Leitsatz (amtlich)
Einer "früheren Ehefrau", deren erste Ehe mit dem Versicherten vor dem 1.7.1977, deren zweite Ehe mit dem (gleichen) Versicherten jedoch nach dem 30.6.1977 geschieden wurde, steht keine Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO zu (Fortführung von BSG 5.3.1965 11 RA 12/64 = SozR Nr 30 zu § 1265 RVO und BSG 3.12.1980 4 RJ 91/79 = SozR 2200 § 1291 Nr 22).
Normenkette
RVO § 1265 Abs 1 S 1 Fassung: 1976-06-14
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten K. E..
Die 1913 geborene Klägerin heiratete 1935 zum ersten Mal den ebenfalls 1913 geborenen Versicherten. 1967 wurden sie aus dem Alleinverschulden des Versicherten geschieden. Noch im selben Jahr heirateten sie erneut. 1982 ließen sie sich wieder scheiden. Das Familiengericht entschied: Ein Versorgungsausgleich habe nicht stattzufinden. Es wäre unbillig, wenn die Klägerin eine Rentenanwartschaft in Höhe von 4,32 DM monatlich auf das Konto des Versicherten zu übertragen habe. Der Auffassung der Klägerin, die Anwartschaften aus der ersten Ehe seien in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, folgte es nicht.
Der Versicherte verpflichtete sich nach der zweiten Scheidung, der Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente von über 300,00 DM zu gewähren.
Im Januar 1984 verstarb der Versicherte. Die Klägerin beantragte im Februar 1984, ihr Hinterbliebenenrente zu gewähren. Die Beklagte lehnte ab (Bescheid vom 23. März 1984). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22. November 1984). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 8. Mai 1985 die Berufung zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Aus der zweiten Ehe (Ende 1967 bis Ende 1982) sei keine Hinterbliebenenrente zu gewähren, weil seit Inkrafttreten der Eherechtsreform am 1. Juli 1977 das Scheidungsfolgenrecht geändert und die sogenannte Geschiedenenrente abgeschafft sei. Aufgrund der ersten Ehe (1935 bis Anfang 1967) stehe der Klägerin keine Hinterbliebenenrente nach § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu. Denn sie habe mit der früheren Wiederverheiratung den Status der früheren Ehefrau aus der ersten Ehe verloren. Mit der zweiten Eheschließung sei auch die nach § 58 Ehegesetz (EheG) vormals bestehende Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin gemäß § 67 EheG erloschen. Die Klägerin teile das Schicksal der Frauen, die zu Lebzeiten ihres ersten Ehemannes eine neue Ehe eingegangen seien und damit ihre nachwirkenden Rechte aus der ersten Ehezeit verloren hätten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1265 RVO. Die Klägerin habe keineswegs durch ihre zweite Ehe den Status der "früheren Ehefrau" verloren. Es handele sich bei der zweiten Ehe auch nicht um ein neue, sondern um die Fortsetzung der alten Ehe.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 1984 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 23. März 1984 zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem am 30. Januar 1984 verstorbenen K. E. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten K. E.
Nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung ist einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente zu gewähren, wenn ihr der Versicherte zur Zeit des Todes nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt geleistet hat. Die zweite Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde nach dem 30. Juni 1977 geschieden, die erste jedoch vor dem 1. Juli 1977.
Die Klägerin ist damit zwar auch die "frühere Ehefrau des Versicherten" aus einer vor dem 1. Juli 1977 geschiedenen Ehe. Sie kann jedoch keine Rechte nach § 1265 RVO aus dieser ersten Ehe herleiten, weil sie - wie das LSG unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Recht ausgeführt hat - das Schicksal von Frauen teilt, die zu Lebzeiten ihres ersten Mannes eine neue Ehe (mit einem anderen Mann) eingegangen sind und damit ihre nachwirkenden Rechte aus der ersten Ehe verloren haben. Mit der Scheidung der ersten Ehe im Jahre 1967 wurde nämlich das familienrechtliche Band zwischen der Klägerin und dem Versicherten gelöst. Es traten personenstandsrechtliche Wirkungen ein und die güterrechtlichen sowie die erbrechtlichen Beziehungen wurden beendet. Das BSG hat in diesem Zusammenhang im Urteil vom 3. Dezember 1980 (SozR 2200 § 1291 Nr 22) betont, daß bei einer anschließenden Wiederheirat derselben geschiedenen Eheleute es sich um eine neue, also nicht um die Fortsetzung der alten Ehe handelt, und zwar unabhängig davon, in welchem zeitlichem Abstand die erneute Eheschließung erfolgt und welche Gründe für die vorangegangene Scheidung maßgebend gewesen waren (damit im Ergebnis übereinstimmend bereits die Urteile des BSG vom 5. März 1965 - SozR Nr 30 zu § 1265 RVO - und vom 23. März 1977 - 4 RJ 89/76 -).
Die Versorgung der Klägerin wurde demnach mit der zweiten Eheschließung allein auf diese zweite Ehe gestellt. Die Rechte aus der ersten Ehe entfielen. Die zweite Ehe wurde aber erst nach dem 1. Juli 1977 geschieden, was gemäß § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO zur Folge hat, daß die nach der Scheidung weiterwirkende Versorgung nur über einen Versorgungsausgleich, nicht jedoch über eine Geschiedenenwitwenrente erfolgen kann. Der Fortfall der Geschiedenenwitwenrente für Frauen, die nach dem 30. Juni 1977 geschieden worden sind, ist indes - wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 13. Mai 1986 (1 BvL 55/83) entschieden hat - auch in solchen Fällen mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, in denen kein Versorgungsausgleich stattgefunden hat.
Der Gesetzgeber hat durch den Wechsel der beiden Versorgungssysteme (vor dem 1. Juli 1977 grundsätzlich Unterhaltsersatz durch Witwen- und Geschiedenenwitwenrente, seitdem Mitnahme der Versorgungsanwartschaften im Fall der Scheidung) für eine Übergangszeit ungewollt auch Härten entstehen lassen, wie gerade der Fall der Klägerin zeigt. Da diese gesetzliche Benachteiligung nach dem genannten Beschluß des BVerfG nicht grundgesetzwidrig ist, könnten die infolge der Stichtagsregelung für eine Übergangszeit in Einzelfällen auftretenden Härten lediglich durch den Gesetzgeber beseitigt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen