Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 16.03.1971; Aktenzeichen L 3 An 1007/69)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. März 1971 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob beim Aufschub der Nachentrichtung von Beiträgen wegen Übertritts in eine andere, ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung (§ 18 Abs. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG – aF) die Nachversicherung für die Zeit der ersten versicherungsfreien Beschäftigung durchzuführen ist, wenn eine Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nur auf Grund der zuletzt ausgeübten, nicht aber aus der vorangegangenen versicherungsfreien Beschäftigung gewährt wird.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Nachversicherung ihres am 5. Juni 1940 gefallenen Ehemannes für die Zeit vom 1. April 1929 bis 14. Juli 1934 in der Angestelltenversicherung (AV). Ihr Ehemann war bis zum 30. April 1920 Berufsoffizier. Danach war er bis März 1929 mit Unterbrechungen als Angestellter versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 war er Dienstordnungsangestellter bei der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft und in der AV versicherungsfrei. Er trat am 15. Juli 1934 als Berufsoffizier in die damalige Reichswehr ein und wurde später in die Deutsche Wehrmacht überführt. Nach seinem Tod erhielten die Klägerin und seine Kinder Hinterbliebenenversorgung.

Im August 1955 ist die Klägerin in die Bundesrepublik zugezogen. Seit dem 1. September 1955 erhält sie auf Grund des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen, (G 131) Hinterbliebenenversorgung. Bei der Berechnung ihres Witwengeldes nach dem G 131 war die Zeit vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 zunächst nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt worden.

Die Klägerin, die von der Beklagten aus den zur AV entrichteten Beiträgen vom 1. September 1955 an Witwenrente erhält, beantragte deshalb, ihren Ehemann für die Zeit vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 nachzuversichern. Die Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 10. März 1964 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1964 mit der Begründung ab, da aus der letzten versicherungsfreien Beschäftigung lebenslängliche Versorgung gewährt werde, sei die Nachversicherung für die am 14. Juli 1934 beendete Beschäftigung nicht möglich.

Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat durch Urteil vom 20. Dezember 1967 die Beklagte verurteilt, die Nachversicherung vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 durchzuführen. Es hat die Auffassung vertreten, zwar sei der Ehemann der Klägerin bei seinem unversorgten Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung bei der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft am 14. Juli 1934 zunächst nicht nachzuversichern gewesen; durch seinen Übertritt in eine ebenfalls versicherungsfreie Tätigkeit als Berufsoffizier sei die Nachversicherung vielmehr vorerst aufgeschoben gewesen (§ 18 Abs. 1 und Abs. 6) AVG idF des Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung, des Angestelltenversicherungsgesetzes und des Reichsknappschaftsgesetzes vom 29. März 1928 – RGBl I 117 (Änderungsgesetz vom 29. März 1928). Der Anspruch auf Nachentrichtung der Beiträge habe indes nach § 18 Abs. 6 Satz 3 AVG idF des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928 (AVG aF) unter der auflösenden Bedingung der Gewährung von Ruhegeld oder Hinterbliebenenrente (§ 11 AVG aF) aus der zweiten oder einer sich anschließenden weiteren versicherungsfreien Beschäftigung gestanden. Dabei habe aber nicht jeder Bezug von Ruhegehalt oder Hinterbliebenenversorgung den Nachversicherungsanspruch zum Erlöschen gebracht. Die Nachversicherung sei nur entfallen, wenn die Versorgung gerade auch aus der für die Nachversicherung in Rede stehenden Zeit gewährt werde. Die Nachversicherung bezwecke, den versicherungsfrei Beschäftigten nicht schlechter zu stellen als den versicherungspflichtig Beschäftigten. Dieses Ziel würde nur unvollständig erreicht, wenn im Falle des Aufschubs der Nachversicherung jeder Anspruch auf Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung aus der letzten versicherungsfreien Beschäftigung die Nachversicherung endgültig ausschlösse. Deshalb sei der Nachversicherungsanspruch bestehen geblieben, als nach dem Tod des Versicherten seine Hinterbliebenen seit 1940 Hinterbliebenenversorgung nur auf Grund der letzten versicherungsfreien Tätigkeit bezogen hätten. Ebenso sei während der Geltung des § 1242 a Abs. 5 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 – RGBl I 41 – (1. VereinfVO vom 17. März 1945), der gemäß Art. 6 dieser VO auf Grund der Neufassung des § 1 AVG auch in der Angestelltenversicherung gegolten habe, die Nachversicherung nur dann entfallen, wenn die Versorgung gerade auch aus der für die Nachversicherung in Rede stehenden Zeit gewährt worden sei.

Dieser Anspruch habe bis zum Inkrafttreten der Sozialversicherungsanordnung Nr. 14 (SVA Nr. 14) vom 19. Juli 1947 – Arbeitsblatt für die Britische Zone 1947, 240 – bestanden. Nach Nr. 2 Buchst. c der SVA Nr. 14 sei dann allerdings der Nachversicherungsanspruch ausgeschlossen gewesen, weil der Versicherte aus seiner versicherungsfreien Beschäftigung bei der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft freiwillig ausgeschieden sei. Diese Vorschrift habe aber in der ehemaligen Britischen Besatzungszone nur bis zum 28. Februar 1957 gegolten. Der hier vorliegende Sachverhalt werde somit jetzt von Art. 2 § 4 Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) erfaßt, so daß der Ehemann der Klägerin nach dieser Vorschrift nachzuversichern sei, § 125 Abs. 2 AVG stehe dem Nachversicherungsanspruch ebensowenig entgegen wie der frühere § 1242 a Abs. 5 Satz 3 RVO aF. Die für das alte Recht dargelegten Gedankengänge hätten erst recht für den heutigen Rechtszustand zu gelten.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Während des Berufungsverfahrens wurde auf Grund einer Änderung des § 53 Abs. 1 G 131 nach dem Bescheid des Regierungspräsidiums Nordwürttemberg vom 30. Januar 1969 für die Berechnung des Witwengeldes der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1967 auch die Zeit vom 1. Mai 1920 bis zum 14. Juli 1934 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu 2/3 berücksichtigt und das Witwengeld vom 1. Januar 1967 an neu mit 1.003,68 DM monatlich festgesetzt.

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat durch Urteil vom 16. März 1971 unter Zulassung der Revision das Urteil des SG Stuttgart aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der Nachversicherung – So hat das LSG ausgeführt – seien den rechtlichen Bestimmungen zu entnehmen, die beim Eintritt des Nachversicherungsfalles gegolten hätten. Hiernach sei die Nachversicherung für die Zeit von 1929 bis 1934 allein nach § 18 AVG in der im Jahre 1934 geltenden Fassung i.V.m. der VO über die Nachentrichtung von Beiträgen für beitragsfreie Personen vom 4. Oktober 1930 (RGBl I 459) idF der VO vom 5. Februar 1932 (RGBl I 64) – VO vom 4. Oktober 1930/5. Februar 1932 – zu beurteilen. Da der Ehemann der Klägerin am 14. Juli 1934 aus seiner nach § 11 Abs. 1 AVG aF versicherungsfreien Beschäftigung als Dienstordnungsangestellter bei der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft in eine wiederum versicherungsfreie Tätigkeit übergewechselt sei, sei die Nachversicherung nach § 18 Abs. 6 AVG aF aufgeschoben gewesen und dann mit der Gewährung einer lebenslänglichen Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen endgültig entfallen.

Gegen das Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie rügt, das angefochtene Urteil beruhe nicht nur auf der Nichtanwendung des § 9 AVG i.V.m. Art. 2 § 4 Abs. 2 AnVNG, sondern auch auf der unrichtigen Anwendung des § 18 AVG aF. Sie macht sich die vom SG vertretene Rechtsauffassung zu eigen und führt ergänzend aus, die begehrte Nachversicherung sei auch nach § 2 der VO über die Durchführung der Nachversicherung in Härtefällen (Nachversicherungs-Härteverordnung –NHV–) vom 28. Juli 1959 (BGBl I 550) begründet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 20. Dezember 1967 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Der Klägerin steht – wie das LSG zutreffend entschieden hat – kein Anspruch auf Nachversicherung ihres Ehemannes für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 zu. Für die Berechnung des Witwengeldes der Klägerin, das sie auf Grund des Gesetzes zu Art. 131 GG bezieht, ist zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1967 an auch die Zeit vom 1. Mai 1920 bis zum 14. Juli 1934 wieder als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu 2/3 berücksichtigt. Aus diesem Grunde kann aber nicht – wie die Beklagte meint – die hier streitige Rechtsfrage unentschieden bleiben, ob der Ehemann der Klägerin für die Zeit vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 deshalb in der AV nachzuversichern ist, weil die Klägerin auf Grund dieser versicherungsfreien Beschäftigung ihres Ehemannes keine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erhält oder weil diese Zeit bei ihrem ersten und dem späteren Witwengeld nach dem G 131 nicht voll und zeitweilig sogar überhaupt nicht berücksichtigt worden ist. Einmal ist diese Zeit nur zu 2/3 angerechnet worden, zum anderen nur für das Witwengeld vom 1. Januar 1967 und nicht bereits vom 1. September 1955 an. Schließlich erhält die Klägerin Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nur aus der versicherungsfreien Tätigkeit ihres Ehemannes als Berufsoffizier, nicht aber aus seiner versicherungsfreien Beschäftigung als Dienstordnungsangestellter, worin sie ebenfalls den Grund für die begehrte Nachversicherung sieht. Die Anrechnung der Zeit vom 1. Mai 1920 bis zum 14. Juli 1934 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit ist ausserdem ohne Rücksicht darauf erfolgt, daß der Ehemann der Klägerin in der Zeit vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 versicherungsfrei beschäftigt gewesen ist.

Zu der Frage, nach welchem Recht der von der Klägerin erhobene Nachversicherungsanspruch zu beurteilen ist, hat das LSG die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Nachversicherung seien den rechtlichen Bestimmungen zu entnehmen, die beim Eintritt des Nachversicherungsfalls gegolten, hätten. Deshalb sei die Nachversicherung für die hier streitige Zeit von 1929 bis 1934 allein nach § 18 AVG aF, also in der im Jahre 1934 geltenden Fassung iVm der VO vom 4. Oktober 1930/5. Februar 1932 zu beurteilen. In dieser Allgemeinheit kann dem jedoch nicht beigepflichtet werden. Der Nachversicherungsfall tritt, wie der Senat zu dem geltenden Recht ausgesprochen hat, mit dem unversorgten Ausscheiden des Beschäftigten aus der versicherungsfreien Beschäftigung kraft Gesetzes ungeachtet dessen ein, ob die Beiträge sofort nachzuentrichten sind oder ob die Nachentrichtung der Beiträge aufgeschoben ist (BSG 32, 71, 72 und 76, 79). Dies gilt auch für das Nachversicherungsrecht vor dem Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze. Das Gesetz hat im Nachversicherungsrecht insbesondere in den Übergangsvorschriften wiederholt Fälle geregelt, in denen die Nachversicherung aus früheren Nachversicherungsfällen angeordnet worden ist, obgleich zur Zeit des Eintritts des Nachversicherungsfalles nach dem zu seiner Zeit geltenden Recht die Nachversicherung nicht durchzuführen war, wie auch Fälle, in denen nach dem Recht zur Zeit des Eintritts des Nachversicherungsfalles die Nachversicherung zu erfolgen, nach neuem Recht aber zu unterbleiben hat (vgl. Art. 5 des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928; Art. 25 der 1. VereinfVO vom 17. März 1945, Nr. 5 der SVA Nr. 14; Art. 2 § 4 Abs. 2 AnVNG). Vielmehr gilt im Nachversicherungsrecht der auch sonst für die Rechtsanwendung allgemein anerkannte Grundsatz, daß in der Regel, d. h. wenn das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet, das Recht anzuwenden ist, das in dem Zeitpunkt in Kraft war und gegolten hat, in dem der tatsächliche Sachverhalt eingetreten ist, aus dem Rechtsfolgen hergeleitet werden. Deshalb kommt es für den Nachversicherungsanspruch der Klägerin zunächst darauf an, welche Rechtsfolgen das Gesetz an das Ausscheiden ihres Ehemannes aus dessen erster versicherungsfreien Beschäftigung am 14. Juli 1934 und seinen Übertritt in eine ebenfalls versicherungsfreie Tätigkeit als Berufsoffizier am 5. Juli 1934 nach dem damals geltenden Recht geknüpft hat, sodann welche Rechtslage sein Ausscheiden aus der zweiten versicherungsfreien Tätigkeit infolge seines Todes am 5. Juni 1940 nach dem zu dieser Zeit geltenden Nachversicherungsrecht zur Folge hatte, und schließlich, ob das seit 1940 in Kraft getretene Recht den Nachversicherungsanspruch rechtfertigt.

Der Ehemann der Klägerin war am 14. Juli 1934 aus der versicherungsfreien Beschäftigung als Dienstordnungsangestellter der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft ausgeschieden, ohne daß Ruhegeld oder Hinterbliebenenrente oder eine gleichwertige Leistung auf Grund dieses Beschäftigungsverhältnisses gewährt wurde. Nach dem im Zeitpunkt dieses Ausscheidens geltenden § 18 Abs. 1 AVG aF waren für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung, während der er sonst versicherungspflichtig gewesen wäre, Beiträge nachzuentrichten. Da er aber am 15. Juli 1934 in eine andere ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung übergetreten ist, waren die Beiträge nach dem damals geltenden § 18 Abs. 6 Satz 1 und 3 AVG aF erst dann nachzuentrichten, wenn beim Ausscheiden aus der zweiten oder sich anschließenden weiteren versicherungsfreien Beschäftigung ebenfalls nicht Ruhegeld oder Hinterbliebenenrente (§ 11 AVG aF) oder eine gleichwertige Leistung gewährt wird. Der Nachversicherungsfall ist also am 14. Juli 1934 eingetreten. Da die Nachentrichtung der Beiträge aber aufgeschoben war, war – wie der Senat zu § 125 AVG (= § 1403 RVO) bereits entschieden hat – die Pflicht des Arbeitgebers zur Nachentrichtung der Beiträge in diesem Zeitpunkt noch nicht begründet, sie entstand erst, wenn beim Wegfall des Aufschubgrundes die Voraussetzungen zur Durchführung der Nachversicherung noch gegeben waren (BSG 32, 76, 83). Im Hinblick auf die hier in Betracht kommende, im wesentlichen übereinstimmende gesetzliche Regelung in § 125 Abs. 2 AVG nF und § 18 Abs. 6 Satz 3 AVG aF hat diese Rechtslage auch nach dem früheren Recht bestanden. Der Aufschub erfolgte dabei unabhängig davon, ob die vorangegangene versicherungsfreie Beschäftigung auf die Dienstzeit in der neuen versicherungsfreien Tätigkeit angerechnet wurde oder nicht (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 626 o VI).

Infolge seines Todes ist der Ehemann der Klägerin am 5. Juni 1940 aus der zweiten versicherungsfreien Beschäftigung, die den Aufschub der Nachentrichtung der Beiträge für die Zeit der ersten versicherungsfreien Beschäftigung begründet hatte, ausgeschieden. Zu diesem Zeitpunkt galt weiterhin § 18 Abs. 6 Satz 3 AVG aF. Die Beiträge für die Zeit der ersten versicherungsfreien Beschäftigung vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 wären daher nunmehr zu entrichten gewesen, wenn bei seinem Ausscheiden am 5. Juni 1940 Ruhegeld oder Hinterbliebenenrente oder eine gleichwertige Leistung auf Grund des letzten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses nicht gewährt worden wäre. Die Klägerin hat aber damals im Jahre 1940 nach dem Tod ihres Ehemannes auf Grund seiner letzten versicherungsfreien Beschäftigung Hinterbliebenenversorgung für sich und ihre Kinder erhalten. Damit war zwar der Aufschubgrund des § 18 Abs. 6 AVG aF weggefallen, die Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung waren aber nicht mehr gegeben, so daß die Nachversicherung auch nicht durchzuführen war und mithin eine Pflicht des Arbeitgebers, die Beiträge für die streitige Zeit nachzuentrichten, nicht entstanden war.

Zu Recht ist das LSG der vom SG und der Revision vertretenen Auffassung entgegengetreten, sowohl nach dem früheren als auch nach dem geltenden Recht sei die Nachversicherung für die Zeit einer vorangegangenen versicherungsfreien Beschäftigung dann durchzuführen, wenn Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nur auf Grund des zuletzt ausgeübten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses, nicht aber aus dem vorangegangenen gewährt wird. Zwar wird diese Rechtsauffassung auch im Schrifttum vertreten (Brackmann aaO, S. 626 m IV u.S. 626 q IV; offenbar auch Jantz/Zweng, Rentenversicherung, 2. Aufl., Anm. zu § 1232 RVO, S. 145). Sie findet jedoch in den gesetzlichen Vorschriften über die Nachversicherung keine hinreichende Grundlage. Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften über die Nachversicherung, ihrem Sinn und Zweck und der geschichtlichen Entwicklung des Nachversicherungsrechts ergibt sich im Gegenteil, daß die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit einer früheren versicherungsfreien Beschäftigung auch dann nicht zu erfolgen hat, wenn die Versorgung nur auf Grund der zuletzt ausgeübten, nicht aber aus der vorangegangenen versicherungsfreien Beschäftigung gewährt wird (so auch Hanow-Lehmann-Bogs, aaO Rdnr. 7 zu § 1232 RVO; Rdnr. 8 zu § 1403 RVO).

Der Ansicht des SG und der Revision kann nicht beigetreten werden, der Gesetzgeber habe mit der Nachversicherung den Zweck verfolgt, Zeiten der versicherungsfreien Beschäftigung stets dann in den gesetzlichen Rentenversicherungen zu berücksichtigen, wenn aus ihnen eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen nicht gewährt wird, weil eine genügende Mindestsicherung insbesondere gegen die Folgen des Alters nach dem Aufbau der gesetzlichen Rentenversicherung und der beamtenrechtlichen Versorgung nur bei einem voll mit anrechnungsfähigen Versicherungs- oder Versorgungszeiten belegten Arbeitsleben gewährleistet sei. Dieser Gesichtspunkt hat bei der gesetzlichen Einführung der Nachversicherung beim Ausscheiden aus einer versicherungsfreien Beschäftigung keine Rolle gespielt und ebenfalls nicht bei der Einführung des Aufschubs der Nachentrichtung von Beiträgen beim Übertritt in eine andere ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung. Auch bei der späteren gesetzlichen Fortentwicklung des Nachsicherungsrechts ist er nicht von Bedeutung gewesen. Die Nachversicherung dient vielmehr, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nur dem Zweck, beim Ausfall der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen für versicherungsfreie Beschäftigungszeiten die gesetzliche Rentenversicherung eintreten zu lassen, weil der Gesetzgeber sicherstellen wollte, daß die Berechtigten entweder einen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder aber eine Versichertenrente auf Grund der Nachversicherung erwerben.

Aus der Begründung zu der Verordnung über den Übertritt aus versicherungsfreier in versicherungsplichtige Beschäftigung und umgekehrt vom 13. Februar 1924 (RGBl I 62), mit der erstmals eine gesetzliche Regelung für den Fall getroffen, wurde, daß Personen ohne Versorgung aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden, mit der also das Rechtsinstitut der Nachversicherung geschaffen worden ist (vgl. Reichsarbeitsblatt 1924, 95), ergibt sich, daß der Gesetzgeber mit der Einführung der Nachversicherung den Umstand abhelfen wollte, daß die an sich versicherungspflichtigen Personen, die aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ohne Anspruch auf Versorgung ausscheiden, sowie ihre Hinterbliebenen regelmäßig jedes Schutzes beraubt wären. Durch die Einführung der Nachversicherung sollte erreicht werden, daß diejenigen, die in versicherungsfreier Beschäftigung gestanden haben, den Arbeitnehmern gleichgestellt werden, die einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen waren (vgl. hierzu Köhler, Das Nachversicherungsrecht 1953, 16). Nach dieser ersten gesetzlichen Regelung über die Nachversicherung waren allerdings beim unversorgten Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung die Beiträge selbst dann nachzuentrichten, wenn der Beschäftigte in eine andere ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung übertrat (vgl. hierzu RVA AN 1927, 27; Wankelmuth, Reichsarbeitsblatt 1928 IV S. 170, 173). Gerade dieser Rechtszustand ist aber als nicht befriedigend angesehen worden und hat zu der Vorschrift des § 18 AVG idF des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928 geführt, die in Absatz 6 erstmals vorsah, daß beim unversorgten Ausscheiden aus einer versicherungsfreien Beschäftigung und Übertritt in eine andere ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung die Beiträge erst dann nachzuentrichten waren, wenn beim Ausscheiden aus der zweiten oder der sich anschließenden weiteren versicherungsfreien Beschäftigung ebenfalls nicht Ruhegeld oder Hinterbliebenenrente (§ 11 AVG aF) gewährt wird. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber jedoch, wie auch in dem Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck kommt, gerade bezweckt, abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage die effektive Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann eingreifen zu lassen, wenn der Ausscheidende aus der letzten sich anschließenden versicherungsfreien Beschäftigung ohne jede Versorgung ausscheidet. Der Aufschub der Nachentrichtung von Beiträgen hat sodann in der VO vom 4. Oktober 1930/5 Februar 1932 seine ergänzende Ausgestaltung gefunden.

Für die gesetzliche Einführung dieses Aufschubs der Nachentrichtung der Beiträge beim Überwechseln von einer versicherungsfreien Beschäftigung zu einer anderen hat sieh der Gesetzgeber somit schon damals von dem Gesichtspunkt leiten lassen, daß bei einem solchen Übergang noch kein Bedürfnis besteht, schon in diesem Zeitpunkt die künftige Versicherung des Beschäftigten zu regeln, die Nachzahlung von Beiträgen durch den ersten Arbeitgeber vielmehr erst gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer auch bei dem zweiten Arbeitgeber oder dem folgenden keinen Anspruch auf Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung erwirbt, weil in der Kegel der spätere Arbeitgeber die bei dem früheren Arbeitgeber verbrachte Dienstzeit anzurechnen pflegt, so daß der Arbeitnehmer für die bei dem ersten Arbeitgeber verbrachte Dienstzeit bereits einen Ausgleich erhält; soweit eine solche Anrechnung nicht erfolgt, ist der Ausgleich in der Regel dadurch gegeben, daß der zweite Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die beim ersten Arbeitgeber verbrachte Dienstzeit eine höhere Stellung überträgt. Deshalb hat bereits das Änderungsgesetz vom 29. März 1928 im Falle des Übertritts in ein anderes ebenfalls versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis die effektive Durchführung der Nachversicherung davon abhängig gemacht, daß auch aus der zweiten oder sich anschließenden weiteren versicherungsfreien Beschäftigung ebenfalls nicht Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung oder eine gleichwertige Leistung gewährt wird (Wankelmuth aaO).

Allerdings entfiel nach § 1242a Abs. 1 und 5 RVO und § 18 Abs. 1 und 6 AVG idF des Änderungsgesetzes vom 29. März 1928 die Pflicht zur Nachversicherung dann, wenn das auf Grund der letzten versicherungsfreien Beschäftigung gewährte Ruhegeld oder die Hinterbliebenenrente den Vorschriften des § 1234 RVO aF oder des § 11 AVG aF entsprachen; für invalidenversicherungspflichtige Arbeitnehmer mußte das Ruhegeld oder die Hinterbliebenenrente also den Mindestbetrag der Rentenleistungen der Invalidenversicherung nach den Sätzen der ersten Lohnklasse und für angestelltenversicherungspflichtige Arbeitnehmer den Mindestbetrag der dem Diensteinkommen entsprechenden Leistung der Angestelltenversicherung erreichen. Insofern war das unterbleiben der Nachversicherung auch beim Ausscheiden aus der zweiten oder sich anschließenden weiteren versicherungsfreien Beschäftigung von der Gewährung einer Mindestversorgung abhängig gemacht (Wankelmuth aaO; Köhler, Das Nachversicherungsrecht 1953 S. 79). Die Versorgung mußte dem Beschäftigten also in einer Mindesthöhe gewährt werden, eine Voraussetzung, die das geltende Recht nicht mehr enthält (§§ 9, 125 AVG; §§ 1232, 1403 RVO; Brackmann aaO S. 626 m II; Brigmann-Binz, Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung 1968 S. 57). Jedoch sah auch das frühere Recht nur vor, daß die Nachversicherung für eine vorangegangene versicherungsfreie Beschäftigung durch Nachentrichtung der Beiträge für diese Zeit durchzuführen war, wenn die Versorgung auf Grund der letzten versicherungsfreien Beschäftigung nicht die Mindesthöhe des Ruhegeldes oder der Hinterbliebenenrente der Invalidenversicherung oder Angestelltenversicherung erreichte. Da in diesem Falle die Nachversicherung zu erfolgen hatte, und zwar für alle sich anschließenden versicherungsfreien Beschäftigungen, auch der letzten, zeigt dies besonders deutlich, daß es nur auf die Versorgung auf Grund des letzten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses ankam, nicht aber darauf, ob Versorgung aus dem vorangegangenen versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis gewährt wurde oder ob die Zeit einer vorangegangenen versicherungsfreien Beschäftigung bei der Höhe der beamtenrechtlichen Versorgung berücksichtigt war oder nicht. Nicht dagegen war beabsichtigt, denjenigen Personen, die aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden, durch die Nachversicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen eine Mindestleistung in einer Höhe zu verschaffen, bei der alle versicherungsfreien Beschäftigungszeiten entweder bei der beamtenrechtlichen Versorgung oder bei der Rente aus den Rentenversicherungen anrechnungsfähig berücksichtigt sind.

Diese gesetzliche Regelung trug auch dem Zweck der Nachversicherung Rechnung; denn entweder wurde dem aus der letzten sich anschließenden versicherungsfreien Beschäftigung Ausscheidenden oder seinen Hinterbliebenen auf Grund des letzten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses eine beamtenrechtliche Versorgung in der gesetzlichen Mindesthöhe gewährt, womit jede Nachversicherung ausgeschlossen war (RVA EuM 26, 144), oder es war mangels Gewährung einer solchen Versorgung die Nachversicherung durch zu führen. Damit war das erreicht, was mit der Nachversicherung allein beabsichtigt war, nämlich daß der versicherungsfrei Beschäftigte oder seine Hinterbliebenen nicht jeden Schutzes beraubt sein sollten.

Die Nachversicherung des Ehemannes der Klägerin für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung bei der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft vom 1. April 1929 bis zum 14. Juli 1934 ist demnach im Jahre 1940 dem damals geltenden Recht entsprechend zu Recht unterblieben.

Die seit 1940 in Kraft getretenen gesetzlichen Vorschriften über die Nachversicherung enthalten keine Bestimmung, nach der die Nachversicherung nachzuholen wäre. Insbesondere bieten entgegen der Auffassung des SG die Vorschriften des § 9 AVG iVm Art. 2 § 4 Abs. AnVNG keine Rechtsgrundlage für den Nachversicherungsanspruch der Klägerin und ebensowenig die Vorschriften der NHV, wie die Revision meint.

Zwar schrieben die 1. VereinfVO vom 17. März 1945 in Art. 25 Abs. 2 und die SVA Nr. 14 in Nr. 5 die Durchführung der Nachversicherung auch für Fälle vor, in denen die versicherungsfreie Beschäftigung vor ihrem Inkrafttreten beendet worden und die Nachentrichtung der Beiträge unterblieben war Diese Bestimmungen beziehen sich indessen nicht auf den hier gegebenen Fall; denn die Nachentrichtung der Beiträge ist nach dem früheren Recht nicht deshalb im Jahre 1934 unterblieben, weil der Ehemann der Klägerin aus seiner versicherungsfreien Beschäftigung bei der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft am 14. Juli 1934 freiwillig ausgeschieden war, sondern weil wegen seines Übertritts in eine andere ebenfalls versicherungsfreie Beschäftigung die Nachentrichtung der Beiträge aufgeschoben war; im Jahre 1940 waren die Beiträge nicht nachzuentrichten, weil auf Grund des letzten sich anschließenden versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährt worden ist. Die in Nr. 2 Buchst. c der SVA Nr. 14 für die Nachholung der Nachversicherung aufgestellten Voraussetzungen sind also nicht erfüllt. Ebenso fehlt es an den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen für die Durchführung der Nachversicherung nach Art. 2 § 4 Abs. 2 AnVNG. Nach dieser Vorschrift werden Nachversicherungen nachgeholt, die wegen besonderer Hinderungsgründe, nämlich wegen unehrenhaften oder ebenfalls wegen freiwilligen Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung, nach früherem Recht ausgeschlossen waren, die aber nach der gewandelten Auffassung des Gesetzgebers nachträglich noch ermöglicht werden sollten (BSG 11, 278, 284; BSG in SozR Nr. 1 zu Art. 2 § 3 ArVNG (= Art. 2 § 4 AnVNG)). Aus diesen Gründen war die Nachversicherung nach früherem Recht jedoch nicht unterblieben. Das am 1. März 1957 in Kraft getretene Nachversicherungsrecht schließt vielmehr in dem hier gegebenen Fall die Nachentrichtung der Beiträge in gleicher Weise aus wie das Recht, das vor seinem Inkrafttreten gegolten hat (§§ 9, 125 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 AVG; §§ 1232, 1403 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 RVO; Art. 3 § 7 Satz 2 AnVNG).

Eine Nachversicherung auf Grund der NHV vom 28. Juli 1959 bleibt schon deshalb außer Betracht, weil die Vorschriften dieser VO sich nur auf solche Fälle beziehen, in denen Beschäftigte vor dem 1. März 1957 aus der versicherungsfreien Beschäftigung ohne Versorgung ausgeschieden sind und ihre Nachversicherung nach § 141 Abs. 2 Satz 1 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (BGBl I 39) unterblieben war, was hier ebenfalls nicht zutrifft.

Die Revision der Klägerin ist aus diesen Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Unterschriften

Dr. Wannagat, Dr. Schubert, Schmidthals

 

Fundstellen

BSGE, 45

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