Beteiligte
Beschwerdeausschuß Ärzte Oberfranken |
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. Juli 1997 mit der Maßgabe abgeändert, daß der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1995 aufgehoben ist, soweit hierin die Festsetzung von Kosten des Klägers über den Betrag von 295,55 DM hinaus abgelehnt worden ist.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist die Festsetzung von Kosten eines isolierten Beschwerdeverfahrens im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung streitig.
Der Kläger ist als Hals-Nasen-Ohrenarzt niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Prüfungsausschuß Ärzte Oberfranken erteilte ihm für das Quartal 2/92 eine „Beratung” wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in der Leistungsgruppe „Sonderleistungen”. Auf den hiergegen vom anwaltlich vertretenen Kläger eingelegten Widerspruch hob der im Revisionsverfahren beigeladene Beschwerdeausschuß die Entscheidung des Prüfungsausschusses auf, ordnete die Erstattung der notwendigen Aufwendungen des Klägers an und erklärte die Zuziehung eines Rechtsanwaltes für notwendig.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides beantragte der Kläger bei dem Beigeladenen die Kostenerstattung. Als Gegenstandswert legte er auf der Grundlage des § 8 Abs 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) 2.000,00 DM zugrunde und machte eine 10/10 Geschäftsgebühr gemäß § 116 Abs 2 Satz 1 BRAGebO iVm § 118 Abs 1 Nr 1 BRAGebO, eine 10/10 Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs 1 Nr 2 BRAGebO sowie eine Kostenpauschale, Reisekosten und Abwesenheitsgeld – insgesamt 560,05 DM – als Kosten des Widerspruchsverfahrens geltend. Der Beigeladene leitete den Kostenfestsetzungsantrag an die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) weiter. Diese teilte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Dezember 1993 mit, daß die geltend gemachten Kosten in der angegebenen Höhe nicht erstattungsfähig seien. Im Hinblick darauf, daß eine „Beratung” die geringfügigste Prüfmaßnahme darstelle, sei ein Gegenstandswert in Höhe von 300,00 DM angemessen. Darüber hinaus sei keine volle Gebühr in Ansatz zu bringen, weil das Widerspruchsverfahren keine überdurchschnittlichen juristischen Probleme beinhaltet habe. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Die erstattungsfähigen Kosten wurden auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 300,00 DM und bei Ansatz von jeweils 7,5/10 einer Geschäfts- und einer Besprechungsgebühr mit 295,55 DM festgesetzt (Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Zahlung von weiteren 264,50 DM verurteilt (Urteil vom 15. November 1995).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der im Berufungsverfahren gestellte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsantrag sei nicht begründet, weil dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten zustehe. Nicht diese, sondern der Beschwerdeausschuß sei für die Festsetzung der Kosten des Beschwerdeverfahrens zuständig. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens richtig festgesetzt habe. Das LSG neige dazu, von einem Gegenstandswert von 1.000,00 DM auszugehen sowie ausnahmsweise 7,5/10 der vollen Gebühren in Ansatz zu bringen (Urteil vom 30. Juli 1997).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 106 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie der Vorschriften der bayerischen Prüfungsvereinbarung. Das Berufungsgericht habe die Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens nicht beachtet und verkannt, daß die Frage der Zuständigkeit für die Kostenentscheidung über § 106 Abs 3 SGB V und die Vorschriften der Prüfungsvereinbarung zu lösen sei. Die Kostenerstattungen nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zählten zu den von KÄV und Kassen gemeinsam zu tragenden Kosten der Prüfungseinrichtungen. Die Abrechnung von Kostenerstattungen habe nach einer Protokollnotiz zur Prüfvereinbarung die Beklagte zu übernehmen. Dieser Regelung komme rechtsgestaltende Kraft für und gegen ihn, den Kläger, als ordentliches Mitglied der Beklagten zu. Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht annehme, daß nach den Grundsätzen des § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X der Beigeladene für die Kostenfestsetzung zuständig sei, sei die Beklagte gleichwohl als dessen Rechtsträger erstattungspflichtig, so daß der Anspruch auf Erstattung der Kosten nicht wegen der mangelnden Zuständigkeit der Beklagten für die Kostenfestsetzung hätte abgelehnt werden dürfen.
Im übrigen hält der Kläger sowohl einen Gegenstandswert von 2.000,00 DM als auch den jeweiligen Ansatz der Höchstgebühr von 10/10 gemäß § 118 BRAGebO für angemessen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. Juli 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. November 1995 mit der Maßgabe zurückzuweisen, den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 1995 aufzuheben, soweit hierin eine über den Betrag von 295,55 DM hinausgehende Kostenerstattung abgelehnt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie selbst und nicht der Beschwerdeausschuß sei für die Festsetzung der Kosten nach einem Beschwerdeverfahren ohne anschließendes Klageverfahren zuständig, weil die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse iS des § 63 Abs 3 SGB X „bei ihr” gebildet seien. Der Ansatz des Gegenstandswertes für eine „Beratung” mit 300,00 DM sei im übrigen ebenso angemessen wie die Versagung der Höchstgebühr nach der BRAGebO.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
II
Der Senat entscheidet gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 iVm § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der (Kassen-)Vertragsärzte, also in sog gemischter Besetzung. Für die Abgrenzung der in § 12 Abs 3 Satz 1 SGG angesprochenen Angelegenheiten des Kassenarztrechts von den in Satz 2 genannten Angelegenheiten der Kassenärzte (Kassenzahnärzte) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ausschlaggebend, wie nach den maßgebenden rechtlichen Vorschriften die Verwaltungsstelle zusammengesetzt ist, die über den streitigen Anspruch zu entscheiden hat (vgl Senatsurteil vom 8. Mai 1996, SozR 3-1500 § 12 Nr 9 S 17 mwN sowie Senatsurteil vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 44/97 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ist – wie vorliegend – zweifelhaft und umstritten, ob ein allein aus Kassenärzten oder ein paritätisch (gemischt) zusammengesetztes Entscheidungsgremium zuständig ist, so ist in sog gemischter Besetzung der Richterbank zu entscheiden (vgl BSGE 67, 41, 42 = SozR 3-2500 § 106 Nr 2 S 3; BSGE 67, 256, 257 f = SozR 3-2500 § 91 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 63). Ein solcher Streit über die Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Gremiums ist hier gegeben, nachdem das Berufungsgericht sein Urteil im wesentlichen auf die fehlende Zuständigkeit der beklagten KÄV für die Kostenfestsetzung nach einem Widerspruchsverfahren im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung gestützt und wegen dieser als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage die Revision zugelassen hat. Ein solcher Zuständigkeitsstreit rechnet zu den Angelegenheiten des Kassenarztrechts iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG.
Der Senat hat den Beschwerdeausschuß nach § 75 Abs 2 SGG beigeladen. Die Entscheidung, ob für die streitige Kostenfestsetzung nach einem Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß, an das sich kein Klageverfahren anschließt, dieser Ausschuß, der die Kostenentscheidung getroffen hat, oder die KÄV auf der Grundlage des § 63 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB X zuständig ist, kann gegenüber beiden Behörden nur einheitlich ergehen. Das LSG hätte deshalb den Beschwerdeausschuß unabhängig davon, in welchem Sinne es die Zuständigkeitsfrage entscheiden wollte, notwendig beiladen müssen (vgl bereits BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 66). Der Senat hat die Beiladung im Revisionsverfahren auf der Grundlage des § 168 Satz 2 SGG im Einverständnis mit dem Beschwerdeausschuß nachgeholt.
Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Dem im Berufungsrechtszug hilfsweise gestellten Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Kostenfestsetzungsentscheidungen der Beklagten und auf deren Verpflichtung zur Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 264,50 DM hätte das LSG hinsichtlich des Anfechtungsantrags stattgeben müssen. Den weitergehenden Leistungsantrag hat das LSG dagegen im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Insoweit bleibt die Revision des Klägers ohne Erfolg.
Die Kostenfestsetzungsbescheide der Beklagten sind rechtswidrig, weil nicht die KÄV, sondern der Beschwerdeausschuß für die Kostenfestsetzung im Anschluß an ein Beschwerdeverfahren im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständig ist, soweit sich an dieses Verfahren kein Klageverfahren anschließt.
Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Vorschrift regelt die Kostenerstattungspflicht beim sog isolierten Vorverfahren, einem Verfahren also, dem sich kein gerichtliches Verfahren anschließt. Sie findet auf das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung trotz der zwischen diesem Verfahren und dem in den §§ 78 ff SGG geregelten Widerspruchsverfahren bestehenden strukturellen Unterschiede (dazu vgl BSGE 74, 59 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22) Anwendung. § 63 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung unmittelbar und nicht – wie das Berufungsgericht meint – nur entsprechend anzuwenden (vgl BSG SozR 1300 § 63 Nr 12 S 41 f sowie BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 10 S 33). Eine lediglich analoge Anwendung dieser Vorschrift ist in den Fällen geboten, in denen nicht der Widerspruchsführer, sondern ein anderer Verfahrensbeteiligter mit seinem Rechtsbegehren im Widerspruchsverfahren Erfolg hat, wie der Senat für das dem Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß in vieler Hinsicht entsprechenden Verfahren vor dem Berufungsausschuß in vertragsärztlichen Zulassungsangelegenheiten entschieden hat (BSGE 59, 216 = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 sowie BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 9).
Die Konkretisierung des dem erfolgreichen Widerspruchsführer auf der Grundlage des § 63 Abs 1 SGB X zustehenden Kostenerstattungsanspruchs erfolgt in drei stufenweise aufeinander aufbauenden Entscheidungen. Zunächst ist in einer Kostenentscheidung (auch als Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung bezeichnet) darüber zu befinden, ob und ggf in welchem Umfang der Widerspruchsführer die Erstattung seiner Kosten verlangen kann. Sodann ist gemäß § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X im Zusammenhang mit der Kostenentscheidung darüber zu befinden, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten notwendig war. Auf der Grundlage dieser beiden Entscheidungen wird auf Antrag des Erstattungsberechtigten die bezifferte Höhe des Kostenerstattungsanspruchs im Festsetzungsbescheid nach § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X durch Verwaltungsakt bestimmt (vgl zu diesem Stufenverhältnis auf der Grundlage der insoweit wortgleichen Vorschrift des § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz ≪VwVfG≫ des Bundes, BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr 33 S 36 mwN).
Für den Fall der vollen Abhilfe des Widerspruchs durch die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat; hat diese auch die Kostenentscheidung zu treffen. In allen übrigen Fällen erläßt die Widerspruchsbehörde die Kostenentscheidung, und zwar regelmäßig als Nebenentscheidung im Widerspruchsbescheid. Zuständig für die sich daran anschließende Kostenfestsetzung nach § 63 Abs 3 Satz 1 1. Halbsatz SGB X ist die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, also in der Regel ebenfalls die Widerspruchsbehörde. Hat ein Ausschuß oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuß oder Beirat gebildet ist (§ 63 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB X). Im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung liegt die Zuständigkeit für die Kostenfestsetzung bei dem Beschwerdeausschuß als derjenigen Behörde, die nach einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren die Kostenentscheidung zu treffen hat. Die Ausnahmeregelung des § 63 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB X greift nicht ein, weil die Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung im Sinne dieser Vorschrift keine Ausschüsse sind, die bei den KÄV'en gebildet sind.
Diese aus § 63 Abs 3 SGB X abzuleitende Zuständigkeitsregelung für die Kostenfestsetzungsentscheidung gilt zumindest seit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes am 1. Januar 1989 bundesrechtlich für alle Verfahren der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung und kann durch gesamtvertragliche Regelungen auf der Grundlage des § 106 Abs 3 Satz 5 SGB V nicht geändert werden. Seit diesem Zeitpunkt ist die Befugnis der Partner der Gesamtverträge entfallen, entgegen § 63 SGB X das Verfahren zur Erstattung von Kosten der Beteiligten in Fällen der Wirtschaftlichkeitsprüfung abweichend von der gesetzlichen Regelung zu gestalten (vgl BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 10 mit Nachweisen auch zum früheren Rechtszustand unter Geltung der RVO). Die Gesamtvertragspartner sind auf der Grundlage des § 106 Abs 3 Satz 5 SGB V weiterhin berechtigt, gemeinsam „die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit” zu vereinbaren. Diese Kompetenz bezieht sich in erster Linie auf die Festlegung der anzuwendenden Methoden der Wirtschaftlichkeitsprüfung, gestattet aber grundsätzlich keine Änderung der Vorschriften über die Durchführung des eigentlichen Verwaltungsverfahrens iS des § 8 SGB X (vgl BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 10 S 34 f unter Hinweis auf Kasseler Komm-Krasney, § 63 SGB X, RdNr 10 sowie Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, 1994, RdNr 336). Die Partner der Gesamtverträge sind somit nicht befugt, von § 63 SGB X abweichende Regelungen hinsichtlich der behördlichen Zuständigkeit zu vereinbaren.
Nach § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X ist für die Festsetzung der Kosten, die einem erfolgreichen Widerspruchsführer zu erstatten sind, grundsätzlich diejenige Behörde zuständig, die die Kostenentscheidung getroffen hat, also in der Regel die Widerspruchsbehörde und nur im Fall der vollständigen Abhilfe die Ausgangsbehörde. Das Gesetz weicht insoweit von der Vorschrift über die Kostenfestsetzung im gerichtlichen Verfahren (§ 197 SGG) ab, als danach die Kostenfestsetzung auch in einem über mehrere Instanzen geführten Rechtsstreit Sache des Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs ist. Diese Konstruktion hat der Gesetzgeber des VwVfG und des SGB X bewußt nicht übernommen, weil nicht erwartet werden könne, daß die Ausgangsbehörde die Kosten mit der nötigen Unbefangenheit festsetzen werde, wenn die Kostenentscheidung von der nächst höheren Behörde (Widerspruchsbehörde) getroffen worden sei (vgl die Begründung zu § 80 Abs 3 Satz 1 VwVfG, BT-Drucks 7/910, S 92 f zu § 76 des Entwurfs des VwVfG, auf den die Begründung zu § 63 SGB X Bezug nimmt, BT-Drucks 8/2034, S 36 zu § 61 des Entwurfs). Für den Fall, daß die Kostenentscheidung von einem Ausschuß oder Beirat getroffen worden ist, obliegt sowohl nach § 80 Abs 3 VwVfG als auch nach § 63 Abs 3 SGB X die Kostenerstattung der Behörde, bei der dieser Ausschuß oder Beirat gebildet ist. Diese Regelung soll verhindern, daß der für Widerspruchsentscheidungen zuständige Ausschuß oder Beirat auch „erstinstanzliche” Verwaltungsakte erlassen und sich mit Einzelheiten der Kostenfestsetzung befassen muß (vgl BT-Drucks 7/910, S 92 f zu § 76 des Entwurfs des VwVfG). Von der Ausnahmeregelung des § 63 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz SGB X sind im Sozialverwaltungsrecht insbesondere die nach § 36a Viertes Buch Sozialgesetzbuch gebildeten Ausschüsse erfaßt, die zum Erlaß von Widerspruchsbescheiden gemäß § 85 Abs 2 Nr 2 SGG bestimmt werden können (vgl Schneider-Danwitz in GesamtKomm, § 63 SGB X, Anm 62). Die Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterfallen dieser Ausnahmeregelung jedoch nicht.
Der Beschwerdeausschuß gemäß § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V ist im Rechtssinne kein bei der KÄV gebildeter Ausschuß. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen bilden zusammen bei den KÄV'en gemeinsame Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zur Durchführung der vertrags(zahn)ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 3 SGB V). Obwohl diese Ausschüsse „bei” den KÄV'en gebildet werden, sind sie gegenüber den KÄV'en genauso wie gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen rechtlich verselbständigt. Ihre Entscheidungen sind nicht den sie bildenden Körperschaften, sondern allein ihnen selbst zuzurechnen und von ihnen auch im gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Als Konsequenz ihrer organisatorischen Verselbständigung sind die Prüfgremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung ebenso wie die Zulassungs- und Berufungsausschüsse (§§ 96, 97 SGB V) beteiligtenfähig iS des § 70 Nr 4 iVm § 51 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGG. Mit der in § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V gewählten Formulierung, daß die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse bei den KÄV'en zu bilden sind, wird zum Ausdruck gebracht, daß die KÄV, wie dies auch in § 96 Abs 3 Satz 1, § 97 Abs 2 Satz 4 SGB V für die Zulassungs- und Berufungsausschüsse bestimmt ist, die Geschäftsführung einschließlich der Bereitstellung der sächlichen und personellen Mittel übernimmt (vgl Henke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 106 SGB V, RdNr 26). Trotz der wörtlichen Übereinstimmung des Wortlauts von § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V und § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X schließt die gemeinsame Rechtsträgerschaft der Krankenkassenverbände und der KÄV'en für die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Annahme aus, diese Gremien seien wegen ihrer organisatorischen Verflechtung mit der KÄV den von einem Sozialversicherungsträger als rechtlich nicht verselbständigte Entscheidungsgremien gebildeten Widerspruchsausschüssen gleichzustellen.
Die auf der Grundlage des § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X zu treffende Entscheidung über die Festsetzung der einem erfolgreichen Widerspruchsführer zu erstattenden Kosten ist ebenso eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen wie die von den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen zu erlassenden Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung selbst. Die im Wege der Kostenerstattung auf der Grundlage des § 63 Abs 1 SGB X den beschwerdeführenden Personen oder Institutionen zu zahlenden Beträge sind Teil der Kosten der Prüfgremien, die von den Gesamtvertragspartnern in der Regel paritätisch nach Maßgabe näherer Regelungen in den Prüfvereinbarungen getragen werden (vgl Kasseler Komm-Hess, § 106 SGB V, RdNr 52; Henke in Peters, aaO, § 106 SGB V, RdNr 26). Schon dies schließt aus, daß die KÄV allein eine zugunsten oder zu Lasten auch der Krankenkassenverbände wirkende Entscheidung über die einem Widerspruchsführer zu erstattenden Kosten trifft. Da jede Kostenfestsetzung wegen der paritätischen Finanzierung der Kosten der Prüfgremien (auch) die Krankenkassenverbände belastet, müssen sie vor Erlaß der Kostenfestsetzungsentscheidung angehört werden (vgl Stelkens/Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl 1998, § 80 RdNr 95), und sie sind berechtigt, gegen Kostenfestsetzungsentscheidungen zu klagen. Selbst bei Annahme einer Zuständigkeit der KÄV für die Kostenfestsetzung nach außen müßten alle am Gesamtvertrag beteiligten Kassenverbände in den Entscheidungsprozeß einbezogen werden, so daß hier von vornherein der Zweck der Ausnahmeregelung des § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X, nämlich die Entlastung der Ausschüsse und Beiräte von der für sie im Grunde fremden Tätigkeit im Rahmen der Kostenfestsetzung, nicht erreichbar ist. Da die Kostenfestsetzung ebenso wie alle anderen Entscheidungen im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren zu den Angelegenheiten der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen rechnet, ist es konsequent, auch hierfür die Zuständigkeit eines Gremiums der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen anzunehmen.
Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Entscheidungszuständigkeit des Beschwerdeausschusses zur Folge hat, daß hinsichtlich der Kostenfestsetzung kein Widerspruchsverfahren stattfinden kann. In der Regel ist allerdings die Kostenfestsetzung durch die gemäß § 80 Abs 3 VwVfG bzw § 63 Abs 3 SGB X zuständige Behörde ein erstinstanzlicher Verwaltungsakt, der vor der Klageerhebung in einem Widerspruchsverfahren zu überprüfen ist. Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme anerkannt, wenn die Widerspruchsbehörde die für die Kostenfestsetzung zuständige Stelle ist (vgl Altenmüller, DVBl 1978, 285, 290 f). Das hat zur Folge, daß ein Vorverfahren gegen die von dem Beschwerdeausschuß zu treffende Kostenfestsetzungsentscheidung nicht stattfindet. Die Beteiligten sind wegen der Stellung des Beschwerdeausschusses, die derjenigen einer Widerspruchsbehörde entspricht, berechtigt, unmittelbar gegen die Kostenfestsetzungsentscheidungen Klage zum SG zu erheben.
Da somit die beklagte KÄV für die vom Kläger begehrte Kostenfestsetzung nicht zuständig ist, sind die von ihr getroffenen Festsetzungsentscheidungen rechtswidrig und – soweit der Kläger sie angefochten hat – aufzuheben. Der beigeladene Beschwerdeausschuß wird über die vom Kläger begehrte Kostenfestsetzung zu entscheiden haben, ohne daß es eines darauf gerichteten Ausspruchs des Senats bedarf. Eine Kostenfestsetzungsentscheidung der zuständigen Behörde ist nach der Systematik des § 63 SGB X Voraussetzung einer Kostenerstattung. Solange eine solche Entscheidung nicht ergangen ist, ist ein Kostenerstattungsbegehren nicht begründet. Deshalb hat der Kläger mit seinem Leistungsantrag derzeit keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat berücksichtigt, daß der Kläger die Kostenfestsetzung ursprünglich bei der zuständigen Behörde, nämlich dem beigeladenen Beschwerdeausschuß, beantragt hat. Daß daraufhin die sachlich nicht zuständige Beklagte entschieden und ihre Zuständigkeit bis ins Revisionsverfahren verteidigt hat, rechtfertigt deren Belastung mit den Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen.
Fundstellen
ArztR 1999, 134 |
MedR 2000, 27 |
NZS 1999, 205 |
AusR 2000, 77 |
SozSi 1999, 260 |