Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Neuberechnung (Umwandlung) einer 1957 umgestellten Rente nach AnVNG Art 2 § 37 Abs 3 S 4 (= ArVNG Art 2 § 38 Abs 3 S 4) kann die vor der Vollendung des 55. Lebensjahres liegende Rentenbezugszeit nur als Zurechnungszeit übernommen, nicht dagegen als Ausfallzeit nach AVG § 36 Abs 1 S 1 Nr 5 (= RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 5) angerechnet und bewertet werden (Abweichung von der gegenteiligen, als aufgegeben zu erachtenden Entscheidung BSG 1967-05-09 1 RA 205/65 = BSGE 26, 247).
2. Bei der Übernahme als Zurechnungszeit kann allerdings, da der "bisherige Wert" der Zurechnungszeit in der Faktorenrente nicht in einem bestimmten Vomhundertsatz ausgedrückt war, kein "gleicher Wert" (AVG § 30 Abs 2 S 3 = RVO § 1253 Abs 2 S 3) in die neu berechnete Rente einfließen; die Zurechnungszeit läßt sich deshalb nur ohne eigenen Wert übernehmen, selbst wenn damit spätere Beiträge auf die Bewertung der Zurechnungszeit Einfluß gewinnen (Anschluß an BSG 1971-12-01 12 RJ 96/70 = SozR Nr 21 zu § 1268 RVO).
Normenkette
AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Fassung: 1965-06-09; AVG § 30 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1253 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1965-06-09; AnVNG Art. 2 § 37 Abs. 3 S. 4 Fassung: 1965-06-09; ArVNG Art. 2 § 38 Abs. 3 S. 4 Fassung: 1965-06-09
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 09.05.1978; Aktenzeichen L 2 An 1157/77) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 06.10.1977; Aktenzeichen S 6 An 629/75) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Mai 1978 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Rente.
Der am 14. Juni 1910 geborene Kläger hatte von September 1956 an ein Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit bezogen; diese Rente war 1957 nach Art 2 §§ 30, 31 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) umgestellt worden und hatte danach 101,60 DM betragen. Später hatte der Kläger noch für die Zeit ab dem 55. Lebensjahr bis 1974 aufgrund von Art 2 § 49a AnVNG freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung in der niedersten Klasse (18,-- DM monatlich) im Gesamtbetrag von 1.836,-- DM nachentrichtet.
Ab Juli 1975 (Vollendung des 65. Lebensjahres) erhöhte die Beklagte zunächst die Rente aufgrund von Art 2 § 37 Abs 3 Satz 1 AnVNG von inzwischen 394,-- DM um zwei Dreizehntel auf 452,70 DM. Auf die Klage des Klägers hob sie den Bescheid wieder auf; sie wandelte die Rente nunmehr ab Juli 1975 gemäß Art 2 § 37 Abs 3 Satz 4 AnVNG in ein Altersruhegeld in Höhe von 502,20 DM monatlich um (Bescheid vom 18. Februar 1976). Dabei berücksichtigte sie eine Zurechnungszeit von 346 Monaten ohne eigenen Wert; die persönliche Bemessungsgrundlage des Klägers ermittelte sie aus allen Beiträgen mit 53,45 %. Der Kläger begehrt demgegenüber, entweder die Zeit des Rentenbezuges bis zum 55. Lebensjahr als Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- (mit den in § 32a AVG bestimmten Werten) anzurechnen oder die Zurechnungszeit mit einer persönlichen Bemessungsgrundlage aus den bis zum Beginn der Berufsunfähigkeit im Jahre 1936 entrichteten Beiträgen zu bewerten.
Klage und Berufung waren ohne Erfolg. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) kann die genannte Rentenbezugszeit keine Ausfallzeit sein, weil vor der Rentenumwandlung keine früher gewährte Rente weggefallen ist; das Altersruhegeld schließe sich unmittelbar an die umgestellte Rente an. Die angerechnete Zurechnungszeit könne nicht mit dem Vomhundertsatz bei Beginn der Berufsunfähigkeit bewertet werden. Nach den §§ 30 Abs 2 Satz 3, 31 Abs 2 Satz 2 AVG sei zwar die bisherige Zurechnungszeit außer in gleichem Umfang noch mit gleichem Wert anzurechnen. Bei den nach Art 2 §§ 30 ff AnVNG umgestellten Renten sei die Zurechnungszeit indessen pauschaliert, ihr könne deshalb kein fester Wert entnommen werden. Damit sei aber eine Auslegung des § 30 Abs 2 Satz 3 AVG in dem vom Kläger begehrten Sinne nicht gerechtfertigt.
Mit der - zugelassenen - Revision beantragt der Kläger (sinngemäß),
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18. Februar 1976 zu verurteilen, die Zeit des Rentenbezugs bis zum 55. Lebensjahr als Ausfallzeit anzurechnen,
hilfsweise,
diese Zeit mit der bei Beginn der Berufsunfähigkeit bestehenden persönlichen Bemessungsgrundlage zu bewerten.
Er rügt eine unrichtige Anwendung des § 36 Abs 1 Nr 5 bzw des § 30 Abs 2 Satz 3 AVG. Die genannte Zeit müsse als Ausfallzeit behandelt werden, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) schon im Urteil vom 9. Mai 1978 entschieden habe. Zumindest sei sie als Zurechnungszeit, wie von ihm begehrt, zu bewerten, weil anderenfalls entgegen der Vorschrift des § 30 Abs 2 Satz 3 AVG kein Besitzstand gewahrt werde, vielmehr die nach dem 55. Lebensjahr entrichteten Beiträge die Bewertung der Zurechnungszeit beeinflußten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Dem vom Kläger in erster Linie geltend gemachten Begehren, die Zeit seines Rentenbezuges vom 1. September 1936 bis zum 30. Juni 1965 als Ausfallzeit anzurechnen, kann nicht entsprochen werden; insoweit kann er sich auf § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 5 AVG nicht berufen. Hiernach sind Ausfallzeiten Zeiten des Bezuges einer Rente, die mit einer angerechneten Zurechnungszeit zusammenfallen, "wenn nach Wegfall der Rente erneut Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit oder wenn Altersruhegeld oder Hinterbliebenenrente zu gewähren ist". Diese Vorschrift setzt stets - also auch im Falle der Gewährung von Altersruhegeld - den vorherigen Wegfall einer Rente voraus, mag das beim Altersruhegeld wie bei der Hinterbliebenenrente wegen des vorgeschobenen Wortes "wenn" im Wortlaut auch nicht klar zum Ausdruck kommen. Eine andere Deutung würde der Systematik des Gesetzes widersprechen (vgl hierzu Nr 6 des § 36 Abs 1 AVG mit der gleichen Ausdrucksweise), denn der Gesetzgeber unterscheidet erkennbar nur zwei Fallgestaltungen. In dem einen Fall geht er davon aus, daß die (neue) Rente im Anschluß an die vorhergehende gewährt, jene also in die neue Rente umgewandelt wird. Im anderen Fall hat er eine zeitliche Lücke vor Augen. Im ersten Fall wird der Besitzstand der einmal angerechneten Zurechnungszeit dadurch gewahrt, daß sie in der neuen Rente weiterhin als Zurechnungszeit berücksichtigt wird (§ 30 Abs 2 Satz 3 und § 31 Abs 2 Satz 2 AVG); im zweiten Fall und nur in diesem wird die Zeit des Rentenbezuges während der früheren Zurechnungszeit nunmehr als Ausfallzeit behandelt (§ 36 Abs 1 Satz 1 Nr 5 AVG). Werden aber nur diese beiden Fälle unterschieden, dann hat der Gesetzgeber Art 2 § 37 Abs 3 Satz 4 AnVNG jedenfalls als Fall der Rentenumwandlung angesehen; hierauf weist die darin enthaltene Bezugnahme auf die §§ 30 bis 39 AVG hin.
In dieser Auffassung stimmt der erkennende Senat mit der übrigen Rechtsprechung des BSG überein (SozR Nrn 21 und 23 zu § 1268 RVO; SozR 5750 Art 2 § 38 Nr 3). Soweit der 1. Senat in BSGE 26, 247, 250 noch die Meinung vertreten hatte, § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 5 AVG müsse in einem Falle wie dem vorliegenden Anwendung finden, hat er sie nach der Gesamtschau seiner späteren Rechtsprechung aufgegeben. In BSGE 32, 85 hat der 1. Senat nämlich schon ausgeführt, das Gesetz sehe in Art 2 § 38 Abs 3 Satz 4 ArVNG = Art 2 § 37 Abs 3 Satz 4 AnVNG eine Neufeststellung der Rente "im Wege der Umwandlung" vor; soweit er in BSGE 26, 247 eine andere Auffassung vertreten habe, halte er hieran, nicht fest (aaO 88, 89). Dementsprechend hat der 1. Senat in BSGE 32, 90 die frühere Rentenbezugszeit bei einer anschließenden Witwenrente nicht als Ausfall-, sondern als Zurechnungszeit berücksichtigt. In der Entscheidung SozR 5750 Art 2 § 38 Nr 3 (vom 7. Dezember 1977) hat er schließlich bei einer Neuberechnung nach der vergleichbaren Vorschrift des Art 2 § 37 Abs 2 Satz 2 AnVNG es für ausgeschlossen erklärt, daß die in der umgestellten Rente pauschal enthaltene Zurechnungszeit als Ausfallzeit nach § 36 Abs 1 Nr 5 AVG angerechnet werden kann.
Mit seinem Hilfsbegehren, bei der Neufeststellung der Rente die Zeit des Rentenbezuges bis zum 55. Lebensjahr als Zurechnungszeit nach § 37 AVG mit dem Vomhundertsatz zu bewerten, der 1936 bei Beginn der Berufsunfähigkeit bestanden hätte, vermag der Kläger ebenfalls nicht durchzudringen; ein solches Verfahren, mit dessen Hilfe er letzten Endes so gestellt werden will, als ob seine nach Art 2 §§ 30, 31 AnVNG umgestellte Rente eine Rente neuen Rechts wäre, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Eine Bewertung der beitragslosen Zeiten hat erst das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 eingeführt; hierbei sind auf Beschluß des Ausschusses für Sozialpolitik in Absatz 2 Satz 3 des § 1253 RVO (= § 30 AVG) nach dem Wort "Umfang" die Worte "und mit gleichem Wert" eingefügt worden, um sicherzustellen, daß der bei der Berechnung der vorangegangenen Rente zugrunde gelegte Vomhundertsatz der persönlichen Bemessungsgrundlage für die neuerliche Bewertung der Zurechnungszeit erhalten bleibt (vgl. hierzu Kurzprotokoll der 106 Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik, 4. Wahlperiode, S 10). Hierin drückt sich klar erkennbar der Sinn und Zweck der Neuregelung als einer solchen zur Wahrung des Besitzstandes aus (so schon der 1. Senat des BSG in BSGE 32, 90 sowie der 12. Senat in SozR Nr 21 zu § 1268 RVO). Bei den aufgrund der Reformgesetze des Jahres 1957 umgestellten Renten hat der Gesetzgeber eine Zurechnungszeit vom Rentenbeginn an bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres aus Gründen der Praktikabilität demgegenüber nur im Umstellungsfaktor berücksichtigt (BArbBl 1957, 221; BSGE 32, 90, 92; SozR Nr 21 zu § 1268 RVO); auf diese Weise ist auch dem Kläger seinerzeit eine Zurechnungszeit gutgebracht worden. Eine Bewertung dieser Zurechnungszeit erfolgte bei der ersten Umstellung weder unmittelbar noch durch Auswirkung einer aus den übrigen Versicherungszeiten ermittelten Bemessungsgrundlage, sie war in der Faktorenrente lediglich in indirekter und zugleich pauschalierter Form enthalten. Ist aber der "bisherige Wert" der Zurechnungszeit in der Faktorenrente nicht durch einen bestimmten Vomhundertsatz ausgedrückt gewesen, dann kann auch nicht der "gleiche Wert" in der Form eines Vomhundertsatzes in die Berechnung der umzuwandelnden Rente einfließen; der Sinn und Zweck des § 30 Abs 2 Satz 3 AVG muß sich hier darauf beschränken, die zu berücksichtigende Zurechnungszeit ihrem Umfang nach zu übernehmen. In dieser Ansicht stimmt der erkennende Senat mit dem 12. Senat (SozR Nr 21 zu § 1268 RVO) überein. Die Rentenbezugszeit des Klägers bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres als Zurechnungszeit kann sonach nur Bedeutung für die Zahl der Versicherungsjahre haben.
Damit muß in Kauf genommen werden, daß spätere Beiträge die Berechnung einer aus einer umgestellten Rente übernommenen Zurechnungszeit beeinflussen. Dem läßt sich auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des § 4 der Ruhens-Verordnung vom 9. Juli 1957 (BGBl I 704) sinnvoll begegnen. Eine solche hat bereits der 12. Senat (SozR Nr 21 zu § 1268 RVO) abgelehnt; der erkennende Senat schließt sich dem im Ergebnis an. Denn die über die Ruhens-Verordnung mögliche Zuordnung einer persönlichen Bemessungsgrundlage würde in vielen Fällen empfindliche Rentenminderungen bewirken (s. hierzu Bergner, DRV, 1969, 15, 24; Beck, Sozialgerichtsbarkeit 1968, 239; Schmitt, Mitt. der LVA Oberfranken, 1974, 206, 214; Ludwig, SozVers, 1972, 289; Frank, SozVers, 1967, 76); selbst im Falle des Klägers, der nach seinem 55. Lebensjahr die niedersten Beiträge entrichtet hat, brächte sie nur eine monatliche Rentenerhöhung zwischen 10,-- und 20,-- DM.
Hiernach war der Revision der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen