Leitsatz (amtlich)
1. Begehrt der Kläger mit der Berufung an Stelle des ihm bewilligten normalen Altersruhegeldes ein höheres flexibles Altersruhegeld, das einen Monat früher beginnen soll, so ist die Zulässigkeit der Berufung weder nach § 144 SGG noch nach § 146 SGG ausgeschlossen.
2. Die in § 25 Abs 4 S 1 AVG (= § 1248 Abs 4 S 1 RVO) angeordnete Beschränkung des Hinzuverdienstes gilt für Bezugszeiten bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird; die in Buchst b festgesetzte Verdienstgrenze wird dabei für den letzten Monat überschritten, wenn der Versicherte im gesamten Monat ein über der Verdienstgrenze liegendes Entgelt oder Arbeitseinkommen bezieht.
Normenkette
AVG § 25 Abs 4 S 1 Buchst b Fassung: 1977-06-27; RVO § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b Fassung: 1977-06-27; SGG §§ 144, 146; AVG § 25 Abs 4 S 1 Buchst a Fassung: 1977-06-27; RVO § 1248 Abs 4 S 1 Buchst a Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Altersruhegeld.
Der am 7. Januar 1913 geborene Kläger vereinbarte mit seinem Arbeitgeber im Anschluß an das zum 30. November 1977 beendete Beschäftigungsverhältnis eine Weiterbeschäftigung für die Zeit vom 1. Dezember 1977 bis zum 31. Januar 1978 unter denselben Arbeitsbedingungen. Seine Bruttoarbeitsentgelte betrugen monatlich 3.400,-- DM im Jahre 1977 und 3.700,-- DM im Januar 1978. Die Beklagte bewilligte dem Kläger das hilfsweise beantragte Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 1. Februar 1978 und lehnte die in erster Linie beantragte Gewährung des flexiblen Altersruhegeldes ab 1. Dezember 1977 mit der Begründung ab, es seien keine 35 Versicherungsjahre erfüllt (Bescheid vom 22. Februar 1978, Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1978). Nach Klageerhebung hat die Beklagte das Altersruhegeld unter Anrechnung weiterer Versicherungszeiten neu berechnet (Bescheid vom 12. Februar 1979). Seine Klage auf "Altersruhegeld nach Maßgabe des am 31. Dezember 1977 eingetretenen Versicherungsfalles" hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 12. Juli 1979). Die hiergegen mit dem Antrag, "die Beklagte zu verurteilen, ihm statt des ab 1. Februar 1978 bewilligten Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aufgrund des am 31. Dezember 1977 eingetretenen Versicherungsfalles flexibles Altersruhegeld ab 1. Januar 1978 zu gewähren", hat das Landessozialgericht (LSG) als unzulässig verworfen (Urteil vom 27. Mai 1982). Das LSG meint, die Berufung sei sowohl nach § 144 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als auch nach § 146 SGG nicht zulässig. Der Rechtsstreit gehe von Anfang an lediglich um Rente für einen Monat. Keine Rolle spiele es, daß der Kläger den erstrebten früheren Rentenbeginn unter Vorverlegung des - einheitlichen - Versicherungsfalles des Alters vom 6. Januar 1978 auf den 31. Dezember 1977 nur erreichen könne, wenn ihm statt des von der Beklagten zuerkannten Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres das flexible Altersruhegeld gewährt werde. Der den Hintergrund des Rechtsstreits bildende Umstand, daß es bei einem Eintritt des Versicherungsfalles am 31. Dezember 1977 nicht zu der Minderbewertung der anerkannten und angerechneten Ausbildungsausfallzeiten des Klägers käme, ändere hieran nichts.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 144, 146 SGG. Die Umwandlung des Altersruhegeldes nach Abs 5 in ein solches nach Abs 1 des § 25 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) habe zur Folge, daß sich die monatliche Rente um etwa 50,-- DM erhöhe.
Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung ihrer Bescheide flexibles Altersruhegeld ab 1. Januar 1978 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hat sich zunächst dahin eingelassen, das LSG habe zwar die Berufung zu Unrecht verworfen, gleichwohl müsse es aber bei der sachlich gebotenen Klageabweisung auch in der Revisionsinstanz verbleiben. Demgegenüber hat sie in der mündlichen Verhandlung die Verwerfung der Berufung als rechtens angesehen, da der Anspruch auf höhere Rente für die Zeit ab Februar 1978 sich nur als Reflex- oder Folgewirkung des früheren Versicherungsfalles darstelle.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das LSG hat allerdings die Berufung zu Unrecht als unzulässig verworfen, da diese weder nach § 144 noch nach § 146 SGG unzulässig ist. Nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG ist die Berufung nicht zulässig "bei Ansprüchen" auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (drei Monaten). Nach § 146 SGG ist die Berufung darüber hinaus unzulässig, soweit sie in Angelegenheiten der Rentenversicherung Beginn oder Ende der Rente oder nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. Nach beiden Vorschriften ist der mit der Berufung verfolgte Anspruch im Sinne des prozessualen Begehrens maßgebend. Dieser Klaganspruch ist dem Berufungsvorbringen - ohne Bindung an die Fassung der Anträge (§ 123 SGG) - zu entnehmen. Das LSG meint zu Unrecht, streitig sei allein das Altersruhegeld für Januar 1978; der Umstand, daß es bei einem Eintritt des Versicherungsfalles am 31. Dezember 1977 nicht zu der Minderbewertung der anerkannten und angerechneten Ausbildungsausfallzeiten des Klägers käme, bilde nur den Hintergrund des Rechtsstreits. Der Kläger war nach seinem Berufungsvorbringen ersichtlich der Ansicht, daß bei Eintritt des Versicherungsfalles im Dezember 1977 auf seinen Rentenanspruch die am 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Vorschriften des 20. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) vom 27. Juni 1977 über eine Minderbewertung der Ausbildungsausfallzeiten keine Anwendung finden, und daß ihm deswegen auch für die Zeit nach Januar 1978 ein höheres Altersruhegeld zusteht. Daraus ergibt sich sein Begehren, eine höhere Rente ab einem früheren Zeitpunkt auf Dauer zu erhalten. Dies hat er in seinem Antrag, ab dem 1. Januar 1978 - zeitlich unbeschränkt - das flexible Altersruhegeld zu erhalten, zum Ausdruck gebracht.
Ob dem Berufungsvorbringen ein zeitlich unbegrenztes Klagebegehren auch dann zu entnehmen wäre, wenn nach der materiellen Rechtslage eindeutig nur ein Anspruch auf höhere Rente für den Monat Januar 1978 in Betracht käme, kann dahinstehen. Denn zwischen dem vorzeitigen Altersruhegeld und dem "normalen" Altersruhegeld gibt es keine Aufeinander- und Stufenfolge von Leistungsberechtigungen und damit keine Umwandlung von Renten (BSG SozR Nr 2 zu § 48 RKG; BSGE 27, 167 und Urteil vom 20. Oktober 1971 - 12/11 RA 16/70 sowie Urteil vom 15. März 1968 - 4(12) RJ 364/67). Das gilt auch im Verhältnis zum flexiblen Altersruhegeld. Deshalb stand dem Kläger, wenn er für den Monat Januar 1978 einen Anspruch auf flexibles Altersruhegeld besaß, diese Leistung auch für die Folgezeit zu. Ob den verschiedenen Tatbeständen des § 25 AVG (= § 1248 RVO) selbständige Versicherungsfälle zugrunde liegen, die jeweils auch selbständige Ansprüche auf Altersruhegeld auslösen, oder ob nur ein einheitlicher Anspruch und sogar nur ein einheitlicher Versicherungsfall vorliegt, wie das das LSG annimmt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
Nur wenn der Kläger - deutlich - zum Ausdruck gebracht hätte, daß er dennoch den Anspruch auf das höhere flexible Altersruhegeld nur für den Monat Januar 1978 geltend machen wolle, etwa in der Annahme, daß die Beklagte für die Folgezeit auch ohne Verurteilung die höhere Rente gewähren werde, würde es sich im Sinne des angefochtenen Urteils um den "Hintergrund des Rechtsstreits", im Sinne des Vorbringens der Beklagten um eine "Reflex- oder Folgewirkung des früheren Versicherungsfalles" handeln. Eine solche zeitliche Beschränkung ist jedoch dem Berufungsvorbringen und insbesondere den Anträgen nicht zu entnehmen. Vielmehr zeigt gerade der schon erwähnte Antrag, "statt des ab 1. Februar 1978 bewilligten Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aufgrund des am 31. Dezember 1977 eingetretenen Versicherungsfalles flexibles Altersruhegeld ab 1. Januar 1978 zu gewähren", daß der Kläger den höheren Anspruch auf flexibles Altersruhegeld über den 31. Januar 1978 hinaus zeitlich unbegrenzt geltend macht.
Die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Senats stehen dem nicht entgegen. Denn diese Entscheidungen (Urteile vom 29. Juni 1977 - 11 RA 70/76 - und vom 15. November 1979 - 11 RA 10/79 -; Beschluß vom 10. Juni 1980 - 11 BA 189/79 - alle nicht veröffentlicht) betrafen Fälle der Rentenumwandlung, in denen die durch Umwandlungsbescheid festgestellte Leistung nicht streitig war.
Da somit die Berufung weder nach § 144 noch nach § 146 SGG ausgeschlossen ist, hätte das Berufungsgericht in der Sache entscheiden müssen.
In einem solchen Fall kann das Revisionsgericht ausnahmsweise in der Sache entscheiden und die Klage abweisen, wenn diese schon nach dem Klagevorbringen zweifelsfrei unbegründet ist, ohne daß es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu bedarf (SozR 1500 § 170 Nr 4; BSGE 25, 251). Das ist hier der Fall, auch wenn dem Kläger nicht mehr eine Nichterfüllung der Wartezeit von 35 Versicherungsjahren für das flexible Altersruhegeld entgegengehalten werden kann.
Der Kläger hat nämlich mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum Jahresende 1977 und gleichzeitiger Vereinbarung einer Weiterbeschäftigung unter den gleichen Arbeitsbedingungen von den weiteren Leistungsvoraussetzungen weder den Tatbestand des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst a AVG noch den des Buchst b erfüllt. Der erstgenannte Tatbestand setzt voraus, daß der Versicherte nur noch "gelegentlich" tätig wird, also zuvor aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt entschieden, daß der Versicherte, wenn sich an eine Dauerbeschäftigung eine befristete Weiterbeschäftigung unter denselben Arbeitsbedingungen anschließt, in der Regel, wenn nicht besondere Umstände etwas anderes erkennen lassen - woran es hier fehlt -, erst mit der Beendigung der Weiterbeschäftigung iS des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst a AVG aus dem Erwerbsleben ausscheidet und zum Bezug des flexiblen Altersruhegeldes berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 1248 Nrn 6 und 7). Dem tritt der erkennende Senat bei.
Bei § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG umfaßt der dort verwandte Begriff einer "laufend ausgeübten Beschäftigung" demgegenüber auch die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit. Das Einkommen des Klägers überschreitet jedoch die dort genannte Verdienstgrenze. Hierzu ist bestimmt, daß ein Anspruch auf flexibles Altersruhegeld "bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres" neben einer Beschäftigung nur besteht, wenn das Entgelt "durchschnittlich im Monat" 1.000,-- DM nicht überschreitet. Bei der letzteren Formulierung ist an den Fall gedacht, daß flexibles Altersruhegeld für mehrere Monate eines Kalenderjahres in Betracht kommt, so daß aus den in diesen Monaten erzielten Entgelten ein Durchschnitt gebildet werden kann. Wäre das flexible Altersruhegeld bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, nur für einen Kalendermonat zu zahlen, muß jedoch die Bildung eines Durchschnitts entfallen; es kann dann nur dieses eine Monatsentgelt maßgebend sein. Das Entgelt für den Kalendermonat ist dann jedoch in vollem Umfang und nicht nur anteilig für die Zeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres heranzuziehen. Diese Auslegung hält sich im Rahmen des Wortlauts, der zwar einerseits genau auf den Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres abhebt, andererseits aber mit den Worten "durchschnittlich im Monat" auf eine Berechnung nach vollen Kalendermonaten hinweist. Die Auslegung entspricht damit dem Regelungszusammenhang, zugleich aber dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie beachtet, daß das flexible Altersruhegeld - wie alle Renten - jeweils für den Kalendermonat gezahlt wird. Deshalb ist nicht nur der Monat, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, sondern auch das in ihm erzielte Entgelt voll zu berücksichtigen. Die Begrenzung des Hinzuverdienstes in § 25 Abs 4 Satz 1 AVG für die Zeit "bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres" trägt dem Umstand Rechnung, daß beim Bezug des normalen Altersruhegeldes (§ 25 Abs 5 AVG) der Hinzuverdienst nicht beschränkt ist. Da das normale Altersruhegeld gem § 67 Abs 1 Satz 1 AVG (= § 1290 Abs 1 Satz 1 RVO) frühestens vom Ende des Kalendermonats an zu zahlen ist, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, kann auch die Beschränkung des Hinzuverdienstes erst von diesem Zeitpunkt an entfallen. Wenn der Kläger einen Anspruch auf flexibles Altersruhegeld für den gesamten Monat Januar und nicht nur anteilig bis zu seinem Geburtstag geltend macht, muß er sich andererseits die Berücksichtigung des gesamten Monatsentgelts gefallen lassen.
Da das Einkommen des Klägers von 3.700,-- DM im Januar 1978 die Verdienstgrenze übersteigt, hat der Kläger somit keinen Anspruch auf flexibles Altersruhegeld für diesen Monat. Das bedeutet zugleich, daß er auch für Zeiten nach der Vollendung des 65. Lebensjahres, in denen Verdienstgrenzen entfallen, im konkreten Fall also auch für Zeiten ab 1. Februar 1978, kein flexibles Altersruhegeld verlangen kann. Denn ein flexibles Altersruhegeld kann zwar über das 65. Lebensjahr hinaus weitergewährt werden, es ist aber nicht zulässig, ein flexibles Altersruhegeld erstmals für solche Zeiten zuzusprechen.
Hiernach muß es bei der Klageabweisung verbleiben. Soweit dabei die Verwerfung der Berufung durch deren Zurückweisung ersetzt worden ist, liegt darin keine unzulässige Schlechterstellung des Revisionsklägers (vgl SozR 1500 § 170 Nr 4 mwN).
Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen