Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen für die Zeit vom 1. April 1999 bis 21. Juni 2000.
Der seit 1979 bis Ende März 1999 als Einkaufsleiter beschäftigte Kläger bezog ab 1. April 1999 Alg in Höhe von 495,39 DM wöchentlich. Der Bemessung der Leistung legte die Beklagte entsprechend dem vom Kläger im letzten Jahr seiner Beschäftigung gleichmäßig bezogenen Monatsbruttogehalt von 5.372 DM ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 1.240 DM und die Leistungsgruppe C – allgemeiner Leistungssatz – zu Grunde (Bescheid vom 19. April 1999). Den wöchentlichen Zahlbetrag erhöhte die Beklagte ab Januar 2000 nach der neuen Leistungsentgeltverordnung auf 507,01 DM (Bescheid vom 17. Januar 2000) und ab April 2000 auf 512,26 DM nach Anpassung des Bemessungsentgelts auf 1.260 DM (Bescheid vom 25. April 2000).
Mit Schreiben vom 3. Juli 2000, eingegangen am 6. Juli 2000, teilte der Kläger der Beklagten unter Hinweis auf das “nun bekannt gewordene” Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Berücksichtigung von Sonderzahlungen mit, er sei durch unrichtige Angaben im Bewilligungsbescheid vom 19. April 1999 getäuscht worden; er beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zusätzlich erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. Juli 2000 “formal Widerspruch” gegen den Bescheid vom 19. April 1999 und bat um Neuberechnung des Alg unter Berücksichtigung des an ihn ausbezahlten Weihnachts- und Urlaubsgeldes (je 50 Prozent eines Monatsgehalts) sowie Nachzahlung. Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit ab 22. Juni 2000 Alg in Höhe von 545,44 DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von 1.390 DM (Bescheid vom 26. Juli 2000), verwarf jedoch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. April 1999 als unzulässig, da der Widerspruch nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist eingegangen sei (Widerspruchsbescheid vom 25. August 2000). Im Übrigen ging die Beklagte von einem Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheides vom 19. April 1999 aus und lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, nach der Entscheidung des BVerfG komme eine Änderung der Bemessungsgrundlage nur für die Zeit nach dem 21. Juni 2000 in Betracht (Bescheid vom 6. September 2000). Nachdem der Kläger eine gegen den Widerspruchsbescheid vom 25. August 2000 erhobene Klage zurückgenommen hatte (Sozialgericht ≪SG≫ Gießen, Az: S 5 AL 1743/00), wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. September 2000 mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2001 zurück.
Das SG Gießen hat die auf Aufhebung der Bescheide vom 6. September 2000/11. Oktober 2001 und auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Alg für die Zeit vom 1. April 1999 bis 21. Juni 2000 nach einem um zehn Prozent erhöhten Bemessungsentgelt gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 23. April 2002). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Beschluss vom 20. Januar 2003). Das LSG hat ua ausgeführt: Die Beklagte habe das maßgebliche Bemessungsentgelt mit 1.240 DM für die Zeit ab 1. April 1999 bzw 1.260 DM ab 1. April 2000 richtig festgestellt. Weiter gehende Ansprüche könne der Kläger für die streitbefangene Zeit auch nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 24. Mai 2000 herleiten. Da der Bewilligungsbescheid vom 19. April 1999 am 21. Juni 2000 bestandskräftig gewesen sei, komme eine pauschale Erhöhung gemäß § 434c Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Zeit vor dem 22. Juni 2000 nicht in Betracht. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, er sei so zu stellen, als ob der Bescheid vom 19. April 1999 nicht bestandskräftig geworden wäre. Dieser Bescheid enthalte einen Hinweis darauf, dass für die Höhe der Leistung im Regelfall das versicherungspflichtige Entgelt aus den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Arbeitslosigkeit maßgebend sei; hieraus habe er geschlossen, dass auch Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld erfasst seien. Bei einem Hinweis, dass Einmalzahlungen nicht einbezogen würden, hätte er Rechtsmittel eingelegt. Das LSG habe sich mit diesem Gesichtspunkt nur unzureichend befasst. Es gehe nicht darum, ob die Beklagte ihn (den Kläger) entsprechend der damaligen Rechtslage beraten habe, sondern darum, dass mit der im Bescheid verwendeten eindeutigen Formulierung (versicherungspflichtiges Entgelt) der Eindruck erweckt worden sei, dass auch Weihnachts- und Urlaubsgeld Mitberücksichtigung fänden. Er habe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und sei so zu stellen, als ob der Bescheid nicht bestandskräftig geworden sei; § 434c SGB III sei auf ihn nicht anzuwenden.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des LSG vom 20. Januar 2003 und das Urteil des SG vom 23. April 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm – in Abänderung des Bescheides vom 19. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2000 sowie der Bescheide vom 17. Januar 2000 und 25. April 2000 – für die Zeit vom 1. April 1999 bis 21. Juni 2000 höheres Alg unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und verweist ergänzend auf ihre Merkblätter für Arbeitslose aus den Jahren 1998 und 1999; der im Bewilligungsbescheid vom 19. April 1999 unter “Allgemeines” aufgeführte Hinweis, für die Höhe der Leistung sei im Regelfall das versicherungspflichtige Entgelt aus den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Arbeitslosigkeit maßgebend, stelle keine falsche Auskunft dar.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat – wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben – für die Zeit vom 1. April 1999 bis 21. Juni 2000 keinen Anspruch auf höheres Alg.
Das Vorbringen der Revision, der Kläger sei so zu stellen, als sei der die Höhe des Alg regelnde Bescheid vom 19. April 1999 nicht bestandskräftig geworden, kann bereits deshalb nicht durchgreifen, weil der Kläger die zum SG Gießen unter dem Az: S 5 AL 1743/00 erhobene Klage, die gegen die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 25. August 2000) gerichtet war, zurückgenommen hat. Mit dieser Klagerücknahme steht fest, dass der Bescheid vom 19. April 1999 bestandskräftig geworden ist.
Auch unabhängig davon ist nicht ersichtlich, inwiefern der Bescheid vom 19. April 1999, gegen den der Kläger innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist Widerspruch nicht erhoben hatte (§§ 84, 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), am 21. Juni 2000 nicht bestandskräftig gewesen sein könnte. Nach den Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass der Kläger zutreffend gemäß § 66 Abs 1 SGG über den zulässigen Rechtsbehelf belehrt worden ist. Der Hinweis im Bescheid vom 19. April 1999, für die Bemessung des Alg sei im Regelfall das versicherungspflichtige Entgelt aus den letzten zwölf Monaten vor Eintritt der Arbeitslosigkeit maßgebend, hat die nach § 66 Abs 1 SGG vorgeschriebene und von der Beklagten beachtete Belehrung nicht unrichtig gemacht. Zu beachten ist ohnehin, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist unzulässig ist, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 67 Abs 3 SGG), dass das Schreiben des Klägers vom 3. Juli 2000 erst nach Ablauf der Jahresfrist bei der Beklagten eingegangen ist und dass keine Rede davon sein kann, der Kläger wäre etwa wegen des Hinweises auf die Berechnung infolge höherer Gewalt gehindert gewesen, einen Wiedereinsetzungsantrag vor Ablauf der Jahresfrist zu stellen. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in einem Fall, in dem die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger mit einer über die Medien verbreiteten Erklärung unter Bezugnahme auf beim BVerfG anhängige Musterverfahren in Aussicht gestellt hatten, die Krankenkassen würden die zu erwartende Entscheidung über die Beitragspflicht von Einmalzahlungen auf gleich gelagerte Sachverhalte übertragen und es seien insoweit Anträge oder Widersprüche nicht erforderlich, von höherer Gewalt iS des § 67 Abs 3 SGG ausgegangen ist (Urteil des 1. Senats des BSG vom 25. März 2003, B 1 KR 36/01 R, Presse-Vorbericht und Presse-Mitteilung des BSG Nr 15/03 vom 14. bzw 25. März 2003), handelt es sich offensichtlich um eine mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Konstellation.
Der Kläger kann nicht verlangen, über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als habe er fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. April 1999 eingelegt. Das BSG hat bereits entschieden, dass der Herstellungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn der Gesetzgeber die Folgen einer Verletzung der dem Sozialleistungsträger obliegenden Pflicht geregelt hat (BSGE 60, 158, 167 = SozR 1300 § 44 Nr 23). Dies ist für eine behauptete Pflichtverletzung, die zur Nichtanfechtung eines Bescheides führt, mit der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in § 67 SGG geschehen (vgl für die Versäumung einer Antragsfrist BVerwG in NJW 1997, 2966 zu § 27 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungs-verfahren ≪SGB X≫). Ein Herstellungsanspruch scheidet vorliegend aber auch aus, weil der Beklagten die Verletzung einer Auskunfts- oder Beratungspflicht nicht vorgehalten werden kann. Der die Frage der Berücksichtigung von Einmalzahlungen überhaupt nicht berührende Hinweis des Bescheides vom 19. April 1999, die Alg-Bemessung richte sich im Regelfall nach dem versicherungspflichtigen Entgelt aus den letzten zwölf Monaten, war nach seinem objektiven Erklärungsinhalt nicht unrichtig und in keiner Weise geeignet, ein Vertrauen des Klägers hervorzurufen, es sei hinsichtlich der Höhe des zuerkannten Alg ein Widerspruch nicht erforderlich.
War somit der Bescheid vom 19. April 1999 am 21. Juni 2000 bestandskräftig, ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, im Wege der Überprüfung gemäß § 44 Abs 1 SGB X iVm § 330 Abs 1 SGB III Einmalzahlungen für die Zeit vor dem 22. Juni 2000 zu berücksichtigen. Dies folgt aus § 434c Abs 1 SGB III iVm der Entscheidung des BVerfG vom 24. Mai 2000 (BVerfGE 102, 127 ff = SozR 3-2400 § 23a Nr 1). Hierzu hat bereits der 7. Senat des BSG näher ausgeführt, dass der Gesetzgeber die Anweisungen des BVerfG mit der Regelung des § 434c Abs 1 SGB III in vollem Umfang umgesetzt hat und diese Norm verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (Urteile vom 25. März 2003, B 7 AL 106/01 R – zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen – und B 7 AL 114/01 R). In den vorbezeichneten Urteilen hat der 7. Senat auch darauf hingewiesen, dass der Ausschluss der Erhöhung des Bemessungsentgelts für die Zeit vor dem 22. Juni 2000 in Fällen wie dem vorliegenden dem Rechtsgedanken des § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz entspricht und auch nach § 330 Abs 1 SGB III ein Anspruch auf Rücknahme einer bestandskräftigen Ablehnung einer höheren Leistung frühestens mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des BVerfG hätte geltend gemacht werden können. Ebenfalls hingewiesen hat der 7. Senat auf die Unmöglichkeit einer Korrektur nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dieser Rechtsprechung des 7. Senats schließt sich der erkennende Senat an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen