Leitsatz (amtlich)

1. RVO § 606 S 1 ist - iVm UVNG Art 4 § 2 - auch anzuwenden, wenn der Verletzte vor dem Inkrafttreten des UVNG als Abfindung den 3fachen Betrag seiner Jahresrente erhalten hat (RVO § 616 Abs 1 aF) und nach dem Inkrafttreten des UVNG durch Folgen eines anderen Arbeitsunfalls Schwerverletzter wird.

2. Dem Wiederaufleben des Anspruchs auf die Rente von einem Zehntel der Vollrente steht nicht entgegen, daß der Verletzte nicht - wie nach RVO § 604 - mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag abgefunden worden ist (Weiterentwicklung von BSG 1973-11-29 8/7 RU 62/71 = BSGE 36, 271).

 

Normenkette

RVO § 604 Fassung: 1963-04-30, § 606 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 616 Abs. 1 Fassung: 1925-07-14; UVNG Art. 4 § 2 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 1974 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger bezog wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 12. Dezember 1952 von der Beklagten eine Verletztenrente von zuletzt 10 vH der Vollrente. Durch Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1959 wurde er nach § 616 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF vom 14. Juli 1925 (RVO aF) mit dem dreifachen Betrag seiner Jahresrente abgefunden. Am 7. März 1967 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, für dessen Folgen er vom Unfalltag an die Vollrente erhielt und seit März 1970 eine Teilrente von 50 vH der Vollrente bezieht. Im August 1970 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Wiedergewährung der Rente wegen der Folgen des 1952 erlittenen Arbeitsunfalls. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 14. Dezember 1970 mit der Begründung ab, nach § 606 RVO lebe nur der Anspruch auf eine Verletztenrente wieder auf, die entsprechend der Vorschrift des § 604 RVO mit dem Kapitalwert der Rente abgefunden worden sei (§ 616 Abs. 2 RVO aF); die Abfindung nach § 616 Abs. 1 RVO aF, die der Kläger erhalten habe, sei keine Kapitalabfindung iS des § 604 RVO.

Durch Urteil vom 8. August 1972 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte dem Antrag des Klägers entsprechend verurteilt, die 1959 abgefundene Verletztenrente von 10 vH der Vollrente gem. § 606 RVO wieder zu gewähren. Es ist der Auffassung, § 606 RVO sei auch auf die nach § 616 Abs. 1 RVO aF abgefundenen Renten anzuwenden. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 29. Januar 1974 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Da der Kläger durch die Folgen des Unfalls vom 7. März 1967 um zunächst 100 vH und von März 1970 an um 50 vH in seiner Erwerbstätigkeit gemindert und somit Schwerverletzter i. S. des § 583 Abs. 1 RVO sei, stehe ihm nach § 606 RVO die angefundene Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 12. Dezember 1952 wieder zu. Unzutreffend sei die Auffassung der Beklagten, § 606 RVO sei auf Abfindungen vor dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) nur anzuwenden, soweit es sich - entsprechend § 604 RVO - um Abfindungen mit dem Kapitalwert der Rente (§ 616 Abs. 2 RVO aF) handele. Für die hier gegebene zweite Alternative des § 606 RVO - Wiederaufleben durch Erlangung der Schwerverletzteneigenschaft infolge eines anderen Unfalls - fehle es an einer unmittelbaren Bezugnahme auf § 604 RVO. Der Wortlaut des § 606 RVO stehe deshalb einer Anwendung auf Abfindungen nach § 616 Abs. 1 RVO aF nicht entgegen. Auch Sinn und Zweck der Neuregelung des Abfindungsrechts durch das UVNG rechtfertigten nicht eine Schlechterstellung der nach § 616 Abs. 1 RVO aF abgefundenen Verletzten gegenüber denjenigen, die nach § 616 Abs. 2 RVO aF eine Abfindung nach dem Kapitalwert der Rente erhalten hätten. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Sie rügt, das LSG hätte von seinem Rechtsstandpunkt aus prüfen und feststellen müssen, ob die Minderung der Erwerbsunfähigkeit (MdE) wegen der Folgen des Unfalls von 1952 noch 10 vH betrage. In der Sache vertritt die Beklagte weiterhin die Auffassung, § 606 RVO sei wegen der Verweisung auf Abfindungen nach § 604 RVO restriktiv auszulegen und deshalb auf Abfindungen nach § 616 Abs. 1 RVO aF nicht anwendbar.

Sie beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend und meint, das LSG habe keine Veranlassung gehabt, den Grad der MdE zu prüfen, da die Beklagte ua in ihrem Berufungsschriftsatz den Tatbestand als unstreitig bezeichnet habe. Nach der Art der Unfallfolgen sei darüber hinaus eine Ausheilung nicht möglich und mit einer wesentlichen Besserung nicht zu rechnen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Revision der Beklagten hat insofern Erfolg, als die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist.

Der Kläger, der im Jahre 1959 nach § 616 Abs. 1 RVO aF für eine Verletztenrente von einem Zehntel der Vollrente wegen der Folgen des 1952 erlittenen Unfalls eine Abfindung erhalten hat, ist durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 7. März 1967 (MdE zunächst 100 vH, von März 1970 an 50 vH) Schwerverletzter geworden (§ 583 Abs. 1 RVO). Die Erlangung der Schwerverletzteneigenschaft durch einen anderen Arbeitsunfall hatte nach altem Recht - vor Inkrafttreten des UVNG vom 30. April 1963 (BGBl I 241) - keinen Einfluß auf die nach § 616 Abs. 1 (oder Abs. 2) RVO aF abgefundenen Renten, sie führte nicht zum Wiederaufleben des Rentenanspruchs. Der Anspruch auf Rente war vielmehr nach § 616 Abs. 3 RVO aF trotz der Abfindung nur begründet, solange die Folgen des Unfalls, für den die Abfindung gewährt worden war, nachträglich eine wesentliche Verschlimmerung für länger als einen Monat um mehr als 10 vH (Satz 3) verursachten. Nach § 605 RVO idF des UVNG reicht bereits eine Verschlimmerung der Unfallfolgen um 10 vH aus, sie führt jedoch nicht zur Wiedergewährung der abgefundenen Rente, sondern lediglich zu einem Anspruch auf Rente in Höhe der Verschlimmerung. Da sich die Folgen des Unfalls von 1952, für den der Kläger abgefunden worden ist, nicht verschlimmert haben, hängt der geltend gemachte Anspruch auf Wiedergewährung dieser Rente davon ab, ob § 606 Satz 1 RVO idF des UVNG hier anzuwenden ist. Das LSG hat dies zu Recht bejaht.

Nach § 606 Satz 1 RVO lebt auf Antrag der Anspruch auf Verletztenrente in vollem Umfang wieder auf, wenn der Verletzte durch eine Verschlimmerung der Unfallfolgen, für die er nach § 604 RVO abgefunden worden ist. oder durch Folgen eines anderen Unfalls Schwerverletzter wird. Die Vorschriften der §§ 604 bis 618 RVO gelten nach Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG auch für Arbeitsunfälle, die vor dem Inkrafttreten des UVNG (1. Juli 1963, s. Art. 4 § 16 Abs. 1 dieses Gesetzes) eingetreten sind. Hier hat sich nicht nur der Arbeitsunfall vor dem 1. Juli 1963 ereignet, auch die Abfindung ist vor diesem Zeitpunkt gewährt worden. Gleichwohl ist § 606 Satz 1 RVO idF des UVNG auf Fälle der vorliegenden Art grundsätzlich anzuwenden (vgl. BSG 36, 271; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl., S. 594 f; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 10 zu § 606, allerdings mit Einschränkungen; Krasney in BG 1965, 407, 411; s. auch BSG SozR Nr. 1 zu § 605). Die Regelung des Art. 4 § 1 UVNG, nach der dieses Gesetz nur für Arbeitsunfälle gilt, die sich nach seinem Inkrafttreten ereignen, entspricht dem allgemein geltenden Rechtsgrundsatz, daß Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, von der Rechtsänderung nicht erfaßt werden, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt (BSG 23, 139, 140; 24, 88, 89; 25, 249, 250). In Ergänzung zu § 1 hat der Gesetzgeber seinem sachgemäßen Ermessen entsprechend in § 2 des Art. 4 UVNG bestimmt, daß die dort aufgeführten zahlreichen Vorschriften auch für Arbeitsunfälle gelten, die vor dem Inkrafttreten des UVNG eingetreten sind. Nach der Rechtsprechung des BSG (aaO; vgl. ferner BSG 36, 107; 36, 271 und SozR Nr. 1 zu § 605 RVO) handelt es sich bei Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG um eine Überleitungsvorschrift, deren Anwendung voraussetzt, daß der vor dem 1. Juli 1963 eingetretene Arbeitsunfall in das neue Recht hineinwirkt. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 30. Juni 1965 (BSG 23, 139 ff) ausgesprochen, daß sich der Umfang der Rückwirkung angesichts der unterschiedlichen Zweckbestimmung und Bedeutung der in Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG zusammengefaßten Vorschriften bei ihrer Anwendung auf alte Arbeitsunfälle unterschiedlich auswirkt. Als Beispiele für das Hineinwirken des früheren Arbeitsunfalls sind insbesondere die Fälle der beim Inkrafttreten des UVNG laufenden, durch dieses verbesserten Leistungen, für die Verneinung dieser Voraussetzungen hingegen diejenigen Fälle angeführt worden, in denen ein nach neuem Recht anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal - abgesehen vom Unfallereignis - bereits vor dem 1. Juli 1963 abgeschlossen vorlag, ohne nach damaligem Recht einen Leistungsanspruch zu erzeugen. Dem Kläger wurde zwar eine Rente aus dem Arbeitsunfall von 1952 im Zeitpunkt des Inkrafttreten des UVNG nicht gezahlt, das Ereignis jedoch, das die Wiedergewährung dieser Rente nach dem UVNG begründet - die Erlangung der Schwerverletzteneigenschaft durch Folgen eines anderen Arbeitsunfalls -, ist erst nach dem 30. Juni 1963 eingetreten. Der alte Arbeitsunfall wirkt auch trotz Abfindung der Rente noch in den zeitlichen Geltungsbereich des UVNG hinein, weil er schon nach dem damaligen Recht (§ 616 Abs. 3 RVO aF) - bei einer Verschlimmerung der durch ihn verursachten Gesundheitsschäden - die Grundlage für das Wiederaufleben des Rentenanspruchs bildete. Insofern ist der Arbeitsunfall von 1952 - trotz der grundsätzlich endgültigen Abfindung - beim Inkrafttreten des UVNG als Tatbestandsmerkmal für einen neuen Leistungsanspruch noch rechtserheblich gewesen.

Auch die Revision geht in Übereinstimmung mit dem Kläger und den Vorinstanzen hiernach zutreffend davon aus, daß der Eintritt des Arbeitsunfalls und die Gewährung der Abfindung vor dem 1. Juli 1963 nicht der Anwendung des § 606 RVO entgegenstehen. Der 8. Senat des BSG hält § 606 Satz 1 RVO sogar für anwendbar, wenn die Verschlimmerung der Unfallfolgen bereits vor dem Inkrafttreten des UVNG eingetreten ist (BSG 36, 271). Allerdings betrifft diese Entscheidung einen Fall, in dem der Verletzte vor dem 1. Juli 1963 dadurch Schwerverletzter geworden war, daß ihm wegen eines anderen Arbeitsunfalls eine Rente nach einer MdE um 20vH gewährt wurde und sich die Rente aus dem früheren - anders als hier nach Abs. 2 des § 616 RVO aF abgefundenen - Arbeitsunfalls von 25 vH auf 30 vH der Vollrente erhöht hatte; nur durch das Zusammentreffen der Verschlimmerung des abgefundenen und des Eintritts eines weiteren Arbeitsunfalls wurde der Verletzte Schwerverletzter. Jedenfalls aber ist aus dieser Entscheidung abzuleiten, daß auch nach der Auffassung des 8. Senats die Anwendung des § 606 Satz 1 RVO nicht ausgeschlossen ist, wenn bereits vor dem 1. Juli 1963 der Arbeitsunfall eingetreten und die Abfindung gewährt worden ist.

Auch dem Umstand, daß die Erlangung der Schwerverletzteneigenschaft durch einen anderen als den Arbeitsunfall, für dessen Folgen der Verletzte abgefunden worden ist; erst nach neuem Recht - abweichend von der früheren Regelung - zum Wiederaufleben des Rentenanspruchs wegen der Folgen des abgefundenen Unfalls führt, hat die Revision mit Recht keine rechtserhebliche Bedeutung für die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 606 RVO auf den vorliegenden Fall beigemessen. Die neu eingeführte Anspruchsvoraussetzung ist in § 606 RVO vielmehr der - schon nach § 616 Abs. 3 RVO aF rechtserheblichen - Verschlimmerung der Folgen des abgefundenen Arbeitsunfalls rechtlich gleichgestellt. Es macht deshalb für die Anwendung des § 606 RVO keinen Unterschied, ob die Schwerverletzteneigenschaft nach dem 1. Juli 1963 durch Verschlimmerung der Folgen des abgefundenen Unfalls oder durch die Folgen eines anderen Arbeitsunfalls herbeigeführt worden ist. Es entspricht auch der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG, die Verletzten, bei denen nach dem 30. Juni 1963 die besonderen Voraussetzungen für die einzelnen Leistungsarten erfüllt werden, nicht von den durch das UVNG begründeten Ansprüchen auszuschließen (vgl. Begründung zu Art. 3 §§ 1, 2 des Entwurfs des UVNG = Art. 4 §§ 1, 2 UVNG - BT-Drucks. IV/120 S. 78, 79; BSG 23, 139, 143). Der 5. Senat des BSG hat zwar in einem Urteil vom 31. Juli 1973 (BSG 36, 107) angenommen, für eine nach dem Inkrafttreten des UVNG eingetretene Verschlimmerung der Unfallfolgen einer nach § 618 a RVO aF iVm der 2. UV-AbfindungsVO vom 10. Februar 1928 abgefundenen Rente gelte noch § 3 Satz 4 der 2. AbfindungsVO, weil sich das neue Abfindungsrecht bei den größeren Renten (§§ 607 ff) "tiefgreifend" von der alten Regelung unterscheide. Das neue Abfindungsrecht unterscheidet sich allerdings auch bei den kleinen Renten von dem früheren Recht, ua insofern, als die Begründung der Schwerverletzteneigenschaft durch die Folgen eines anderen Arbeitsunfalls nach früherem Recht nicht zum Wiederaufleben des Rentenanspruchs aus dem abgefundenen Unfall führte. Zutreffend hat aber auch der 5. Senat (aaO) ausgeführt, daß anders als bei der Abfindung größerer Renten durch die Neuregelung des Abfindungsrechts für kleinere Renten keine grundsätzlichen Änderungen gegenüber dem früheren Recht eingeführt worden sind.

Unzutreffend ist die Auffassung der Beklagten, § 606 RVO sei auf die nach § 616 Abs. 1 RVO aF abgefundenen Folgen eines vor dem 1. Juli 1963 eingetretenen Arbeitsunfalls nicht anzuwenden, weil § 606 - nach seinem Wortlaut - nur das Wiederaufleben der "nach § 604", also mit dem Kapitalwert, abgefundenen Renten regele. § 606 enthält zwei Alternativen für das Wiederaufleben des Anspruchs auf eine angefundene Rente: die Begründung der Schwerverletzteneigenschaft entweder durch eine Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalls, für den der Verletzte nach § 604 abgefunden worden ist, oder durch die Folgen eines anderen Arbeitsunfalls. Es kann dahingestellt bleiben, ob (wie das LSG meint) der Auffassung der Beklagten schon entgegensteht, daß es in § 606 für die zweite Alternative an einer Bezugnahme auf § 604 fehlt. Die in Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG vorgesehene Anwendung dieser Vorschrift auch auf Arbeitsunfälle, die sich vor dem 1. Juli 1963 ereignet haben und deren Folgen vor diesem Zeitpunkt abgefunden worden sind, schließt es jedenfalls aus, daß nur solche Abfindungen erfaßt werden sollten, die "nach § 604" in der erst am 1. Juli 1963 in Kraft getretenen Fassung vorgenommen worden sind. Die Auffassung, daß nur die "entsprechend" § 604 abgefundenen Renten unter den Voraussetzungen des § 606 wiederaufleben können, erscheint insofern zutreffend, als nur die Abfindung kleinerer Renten (§ 604: Dauerrenten wegen einer MdE um weniger als 30 vH) erfaßt werden soll. Dies trifft aber sowohl auf Abs. 2 wie auch auf Abs. 1 des § 616 RVO aF zu (nicht mehr als ein Viertel der Vollrente - Abs. 2 - nicht mehr als 10 vH - Abs. 1 -). Insoweit, als § 604 eine Abfindung nach dem Kapitalwert vorsieht, kann jedoch aus der Bezugnahme in § 606 auf diese Vorschrift nicht gefolgert werden, die Übergangsvorschrift des Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG könne nicht auf Fälle angewendet werden, in denen - wie hier - eine kleine Rente statt nach dem Kapitalwert mit dem dreifachen Betrag der Jahresrente abgefunden worden ist ( so aber Lauterbach aaO Anm. 10 zu § 606). Zwar ist nach neuem Recht die Abfindung kleiner Renten (wie nach § 616 Abs. 1 RVO aF) mit dem dreifachen Jahresbetrag nicht mehr vorgesehen. Sowohl nach neuem Recht (§ 604) wie nach Abs. 1 und 2 des § 616 RVO aF handelt es sich aber gleichermaßen um grundsätzlich endgültige Abfindungen mit der Möglichkeit des Wiederauflebens, anders als nach den §§ 607, 613, 614 RVO, nach denen bei größeren Renten die Abfindung nur für einen bestimmten Zeitraum anstelle eines Teils der Rentenzahlung vorgesehen ist. Der Unterschied in der Berechnung des Abfindungsbetrages nach § 604 RVO und Abs. 2 des § 616 RVO aF einerseits und des Abs. 1 des § 616 RVO aF andererseits ist nicht so grundsätzlich, daß es gerechtfertigt wäre, § 606 RVO auf die mit dem nur geringen Betrag nach § 616 Abs. 1 RVO aF Abgefundenen nicht anzuwenden. Sinn und Zweck des Art. 4 § 2 Abs. 1 UVNG erfordern es vielmehr, daß auch die Renten derjenigen Versicherten wiederaufleben, die Schwerverletzte geworden sind, wenn ihnen eine Abfindung nach § 616 Abs. 1 RVO aF für eine Rente von 10 vH der Vollrente - nur - mit dem Betrag der dreifachen Jahresrente gewährt worden ist.

Zur Zurückweisung der Revision reichen allerdings die Feststellungen des LSG nicht aus. Die Beklagte hat zutreffend geltend gemacht, daß im angefochtenen Urteil keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen worden sind, ob der Kläger durch Folgen des Arbeitsunfalls von 1952 in seiner Erwerbsfähigkeit noch um 10 vH gemindert ist. Das aber ist eine Voraussetzung für das Wiederaufleben des Anspruchs auf die Rente (§ 581 Abs. 3 RVO). Der erkennende Senat kann insoweit keine eigenen Feststellungen treffen, zumal da im angefochtenen Urteil auch die Art der Verletzungsfolgen nicht aufgeführt ist, aus denen sich möglicherweise zweifelsfrei eine dadurch bedingte MdE von - mindestens - 10 vH erkennen ließe. Deshalb mußte die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Bei der neuen Entscheidung wird das LSG für den Beginn der Rentengewährung zu beachten haben, daß der Kläger die besonderen Voraussetzungen für das Wiederaufleben des Anspruchs nach § 606 RVO - die Begründung der Schwerverletzteneigenschaft - nicht vor dem Eintritt des Arbeitsunfalls vom 7. März 1967 erfüllt hat.

Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorenthalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652231

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