Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der beruflichen Rehabilitation. Werkstatt für Behinderte. Arbeitstrainingsbereich. Eignung des Behinderten. Stellungnahme des Beratergremiums. Klageart
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eignung eines Behinderten zur Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte (WfB) setzt voraus, daß er werkstattfähig, dh gemeinschaftsfähig und nicht außerordentlich pflegebedürftig ist.
2. Stellungnahmen eines Beratergremiums (zB Fachausschusses) im Verwaltungsverfahren zur Eignung, hier insbesondere zur Werkstattfähigkeit, eines Behinderten für seine Aufnahme in den Arbeitstrainingsbereich einer WfB sind bei der Entscheidung über den Förderungsanspruch weder für die Verwaltung noch für das Gericht verbindlich.
3. Zur Frage der richtigen Klageart (Leistungsklage, Feststellungsklage), wenn das Begehren derzeit auf nicht spezifizierbare zukünftige Leistungen zur Förderung der beruflichen Rehabilitation gerichtet ist.
Orientierungssatz
Für die Frage, ob die Verwaltung in ihrem Schreiben eine für einen Verwaltungsakt wesentliche Regelung iS von § 31 S 1 SGB 10 getroffen hat und welchen Regelungsinhalt ein Verwaltungsakt hat, kommt es allein auf den objektiven Wert der schriftlichen Erklärung an.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 1; AFG § 58 Abs. 1a S. 1 Nr. 2 Fassung: 1982-12-20, § 56 Abs. 1 S. 2, § 36 Nr. 2; SchwbG § 52 Abs. 3 Fassung: 1974-04-29, § 54 Abs. 3 Fassung: 1986-08-26, Abs. 1 Fassung: 1986-08-26, Abs. 2 Fassung: 1986-08-26; SchwbWV §§ 5, 4; AFG § 58 Abs. 1a S. 2 Fassung: 1982-12-20; SGG § 103 S. 1; SchwbWV § 3 Abs. 3; AFG § 36 Nr. 3; SGB X § 31 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Förderungsleistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte (WfB).
Der am 15. Juni 1964 geborene Kläger leidet an einer Oligophrenie stärkeren Grades, einer cerebralen Bewegungsstörung und einem cerebralen Anfallsleiden. Er ist seit 1974 in der Anstalt S. untergebracht und besuchte dort die Sonderschule. Gegen Ende der Schulzeit fand eine Berufsberatung durch das Arbeitsamt (ArbA) Tauberbischofsheim statt. Beigezogen waren der Bericht der Dipl-Psychologin B. vom 8. März 1988 und der Bericht der Sonderschule vom 26. Juni 1987. Als Ergebnis eines "Teamgespräches" vom 14. April 1988 wurde vermerkt, daß das Leistungsvermögen des Klägers nicht ausreiche, den "AT" (Arbeitstrainingsbereich) zu besuchen. Er solle in den "FBB" (Förderungs- und Betreuungsbereich) aufgenommen werden.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 teilte das ArbA der Anstalt S. H. mit, daß eine Förderung des Klägers im Arbeitstrainingsbereich der WfB noch nicht möglich sei. Hiergegen erhob der Direktor der Anstalt Widerspruch. Das ArbA wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, daß der Kläger nicht gemeinschaftsfähig sei und ein außerordentliches Pflegebedürfnis bestehe (Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1988). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger Förderungsleistungen im Arbeitstrainingsbereich der WfB der J. zu gewähren (Urteil vom 25. August 1989).
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und der Beigeladene Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beigeladenen (mangels Rechtsschutzbedürfnisses) als unzulässig verworfen, auf die Berufung der Beklagten hingegen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Januar 1993). Zur Begründung der Klageabweisung hat das LSG ausgeführt, ein ausreichendes Verwaltungsverfahren sei durchgeführt worden. Die Anstalt habe sinngemäß für den Kläger einen Antrag auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation gestellt, indem sie um eine Berufsberatung nachgesucht habe. Auch wenn der Widerspruchsbescheid an die Anstalt gerichtet sei, habe der konkrete individuelle Anspruch des Klägers geregelt werden sollen. In jedem Fall habe der zum Gebrechlichkeitspfleger bestellte Vater durch Erteilung einer Prozeßvollmacht auch das vorangegangene Verwaltungsverfahren genehmigt. In der Sache spreche viel dafür, daß das SG die Förderungsvoraussetzungen zutreffend bejaht habe, nämlich die Werkstattfähigkeit des Klägers (Gemeinschaftsfähigkeit, kein außerordentliches Pflegebedürfnis) und seine Fähigkeit, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Leistungen zu erbringen. Es bestehe jedoch kein Anspruch, in Zweifelsfällen sofort am Eingangsverfahren vorbei in den Arbeitstrainingsbereich der WfB aufgenommen zu werden. Habe der Fachausschuß die Voraussetzungen verneint, könnten diese nicht im gerichtlichen Verfahren durch Sachverständigengutachten, sondern nur in einem in der WfB durchzuführenden Eingangsverfahren festgestellt werden. Eine entsprechende Verurteilung der Beklagten komme jedoch nicht in Betracht, da die Klage ausdrücklich auf Leistungen im Arbeitstrainingsbereich beschränkt worden sei.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung von § 58 Abs 1a Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Diese Vorschrift verlange nur ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung. Die in der Werkstättenverordnung aufgestellten Merkmale "Gemeinschaftsfähigkeit" und "außerordentliches Pflegebedürfnis" seien nicht zu berücksichtigen. Die Verordnung sei insoweit nicht durch eine Ermächtigungsnorm gedeckt. Im übrigen liege ein Zweifelsfall nicht vor, da er erfolgreich die Sonderschule besucht habe. Etwaige Bedenken gegen seine Werkstattfähigkeit hätte das LSG durch Einholung des von ihm beantragten Gutachtens abklären müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Januar 1993 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. August 1989 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, wegen der Zweifel an der Eignung des Klägers sei eine sofortige Teilnahme am Arbeitstrainingsbereich nicht möglich, sondern nur seine Aufnahme in ein Eingangsverfahren.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er ist der Auffassung, daß allein wegen des Abschlusses der Sonderschule von einer offensichtlichen Werkstattfähigkeit nicht ausgegangen werden könne. Nach den Feststellungen des LSG liege ein Zweifelsfall vor, der aus Rechtsgründen nicht durch Einholung eines Gutachtens beseitigt werden könne.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die bisherigen Feststellungen des LSG reichen zu einer abschließenden Entscheidung weder in prozessualer noch in sachlicher Hinsicht aus.
Auch bei einer zugelassenen Revision ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen, ob Berufung und Klage zulässig sind (BSGE 2, 225, 226 f; 25, 235, 236; 42, 212, 215). Dies hängt hier für beide Fragen davon ab, welche Klage der Kläger erhoben hat. Dem Wortlaut seiner Anträge nach hat der Kläger eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben (§ 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Anfechtungsklage ist zulässig. Der Kläger ist klagebefugt. Das "Schreiben" der Beklagten vom 5. Mai 1988 stellt einen Verwaltungsakt dar, durch den er beschwert sein kann (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). In diesem "Schreiben" hat die Beklagte eine für einen Verwaltungsakt wesentliche Regelung iS von § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) getroffen. Für diese Frage sowie für die Frage, welchen Regelungsinhalt ein Verwaltungsakt hat, kommt es allein auf den objektiven Wert der schriftlichen Erklärung an. Das Schreiben vom 5. Mai 1988 hat folgenden Wortlaut: "... wie bei einem Teamgespräch anläßlich der Berufsberatungstage am 12. und 14. April ... festgestellt wurde, ist für folgende Behinderte eine Förderung im Arbeitstraining der WfB noch nicht möglich: ... B. , Falk-Udo ...". Als Verfügungssatz ist die Erklärung anzusehen, daß eine Förderung im Arbeitstrainingsbereich nicht möglich sei. Der weitere Hinweis auf das Teamgespräch ist die Begründung für die Aussage einer fehlenden Förderungsmöglichkeit. Die Aussage wiederum beinhaltet nach ihrem objektiven Erklärungswert, daß die Beklagte eine Förderung des Klägers im Arbeitstrainingsbereich ablehnen wollte.
Diese Interpretation wird durch den Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1988 bestätigt, in dessen Gestalt der ursprüngliche Verwaltungsakt Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG). In den ersten beiden Absätzen der Bescheidgründe ist darauf hingewiesen worden, daß die J. für den Kläger Förderungsleistungen im Rahmen der Rehabilitation beantragt hätten und die beantragten Leistungen mit "Bescheid vom 5. Mai 1988" abgelehnt worden seien. Neben diesem Wortlaut kann auf den Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides abgestellt werden. Aus der Zurückverweisung als unbegründet folgt, daß auch die Beklagte das Schreiben vom 5. Mai 1988 als anfechtbaren Verwaltungsakt angesehen hat. Ansonsten hätte sie den Widerspruch als unzulässig verwerfen müssen. Die Beklagte hat somit eine Regelung durch Verwaltungsakt im Einzelfall des Klägers getroffen.
Diese Regelung läßt nicht nur erkennen, welcher Sachverhalt in welchem Sinne geregelt werden sollte und welche Behörde ihn erlassen hat, sondern auch, wer sein Adressat sein sollte. Durch Auslegung der Bescheide vom 5. Mai 1988 und 28. Juli 1988 läßt sich in Übereinstimmung mit dem LSG ermitteln, daß Adressat dieser Bescheide der Kläger, Empfänger dagegen Personen der J. als - vollmachtlose - Vertreter sein sollten.
Bescheid und Widerspruchsbescheid sind eindeutig an den S. H. der J. in S. gerichtet worden. Die Anstalten sind aber nicht ihr Adressat. Der Bescheid vom 5. Mai 1988 regelt die Ablehnung von Förderungsleistungen für den Kläger, nicht für die Anstalten. Dies wird durch den Widerspruchsbescheid verdeutlicht. Danach ist die Beklagte davon ausgegangen, daß "für" den Kläger Förderungsleistungen im Rahmen der beruflichen Rehabilitation beantragt worden sind. Die Bescheide wollten eindeutig einen Anspruch des Klägers regeln. Die Beklagte hat nicht angenommen, daß die Anstalten ein eigenes Recht oder ein Recht des Klägers in eigenem Namen (Fall der Prozeßstandschaft) geltend gemacht haben.
Dieser Betrachtung steht es nicht entgegen, daß am Ende der Entscheidungsgründe in dem Widerspruchsbescheid die Anstalten als die "Widersprechende" bezeichnet werden. Der gesamte Widerspruchsbescheid behandelt immer nur die angeblich fehlenden Voraussetzungen für eine Förderungsleistung an den Kläger. Die Bezeichnung "Widersprechende" ist daher offensichtlich nur in einem faktischen, nicht aber rechtlichen Sinn zu verstehen. Ansonsten hätte sich die Beklagte in Widerspruch zu ihren eigenen Ausführungen gesetzt. Mit Bekanntgabe an die Anstalten (§ 37 Abs 1 Satz 2 SGB X) haben die Bescheide Außenwirkung erlangt und sind existent geworden. Auf die Frage der fehlenden Vollmacht ist später einzugehen. Der Kläger kann somit durch den Bescheid vom 5. Mai 1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1988 iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG beschwert sein, da die Beklagte darin seinen Anspruch verneint hat.
Das nach § 78 Abs 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist ebenfalls durchgeführt worden. Den Widerspruch hat der Direktor der Anstalt S. H. für den Kläger eingelegt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Widerspruchsschreibens vom 16. Juni 1988. Es wurde Widerspruch gegen die Entscheidung erhoben, "den nachfolgend genannten Behinderten eine Aufnahme im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte zu verweigern". Mit dem Widerspruch wurde somit die Verweigerung eines Rechts beanstandet, das den Behinderten - ua dem Kläger - zustand. Der Widerspruch wurde für die konkret benannten Behinderten eingelegt; es wurden nicht etwa eigene Rechte bzw fremde Rechte in eigenem Namen verfolgt.
Der Direktor der Anstalt S. H. war zwar zur Einlegung des Widerspruchs nicht bevollmächtigt gewesen. Dieser Mangel ist jedoch geheilt worden. Der zum Gebrechlichkeitspfleger (jetzt Betreuer) bestellte Vater des Klägers hat eine Prozeßvollmacht auf die Rechtsanwälte ausgestellt, die für den Kläger die Klage erhoben und das weitere gerichtliche Verfahren betrieben haben. Diese haben die Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide an die J. und die Erhebung des Widerspruchs durch die Anstalten gebilligt und damit zugleich die Handlungen vollmachtloser Vertreter im Verwaltungsverfahren stillschweigend genehmigt. Damit kann offenbleiben, ob die Zulässigkeitsvoraussetzung allein schon deshalb zu bejahen ist, weil der Kläger Adressat des Widerspruchsbescheides war.
Darüber, ob die Anfechtungsklage vorliegend, wie geschehen, mit der Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) oder, was ebenfalls zu erwägen ist, mit der Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG) zu verbinden ist, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend befinden. Die Antwort hängt vom eigentlichen Klagebegehren des Klägers ab (§ 123 SGG). Die Leistungsklage kommt ua in Betracht, wenn die J. zur Aufnahme des Klägers in den Arbeitstrainingsbereich grundsätzlich bereit und in der Lage sind und wenn sich gewisse Einzelansprüche auf Förderung der Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich bereits spezifizieren lassen. Dagegen bietet sich die Feststellungsklage als richtige Klage an, wenn noch unbestimmt ist, in welcher WfB der Kläger den Arbeitstrainingsbereich ggf durchlaufen kann, oder welche Förderungsleistungen von ihm in Anspruch genommen werden sollen.
Auch über die Zulässigkeit der Berufung vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Für den Fall einer auf Förderung im Arbeitstrainingsbereich der WfB der J. gerichteten Feststellungsklage wäre sie zwar zu bejahen. Insoweit wären Gründe für die Unzulässigkeit der Berufung nicht ersichtlich. Anders verhält es sich jedoch bei einer zulässigen Leistungsklage. Dem unspezifizierten Förderungsbegehren des Klägers liegen nämlich verschiedene selbständige Leistungsansprüche zugrunde (zB Ausbildungsgeld, Fahrkosten, Arbeitskleidung usw), für die die Zulässigkeit der Berufung im Falle der Leistungsklage jeweils gesondert zu prüfen ist. Dies gilt auch für die 28/92 - mwN ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫). Wegen der Zurückverweisung braucht der Senat nicht über die Berufungsfähigkeit zu entscheiden. Dies mag das LSG im Rahmen seiner erneuten Entscheidung überprüfen, sofern nicht über eine Feststellungsklage zu entscheiden sein sollte.
Ob die Klage begründet ist, sei es als Anfechtungs- und Leistungsklage, sei es als Anfechtungs- und Feststellungsklage, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG ebenfalls nicht entscheiden.
Nach § 56 Abs 1 Satz 1 AFG idF des am 1. Oktober 1974 in Kraft getretenen Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) gewährt die Beklagte als berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation die Hilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit der körperlich, geistig oder seelisch Behinderten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und die Behinderten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Dieses Rehabilitationsziel gilt auch für Behinderte, die - wie der Kläger - wegen Art und Schwere ihrer Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein können und auf einen Arbeitsplatz in einer WfB angewiesen sind (BSG SozR 4100 § 58 Nr 14). Gemäß § 58 Abs 1a AFG in der ab 1. Januar 1983 anzuwendenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1906) werden berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich einer anerkannten WfB erbracht, und zwar (1.) im Eingangsverfahren, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Eignung des Behinderten für die Aufnahme in die Werkstatt festzustellen, (2.) im Arbeitstrainingsbereich, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Leistungsfähigkeit des Behinderten zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen (Satz 1). Behinderte werden in diesem Bereich nur gefördert, sofern erwartet werden kann, daß sie nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iS des § 52 Abs 3 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) zu erbringen (Satz 2). Die Leistungen werden im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich insgesamt bis zu zwei Jahren erbracht (Satz 3). Abs 1 Satz 1 und 3 gilt entsprechend; § 36 Nr 1 und § 40 Abs 1b sind nicht anzuwenden (Satz 4). Gemäß § 9 Abs 1 Nr 6 und Abs 3 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (RehaAnO) idF der 13. Änderungsanordnung vom 16. März 1988 (ANBA S 682, 683), die aufgrund der Ermächtigung in § 58 Abs 2 AFG ergangen ist, werden die Leistungen nur auf Antrag gewährt.
Der Kläger hat den Anspruch - abgesehen von der Festlegung auf die WfB der J. - auf Gewährung von Förderungsleistungen im Arbeitstrainingsbereich beschränkt. Allein dieser Anspruch ist Streitgegenstand. Die Feststellungen des LSG ergeben nur zum Teil die Berechtigung dieses Anspruchs.
Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, hat die Anstalt mit dem Ersuchen um eine umfassende Berufungsberatung zugleich für den Kläger einen Förderungsantrag gestellt, der nachträglich durch die Klageerhebung genehmigt worden ist. Damit ist dem Antragserfordernis in § 9 Abs 1 Nr 6 und Abs 3 RehaAnO genügt.
Bisher steht jedoch nicht fest, ob der Kläger die Förderung im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt begehrt, die anerkannt ist. Dies ist nach § 58 Abs 1a Satz 1 Nr 2 AFG eine Anspruchsvoraussetzung. Auch dies hat das LSG ggf noch zu prüfen.
Des weiteren müssen die Maßnahmen gemäß § 58 Abs 1a Satz 1 Nr 2 AFG erforderlich sein, um die Leistungsfähigkeit des Behinderten zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen. Aufgrund der Art der festgestellten Behinderungen ist zwar anzunehmen, daß die Leistungsfähigkeit des Klägers unter dem mit der Förderung anzustrebenden und noch darzustellenden Leistungsminimum lag. Es fehlt jedoch an Feststellungen zur bezeichneten Entwicklungsmöglichkeit der Leistungsfähigkeit.
Unerheblich ist, ob der Kläger nach Abschluß der Maßnahme eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung aufnehmen kann. Insoweit schließt § 58 Abs 1a Satz 4 AFG ausdrücklich die Anwendung des § 36 Nr 1 AFG aus.
Dagegen kann wiederum nicht entschieden werden, ob der Kläger für die Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich geeignet ist und voraussichtlich mit Erfolg an der Maßnahme teilnehmen wird. Der Senat teilt nicht die rechtlichen Erwägungen, mit denen das LSG von einer eigenen Sachaufklärung abgesehen hat.
Gemäß § 36 Nr 2 AFG, der aufgrund der Verweisung in § 58 Abs 1 Satz 1 und Abs 1a Satz 4 AFG heranzuziehen ist, muß der Antragsteller für die angestrebte berufliche Tätigkeit geeignet sein. Diese allgemeine Förderungsvoraussetzung wird durch § 56 Abs 1 Satz 2 AFG relativiert, der als Grundtatbestand im Verhältnis zur Spezialregelung des § 58 Abs 1a AFG zu beachten bleibt. Danach ist ua die Eignung - nur - angemessen zu berücksichtigen. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der konkreten Rehabilitationsmaßnahme und dem Förderungsziel. Für die Förderung innerhalb der WfB kann die Eignung des Behinderten nur angenommen werden, wenn die Werkstatt für ihn "offen" ist. Er muß werkstattfähig sein. Die Beurteilung der Eignung nach diesem Kriterium gebieten das der Werkstatt zugrundeliegende Konzept und das Organisationsschema der WfB im Schwerbehindertenrecht.
Hierbei wird nicht verkannt, daß sich der Förderungsanspruch allein nach den Vorschriften des AFG, nicht nach denen des SchwbG vom 29. April 1974 idF der Bekanntmachung der Neufassung vom 26. August 1986 (BGBl I S 1421, 1550) beurteilt. § 58 Abs 1a Satz 2 AFG verweist nur wegen des Begriffs "Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung" auf § 52 Abs 3 SchwbG; im übrigen hat es der Gesetzgeber offenbar als Folge eines redaktionellen Versehens unterlassen, die Änderungen durch die Neufassung des SchwbG in jene Norm des AFG einzufügen; denn seit dem 1. August 1986 ist § 52 Abs 3 SchwbG ohne inhaltliche Änderung als § 54 Abs 3 SchwbG übernommen worden.
§ 54 Abs 3 SchwbG nF enthält keine zusätzlichen Definitionsmerkmale. Mit der Verweisung wird vorrangig die enge inhaltliche Verknüpfung der Regelungen über die WfB im SchwbG und § 58 Abs 1a AFG dokumentiert. Diese Verknüpfung wird auch dadurch unterstrichen, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung des früheren § 52 SchwbG einen einheitlichen Begriff und eine einheitliche Konzeption der WfB für alle Gesetze entwickeln wollte, die sich mit einer solchen Werkstatt befassen, und zwar ausdrücklich auch für das AFG (BT-Drucks 7/1515 S 7 f; vgl auch § 61 Abs 1 AFG).
Die neue Konzeption der WfB hat § 52 aF bzw 54 nF SchwbG nur in den wesentlichen Grundzügen geregelt. Insoweit wird auf die Absätze 1 bis 3 jener Normen Bezug genommen. Die Ergänzung und Ausfüllung des gesetzlichen Rahmens blieb gemäß dem früheren § 55 Abs 3 SchwbG (seit dem 1. August 1986 § 57 Abs 3 SchwbG; vgl Bekanntmachung der Neufassung vom 26. August 1986) einer Rechtsverordnung vorbehalten. Dabei hat der zuständige Bundestagsausschuß in seinem Bericht vom 15. Januar 1974 (BT-Drucks 7/1515 S 8) die Erwartung ausgedrückt, daß bei Erlaß der Rechtsverordnung die "Grundsätze zur Konzeption der Werkstatt für Behinderte" beachtet würden, die auf einem Diskussionsvorschlag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 3. Dezember 1973 beruhten. Diese Grundsätze waren - nach Anpassung an § 52 SchwbG - idF vom 5. Dezember 1974 (abgedruckt als Anlage 1 zur BT-Drucks 7/3999) Grundlage der Dritten Verordnung zur Durchführung des SchwbG (Werkstätten SchwbG-SchwbWV) vom 13. August 1980 (BGBl I S 1365; vgl hierzu im übrigen die Gesetzesmaterialien, nämlich BR-Drucks 554/79 S 15 f).
Die SchwbWV hat in den §§ 3 bis 5 das dreistufige Organisationsschema aus Ziff 4 der genannten Grundsätze vom 5. Dezember 1974 übernommen. Die WfB gliedert sich in ein Eingangsverfahren, einen Arbeitstrainingsbereich und einen Arbeitsbereich. Gemäß § 54 Abs 1 und 3 SchwbG iVm § 5 SchwbWV ist ein Behinderter in den Arbeitsbereich aufzunehmen, wenn er ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Dieses Leistungsminimum kann der Behinderte innerhalb der WfB denknotwendig aber nur umsetzen, wenn er überhaupt in die Werkstatt aufgenommen werden kann. Er muß daher zunächst einmal werkstattfähig sein, also gemeinschaftsfähig und nicht außerordentlich pflegebedürftig. Insoweit ist es konsequent, daß § 1 Abs 1 SchwbWV die Begriffe "Gemeinschaftsfähigkeit" und "weitgehende Unabhängigkeit von Pflege" aus Ziff 5 Buchst a) und b) der genannten Grundsätze vom 5. Dezember 1974 übernommen hat. Zugang zum Arbeitsbereich der WfB mit der Folge der Förderung durch die Beklagte hat derjenige Behinderte, der werkstattfähig ist und ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Leistung erbringen kann.
Ist ein Behinderter zwar werkstattfähig, verfügt er aber nicht über das aufgezeigte Leistungsminimum, kann er in den Arbeitstrainingsbereich aufgenommen werden. Weitere Voraussetzung ist, daß erwartet werden kann, daß er nach Teilnahme an dem Training das genannte Leistungsminimum erbringt. Ob eine Förderung im Arbeitstrainingsbereich auch dann erfolgen kann, wenn seine Leistungsfähigkeit bereits diesem Minimum entspricht oder ob eine Förderung in diesem Bereich auch über den Zeitpunkt hinaus zu erbringen ist, in dem das Minimum erreicht worden ist (BSG, SozR 3-2200 § 1237 Nr 2), kann hier offenbleiben. Mit dem Förderungsangebot im Arbeitstrainingsbereich erfüllt § 4 SchwbWV ein Gebot des § 54 Abs 2 SchwbG nF. Darüber hinaus entspricht es diesem Gebot, daß in einem Eingangsverfahren geprüft wird, ob die WfB die geeignete Einrichtung für den Behinderten ist, wenn Zweifel an der Werkstattfähigkeit und/oder daran bestehen, ob die notwendige Prognose für die Teilnahme im Arbeitstrainingsbereich gestellt werden kann. Steht dagegen von vornherein fest, daß der Behinderte - auch nach Teilnahme am Eingangsverfahren und Arbeitstraining - die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Arbeitsbereich nicht erfüllen wird, hat er keinen Anspruch auf Förderung nach dem AFG.
Dieses Konzept und Organisationsschema liegt den Regelungen des § 58 Abs 1a Satz 1 und 2 AFG zugrunde, der durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) mit Wirkung zum 1. Januar 1982 geschaffen wurde und den bisherigen Satz 4 in § 58 Abs 1 AFG, eingefügt durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I S 1189), ersetzte. Sie sind über § 56 Abs 1 Satz 2 AFG bei der angemessenen Berücksichtigung der Eignung iS von § 36 Nr 2 AFG zu beachten. Der Kläger ist daher nur dann geeignet für eine Teilnahme an der begehrten Förderungsmaßnahme, wenn er werkstattfähig ist, dh gemeinschaftsfähig und nicht außerordentlich pflegebedürftig.
Gemeinschaftsfähig ist ein Behinderter, der den Zweck der WfB, Rehabilitation, Arbeit und Beschäftigung für andere erfolgreich anzubieten, durch sein Verhalten nicht nachhaltig beeinträchtigt (Dopatka in Gemeinschaftskomm zum SchwbG, 1992, § 54 RdNr 18). Er ist nicht außerordentlich pflegebedürftig, wenn er am Arbeitstrainings- oder später am Arbeitsplatz nicht so weitgehend von Pflege abhängig ist, daß eine Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich und eine Beschäftigung im Arbeitsbereich ausgeschlossen sind (BR-Drucks 554/79 S 22). Die für diese Entscheidung notwendigen Feststellungen hat das LSG nicht getroffen. Es hat lediglich vermerkt, daß viel dafür spreche, daß das SG das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zutreffend bejaht habe. Derartige Andeutungen ersetzen nicht die notwendigen eigenen Feststellungen.
Die rechtlichen Erwägungen, mit denen das LSG von einer eigenen Sachaufklärung abgesehen hat, teilt der Senat nicht. Die Entscheidung über den Förderungsanspruch trifft allein die Beklagte als Sozialleistungsträger. Ihre Entscheidung ist im gerichtlichen Verfahren in vollem Umfang überprüfbar. Dies gilt sowohl für die hier relevanten unbestimmten Rechtsbegriffe (vgl Dopatka, aaO, § 54 RdNr 17) als auch für den zugrundeliegenden Sachverhalt. Die Stellungnahme eines Beratergremiums im Verwaltungsverfahren kann den Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG grundsätzlich nicht einschränken. Dies gilt hier um so mehr, als schon nach § 3 Abs 3 SchwbWV die Stellungnahmen des Fachausschusses nur Empfehlungen sind. Seinen Entscheidungen kommt somit keine Bindungswirkung zu. Wie einerseits die Entscheidung der WfB nicht an eine Stellungnahme des Fachausschusses gebunden ist, wird andererseits nicht der Rehabilitationsträger - hier die Beklagte - durch Entscheidungen bzw Auffassungen des Fachausschusses gebunden. Dasselbe gilt dann im Streitfall selbstverständlich für das Gericht.
Unklar geblieben ist ferner, ob die Erfolgsprognose iS des § 58 Abs 1a Satz 2 AFG zugunsten des Klägers getroffen werden kann, ob also erwartet werden kann, daß er nach einer Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung wird erbringen können. Insoweit konkretisiert die Anspruchsnorm die nach den allgemeinen Förderungsvoraussetzungen in § 36 Nr 2 AFG zu treffende Prognose. Eine positive Prognose ist gerechtfertigt, wenn davon auszugehen ist, daß der Kläger nach der Teilnahme an der Förderung irgendwie am Arbeitsablauf der Werkstatt mitwirken, dh durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann, ohne sich oder andere zu gefährden (BSG SozR 4100 § 48 Nr 14; BSGE 72, 187, 192 f = SozR 3-3870 § 54 Nr 1). Auch hierzu hat das LSG aufgrund seiner rechtlichen Erwägungen, die vom Senat aus den angegebenen Gründen nicht geteilt werden, keine Feststellung getroffen.
Als weitere Förderungsvoraussetzung ist schließlich die Zweckmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen. Aus der Verweisung in § 58 Abs 1 Satz 1 und Abs 1a Satz 4 AFG folgt, daß grundsätzlich auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 36 Nr 3 AFG zu beachten sind. Die Teilnahme des Klägers an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich ist im Hinblick auf die Ziele des § 2 AFG zweckmäßig. Die Zielnorm des § 2 Nr 4 AFG gebietet generell, die Eingliederung körperlich, geistig und seelisch Behinderter zu fördern, erfaßt also auch die Eingliederung durch eine WfB.
Die Förderung ist wohl auch nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig. Insoweit wird die weitere Voraussetzung des § 36 Nr 3 AFG wiederum durch § 56 Abs 1 Satz 2 AFG relativiert, nach dem ua Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen sind. In Übereinstimmung mit § 9 Abs 1 Nr 4 RehaAnO sieht der Senat die Förderung eines Behinderten in einer WfB - ungeachtet des § 9 Abs 1 Nr 3 RehaAnO - als zweckmäßig an, wenn erwartet werden kann, daß ein solcher Behinderter zumindest in einer WfB voraussichtlich eine Beschäftigung finden wird. Es sind derzeit keine Zweifel ersichtlich, daß der Kläger nach erfolgreicher Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich keine Beschäftigung in einer WfB finden würde. Ggf wird das LSG aber auch dieser Frage durch weitere Ermittlungen nachzugehen haben.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei einer Leistungs-, aber auch Feststellungsklage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht. Wegen des erheblichen Zeitablaufes kann die Entscheidung nicht mehr allein auf die Ergebnisse der im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlichen Verfahren erfolgten Sachaufklärung gestützt werden. Mangels ausreichender Feststellungen des LSG ist der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen