Leitsatz (redaktionell)
Ob ein auch anlagebedingtes Versorgungsleiden iS der Verschlimmerung oder der Mitverursachung anzuerkennen ist, hängt davon ab, ob das betreffende Leiden auf einer Anlage beruht, die ohne eine auslösende Ursache bereits ein krankhaftes Geschehen im Körper hervorgerufen hat oder nicht. Es handelt sich bereits dann um eine krankhaftes Geschehen, wenn als Folge der Anlage stetig fortschreitende Veränderungen im Körper eingetreten sind, ohne daß diese Veränderung bei Eintritt der auslösenden Ursache bereits bemerkbar gewesen zu sein brauchen.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Mai 1956 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der am 18. August 1912 geborene Kläger wurde im Jahre 1943 zur Flak eingezogen. Als er drei Wochen später an einem Gepäckmarsch teilnahm, bekam er Krampfzustände an beiden Beinen, die acht Tage lang im Krankenrevier behandelt wurden. Anschließend wurde er auf Vorschlag des Truppenarztes in verschiedenen Waffenkammern im Heimatgebiet eingesetzt. Mitte April 1945 geriet er in amerikanische Gefangenschaft, aus der er am 4. Mai 1946 entlassen wurde.
Vom 1. Februar bis 6. April 1950 wurde der Kläger wegen seiner Unterschenkelgeschwüre und Varizen beiderseits im D Krankenhaus in B behandelt. Er gab dort zur Krankengeschichte an, daß er seit etwa zwei Jahren nach längerem Gehen Schmerzen an beiden Beinen habe, die oft angeschwollen seien. Schließlich hätten sich Unterschenkelgeschwüre an beiden Beinen gebildet. Der Kläger wurde im D-Krankenhaus zunächst konservativ behandelt. Nachdem eine kleine Hauttransplantation vorgenommen worden war, wurde am 20. März 1950 eine beiderseitige Varizen-Operation durchgeführt. Gestützt auf ein versorgungsärztliches Gutachten vom 11. August 1952, das es als unwahrscheinlich bezeichnete, daß das Krampfaderleiden durch einen Gepäckmarsch entstanden sei oder sich infolge des Wehrdienstes verschlimmert habe, lehnte das Versorgungsamt II B durch Bescheid vom 25. November 1952 den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Versorgung ab. Sein Einspruch blieb erfolglos (Entscheidung des LVersorgA. B vom 7.8.1953).
Das Sozialgericht (SG.) hat zunächst ein Gutachten des Chefarztes Dr. W (D-Krankenhaus in B) vom 16. März 1955 eingeholt. Auf die eingehenden Fragen dieses Sachverständigen über die Vorgeschichte hat der Kläger seine Angaben über den Gepäckmarsch ergänzt. Er sei damals nach 40 bis 45 km zusammengebrochen und habe mit einem Fahrzeug zur Kaserne zurückgeschafft werden müssen. Auf dem Krankenrevier habe man seine neuen Schuhe von den Füßen herunterschneiden müssen, weil diese sehr angeschwollen und blutunterlaufen gewesen seien. Die erste und zweite Zehe beiderseits seien blaurot verfärbt gewesen; kurze Zeit später seien von diesen Zehen die Nägel abgefallen. Dr. W ist zu der Beurteilung gelangt, daß das Krampfaderleiden des Klägers zwar eindeutig anlagebedingt sei, daß es aber durch den Gepäckmarsch im Mai 1943 zu einer Gewebsschädigung im Bereiche beider Unterschenkel gekommen sei, die zu einer vorzeitigen Auslösung des anlagebedingten Leidens geführt habe. Danach sei das Leiden seinen schicksalhaft vorgeschriebenen Weg gegangen, bis dann im Jahre 1948 Geschwüre aufgetreten seien. Jedenfalls seien die Schädigungen durch den Gepäckmarsch doch wohl erheblicherer Natur gewesen, als bisher angenommen worden sei. Für die Richtigkeit der Angaben des Klägers spreche auch, daß tatsächlich an den ersten beiden Zehen beiderseits Krallennagelbildungen vorhanden seien. Ob diese schädigenden Einwirkungen als eine Wehrdienstbeschädigung im Sinne einer Verschlimmerung zu werten seien, könne nur der Jurist entscheiden. Bejahendenfalls sei die jetzt bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) auf 20 v.H. zu bemessen. Das SG. Berlin hat durch Urteil vom 3. Mai 1955 die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß ein Krampfaderleiden grundsätzlich anlagebedingt sei und eine Verschlimmerung unter den gegebenen Umständen nicht angenommen werden könne, weil der Kläger seit seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im Jahre 1946 bis Ende 1948 keine ernstlichen Beschwerden an beiden Beinen gehabt habe.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG.) Berlin die Entscheidung des SG. aufgehoben und den Beklagten verurteilt, das Krampfaderleiden des Klägers mit seinen Nebenerscheinungen als durch den Militärdienst mitverursacht ohne einen rentenberechtigenden Grad der MdE. anzuerkennen. Das LSG. hat die Revision nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Nach § 1 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) genüge die Wahrscheinlichkeit sowohl zum Beweis aller rechtsbegründenden Tatsachen als auch zum Beweis des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit der vom Kläger angegebenen tatsächlichen Umstände, insbesondere die Angaben über seinen Gesundheitszustand vor dem Gepäckmarsch, die Folgen des Gepäckmarsches und seinen Einsatz im Innendienst nach dem Gepäckmarsch, sei zu bejahen gewesen. Auch der Zusammenhang zwischen diesen tatsächlichen Umständen und dem Krampfaderleiden des Klägers sei nach der auch auf dem Gebiet des Versorgungsrechts geltenden Adäquanztheorie wahrscheinlich. Danach bestehe dann ein ursächlicher Zusammenhang, wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet gewesen sei. Zwar sei ein Krampfaderleiden regelmäßig nicht als Folge von Anstrengungen während des Wehrdienstes, sondern als ein anlagebedingtes Leiden anzusehen. Der Sachverhalt sei jedoch dann anders zu beurteilen, wenn bestimmte dienstliche Einwirkungen einen erweislichen Einfluß auf das erste Auftreten der Krampfadern gehabt hätten. Dies sei aber hier nach dem Gutachten des Chefarztes Dr. W vom D-Krankenhaus der Fall, da das Krampfaderleiden des Klägers durch die schwerwiegenden Einwirkungen des Gepäckmarsches vorzeitig ausgelöst worden sei. Eine Verschlimmerung des Leidens durch diese schädigenden Einwirkungen komme deswegen nicht in Betracht, weil der Begriff der Verschlimmerung eine bereits vor der Schädigung bestehende Gesundheitsstörung voraussetze; eine Anlage sei jedoch noch nicht als Gesundheitsstörung aufzufassen. Der Gepäckmarsch sei vielmehr als Mitursache für das Krampfaderleiden anzusehen, da er für die Entstehung dieses Leidens ebenso wie die Anlage des Klägers zur Bindegewebsschwäche in Betracht komme. Hätten aber mehrere Umstände zu der Entstehung des Krampfaderleidens beigetragen, so seien sie rechtserheblich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig seien. Dies treffe für die anlagemäßige Gewebsschwäche und die schädigenden Einwirkungen durch den Gepäckmarsch zu.
Gegen das am 5. Juni 1956 zugestellte Urteil des LSG. Berlin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Juni 1956 - eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 19. Juni 1956 - Revision eingelegt und beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen die Entscheidung des SG. Berlin vom 3. Mai 1955 zurückzuweisen.
Der Beklagte hat die Revision mit Schriftsatz vom 6. Juli 1956 - eingegangen beim BSG. am 10. Juli 1956 - begründet. Er rügt eine Verletzung des § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Das Berufungsgericht habe verkannt, daß zum Beweis des Vorliegens der anspruchsbegründenden Tatsachen die Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG nicht genüge. Auf dem Gebiet des Versorgungsrechts müßten alle anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sein. Die Revision sei ferner auch deswegen statthaft, weil das LSG. bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs das Gesetz verletzt habe. Die Vorschrift des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG sei weit auszulegen und umfasse alle der Gesundheitsstörung oder dem Tod vorangehenden ursächlichen Beziehungen, also auch den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Wehrdienst und dem schädigenden Ereignis. Im übrigen liege auch deshalb eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs vor, weil das Berufungsgericht eine Mitverursachung des Krampfaderleidens des Klägers durch den Gepäckmarsch festgestellt habe. Die medizinisch nicht eindeutige Definition des Begriffs "Krankheit" lasse die Annahme einer Verschlimmerung auch dann zu, wenn vor dem schädigenden Ereignis äußere Erscheinungen einer Krankheit nicht sichtbar gewesen seien. Der Begriff der Verschlimmerung sei daher auch dann gerechtfertigt, wenn die äußere Manifestation eines anlagebedingten Leidens erst im Wehrdienst und unter wesentlicher ursächlicher Mitwirkung einer Schädigung im Sinne des BVG eingetreten sei. Die Unterschenkelgeschwüre hätten sich im übrigen erstmalig nach einer Venenentzündung im Anschluß an eine Entzündung des Rippenfells gebildet, so daß schon deshalb bleibende Folgen des behaupteten Gepäckmarsches in medizinischer Hinsicht unwahrscheinlich seien.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten gegen das Urteil des LSG. Berlin vom 16. Mai 1956 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zu der Rüge einer Verletzung des § 128 SGG führt er aus, daß an sich die Gesundheitsstörung und der schädigende Vorgang bewiesen sein müßten, daß aber an diesen Beweis anderseits keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Wenn gewisse Tatsachen oder Zustände nach dem natürlichen Verlauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens geeignet seien, eine Schädigung bestimmter Art herbeizuführen, so bedürfe es, wenn der ursächliche Zusammenhang verneint werden solle, der Feststellung besonderer nachzuweisender Umstände, die nicht nur selbst Ursache sein könnten, sondern auch jene Erfahrungstatsache als Ursache ausschlössen. Selbst wenn man den Begriff der "Mitverursachung" im vorliegenden Falle ablehnen wolle, so sei nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die Anerkennung einer "richtunggebenden Verschlimmerung" gerechtfertigt.
Der Beklagte hat die Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Da das LSG. die Revision nicht zugelassen hat, findet sie nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und auch vorliegt (BSG. 1 S. 150), oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG).
Der Beklagte rügt, daß das Berufungsgericht ihn unter Verkennung der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm zu Unrecht verurteilt habe, das Krampfaderleiden des Klägers als durch den Militärdienst mitverursacht anzuerkennen. Eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG liegt dann vor, wenn die für das Gebiet der Kriegsopferversorgung (KOV.) geltende Kausalitätsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (BSG. 1 S. 268; BSG. in SozR. SGG § 162 Bl. Da 23 Nr. 87). Diese Vorschrift betrifft jedoch nicht, wie der Beklagte meint, eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Schädigung (schädigendes Ereignis oder schädigende Einwirkung) mit einer militärischen Dienstverrichtung oder einem der übrigen in den §§ 1 bis 5 BVG aufgeführten Tatbestände; vielmehr wird von ihr lediglich der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Schädigung und einer Gesundheitsstörung erfaßt (BSG. 7 S. 180 = SozR. SGG § 162 Bl. Da 27 Nr. 96). Das BSG. hat in ständiger Rechtsprechung (BSG. 1 S. 72, 150 und 268) die vom Reichsversicherungsamt und Reichsversorgungsgericht zum Begriff der Ursächlichkeit entwickelten Grundsätze übernommen und ausgesprochen, daß unter Ursache nicht alle Bedingungen des Erfolges zu verstehen sind, gleichgültig mit welcher Schwere sie zu ihm beigetragen haben und in welchem Zusammenhang sie dazu stehen. Nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, ist also nach der für die KOV. geltenden Kausalitätsnorm ursächlich. Als Ursache und Mitursache sind vielmehr unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie rechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind (BSG. 1 S. 150 (156/157)). Hierbei umfaßt der ursächliche Zusammenhang zwischen der Schädigung im Sinne des BVG und den schädigenden Folgen sowohl die Entstehung als auch die Verschlimmerung einer Gesundheitsstörung durch ein schädigendes Ereignis (BSG. 6 S. 87 (89)).
Diese im Recht der KOV. geltenden Grundsätze für den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Schädigung im Sinne des BVG und einer Gesundheitsstörung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Falle verkannt. Es hat in dem angefochtenen Urteil zunächst ausgeführt, daß nach der auf dem Gebiet des Versorgungsrechts geltenden Adäquanztheorie der ursächliche Zusammenhang dann zu bejahen sei, wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet gewesen sei. Für diese Auffassung hat sich das LSG. auf ein Urteil des 8. Senats des BSG. vom 14. Juli 1955 (BSG. 1 S. 150 (156)) bezogen; es hat jedoch diese Entscheidung mißverstanden. Dort ist lediglich ausgeführt worden, daß die Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang, die schon das Reichsgericht vertreten hat und die vom Bundesgerichtshof übernommen worden ist, auch die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts und des Reichsversorgungsgerichts beeinflußt habe. Damit hat der 8. Senat des BSG., wie sich aus dem Wort "beeinflußt" ergibt, nicht etwa zum Ausdruck bringen wollen - wie das Berufungsgericht meint - daß auch auf dem Gebiet des Versorgungsrechts die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie anzuwenden sei. Vielmehr hat der 8. Senat in der angeführten Entscheidung in den folgenden Ausführungen klar zum Ausdruck gebracht, daß auf dem Gebiet der KOV. eine mit der im Zivilrecht geltenden Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang nicht übereinstimmende, besondere Kausalitätsnorm maßgebend ist, nach der nur solche Ursachen rechtserheblich sind, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Das Berufungsgericht hat zwar in dem angefochtenen Urteil an anderer Stelle auch ausgeführt, daß mehrere Umstände, die zu dem Krampfaderleiden des Klägers beigetragen haben, rechtserheblich sind, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig sind. Insoweit scheint das Berufungsgericht also der im Recht der KOV. geltenden Kausalitätsnorm gefolgt zu sein. Es läßt sich aber nicht ausschließen, daß das LSG. infolge seiner Auffassung, die im Zivilrecht geltende Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang sei auch unverändert auf dem Gebiet der KOV. anzuwenden, zu einer unzutreffenden Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Krampfaderleiden des Klägers und seinem Wehrdienst gekommen ist. Es liegt daher schon aus diesem Grunde eine Verkennung der Kausalitätsnorm und damit eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG vor.
Das Berufungsgericht hat aber auch darüber hinaus noch aus einem anderen Grunde die im Versorgungsrecht geltende Kausalitätsnorm nicht richtig angewendet. Es ist davon ausgegangen, daß der Begriff der Verschlimmerung stets eine bereits vor der Schädigung bestehende Gesundheitsstörung voraussetze; die Anlage sei aber nicht schon als Gesundheitsstörung aufzufassen. Hierbei hat das LSG. nicht hinreichend berücksichtigt, daß anlagebedingte Leiden - wie ein Krampfaderleiden - sich grundsätzlich nach eigener Gesetzlichkeit entwickeln und in typischer Weise verlaufen. Ein solches Leiden kann zwar von außen beeinflußt werden, maßgebend bleibt aber die Anlage, die stetig fortschreitende Veränderungen im Körper hervorruft, ohne daß diese Veränderungen sofort bemerkt zu werden brauchen. Es handelt sich dann bereits um ein krankhaftes Geschehen, es sei denn, daß das betreffende Leiden auf einer Anlage beruht, die ohne eine auslösende Ursache zunächst kein krankhaftes Geschehen im Körper hervorruft. In den Fällen, in denen es sich um keine solche ruhende Anlage handelt, kann das äußere Ereignis nur den Zeitpunkt vorverlegen, an dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre, oder es kann das Leiden schwerer auftreten lassen, als sonst zu erwarten gewesen wäre. Hierzu hat der 8. Senat des BSG. in seiner Urteilen vom 27. März 1958 - 8 RV 427/56 -, vom 3. Juli 1958 - 8 RV 947/57 - und vom 23. Oktober 1958 - 8 RV 683/56 - bereits zutreffend ausgesprochen, daß es sich insoweit nicht um eine Mitursache, sondern um eine Verschlimmerung des betreffenden Leidens handelt. Die Revision ist somit nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft; sie ist auch begründet.
Bei richtiger Anwendung der im Recht der KOV. geltenden Kausalitätsnorm hätte das LSG. die Frage prüfen müssen, ob es sich bei dem Krampfaderleiden des Klägers um ein anlagebedingtes Leiden handelt, bei dem bereits ein krankhaftes Geschehen im Körper vor sich gegangen war, ohne nach außen hin in Erscheinung zu treten, oder ob bei dieser Krankheit durch eine äußere Einwirkung die ruhende Anlage bereits Veränderungen im Körper herbeigeführt hat, die ihrerseits das Leiden in Erscheinung treten ließen. Chefarzt Dr. W hat in seinem Gutachten vom 16. März 1955, auf das sich das Berufungsgericht gestützt hat, zu der vorstehend dargelegten, für den ursächlichen Zusammenhang rechtserheblichen Frage keine Stellung genommen. Da diese Frage medizinischer Natur ist und vom Senat auf Grund der vorliegenden und hierüber keine hinreichende Auskunft gebenden Gutachten nicht entschieden werden kann, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die Rüge des Beklagten zutrifft, daß das Berufungsgericht die Vorschrift des § 128 SGG deswegen verletzt habe, weil es bei der Feststellung des schädigenden Ereignisses anstelle des erforderlichen Beweises der Wahrheit der behaupteten Tatsachen den Nachweis der Wahrscheinlichkeit gesetzt habe. Da die Revision bereits nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft ist und das Berufungsurteil schon aus anderen Gründen aufgehoben werden muß, braucht auf weitere Rügen, welche die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft machen könnten, nicht mehr eingegangen zu werden (vgl. auch BSG. in SozR. SGG § 162 Bl. Da 36 Nr. 122).
Das Berufungsgericht wird nunmehr den Sachverhalt noch in medizinischer Hinsicht entsprechend den vorstehenden Ausführungen aufzuklären haben. Es wird hierbei auch - was es in dem angefochtenen Urteil noch nicht getan hat - zu den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem D-Krankenhaus im Jahre 1950 Stellung zu nehmen haben, daß er erst seit etwa zwei Jahren nach längerem Gehen Schmerzen in beiden Beinen gehabt habe und daß sich, wie sich aus der Krankengeschichte des D-Krankenhauses im Jahre 1950 ergibt, die seinerzeit operierten Unterschenkelgeschwüre erst in den vorhergehenden ein bis zwei Jahren gebildet hätten. Ferner wird gegebenenfalls noch zu prüfen sein, ob ein angeblich gesundes Gewebe, bei dem die Anlage noch keine krankhaften Veränderungen hervorgerufen hat, durch einen einmaligen Gepäckmarsch so geschädigt werden kann, daß hierin eine wesentliche Mitursache für die erst Jahre später aufgetretenen Unterschenkelgeschwüre zu sehen wäre.
Fundstellen