Leitsatz (amtlich)
Ein Bezirksstellenleiter der Niedersächsischen Fußball-Toto GmbH ist in der Regel auf Grund eines Abhängigkeitsverhältnisses iS des RVO § 537 Nr 1 F: 1942-03-09 beschäftigt.
Normenkette
RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. August 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch das Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger ist seit Juli 1955 Bezirksstellenleiter bei der "Niedersächsischer Fußball-Toto" G. m. b. H. (Toto-GmbH), Hannover. Vorher war er mehrere Jahre in gleicher Eigenschaft bei dem Rechtsvorgänger dieser Gesellschaft, dem "Sportbund Niedersachsen e. V. Niedersächsischer Fußball-Toto" tätig. Am 12. Februar 1956 verunglückte der Kläger auf einer Geschäftsfahrt. Er war mit dem Kraftwagen von Hannover nach Stade unterwegs, nachdem er bei der Landeszentrale der T.-GmbH Wettscheine abgeliefert hatte.
Die T.-GmbH veranstaltet Sportwetten. Geschäftsführung und Leitung des gesamten Wettgeschäftes liegen in der Hand ihrer zentralen Verwaltung. Diese bedient sich zur Durchführung des gesamten Wettgeschäftes der Hilfe von Annahme-, Auswertungs- und Bezirksstellen. Bei den Annahmestellen werden durch die Annahme der Wettscheine die Wetten abgeschlossen. Die Auswertung der Wettscheine ist den Auswertungsstellen übertragen, denen je ein Auswertungsstellenleiter vorsteht. Zwischen der Zentralverwaltung und den Annahmestellen besteht kein unmittelbarer Geschäftsverkehr. Diesen vermitteln die Bezirksstellenleiter.
Zur Zeit des Unfalls bestand ein Vertrag zwischen dem Kläger und der Toto-GmbH, der vom 24. Januar 1956 datiert und vom Kläger am 6. Februar 1956 unterschrieben worden ist. Der Vertrag hat folgenden Wortlaut:
"§ 1
Die G. m. b. H. stellt Herrn K als Bezirksstellenleiter ein. Er hat die Rechtsstellung eines selbständigen Handelsvertreters.
§ 2
Der Bezirk ergibt sich aus der Anlage zu diesem Vertrage. Die G. m. b. H. ist berechtigt, die Grenzen dieses Bezirks aus ihr triftig erscheinenden Gründen zu ändern.
§ 3
Herr K ist in seinem Bezirk dafür verantwortlich, daß der Wettbetrieb nach den Wettbestimmungen und nach der Geschäftsordnung für Bezirksstellenleiter durchgeführt wird. Er verpflichtet sich, hierneben keinerlei andere gewerbsmäßige Tätigkeit ohne Genehmigung der G. m. b. H. auszuüben.
§ 4
Die G. m. b. H. ist berechtigt, die Bezirksstellen zu überprüfen.
§ 5
Als Vergütung für seine Tätigkeit erhält Herr K 2,28 % Provision auf den Wettbetrag seines Bezirkes zuzüglich 0,45 % für die wöchentliche Überprüfung der B-Päckchen. Ändert sich die wirtschaftliche Struktur des Bezirks oder ändern sich seine Grenzen (§ 2), kann die Provision neu festgesetzt werden.
§ 6
Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von beiden Parteien mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluß des Kalenderjahres gekündigt werden.
Sollte die G. m. b. H. aufgelöst, ihre Konzession nicht verlängert oder sollten für ihren Geschäftsbetrieb einschneidende gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, so hat die G. m. b. H. das Recht, diesen Vertrag auf den Zeitpunkt zu kündigen, auf welchen die Auflösung, die Konzessionsentziehung oder die gesetzlichen Maßnahmen wirksam werden.
§ 7
Die G. m. b. H. kann den Vertrag fristlos aus wichtigem Grund kündigen, z. B. wenn Herr K gegen das Ansehen und die Interessen der G. m. b. H. verstößt, die Wettbestimmungen und die Geschäftsordnung für Bezirksstellenleiter nicht befolgt, vor allem Wettbeträge nicht fristgerecht abführt.
§ 8
Alle bisherigen mündlichen und schriftlichen Abmachungen sind hiermit aufgehoben.
§ 9
Als Gerichtsstand wird Hannover vereinbart."
Die in § 3 dieses Vertrages angeführte Geschäftsordnung enthält wörtlich folgende Bestimmungen:
"1) Termingerechte Versorgung der Annahmestellen mit Wettscheinen, Werbematerial und sonstigen für den Abschluß von Wetten erforderlichen Unterlagen.
2) Belehrung der Wetteinnehmer über den technischen Ablauf des Wettabschlusses, Weiterleitung und etwa notwendige Erläuterungen von Anordnungen der G. m. b. H.
3) Abholung der B- und C-Scheine von den Annahmestellen, Einkassierung der Wettgelder und Kontrolle des Banderolenbestandes.
4) Einzahlung der Wettgelder auf das von der G. m. b. H. für den Bezirk eingerichtete Bankkonto, spätestens bis montags, 11.00 Uhr.
5) Die sichere Aufbewahrung der Bargelder und Kennzeichnung dieser Bargelder als Eigentum der G. m. b. H.
6) Kontrolle der B-Scheinpäckchen und der fortlaufenden Banderolierung der Wettscheine. Abrechnung der Wett- und Eigenheimeinsätze.
7) Versiegeln der C-Kästen nach besonderen Anweisungen der G. m. b. H.
8) Termingerechtes Weiterleiten der Wettscheine an die Zentrale nach besonderen Anweisungen der G. m. b. H.
9) Kontrolle der Auszahlungen durch die Wetteinnehmer und Rückführung nicht abgeholter Gewinngelder an die Zentrale innerhalb der vorgeschriebenen Fristen.
10) Untersuchungen bei fehlenden Banderolen, entsprechende Protokoll-Vermerke an die G. m. b. H., Geltendmachung des Rücktrittsrechts bzw. Aufhebung des Rücktritts durch Veranlassung des entsprechenden Aushangs bei den Wetteinnehmern.
11) Unverzügliche Meldung von sonstigen Beanstandungen, die er nicht selbst bearbeiten kann, und Einleitung etwa erforderlicher Maßnahmen.
12) Anleitung zur Ausgestaltung der Annahmestellen im Einvernehmen mit der Zentrale.
13) Besuch der von der G. m. b. H. einberufenen Tagungen."
Der Kläger erledigte die ihm obliegenden Büroarbeiten ursprünglich gemeinsam mit seiner Ehefrau in der eigenen Wohnung. Seit November 1954 unterhielt er ein eigenes Büro mit zwei Geschäftsräumen, das nach außen hin durch die Bezeichnung
"Niedersächsischer Fußballtoto GmbH, Bezirk V D"
"Niedersächsischer Zahlenlotto GmbH, Bezirk V D"
kenntlich gemacht war; den Namen des Klägers wies ein besonderes Schild aus. Der Kläger benutzte für geschäftliche Zwecke seinen eigenen Personenkraftwagen. Seit dem Jahre 1955 beschäftigte er außer seiner Ehefrau zwei weibliche Lehrlinge, einen Fahrer (Beifahrer) für den Kraftwagen und einen Laufburschen sowie zeitweise eine weitere Hilfskraft. Im Dezember 1956 ließ sich der Kläger als Kaufmann in das Handelsregister eintragen.
Bis Ende des Jahres 1955 wurden für die Bezirksstellenleiter der Toto-Unternehmen und ihre Angestellten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung an die Beklagte entrichtet. Steuerrechtlich wurden die Bezirksstellenleiter damals als Arbeitnehmer behandelt und weder zur Umsatz- noch zur Gewerbesteuer herangezogen. Im Januar 1956 änderte die Oberfinanzdirektion Hannover ihren Standpunkt und sah die Bezirksstellenleiter für die steuerlichen Belange als selbständige Gewerbetreibende an. Daraufhin wurden für sie keine Beiträge mehr an die Beklagte gezahlt. Der Kläger versicherte sich bei der Beklagten nunmehr freiwillig.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 13. August 1956 eine Entschädigung aus Anlaß des Unfalls des Klägers vom 12. Februar 1956 ab, weil für ihn keine Versicherungspflicht nach § 537 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestanden habe und eine freiwillige Versicherung damals noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
Das Sozialgericht (SG) Stade hat die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage durch Urteil vom 18. Juli 1957 abgewiesen. Es ist der Ansicht, der Kläger sei als selbständiger Handelsvertreter anzusehen und gehöre daher nicht zu den nach § 537 Nr. 1 RVO versicherten Personen.
Im Berufungsverfahren ist über das Gesamtbild der Tätigkeit eines Bezirksstellenleiters und insbesondere über Inhalt, Umfang und Gestaltungsmöglichkeiten der Tätigkeit eines solchen ein sachverständiger Zeuge gehört worden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Toto-GmbH zum Verfahren beigeladen.
Durch Urteil vom 28. August 1962 hat das LSG den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1956 sowie das Urteil des SG Stade vom 18. Juli 1957 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger wegen seines Unfalls vom 12. Februar 1956 zu entschädigen. Zur Begründung ist im wesentlichen folgendes ausgeführt: Der Kläger sei als Bezirksstellenleiter nicht Arbeitnehmer, sondern Unternehmer gewesen. Das ergebe sich aus den zahlreichen Umständen, die gegen die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers sprächen. Der mit dem für die Bezirksstellenleiter vorgesehenen Mustervertrag vom 24. Januar 1956 übereinstimmende Vertrag des Klägers mit der Beigeladenen lasse erkennen, daß die Bezirksstellenleiter die rechtliche Stellung eines selbständigen Kaufmanns haben sollten. Dem entspreche auch, daß der Kläger eigenes Betriebskapital für die Einrichtung und Unterhaltung des Büros benötigt, selbst Hilfskräfte eingestellt und damit ein gewisses Unternehmerrisiko getragen habe, zur Rechnungslegung über die eigenen Unkosten nicht verpflichtet und an eine feste Arbeitszeit nicht gebunden gewesen sei, ferner keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub gehabt habe und schließlich sich bei seiner Arbeit lediglich unter Benachrichtigung seines Auftraggebers habe vertreten lassen können. Die demgegenüber für die Abhängigkeit des Klägers von der Beigeladenen sprechenden Umstände, nämlich daß die Tätigkeit des Klägers als Bezirksstellenleiter im wesentlichen einer betrieblichen Verwaltungsarbeit gleiche, daß er in erheblichem Maße den Weisungen der Verwaltungszentrale der Beigeladenen unterworfen und sein Unternehmerrisiko gering gewesen sei, fielen bei der Prägung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Klägers nicht so erheblich ins Gewicht, daß er die Stellung eines Arbeitnehmers gehabt habe. Maßgebend sei, daß er sich seine Arbeit nach eigenem Gutdünken habe einteilen können und vor allem daß er seine Verpflichtungen nicht persönlich habe erfüllen müssen, sondern sich dabei habe vertreten lassen können. Er sei dabei persönlich nicht in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert gewesen. Er habe keine ganz persönliche Leistung erbringen müssen, sondern sich und seinen ganzen Betrieb zur Erfüllung einer vertraglichen Aufgabe zur Verfügung gestellt. Diese Tatsache dränge alle anderen Tätigkeitsmerkmale und Abreden in den Hintergrund; entscheidend sei nicht, daß der Kläger an genaue Anweisungen gebunden gewesen und seine Arbeitskraft und seine Zeit praktisch voll in Anspruch genommen worden sei. Diese Bindung habe nicht auf einem persönlichen Weisungsrecht des Auftraggebers beruht, sondern sich zwangsläufig aus der Art der Arbeit eines Bezirksstellenleiters ergeben. Der Kläger habe sonach nicht auf Grund seines Beschäftigungsverhältnisses unter Versicherungsschutz gestanden; er sei auch nicht freiwillig versichert gewesen. Trotzdem sei er leistungsberechtigt, da für ihn auf Grund der Beitragszahlung der Beigeladenen an die Beklagte ein formelles Versicherungsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten entstanden sei, welches zur Zeit des Unfalls noch bestanden habe.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Berufungsurteil ist der Beklagten am 27. September 1962 zugestellt worden; sie hat gegen dieses Urteil am 6. Oktober 1962 Revision eingelegt und diese am 16. November 1962 begründet.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des SG Stade vom 18. Juli 1957 zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision ist zulässig; sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ist der Kläger verunglückt, als er mit seinem Kraftwagen als Bezirksstellenleiter der Beigeladenen auf einer Geschäftsfahrt unterwegs war. Der Auffassung des LSG, der Kläger habe auf dieser Fahrt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, ist der erkennende Senat im Ergebnis beigetreten. Ob der Kläger die Beklagte wegen der Folgen seines Unfalls in Anspruch nehmen kann, weil, wie das LSG angenommen hat, zwischen der Beklagten und der Beigeladenen ein ihn begünstigendes formalrechtliches Versicherungsverhältnis vereinbart gewesen sei, brauchte nicht geprüft zu werden. Denn der Versicherungsschutz des Klägers folgt entgegen den Ausführungen des angefochtenen Urteils schon aus § 537 Nr. 1 RVO aF. Die Begründung, mit der das LSG verneint hat, daß der Kläger die zum Unfall führende Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift ausgeübt habe, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Annahme des LSG, der Kläger habe als Bezirksstellenleiter zur Beigeladenen nicht in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit gestanden und sei deswegen nicht auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses bei ihr beschäftigt gewesen, trifft nicht zu. Wohl hat das LSG bei seinen Erwägungen nicht außer acht gelassen, daß die Frage, ob jemand als versicherter Arbeitnehmer im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO aF anzusehen ist, sich entsprechend einem im Recht der Sozialversicherung allgemein geltenden Grundsatz nicht so sehr nach den von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnungen oder der zivilrechtlichen Erscheinungsform der Vereinbarungen als vielmehr nach der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse sowie der Art der Tätigkeit richtet (vgl. SozR Nr. 8 zu RVO § 537 Nr. 1 aF; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Bd. II S. 302 b, 306 h, 307). Es hat auch alle hiernach für die Entscheidung des vorliegenden Falles in Betracht zu ziehenden Umstände berücksichtigt und nicht verkannt, daß unter Abwägung dieser Umstände das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers zu ermitteln und danach zu beurteilen ist, ob er auf Grund eines Dienstverhältnisses zur Beigeladenen beschäftigt war (vgl. Brackmann aaO; BSG 11, 257, 260). Bei der Abwägung der einzelnen Umstände aber ist in dem angefochtenen Urteil nicht ausreichend beachtet worden, daß weder der schriftliche Vertrag noch die tatsächliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse des Klägers genügend Raum für die Annahme lassen, der Kläger sei als Bezirksstellenleiter Unternehmer im Sinne des § 633 RVO aF gewesen. Aus der von den Vertragspartnern bekundeten Absicht, daß der Kläger als Bezirksstellenleiter die Rechtsstellung eines selbständigen Handelsvertreters haben sollte, läßt sich ebensowenig wie aus der Regelung, daß die Vergütung des Klägers auf Provisionsbasis zu berechnen sei, die für die Unternehmereigenschaft erforderliche Selbständigkeit herleiten. Der Vertrag enthält auch keine sonstigen Bestimmungen, welche eindeutig auf diese Eigenschaft schließen lassen könnten; er regelt neben den Kündigungsverhältnissen im wesentlichen nur noch verschiedene Rechte der Beigeladenen gegenüber dem Kläger. Soweit die über die Gestaltung der Tätigkeit des Klägers getroffenen, von keiner Seite angegriffenen Feststellungen des LSG ergeben, daß der Kläger, der naturgemäß außerhalb des Sitzes der Wettzentrale tätig sein mußte, seine vertraglichen Aufgaben mittels an sich für einen Unternehmer charakteristischer Einrichtungen und Maßnahmen erfüllte, dürfen diese Umstände nicht ohne den Hintergrund der betrieblichen Organisation der Beigeladenen betrachtet werden. In dieser Hinsicht gewinnt das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers vorherrschend Züge eines abhängig Beschäftigten. Dem steht nicht entgegen, daß er ein eigenes Geschäftsbüro unterhielt, d. h. entsprechende Räume gemietet sowie Hilfskräfte als seine Arbeitnehmer eingestellt und einen Personenkraftwagen gehalten hatte, insoweit also auch ein Risiko trug. Entscheidend ist jedoch, daß trotzdem nicht der betriebsorganisatorische Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit und dem Unternehmen der Beigeladenen fehlte. Freilich bildet das Unternehmerrisiko ein wesentliches Merkmal für die Unternehmereigenschaft; es ist hierfür jedoch nicht das einzige Merkmal und war, wie das LSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, beim "eigenen" Betrieb des Klägers nicht so bedeutsam, daß es als ein echtes Unternehmerrisiko ins Gewicht fallen könnte. Der Kostenaufwand, den die eigene Geschäftshaltung des Klägers verursachte, wurde durch zusätzliche Provisionsvergütungen von der Beigeladenen gedeckt. Ebensowenig wird das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers dadurch geprägt, daß er der Beigeladenen gegenüber nicht zur Rechnungslegung über seine Unkosten verpflichtet war, daß er seine tägliche Arbeitszeit, die ihn übrigens voll für die Beigeladene in Anspruch nahm, im allgemeinen selbst bestimmen und sich ohne Urlaubsregelung in seiner Tätigkeit - lediglich unter Benachrichtigung der Beigeladenen - vertreten lassen konnte. Das LSG hat insoweit selbst zum Ausdruck gebracht, daß diese Freizügigkeit des Klägers in der Gestaltung seiner Arbeitsverhältnisse nicht ohne weiteres die Annahme seiner persönlichen Abhängigkeit von der Beigeladenen ausschließe, und dabei zutreffend auf ähnliche Beschäftigungsverhältnisse (z. B. Zeitungsausträger und Hauswarte), bei denen die Arbeitnehmereigenschaft nicht zweifelhaft ist, hingewiesen. Die Schlußfolgerung des LSG, daß der vorliegende Fall aber anders zu beurteilen sei, vor allem weil der Kläger als Bezirksstellenleiter in gehobener Stellung tätig gewesen und einen Vertrauensposten ausgefüllt habe, ist nicht gerechtfertigt. Die Begründung des angefochtenen Urteils hierzu läßt eine nähere Würdigung der Bedeutung der in der Geschäftsordnung für Bezirksstellenleiter enthaltenen Anordnungen vermissen.
Diese Geschäftsordnung, die Bestandteil des mit der Beigeladenen am 6. Februar 1956 geschlossenen Einstellungsvertrages des Klägers ist, bestimmt nicht nur bis ins einzelne seinen auf die Durchführung des Wettgeschäfts der Beigeladenen gerichteten Arbeitsablauf, sondern ist auch angefüllt mit Weisungen, welche das Bild eines in persönlicher Abhängigkeit zur Auftraggeberin stehenden Beschäftigten ergeben. Der Kläger war für die zweckmäßige "Durchorganisation" seines Bezirks verantwortlich, hatte der Beigeladenen geeignete Wetteinnehmer vorzuschlagen, ohne jedoch am Abschluß der Wettverträge selbst irgendwie mitwirken zu können; er mußte vor allem die Wetteinnehmer termingerecht mit dem notwendigen Geschäftsmaterial versorgen und als Verbindungsmann zwischen den Annahmestellen und der Zentralverwaltung für den reibungslosen technischen Ablauf des Wettgeschäfts sorgen. Insofern verrichtete er die Aufgaben eines Gehilfen der Beigeladenen bei der Durchführung ihres an gesetzliche Pflichten gebundenen Geschäftes. Die aus den Bestimmungen der angeführten Geschäftsordnung ersichtliche Weisungsgebundenheit des Klägers läßt unschwer erkennen, daß er in den Verwaltungsbereich der Beigeladenen in einem Maße eingespannt war, welches die organisatorische Trennung seiner Tätigkeit von dem Aufgabenkreis der Beigeladenen nicht zuläßt. Hierauf weist nicht nur die Tatsache hin, daß der Kläger nach der Feststellung des LSG unter der Firma der Beigeladenen auftrat, sondern auch daß seine Tätigkeit, wie das LSG mit Recht dargelegt hat, einer "Verwaltungsarbeit" gleicht und seine Stellung der eines Angestellten im öffentlichen Dienst ähnelt. Bei diesem Sachverhalt vermag es nicht zu überzeugen, daß das LSG die persönliche Abhängigkeit des Klägers mit der Begründung verneint, er stehe angesichts seiner "großen und verantwortungsvollen" Aufgabe als Bezirksstellenleiter sowie der ihm eingeräumten Vertrauensstellung der Beigeladenen als Unternehmer gegenüber, weil er keine ganz persönliche Leistung habe erbringen müssen, sondern sich und seinen ganzen Betrieb für die ihm vertraglich obliegenden Aufgaben zur Verfügung gestellt habe. Diese Begründung ist nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls nicht geeignet, die für die Bejahung der persönlichen Abhängigkeit des Klägers sprechenden Merkmale seiner Tätigkeit, besonders die in der Geschäftsordnung für Bezirksstellenleiter verankerte umfassende Weisungsunterworfenheit, in ihrer das Bild der Gesamttätigkeit prägenden Bedeutung abzuschwächen. Bei Aufgaben, die wie im vorliegenden Streitfall ein Unternehmen bis ins einzelne unter Kontrolle halten will, kann kein Raum für selbständiges Handeln in nennenswertem Umfang bleiben. Die vertragliche Einengung der Handlungsfreiheit des Klägers macht es erkennbar, daß der Wille der zentralen Verwaltung der Beigeladenen gerade in den vom Kläger zu erledigenden Angelegenheiten des Wettunternehmens ohne organisatorische Behinderung durchgesetzt werden soll und daß hierfür die Weisungsgebundenheit des Beauftragten als ein taugliches Mittel erscheint. Es ist einleuchtend, daß in einem Unternehmen der vorliegenden Art nicht auf eine Organisation verzichtet werden kann, deren Funktionieren durch allgemeine Anordnungen an alle Arbeitenden, insbesondere auch an die Außenglieder, gesichert ist. Solche Anordnungen galten für den Kläger in seinem Tätigkeitsbereich. Die weitgehende Unterordnung unter die Herrschaft der Beigeladenen, die, wie oben dargelegt ist, nicht zuletzt in der totalen Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft zum Ausdruck kommt, verliert entgegen den Ausführungen des angefochtenen Urteils auch nicht durch den Hinweis darauf an Gewicht, daß sich der weisungsgebundene Arbeitsablauf des Klägers zwangsläufig aus der Art seiner Tätigkeit als Bezirksstellenleiter ergeben habe. Die Bezugnahme des LSG auf die Entscheidung des 3. Senats des Bundessozialgerichts vom 27. September 1961 hierzu (SozR Nr. 27 zu RVO § 165 = Breith. 1962, 675) geht schon deshalb fehl, weil sich bei der Verschiedenheit der Tatbestände nicht gleiche Rechtsfolgen für beide Fälle ergeben können. Der Umstand, daß der Kläger der Beigeladenen, wie das LSG in Übereinstimmung mit ihr besonders hervorhebt, den Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft und einen entsprechenden Arbeitserfolg geschuldet habe, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, da auch von einem Angestellten ein Arbeitserfolg verlangt wird.
Das Bild von der Tätigkeit des Klägers rundet sich zwanglos durch den Hinweis des LSG ab, daß der Kläger bei der Erfüllung seiner Aufgaben für die Beigeladene so stark in Anspruch genommen war, daß er sich einer anderweiten Erwerbstätigkeit nicht hätte widmen können und daß es ihm nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils praktisch versagt war, den Umfang seiner Tätigkeit zu erweitern und seine Verdienstmöglichkeiten als Bezirksstellenleiter durch eigene Initiative zu steigern. Er konnte sich beruflich nur in dem Maße entfalten, wie ihn die Beigeladene "beschäftigte".
Hiernach gehörte der Kläger, der unzweifelhaft auch wirtschaftlich von der Beigeladenen abhängig war, als ihr Bezirksstellenleiter zu den auf Grund des § 537 Nr. 1 RVO aF beschäftigten und damit gegen Arbeitsunfall versicherten Personen.
Der steuerrechtlichen Behandlung der Bezirksstellenleiter, die seit dem 1. Januar 1956 von den zuständigen Finanzbehörden als selbständige Gewerbetreibende angesehen werden und daher nicht mehr wie vordem von der Gewerbesteuerpflicht befreit sind, kommt, wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, für die Beurteilung der Versicherungspflicht keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. SozR Nr. 8 zu RVO § 537 aF), Hiervon abgesehen, sind überdies in der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 15. Juni 1960 (BStBl III, 349) die Bezirksstellenleiter des "Nordwest-Lottos", die im wesentlichen unter den gleichen Bedingungen tätig sind wie die Bezirksstellenleiter der Beigeladenen, als "nichtselbständig" angesehen worden.
Nach alledem hat das LSG die Beklagte zu Recht zur Entschädigungsleistung an den Kläger für die Folgen des als Arbeitsunfall zu wertenden Ereignisses vom 12. Februar 1956 verurteilt. Es hat erkennbar ein Grundurteil nach § 130 SGG erlassen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist es wahrscheinlich, daß der geltend gemachte Leistungsanspruch in einer Mindesthöhe besteht (vgl. SozR Nr. 3 und 4 zu SGG § 130).
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen