Entscheidungsstichwort (Thema)
Bescheidrücknahme. Vorschußzahlung. vorläufige Feststellung. Vorbehaltsbescheid. Auslegung eines Bescheides / Verwaltungsaktes (Vorbehalts). Vertrauensschutz bei Widerrufsvorbehalt
Orientierungssatz
1. Nach § 48 SGB 10 kann ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur wegen nachträglicher Änderung von Verhältnissen, die bei seinem Erlaß bestanden, für die Zukunft aufgehoben werden. Die Vorschrift berechtigt nicht zur Rücknahme aufgrund von nachträglich gewonnenen Erkenntnissen über rechtserhebliche Tatsachen, die objektiv bereits zZt der Entscheidung gegeben waren.
2. Ist die Versorgungsleistung nach § 60a Abs 1 S 1 iVm § 60a Abs 2 BVG endgültig festgestellt worden, so kann die getroffene Entscheidung aufgrund eines allgemeinen Widerrufsvorbehaltes nicht wie eine vorläufige Festsetzung, dh in entsprechender Anwendung des § 60a Abs 1 S 2 BVG, behandelt werden. Aus der Ausnahmevorschrift des § 60a Abs 1 S 2 BVG läßt sich keine allgemeine Befugnis ableiten, immer dann, wenn noch Ermittlungen über Voraussetzungen einer Versorgungsleistung erforderlich sind, aber der Versorgungsberechtigte an einer baldigen Auszahlung interessiert ist, den Anspruch bloß vorläufig mit einer Rechtsfolge entsprechend jener Vorschrift festzustellen.
3. Zur Auslegung bzw Umdeutung eines begünstigenden Verwaltungsaktes/Bescheides (hier: mit Widerrufsvorbehalt).
4. Der Versorgungsberechtigte kann auf den Bestand der erhaltenen Leistung vertrauen, wenn der Versorgungsverwaltung seit dem Erlaß des Bescheides, in dem sie den Berufsschadensausgleich vorbehaltlich der Prüfung nach § 30 Abs 5 BVG festgesetzt hat, mehrere Anpassungsbescheide erteilt hat, in denen der Berufsschadensausgleich vorbehaltlos nach § 30 Abs 3 und 4 BVG festgestellt wurde.
Normenkette
SGB 10 § 48 Fassung: 1980-08-18, § 47 Fassung: 1980-08-18; SGB 1 § 42 Fassung: 1975-12-11; BVG § 60a Abs 1 S 1; BVG § 60a Abs 1 S 2; BVG § 60a Abs 2; KOVVfG § 22 Abs 4; BVG § 30 Abs 3; BVG § 30 Abs 4; BVG § 30 Abs 5
Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 24.05.1982; Aktenzeichen S 1 V 505/81) |
Tatbestand
Der Kläger, der Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhält, bezieht seit 1977 eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der Arbeiterrentenversicherung. Er ist am 31. Januar 1978 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Mit Bescheid vom 21. Februar 1978 stellte das Versorgungsamt die Versorgungsbezüge ab 1. Januar 1976 neu fest, und zwar den Berufsschadensausgleich entsprechend der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter auch für die Zeit ab 1. Februar 1978 endgültig. Der Verwaltungsakt enthält den Zusatz: "Die Prüfung nach § 30 Abs 5 BVG erfolgt nach Eingang der Versichertenakten der Landesversicherungsanstalt. Insoweit ergeht der Bescheid unter Vorbehalt". Den dagegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger zurück. Im März 1978 ging die Versichertenakte beim Versorgungsamt ein. Nach weiteren Ermittlungen stellte die Behörde mit Bescheid vom 21. Dezember 1978 die Versorgungsbezüge ab 1. Januar 1979 neu fest, mit Bescheid vom 20. Dezember 1979 für die Zeit ab 1. Januar 1980 und mit Bescheid vom 18. Dezember 1980 für die Zeit ab 1. Januar 1981, jeweils ohne einen gleichen Vorbehalt wie zuvor. Im Bescheid vom 18. Februar 1981 berechnete das Versorgungsamt die Versorgungsbezüge ab 1. Februar 1978 nach § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu, und zwar entsprechend dem früheren Vorbehalt den Berufsschadensausgleich gemäß der Nachschadensregelung des § 30 Abs 5 BVG, weil der Kläger aus schädigungsunabhängigen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei; es forderte den bis 31. März 1981 überzahlten Betrag von 3.734,-- DM zurück. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 24. Mai 1982). Es hält den Kläger für verpflichtet, die überzahlten Berufsschadensausgleichs-Beträge zurückzuerstatten. Die Rücknahme der Entscheidung über diese ohne einen Nachschaden berechnete Versorgungsleistung und die Rückforderung der zuviel bezahlten Beträge habe sich der Beklagte im Bescheid vom 21. Februar 1978 vorbehalten. Zwar könne dieser Verwaltungsakt insoweit nicht mehr nach § 45 SGB X berichtigt werden. Auch die Voraussetzungen der Sondervorschrift des § 60a BVG, die vorrangig vor § 45 SGB X anzuwenden sei, seien nicht gegeben; der Berufsschadensausgleich des Klägers sei vielmehr von festen Einkommensbezügen abhängig. Gleichwohl habe der nach dieser Bestimmung zulässige allgemeine Rückforderungsvorbehalt die Verwaltung berechtigt, im Interesse des Klägers eine vorläufige Leistung zu gewähren, solange noch nicht abschließend über einen Anspruch hätte entschieden werden können. Die Versorgungsbehörde hätte noch umfangreiche Ermittlungen für die Entschließung anstellen müssen, ob der Kläger aus schädigungsunabhängigen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei, so daß die Nachschadensregelung nach § 30 Abs 5 BVG beachtet werden müsse. Der Rückforderungsanspruch sei aber nicht verwirkt; die Verwaltung sei während der drei Jahre nicht untätig gewesen und habe erhebliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des § 30 Abs 5 BVG gehabt.
Der Kläger hat die - vom SG zugelassene - Sprungrevision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 45 und 50 SGB X, des § 60a BVG und allgemeiner Rechtsgrundsätze über die Verwirkung. Ebenso wie die Rücknahme für die Vergangenheit und damit die umstrittene Rückforderung nicht nach dem SGB X berechtigt seien, könnten sie nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 60a BVG gestützt werden. Abgesehen davon sei der ausgesprochene Widerrufsvorbehalt nicht eindeutig genug gewesen. Schließlich wäre ein Rückforderungsanspruch, falls er doch hätte entstehen können, verwirkt. Die Verwaltung habe mit der neuen Entscheidung zu lange gewartet, als daß ihre Ermessensausübung noch vertretbar sein könnte. Der Kläger habe nach dem Erlaß von drei vorbehaltlosen Bescheiden nicht mehr mit einer Rückforderung zu rechnen brauchen.
Er beantragt, das Urteil des SG aufzuheben und den Bescheid vom 18. Februar 1981 insoweit zu ändern, als in ihm rückwirkend für die Zeit vom 1. Februar 1978 bis 31. März 1981 unter Rücknahme der entgegen- stehenden Bescheide der Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs 5 BVG niedriger festgestellt ist und 3.734,-- DM zurückgefordert worden sind.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Rücknahme der Entscheidung über den Berufsschadensausgleich nach § 48 SGB X und die Rückforderung daher nach § 50 SGB X weiterhin für berechtigt. Bezüglich der Verwirkung schließt er sich der Auffassung des SG an.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
Der Klage ist stattzugeben. Der Beklagte kann vom Kläger nicht 3.734,-- DM an überzahlten Versorgungsbezügen für die Zeit vom 1. Februar 1978 bis 31. März 1981 verlangen. Die Rückforderung kann insbesondere nicht auf die Vorschrift des § 50 Abs 1 SGB X vom 18. August 1980 (BGBl I 1469, 1980) gestützt werden, die seit dem 1. Januar 1981 anzuwenden ist (Art II § 40 Abs 1 und 2 Satz 1 und 2 SGB X). Insoweit waren die zuvor über den Berufsschadensausgleich ergangenen Bescheide nicht aufzuheben, was als Voraussetzung der Rückforderung auch streitig ist. Die Verwaltung durfte für die bezeichnete Zeit nicht gemäß der Nachschadensregelung des § 30 Abs 5 BVG (idF des Art 2 § 1 Nr 4 Buchstabe a des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 -BGBl I 3113-) abweichend von den früher nach § 30 Abs 3 und 4 BVG getroffenen Feststellungen neu entscheiden.
Dazu war sie insbesondere nicht aufgrund der §§ 44 ff SGB X berechtigt.
Von diesen Bestimmungen muß § 48 SGB X, die vom Beklagten ausschließlich benannte Rechtsgrundlage, außer Betracht bleiben. Nach dieser Vorschrift kann ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur wegen nachträglicher Änderung von Verhältnissen, die bei seinem Erlaß bestanden, für die Zukunft aufgehoben werden. Den Berufsschadensausgleich des Klägers hat die Verwaltung jedoch wegen seines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben, das bereits vor der Entscheidung vom 21. Februar 1978 eingetreten war, neu berechnet. § 48 SGB X berechtigt nicht zur Rücknahme aufgrund von nachträglich gewonnenen Erkenntnissen über rechtserhebliche Tatsachen, die objektiv bereits z Zt der Entscheidung gegeben waren (zu § 62 BVG aF: BSGE 7, 8).
Für andere Aufhebungsvorschriften, deren Anwendung immerhin zu erwägen ist, kann dahingestellt bleiben, ob die rechtsverbindlich gewordene Festsetzung des Berufsschadensausgleichs (§ 77 Sozialgerichtsgesetz -SGG-, § 24 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung -KOVVfG- idF der Bekanntmachung vom 6. Mai 1976 -BGBl I 1169-) rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Als rechtmäßige dürfte sie nicht nach § 47 SGB X, als rechtswidrige nicht nach § 45 SGB X für die Vergangenheit, dh für die Zeit vor Erlaß des angefochtenen Bescheides, aufgehoben werden.
Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach § 45 SGB X wäre gemäß Abs 3 Satz 1 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zulässig gewesen, war also in diesem Fall 1981 ausgeschlossen. Diese Frist beginnt für die vor dem 1. Januar 1981 ergangenen Bescheide, deren Aufhebung sich nach dem Inkrafttreten des SGB X nach dessen Vorschriften richtet (Art II § 40 Abs 2 Satz 2), mit deren Erlaß. Die Ausnahmeregelung des § 45 Abs 3 Satz 2 SGB X greift nicht durch; Wiederaufnahmegründe iS des § 580 Zivilprozeßordnung sind nicht erkennbar. Der begünstigende Bescheid durfte auch nicht gemäß Abs 3 Satz 3 iVm Abs 2 bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Dies wäre nach Abs 4 Satz 1 allein unter Voraussetzungen zulässig, die nach den verbindlichen Feststellungen des SG (§§ 163, 161 Abs 4 SGG) nicht gegeben sind. Der Kläger hat den ihn begünstigenden Bescheid weder durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung noch durch schuldhaft unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt noch eine Rechtswidrigkeit desselben gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs 2 Satz 3 SGB X), und ein Wiederaufnahmegrund ist, wie bereits dargelegt, nicht ersichtlich.
Falls der Berufsschadensausgleich richtig festgestellt worden war, dürfte er nach § 47 Abs 1 SGB X allein für die Zukunft widerrufen werden, für die Vergangenheit jedoch nach Abs 2 iVm § 45 Abs 4 SGB X bloß unter den zuvor behandelten Voraussetzungen, die nicht gegeben sind. Das gilt namentlich für einen Verwaltungsakt - wie den hier 1978 erlassenen -, in dem ein Widerruf vorbehalten war (§ 47 Abs 1 Nr 1 SGB X).
Das SG ist ferner mit Recht davon ausgegangen, daß der angefochtene Bescheid auf die Regelungen des § 60a Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 1 BVG (in der hier in Betracht kommenden Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juni 1976 -BGBl I 1633-) nicht unmittelbar gestützt werden kann. Diese gelten zwar weiterhin als abweichende Sonderbestimmungen neben den bereits behandelten Vorschriften des SGB X (§ 1 Abs 1 Satz 1 SGB X, §§ 31, 37, 5, 24, Art II § 1 Nr 11 SGB I vom 11. Dezember 1975 -BGBl I 3015-). Nach § 60a Abs 1 Satz 2 und Abs 5 Satz 1 BVG ist der Berufsschadensausgleich aber nur "in den übrigen Fällen", dh wenn keine "monatlich feststehenden Einkünfte", die anrechenbar sind, erzielt werden (§ 60a Abs 1 Satz 1), vorläufig festzusetzen und später endgültig festzustellen, wonach ein überzahlter Betrag zurückzuerstatten ist. Der Kläger bezog 1978 eine zu berücksichtigende Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit, deren monatlicher Betrag sich aus dem Gesetz ergab, mithin gemäß § 60a Abs 2 BVG "feststehende Einkünfte". In einem solchen Fall ist gerade die vom Einkommen beeinflußte Versorgungsleistung nach § 60a Abs 1 Satz 1 BVG endgültig festzustellen. Das ist auch 1978 geschehen.
Allein wegen dieser eindeutigen gesetzlich geregelten Rechtslage kann die damals getroffene Entscheidung auch nicht wie eine vorläufige Festsetzung, dh in entsprechender Anwendung des § 60a Abs 1 Satz 2 BVG, behandelt werden. Aus der Ausnahmevorschrift des § 60a Abs 1 Satz 2 BVG läßt sich keine allgemeine Befugnis ableiten, immer dann, wenn noch Ermittlungen über Voraussetzungen einer Versorgungsleistung erforderlich sind, aber der Versorgungsberechtigte an einer baldigen Auszahlung interessiert ist, den Anspruch bloß vorläufig mit einer Rechtsfolge entsprechend jener Vorschrift festzustellen. Diese besondere Regelungsbefugnis hat einen sehr begrenzten Zweck. Sie ist allein für Fälle bestimmt, in denen ein schwankendes Einkommen, das bei der Bemessung einer einkommensabhängigen Leistung zu berücksichtigen ist, noch nicht sicher für die Zukunft ermittelt werden kann, berechtigt jedoch nicht zur vorläufigen Feststellung, falls die rechtlichen Voraussetzungen für den Grund eines Anspruches dem zuständigen Verwaltungsbeamten noch unklar sind, und ermächtigt nicht zur nachträglichen Berichtigung von Entscheidungen über solche Anspruchsteile (BSGE 29, 200, 202 ff, insbesondere 204 ff = SozR Nr 5 zu § 60a BVG; vgl auch Urteil des erkennenden Senats vom 2. März 1983 - 9a RV 32/82). § 60a Abs 1 Satz 2 iVm Abs 5 BVG kann auf einen Fall wie den gegenwärtigen auch nicht dann entsprechend angewendet werden, wenn die Tatsachen, die die Höhe der dem Grunde nach zu beanspruchenden Leistung bestimmen, bereits feststehen, aber von der Verwaltung noch nicht vollständig ermittelt und für die maßgebende Berechnungsweise gewürdigt worden sind.
Ein Erstattungsanspruch besteht schließlich nicht infolge einer Berichtigung, die aufgrund einer anderen vorläufigen Festsetzung oder einer Vorschußzahlung berechtigt gewesen wäre.
Für Fälle wie den gegenwärtigen besteht gar kein Bedürfnis nach einer Analogie, wie sie das SG für zulässig und geboten hält. Sie ließen sich 1978 bis Ende 1980 kraft gesetzlicher Ermächtigung durch Vorschüsse befriedigend regeln. Aber auch die dazu bestehenden Vorschriften, auf die der Bescheid vom 21. Februar 1978 allerdings gar nicht gestützt worden ist, rechtfertigen die umstrittene nachträgliche Änderung nicht.
Nach den Sonderbestimmungen des § 42 SGB I und des § 22 Abs 4 KOVVfG, die auch 1978 bis 1980 galten (zu § 22 Abs 4 KOVVfG: Art II § 10 SGB I, Art II § 16 SGB X), kann bei vorläufiger Unklarheit über einen Leistungsanspruch ein Vorschuß gezahlt werden; dieser wird später auf die dem Empfänger zustehende Leistung angerechnet, ein überzahlter Betrag ist dann zurückzuerstatten (§ 42 Abs 2 SGB I; BSGE 7, 226, 228). Sogar die engere Voraussetzung für eine Vorschußzahlung nach § 42 SGB I, daß der Anspruch dem Grunde nach bestand, daß aber für die Feststellung der Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist (Abs 1 Satz 1), wäre im Fall des Klägers 1978 gegeben gewesen.
Jedoch erscheint es sehr bedenklich, den "Vorbehalt" einer "Prüfung nach § 30 Abs 5 BVG", der im Bescheid vom 21. Februar 1978 ausgesprochen wurde, im Wege der Auslegung, die auch dem Revisionsgericht obliegt (BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5), in eine Vorschußzahlung nach § 42 SGB I oder in eine Vorbehaltsregelung nach § 22 Abs 4 KOVVfG umzudeuten. Der Verwaltungsakt muß so ausgelegt werden, wie er nach dem objektiven, im Ausspruch geäußerten Erklärungswillen und -wert von einem verständigen Empfänger aufzufassen ist (zB BSGE 17, 124, 126 f = SozR Nr 1 zu Art 2 § 1 AnVNG; BSGE 44, 114, 118 f = SozR 2200 § 886 Nr 1; BSGE 48, 59; SozR Nr 39 zu § 54 SGG; Nr 42 zu § 62 BVG; 7860 § 10 Nr 10). Bescheide müssen im Verfügungssatz, notfalls ergänzt durch die Begründung (§ 22 Abs 2 Satz 1 KOVVfG; jetzt § 35 SGB X), bestimmt, klar, verständlich, vollständig und widerspruchsfrei sein (BSGE 37, 114, 116 = SozR 2200 § 1399 Nr 1; BSGE 45, 38, 40 = SozR 4100 § 40 Nr 17; Schönleiter/Hennig, Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, 2. Aufl 1969, § 22 RdNr 6; vgl auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts -BVerwG-: Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl 1980, § 37, RdNrn 2, 4 und 9; jetzt § 33 Abs 1 SGB X). Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (BSGE 11, 57, 59; 37, 155, 160 = SozR 4600 § 143 f Nr 1; BSGE 42, 184, 189 = SozR 4100 § 152 Nr 3; BSGE 48, 120, 125 = SozR 4100 § 152 Nr 9; BSG, Bundesversorgungsblatt 1965, 122; zu § 335a LAG: BVerwG Buchholz 427.3 § 335a LAG Nrn 49 und 51; weitere Rechtsprechung zitiert bei Kopp, aaO, § 37, RdNr 5). Der Wortlaut des Bescheides vom 21. Februar 1978 mußte aber nicht ohne weiteres dem Empfänger nach üblichem Sprachgebrauch die Vorstellung verschaffen, er müsse damit rechnen, daß der Berufsschadensausgleich später bei einer endgültigen Entscheidung auch niedriger zuerkannt werden könnte und daß der Kläger dann einen etwa überzahlten Vorschußbetrag zurückerstatten müsse (vgl dazu BSGE 23, 259, 264 f = SozR Nr 2 zu § 93 RKG; BSG Arbeits- und Sozialrecht 1963, 156; zu § 335a Abs 1 Satz 1 LAG: Kühne/Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe B - Ausgleichsleistungen -, II, § 335a, Anm 4). Schon die Bezeichnung der Feststellung als "endgültig" ließ es fraglich erscheinen, in welchem Verhältnis dazu der "Vorbehalt" stehen sollte. Auch waren Inhalt und Ausmaß des "Vorbehalts" möglicherweise nicht so klar und vollständig angegeben, wie dies § 22 Abs 4 Satz 2 KOVVfG fordert.
