Eine dahingehende Handhabung erlaubt es am ehesten, dem aus § 407 BGB übertragenen Schutzgedanken innerhalb des § 1587p BGB die ihm zugedachte Bedeutung zu verleihen. Denn von der Kenntnis von der Rechtskraft (Wirksamkeit) an hat der Versicherungsträger tätig zu werden, um den rentenversicherungsrechtlichen Folgen der Entscheidung nachzukommen; von diesem Zeitpunkt an bedarf er sonach des ihm vom Gesetzgeber zugedachten Schutzes vor der Gefahr einer Doppelzahlung. Der Erwägung, ob der Zeitpunkt der Kenntnis als der nach § 1587p BGB maßgebliche stets identisch sein muß mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe vom Eintritt der Rechtskraft der Familiengerichtsentscheidung durch dieses Gericht (vgl hierzu Urteil des 1. Senats vom 7. September 1982 aaO) oder ob eine sonstige positive Kenntnis, die dem Versicherungsträger schon zu einem früheren Zeitpunkt als dem des Eingangs der Mitteilung über die Rechtskraft bzw Wirksamkeit (vgl hierzu das vom Familiengericht an die Beklagte übersandte Formblatt "Mitteilung der Rechtskraft an Versicherungsträger oder Dienstherr" auf Bl 111 der Verwaltungsakten) zuteil wird, der Bekanntgabe bzw Mitteilung gleichsteht, braucht der erkennende Senat im vorliegenden Fall nicht näher nachzugehen; immerhin könnte ein Schuldnerschutz in Anlehnung an § 407 BGB einen solchen Gedanken nahelegen. Nach dem feststehenden Sachverhalt hatte die Beklagte hier vor dem Eingang der gerichtlichen Mitteilung am 2. November 1979 keine (positive) Kenntnis; ungeachtet dessen hat sie die Schutzfrist - wozu sie berechtigt war - zugunsten der Klägerin um einen Monat abgekürzt und mit der erhöhten Zahlung an diese bereits am 1. Dezember 1979 anstatt am 1. Januar 1980 begonnen. Hiernach ist die Revision der Beklagten begründet.
An diesem Ergebnis vermag der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe eine rechtzeitige Rückforderung von K. oder eine rechtzeitige Mitteilung über die erst ab Dezember 1979 erfolgende Zahlung an sie, die Klägerin, versäumt, nichts zu ändern. Hinsichtlich einer Rückforderungspflicht gegenüber dem Versorgungsausgleichsschuldner hat die Klägerin § 1587p BGB gegen sich, der eine solche Verpflichtung gerade vermeidet. Sollte die Klägerin an einen sozialrechtlichen Schadensersatzanspruch gedacht haben, so würde auch hierfür eine Grundlage fehlen; es ist nicht ersichtlich, welche Pflichtverletzung der Beklagten der Klägerin einen Schaden verursacht haben sollte; § 1587p BGB gesteht dem Versicherungsträger generell zu, die erhöhte Leistung dem Berechtigten erst von dem dort genannten Zeitpunkt an zukommen zu lassen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen