Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereiterklärung zur Beitragsnachentrichtung. altes oder neues Recht. Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
Mit der Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 2 SGG kann Klärung begehrt werden, nach welchem Recht (RVO oder SGB 6) nachzuentrichtende Beiträge auf eine Rente angerechnet werden.
Auch durch Bereiterklärung zur Beitragsnachentrichtung bis 31.12.1991 kann ein Versicherter die Voraussetzungen für die Gewährung der Rente aus den Nachentrichtungsbeiträgen nach altem Recht erfüllen, selbst wenn die Beiträge erst nach dem 31.12.1991 entrichtet werden.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGG § 55 Abs. 2; SGB VI § 300 Abs. 2; RVO §§ 1418, 1420; SGB X § 31
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 1996 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. März 1996 zurückgewiesen.
Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. März 1996 wird wie folgt neu gefaßt:
„Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1995 wird geändert. Es wird festgestellt, daß bei Verlegung des Versicherungsfalles des Alters auf den 31. Dezember 1991 für das Altersruhegeld der Klägerin Beiträge, die sie für die Zeit von Juli bis Dezember 1991 nachentrichtet, mit dem Wert angerechnet werden, der sich bei Anwendung der Vorschriften der RVO ergibt.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.”
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob nachzuentrichtende Beiträge nach den für die Klägerin günstigeren Vorschriften der RVO oder in Anwendung des SGB VI anzurechnen sind.
Die 1924 geborene und in Israel lebende Klägerin israelischer Staatsangehörigkeit ist Verfolgte iS des § 1 BEG. Im Dezember 1989 beantragte sie die Gewährung von ARG, die Anrechnung von Zeiten gemäß dem FRG sowie die Zulassung zur Beitragsnachentrichtung. Sie gab an, alle Rechte auf Nachentrichtung bzw freiwillige Weiterversicherung ausüben zu wollen, die sich durch die am 1. Januar 1990 in Kraft tretenden Vorschriften des RRG 1992 eröffneten. Sie erklärte sich bereit, Beiträge im erforderlichen Umfang zu entrichten, um eine Auszahlung aus den FRG-Zeiten in das Ausland zu erreichen. Die endgültige Konkretisierung wollte sie nach vollständiger Klärung des Versicherungsverlaufs vornehmen. Durch Bescheid vom 12. Januar 1994 ließ die Beklagte die Klägerin zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß § 22 WGSVG idF des RRG 1992 zu und bat um Konkretisierung des Nachentrichtungsantrags bis 31. Juli 1994. Mit Schreiben vom 1. Februar 1994 konkretisierte die Klägerin ihren Beitragsnachentrichtungsantrag dahingehend, daß sie um Zulassung zur Nachentrichtung gemäß § 22 WGSVG zwischen Februar 1971 und Dezember 1989 bat; gemäß § 1233 RVO wollte sie von Januar 1990 bis Juni 1991 Mindestbeiträge entrichten. Den Versicherungsfall verschob sie auf den 30. Juni 1991. Durch weiteres Schreiben vom 30. August 1994 beantragte sie die Zulassung zur Zahlung freiwilliger Beiträge gemäß § 1233 RVO auch für die Monate Juli bis Dezember 1991. Zugleich verschob sie den Versicherungsfall auf den 31. Dezember 1991, wobei sie davon ausging, daß aufgrund des Urteils des BSG vom 23. Juni 1994 (4 RA 70/93 – SozR 3-2600 § 300 Nr 3) das alte Recht Anwendung finde.
Mit Bescheid vom 16. September 1994 ließ die Beklagte die Klägerin im beantragten Umfang zur Beitragsnachentrichtung gemäß § 22 WGSVG und freiwilligen Versicherung nach § 7 iVm § 300 SGB VI zu. Sie räumte eine Zahlungsfrist bis 31. März 1995 bzw eine Teilzahlungsfrist bis 30. September 1995 ein und stellte in den „sonstigen Mitteilungen und Hinweisen” bei Einhaltung der besonderen Zahlungsfrist in Aussicht, die Nachentrichtungs- und freiwilligen Beiträge hinsichtlich der Beitragshöhe rechtlich so zu behandeln, als seien sie am 1. Januar 1990 entrichtet worden; dieser Zeitpunkt sei unter Umständen auch für den Rentenbeginn bzw den Beginn der Zahlung der erhöhten Rente von Bedeutung.
Durch weiteren Bescheid vom 19. Dezember 1994 lehnte die Beklagte die Rentenberechnung nach den Vorschriften der RVO für den Fall einer Beitragsnachentrichtung für Zeiten bis 31. Dezember 1991 ab, weil ein Leistungs- bzw Rentenzahlungsanspruch frühestens ab 1. Januar 1992 entstehe; Rentenbeginn sei der 1. Januar 1992. Dem Urteil des BSG vom 23. Juni 1994 könne nicht gefolgt werden. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 19. Dezember 1994, den die Beklagte nach Erteilung eines ARG-Bescheides am 17. Juli 1995 durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 1995 zurückwies, weil die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch am 31. Dezember 1991 nicht vollständig vorgelegen hätten, sondern teilweise erst rückwirkend – durch Beitragsnachentrichtung – erfüllt würden. Würden Beiträge erst nach dem Rentenbeginn gezahlt, so werde die Leistung auch erst mit der tatsächlichen Zahlung fällig (Urteil des BSG vom 9. September 1982 – 5b RJ 68/81 – SozR 1200 § 44 Nr 5). Würden für die Monate bis Dezember 1991 nachträglich Beiträge gezahlt werden, so könne der Anspruch auf die Monatsrente für Januar 1992 nicht schon am 31. Dezember 1991 fällig geworden sein, so daß die Rente auch nur nach den Bestimmungen des SGB VI berechnet werden könne.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1995 aufgehoben und festgestellt, daß bei Eintritt des Versicherungsfalls im Dezember 1991 bei der Rentenberechnung die Vorschriften der RVO anzuwenden seien (Urteil vom 7. März 1996). Das LSG hat die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen und ausgeführt: Anders als in dem dem Urteil des BSG vom 23. Juni 1994 (4 RA 70/93 – SozR 3-2600 § 300 Nr 3) zugrundeliegenden Fall, in dem bereits im Dezember 1991 alle gesetzlichen Erfordernisse für die Gewährung des ARG vorgelegen hätten, könne hier die Rente erst nach Einzahlung der weiteren freiwilligen Beiträge gewährt werden. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Altersrente unter Berücksichtigung der noch zu entrichtenden Beiträge könne frühestens ab dem im August 1994 gestellten Antrag auf Entrichtung weiterer freiwilliger Beiträge entstehen, also fällig werden. Auch bei Annahme eines Versicherungsfalls im Dezember 1991 sei der Anspruch nicht bis spätestens 31. März 1992 geltend gemacht (§ 300 Abs 2 SGB VI). Denn die hier streitige höhere Leistung sei erstmals im August 1994 von der Klägerin beantragt worden. Schließlich folge aus § 300 Abs 3 SGB VI, daß unter „Anspruch” iS des § 300 Abs 2 SGB VI der jeweils geltend gemachte Anspruch in seiner vollen Höhe zu verstehen sei. Bei der Frage, ob altes oder neues Recht gelte, komme es nicht darauf an, daß der Rentenanspruch als solcher schon vor dem 1. Januar 1992 bestanden habe; entscheidend sei vielmehr, wann die erhöhte Leistung geltend gemacht werde. Dahinstehen könne, ob die gemäß § 22 WGSVG nachzuentrichtenden Beiträge als mit dem Zeitpunkt der Erklärung der Bereitschaft zur Nachentrichtung als geleistet gelten; denn die Klägerin habe sich im August 1994 zum erstenmal zur Leistung der – hier entscheidenden – freiwilligen Beiträge auch für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1991 bereit erklärt, nachdem sie zuvor nur eine Nachentrichtung bis 30. Juni 1991 beantragt gehabt habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 1248, 1290, 1233, 1318, 1420 RVO und der §§ 197, 198, 302 (gemeint offenbar: 300) und 306 SGB VI. Sie ist der Auffassung: Die Beklagte habe im Bescheid vom 16. September 1994 zugesichert, daß die fristgemäß zu § 22 WGSVG entrichteten Beiträge hinsichtlich der Beitragshöhe rechtlich so behandelt würden, als seien sie am 1. Januar 1990 (Inkrafttreten des WGSVG) entrichtet worden. Inhaltlich bedeute dies, daß auf dem Versicherungskonto der Beklagten die Beiträge vom 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1989 bereits am 1. Januar 1990 vorhanden gewesen seien. Für die im Bescheid vom 16. September 1994 gemäß § 1233 RVO zugelassene Beitragsentrichtung ab 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1991 habe die Beklagte eine Einzahlungsfrist nicht gesetzt, für den Fall der Einzahlung bis zum 31. März 1995 aber die Zusicherung wie zu § 22 WGSVG abgegeben; sie sei im Rentenbescheid für die Bewertung der fristgemäß eingezahlten Beiträge für die Zeit 1. Januar 1990 bis 30. Juni 1991 auch so verfahren. Diese Zusicherung sei auch rechtmäßig gewesen. Zwar seien die freiwilligen Beiträge ab Januar 1990 nicht gemäß § 1418 Abs 1 RVO innerhalb eines Kalenderjahres eingezahlt worden. Gemäß § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO stehe der Entrichtung der Beiträge aber die Bereiterklärung des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger gleich, wenn die Beiträge innerhalb angemessener Frist eingezahlt würden. Mit ihrem im Dezember 1989 gestellten Antrag habe die Klägerin aber nicht nur den Wunsch auf freiwillige Weiterversicherung allgemein geäußert, sondern wörtlich erklärt, daß sie für 1989 freiwillige Mindestbeiträge einzahlen wolle. Darüber hinaus habe sie sich bereit erklärt, entsprechende Beiträge in dem für eine Auslandszahlung aus den FRG-Zeiten erforderlichen Umfang zu entrichten. Die Anträge der Klägerin auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung, freiwilligen Weiterversicherung und Anerkennung der FRG-Zeiten seien im Zusammenhang zu lesen und stünden in Verbindung mit dem nach Israel zu zahlenden Rentenanspruch. Solange die Beklagte die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Beitragsnachentrichtung an sich nicht geklärt gehabt habe, habe die Klägerin auch trotz erklärter Bereitschaft die Beiträge nicht einzahlen können. Ihr Versicherungsverlauf sei mit Dezember 1991 abgeschlossen, wie die Beklagte dies mit der bis 30. Juni 1991 erfolgten Beitragsentrichtung bisher auch für Juni 1991 angenommen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. März 1996 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des LSG hat die Klägerin Anspruch darauf, daß von ihr nachentrichtete Beiträge für die Monate Juli bis Dezember 1991 bei Verlegung des Versicherungsfalls auf den 31. Dezember 1991 noch nach dem Wert angerechnet werden, der sich aus den Vorschriften der RVO ergibt. Die gegenteilige Auskunft der Beklagten, daß bei einer Neufeststellung der Rente unter Anrechnung weiterer nachzuentrichtender Beiträge das SGB VI anzuwenden sei, ist fehlerhaft. Den dies feststellenden Verwaltungsakt (Bescheid vom 19. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1995) hat das SG im Urteil vom 7. März 1996 zu Recht aufgehoben. Diese Entscheidung war auf die Revision der Klägerin mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die im Bescheid vom 19. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1995 enthaltene Auskunft der Beklagten, daß „im Falle einer Beitragsnachentrichtung für Zeiten bis zum 31.12.1991 die Rentenberechnung nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften der RVO durchzuführen, … nicht entsprochen werden” könne. Nur insoweit ist der Bescheid, der zugleich die Aussage enthält, „Rentenbeginn ist der 01.01.1992”, von der Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 17. Januar 1995 angefochten worden. Unzutreffend ist die Annahme im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. September 1995, daß auch der ARG-Bescheid vom 17. Juli 1995 Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei. Denn durch diesen Bescheid wurde der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 1994 nicht iS des § 86 Abs 1 1. Halbsatz SGG „abgeändert”.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Mit der Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1995 begehrt die Klägerin die Aufhebung der Auskunft der Beklagten, die Vorschriften des SGB VI seien für die Bewertung der nachzuentrichtenden Beiträge von Juli bis Dezember 1991 zugrunde zu legen. Zwar ist eine von einer Behörde erteilte Auskunft kein Verwaltungsakt, weil – anders als in § 31 SGB X definiert – diese nicht der Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen dient. Sie enthält lediglich eine informatorische Mitteilung über die rechtlichen Verhältnisse (vgl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl, § 9 RdNr 62, S 213). Als Realakt kann die Auskunft mithin nicht Gegenstand einer Anfechtungsklage sein. Wenn allerdings die Behörde – wie hier die Beklagte – sich der Form nach trotz fehlender rechtlicher Voraussetzungen zur Übermittlung ihrer Rechtsauffassung eines formell als Verwaltungsakt ausgestalteten Bescheides bedient, ist die Anfechtungsklage im Hinblick auf diese von ihr gewählte Handlungsform – allerdings auch nur insoweit – statthaft (vgl BSG Urteil vom 30. Juni 1997 – 4 RA 2/97 – mwN).
Statthaft ist auch die Feststellungsklage. Gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Klage ua die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter Abs 1 Nr 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind (§ 55 Abs 2 SGG). Die Klägerin begehrt Klärung, ob die Beklagte nachzuentrichtende Beiträge für die Zeit von Juli bis Dezember 1991 – bei dem zugesicherten Rentenbeginn am 1. Januar 1992 – noch nach dem Wert anzurechnen hat, der sich in Anwendung der Vorschriften der RVO ergibt. Dieses die wertmäßige Anrechnung von Beiträgen betreffende Begehren unterfällt § 55 Abs 2 SGG. Denn die Vorschrift soll dem verstärkten Bedürfnis des Versicherten nach verbindlichen Vorabklärungen vor späteren Rentenfeststellungen Rechnung tragen (vgl BSG Urteil vom 25. Oktober 1984 – 11 RA 59/83 – SozR 1500 § 55 Nr 25).
An der Klärung hat die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse im Hinblick auf die unterschiedlich ausgestalteten Rechtsvorschriften der RVO und des SGB VI sowie im Hinblick auf die gegenteilige Auskunft der Beklagten. Durch diese Auskunft hat die Beklagte in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren konkreten Anlaß gegeben, eine Klärung der wertmäßigen Anrechnung der nachzuentrichtenden Beiträge herbeizuführen.
Die Klage ist auch begründet. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind weitere nachentrichtete Beiträge für die Monate Juli bis Dezember 1991 bei Verlegung des Versicherungsfalls auf den 31. Dezember 1991 nach den Vorschriften der RVO anzurechnen.
Zwar bestimmt § 300 Abs 1 SGB VI als Grundsatz für die Anwendung neuen Rechts, daß die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an (1. Januar 1992) auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Ausnahmsweise sieht Abs 2 der Vorschrift aber vor, daß die durch das SGB VI ersetzten Vorschriften (hier: die Bestimmungen der RVO über ARG) auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung (Beginn des 1. Januar 1992, s unten) noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn dieser bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Das Begehren der Klägerin unterfällt der letztgenannten Regelung.
Die Klägerin hat ihren Beitragsnachentrichtungs- und ARG-Antrag im Dezember 1989 und damit vor Ablauf der Frist des § 300 Abs 2 SGB VI gestellt. Ihr Anspruch sowohl auf Zulassung zur Beitragsnachentrichtung als auch auf ARG hat auch bereits im Zeitpunkt der Aufhebung des 4. Buches der RVO bestanden. Gemäß Art 6 Nr 24 RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) wurden die Vorschriften des 4. Buches RVO gestrichen. Nach Art 85 Abs 1 RRG 1992 trat dieses Gesetz – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen – „am 1. Januar 1992 in Kraft”. Hieraus ergibt sich als Zeitpunkt der Streichung des 4. Buches RVO und damit auch der Aufhebung iS des § 300 Abs 2 SGB VI der „Beginn des 1. Januar 1992” (vgl Senatsurteil vom 21. Februar 1996 – 5 RJ 54/95 – SozR 3-2600 § 300 Nr 6). Dies hat zur Folge, daß auf einen Anspruch, der bis zum Beginn des 1. Januar 1992 entstanden ist, noch die aufgehobenen Vorschriften der RVO anzuwenden sind.
Unter der Voraussetzung, daß die Klägerin die Beiträge für das zweite Halbjahr 1991 noch tatsächlich entrichtet, ist der Anspruch „bis zum Ablauf des 31. Dezember 1991” entstanden. Gemäß § 40 Abs 1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Aufgrund von § 1248 Abs 5 RVO erhielt ARG der Versicherte, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach Abs 7 Satz 3 der Vorschrift erfüllt hatte. Diese Leistungsvoraussetzungen waren bei der Klägerin – auch bezogen auf die nachzuentrichtenden Beiträge für die Monate Juli bis Dezember 1991 bei Verschiebung des Versicherungsfalls auf den 31. Dezember 1991 – noch im Jahr 1991 gegeben.
Daß zwischen dem Ablauf eines bestimmten Zeitraumes und dem Beginn eines nachfolgenden Zeitraumes im dargestellten Sinn rechtlich zu unterscheiden ist und dementsprechend auch die Rechtsfolgen, die an das eine oder das andere Kriterium geknüpft sind, voneinander zu trennen sind, selbst wenn Ablauf und Beginn in tatsächlicher Hinsicht zusammenfallen, zeigte die Regelung des § 1290 RVO. Da hier der Gesetzgeber für die Rentengewährung einerseits in Abs 1 Satz 1 auf den „Ablauf des Monats” abhob, andererseits in Abs 1 Satz 2 2. Alternative, Abs 2 und Abs 3 Satz 1 den „Beginn des Antragsmonats” für maßgebend erklärte, konnte dieser differenzierte Wortgebrauch in unmittelbarem gesetzessystematischen Zusammenhang nur so verstanden werden, daß damit auch unterschiedliche Sinngehalte und Normierungswirkungen gemeint waren. Wenn § 1290 Abs 1 Satz 1 RVO bestimmte, daß die Rente grundsätzlich vom Ablauf des Monats an zu gewähren war, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt waren, hieß das demzufolge, daß es für die Frage der Erfüllung des Leistungstatbestandes auf einen anderen Zeitraum ankam als für die reale Durchführung der Leistung. Der „Ablauf” eines Monats als dessen letzter zeitlicher Abschnitt gehört aber noch zu diesem Monat. Denn für die Zeiteinheit „Monat” kann nichts anderes gelten als für die Zeiteinheit „Tag”, für die anerkannt ist, daß auch der Zeitpunkt des Ablaufs rechtlich noch zu ihr gehört (BAG Urteil vom 16. Juni 1966 – 5 AZR 521/65 – BAGE 18, 345; vgl auch Senatsurteil vom 21. Februar 1996 – 5 RJ 54/95 – SozR 3-2600 § 300 Nr 6). Schließlich bestimmte der § 1297 Satz 1 RVO, daß die Rente in monatlichen Beträgen „im voraus” zu zahlen war, dh jeweils vor Beginn des Monats, für den die einzelnen Monatszahlungen als Unterhaltsersatzleistungen gedacht waren. Damit setzte die RVO gedanklich voraus, daß der Einzelanspruch auf die monatliche Rentenleistung noch im letzten Augenblick des vorangehenden Monats entstand und fällig wurde (vgl Senatsurteil, aaO; für § 74 Satz 1 AVG: BSG Urteile vom 23. Juni 1994 – 4 RA 70/93 – SozR 3-2600 § 300 Nr 3 S 6 und vom 22. Februar 1995 – 4 RA 88/94 – nicht veröffentlicht).
Daß die Beklagte selbst von der Erfüllung aller Voraussetzungen für die Gewährung des – höheren – ARG am 31. Dezember 1991 ausgegangen ist, ist ihrer Zusicherung im Bescheid vom 19. Dezember 1994 zu entnehmen, Rentenbeginn sei der 1. Januar 1992.
Bei dem ab 1. Januar 1992 zu gewährenden ARG sind nicht nur die für die Zeit bis 30. Juni 1991, sondern auch die für die Monate Juli bis Dezember 1991 zahlbaren Beiträge so zu berücksichtigen, als seien sie vor dem 1. Januar 1992 entrichtet worden. Zur Entrichtung freiwilliger Beiträge auch für die Monate Juli bis Dezember 1991 hat die Beklagte die Klägerin im Bescheid vom 16. September 1994 ohne Bestimmung einer Einzahlungsfrist zugelassen. Werden diese Beiträge nachentrichtet, handelt es sich um eine wirksame Entrichtung iS des § 1418 Abs 1 RVO. Denn gemäß § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO steht der Entrichtung der Beiträge die Bereiterklärung des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger gleich, wenn die Beiträge innerhalb angemessener Frist eingezahlt werden. Diese Bereiterklärung hat die Klägerin bereits im Dezember 1989 abgegeben. Die angemessene Frist zur Beitragsnachentrichtung ist noch nicht verstrichen. Darüber, ob sie von der (weiteren) Möglichkeit der Beitragsnachentrichtung Gebrauch machen will, kann die Klägerin nämlich sinnvollerweise erst entscheiden, wenn feststeht, ob sich die Beitragsentrichtung vorteilhaft auswirkt.
In Übereinstimmung damit, daß bei der Klägerin hiernach am 31. Dezember 1991 – die tatsächliche Beitragsentrichtung vorausgesetzt – sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung des ARG erfüllt waren, hat die Beklagte der Klägerin in den dem Bescheid vom 16. September 1994 beigefügten „sonstigen Mitteilungen und Hinweisen” auch konkret in Aussicht gestellt, daß die nach § 22 WGSVG entrichteten Beiträge rechtlich so behandelt würden, als seien sie am 1. Januar 1990 entrichtet worden. Eine gleichlautende Erklärung hat sie hinsichtlich der Entrichtung freiwilliger Beiträge gemäß „§ 7 iVm § 300 SGB VI” (entspricht § 1233 RVO) für die Zeit Januar 1990 bis Dezember 1991 für den Fall abgegeben, daß die Beiträge bis 31. März 1995 eingezahlt würden. Nur in dieser Weise konnte die Klägerin als Adressatin auch des Bescheids vom 19. Dezember 1994, der ihr den Rentenbeginn am 1. Januar 1992 zusicherte, insbesondere die Ankündigung verstehen, die nachzuentrichtenden Beiträge würden hinsichtlich der Beitragshöhe so behandelt, als seien sie am 1. Januar 1990 entrichtet worden; dieser Zeitpunkt sei unter Umständen auch für den Rentenbeginn bzw den Beginn der Zahlung der erhöhten Rente von Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
SozR 3-1500 § 55, Nr.29 |
SozSi 1998, 397 |