Jedenfalls hat aber bereits der erste vorbehaltlose Anpassungsbescheid vom 21. Dezember 1978 einen etwa wirksam gewesenen Vorbehalt ausgeräumt. In diesen Verwaltungsakt wurde dem Kläger der Berufsschadensausgleich erneut nach § 30 Abs 3 und 4 BVG zuerkannt, aber ohne jegliche Einschränkung. Der vorgedruckte Vermerk, daß eine "Richtigstellung der (maschinell) neu berechneten Versorgungsbezüge" vorbehalten bleibe, "falls Bezüge in unrichtigem Umfang zahlbar gemacht wurden", hat mit der besonderen Sachlage dieses Falles, die für die Berichtigung und Rückforderung bedeutsam ist, nichts zu tun. Er betrifft, falls er vollwirksam ist, eine Einschränkung für die in einem vereinfachten Verfahren hergestellten Bescheide, aber nicht für Einzelfallentscheidungen, denen auch eine individuelle Prüfung des Falles zugrunde liegt, wie die nach § 30 Abs 3 und 4 oder Abs 5 BVG im Fall des Klägers. Der Kläger konnte nach allgemeiner Erfahrung mit dem Eingang der Versichertenakten nach einigen Wochen, spätestens aber nach zehn Monaten rechnen. Im Dezember 1978 mußte ihm die gleichartige Berechnung des Berufsschadensausgleichs den Eindruck verschaffen, das Versorgungsamt habe inzwischen anhand der Versichertenakten geprüft und intern entschieden, daß die Nachschadensregelung des § 30 Abs 5 BVG nicht anzuwenden ist. Falls die Verwaltung nicht allein nach Eintritt dieser ausdrücklich benannten Bedingung, von der sie den "Vorbehalt" abhängig gemacht hat, glaubte, endgültig über die Berechnungsweise nach § 30 Abs 3 bis 5 entscheiden zu können, hätte sie ihren ursprünglichen "Vorbehalt" durch einen entsprechenden Zwischenbescheid klärend ergänzen müssen. Die beiden weiteren Anpassungsbescheide, in denen der Berufsschadensausgleich ebenfalls vorbehaltlos nach § 30 Abs 3 und 4 BVG festgestellt wurde, mußten beim Kläger die Überzeugung verstärken, der fragwürdige "Vorbehalt" einer Prüfung nach § 30 Abs 5 BVG sei jedenfalls nunmehr gegenstandslos. Schon gar nicht kann dem Kläger angelastet werden, er hätte mit der Aufrechterhaltung des Vorbehaltes fast drei Jahre lang deshalb rechnen müssen, weil die Verwaltung juristische Schwierigkeiten mit der Auslegung des § 30 Abs 5 BVG hatte. Das Vertrauen des Klägers darauf, daß mit einer - vorbehaltenen - Neuberechnung nach dieser Vorschrift nicht mehr zu rechnen war, war seit den Anpassungsbescheiden um so eher berechtigt, als sogar ein klarer, wirksamer und rechtmäßiger Widerrufsvorbehalt nach viel kürzerer Zeit, in der ein Vertrauen auf den Bestand der erhaltenen Leistungen begründet worden war, nicht mehr zu Lasten des Empfängers ausgenutzt werden darf, wie ein an sich bestehendes Recht zur Berichtigung und Rückforderung verwirkt werden kann (vgl zB BSGE 35, 91, 94 ff = SozR Nr 31 zu § 41 VerwVG; BSG SozR 3900 § 41 Nr 1; 3900 § 47 Nrn 3, 4 und 5; Bundesversorgungsblatt 1972, 73; vgl dazu auch BSGE 7, 226, 228, 229; 19, 100, 102 ff = SozR Nr 21 zu § 41 VerwVG; SozR Nr 82 zu § 77 SGG; Nr 11 zu § 1744 RVO).
Auf eine Verwirkung selbst kommt es bei der dargelegten Rechtslage nicht an. Die Rückforderung des als überzahlt bezeichneten Betrages und die zugrundeliegende Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs müssen allein deshalb aufgehoben werden, weil der "Vorbehalt" einer Prüfung nach § 30 Abs 5 BVG jedenfalls durch die späteren Anpassungsbescheide unwirksam geworden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen