Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittelverzicht. Ausführungsbescheid. zumutbare Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der dem Urteil des SG entsprechende Bewilligungsbescheid enthält, auch wenn er nicht als Ausführungsbescheid zu erkennen ist, nicht notwendig ein Anerkenntnis oder einen Rechtsmittelverzicht.

2. Grundsätzlich gibt es in der Arbeitslosenversicherung keinen Berufsschutz in dem Sinne, daß der Arbeitslose verlangen könnte, ausschließlich in seinem erlernten, überwiegend oder zuletzt ausgeübten Beruf vermittelt zu werden (BSG 1977-06-22 7 RAr 131/75 = SozR 4100 § 119 Nr 3). Der Arbeitslose muß vielmehr von vornherein auch für verwandte und andere zumutbare Tätigkeiten arbeitsbereit sein, bei denen ein beruflicher Nachteil für die Zukunft nicht zu erwarten ist (BSG 1975-06-03 - 7 RAr 81/74 = Dienstbl BA C AFG § 101 Nr 1945a). Für die Zumutbarkeit in diesem Sinne kommt es auf die Gleichwertigkeit an (vgl BSG 1977-06-22 7 RAr 131/75 = SozR 4100 § 119 Nr 3).

 

Normenkette

SGG § 96 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 101 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, Nr. 2 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 06.05.1977; Aktenzeichen L 1 Ar 45/76)

SG Kiel (Entscheidung vom 29.07.1976; Aktenzeichen S 5 Ar 78/76)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 6. Mai 1977 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit Mai 1971 mit Unterbrechungen als Krankenpflegehelferin tätig. Nach der Geburt einer Tochter am 9. Mai 1975 gab sie ihre Beschäftigung im Juli 1975 auf. Sie beantragte am 20. August 1975 Arbeitslosengeld (Alg) und meldete sich arbeitslos. Dazu gab sie an, sie könne nur noch 4 1/2 Stunden täglich arbeiten, und zwar von 8.30 bis 13.00 Uhr. Der Hauptvermittler des Arbeitsamtes wies sie am 8. September 1975 darauf hin, daß die von ihr gewünschte Arbeitszeit im Beruf der Krankenpflegehelferin nicht üblich sei. Darauf erklärte die Klägerin, sie möchte in ihrem Beruf als Krankenpflegehelferin arbeiten und lehne andere Tätigkeiten, zB als Verkäuferin, ab.

Das Arbeitsamt lehnte deshalb mit Bescheid vom 10. September 1975 den Alg-Antrag ab. Auf der als Entwurf gekennzeichneten Abschrift des Bescheides in den Leistungsakten ist keine Absendung vermerkt. Das Arbeitsamt bat mit Schreiben vom 4. Dezember 1975 die Klägerin um Mitteilung, ob sie noch an einer Vermittlung interessiert sei. In ihrem Schreiben vom 8. Dezember 1975 bejahte die Klägerin dies und führte weiter aus, sie erkenne den Zwischenbescheid, daß eine Arbeitszuweisung nicht möglich sei, nicht an. Nur aus finanziellen Gründen habe sie ihren Anspruch bisher nicht gerichtlich geltend machen können. Für eine nochmalige Überprüfung der Ablehnung sei sie dankbar. Das Arbeitsamt sah dieses Schreiben als Widerspruch gegen sein Schreiben vom 4. Dezember 1975 an und verwarf ihn mit Bescheid vom 24. März 1976 als unzulässig, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 29. Juli 1976 die angefochtenen Bescheide vom 10. September 1975 und 24. März 1976 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Bescheid zu erteilen, nach welchem ihr Alg auf ihren Antrag vom 20. August 1975 zu gewähren ist.

Mit Bescheid vom 1. September 1976 hat das Arbeitsamt der Klägerin ab 20. August 1975 Alg für 312 Wochentage bewilligt und festgestellt, der Bescheid werde Gegenstand des "hier anhängigen Widerspruchsverfahrens". Diese Entscheidung hat die Beklagte, nachdem sie am 20. September 1976 Berufung eingelegt hatte, durch Bescheid vom 16. November 1976 abgeändert. Sie hat der Klägerin nunmehr nur Alg ab 29. Juli 1976 für 17 Wochentage bewilligt, diesen Bescheid aber nach dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) wieder aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin über den 7. September 1975 hinaus Alg zu gewähren. Im übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Das LSG hat ausgeführt, für die Berufung fehle es nicht am Rechtsschutzbedürfnis, denn die Beklagte habe durch die Bescheide vom 1. September und 16. November 1976 weder den Klageanspruch anerkannt noch auf Rechtsmittel verzichtet. Da erst die am 20. September 1976 eingelegte Berufung aufschiebende Wirkung habe, sei die Beklagte vorher verpflichtet gewesen, dem Urteil des SG in vollem Umfange nachzukommen. Deshalb müsse insoweit jede Äußerung, die die Vorläufigkeit der Ausführung des Urteils erkennen lasse, genügen, um ihr das Rechtsmittel der Berufung zu erhalten. Der Hinweis, daß der Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werde, enthalte eine solche Erklärung. Entgegen der Meinung der Beklagten sei hier auch ein Vorverfahren durchgeführt worden. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 8. Dezember 1975 (objektiv) Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. September 1975 eingelegt. Die Widerspruchsfrist habe sie nicht versäumt, denn es sei davon auszugehen, daß sie den Bescheid vom 10. September 1975 nicht erhalten habe. Die Klägerin habe ab 8. September 1975 keinen Anspruch auf Alg. Auf dem Arbeitsmarkt für Krankenpflegehelferinnen sei die Lage der von der Klägerin gewünschten Arbeitszeit nicht üblich gewesen. Vielmehr sei in der Krankenpflege Schichtdienst die Regel; die Frühschicht beginne um 6.00 Uhr. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) sei allerdings für Arbeitslose, die aufsichtsbedürftige Kinder zu betreuen haben, hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit durch Befreiung von der Vorschrift des § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 des AFG eine Vergünstigung eingetreten. Diese Rechtsänderung wirke sich aber im vorliegenden Falle nicht aus, da die Klägerin ihre Vermittlungsbereitschaft ab 8. September 1975 auch hinsichtlich des Inhalts der Beschäftigung eingeschränkt habe. Sie habe die Bereitschaft nicht auf Beschäftigungen als Krankenpflegerin beschränken dürfen; ihre zeitgerechte Vermittlung in solche Beschäftigungen sei, wie dargelegt, nicht zu erreichen gewesen. Vielmehr habe die Klägerin auch zu anderen Beschäftigungen bereit sein müssen, insbesondere zu einer solchen als Verkäuferin. Dies habe sie jedoch abgelehnt. Eine derartige berufsfremde Beschäftigung als Verkäuferin sei der Klägerin nicht unzumutbar gewesen. Als unzumutbar sei eine Beschäftigung anzusehen, die im Vergleich zum bisherigen Arbeitsleben des Arbeitslosen in einem auffälligen Mißverhältnis stehe und daher geeignet sei, sich nachteilig auf das weitere Arbeitsleben des Betroffenen auszuwirken.

Mit der - zugelassenen - Revision macht die Klägerin geltend, sie rüge als wesentlichen Mangel des Verfahrens, das LSG hätte weitere Feststellungen dahin treffen müssen, ob die Lage der von ihr gewünschten Arbeitszeit auf dem Arbeitsmarkt für Krankenpflegerinnen nicht doch in nennenswertem Umfange anzutreffen sei. Sie könne sich hinsichtlich der Beschränkung der Arbeitszeit auf Art 6 des Grundgesetzes (GG) berufen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil, soweit es der Klägerin die Gewährung von Alg über den 7. September 1975 hinaus versagt hat, aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Kiel vom 29. Juli 1976 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit zutreffender Begründung hat das LSG die Berufung als zulässig angesehen. Der Rechtsstreit ist nicht durch ein Anerkenntnis der Beklagten iS des § 101 Abs 2 SGG erledigt worden. Ein Anerkenntnis ist gegenüber dem Gericht abzugeben (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 101 RdNr 21). Selbst wenn dieses Erfordernis durch die Vorlage des Bescheides vom 1. September 1976 an das LSG mit der Berufungserwiderung der Klägerin als erfüllt angesehen werden sollte, so könnte doch ein Anerkenntnis jedenfalls nicht wirksam geworden sein. Nach dem auch auf Prozeßhandlungen anzuwendenden Grundsatz des § 130 Abs 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird eine Willenserklärung nicht wirksam, wenn "dem anderen" vorher ein Widerruf zugeht. Das ist hier der Fall gewesen, da die am 20. September 1975 eingelegte Berufung sinngemäß ein Anerkenntnis jedenfalls widerrufen hätte.

Darüberhinaus kann der Bewilligungsbescheid vom 1. September 1976 weder als Anerkenntnis noch als Rechtsmittelverzicht ausgelegt werden. Dies hat das LSG mit zutreffender Begründung dargelegt. Die vorbehaltlose Bewilligung einer Leistung, zu der die Behörde verurteilt worden ist, mag allerdings je nach Lage des Einzelfalls die Vermutung nahelegen, daß die Behörde den Kläger klaglos stellen und den Rechtsstreit nicht weiterführen will. Indessen enthält der dem Urteil entsprechende Bewilligungsbescheid jedenfalls nicht stets und ohne weiteres gleichzeitig die Erklärung des Anerkenntnisses oder des Rechtsmittelverzichts. Eine dahingehende Auslegung ist ausgeschlossen bei Bescheiden, die erkennbar lediglich in Ausführung des Urteils ergehen. Sie enthalten nur eine vorläufige Regelung, die vom Bestand des Urteil abhängt und die Beschwer des Beklagten durch das Urteil nicht berührt (vgl BSGE 9, 169). Indessen ist der Bescheid vom 1. September 1976 nicht eindeutig als ein solcher Ausführungsbescheid zu erkennen, denn er ist vor Einlegung der Berufung ergangen und hat keinen Hinweis auf das Urteil enthalten. Der Bescheid ist deshalb aber noch nicht als Anerkenntnis oder Rechtsmittelverzicht zu deuten. Es ist zu beachten, daß die Bewilligung des Alg auf dem Gebiet des materiellen Rechts liegt und nach § 151 AFG aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben oder weggefallen sind. Der Rechtsmittelverzicht und das den Rechtsstreit erledigende Anerkenntnis (§ 101 Abs 2 SGG) sind dagegen Prozeßhandlungen, die grundsätzlich unwiderruflich sind (Meyer-Ladewig aaO § 101 RdNr 24 und RdNr 11 vor § 143). Entscheidend spricht gegen die Auslegung des Bescheides vom 1. September 1976 als Rechtsmittelverzicht oder Anerkenntnis, daß er den Zusatz enthält, der Bescheid werde Gegenstand des "hier anhängigen" Widerspruchsverfahrens. Diese Feststellung ist zwar für die Klägerin unverständlich gewesen, aber sie konnte ihr jedenfalls entnehmen, daß der Bescheid nicht dazu bestimmt war, ein Verfahren zum Abschluß zu bringen.

Der Bescheid vom 1. September 1976 ist, wie das LSG zu Recht annimmt, nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden, denn er hat dem nur dem Grunde nach streitigen Anspruch der Klägerin entsprochen und insoweit keine Beschwer für sie enthalten. Selbst wenn aber § 96 SGG anwendbar wäre, würde das jedenfalls auch für den Bescheid vom 16. November 1976 gelten, soweit dieser nämlich den dann im Streit befindlichen Bescheid vom 1. September 1976 wieder aufgehoben hat. Dieser letztere Bescheid hat also keinen Bestand.

Das LSG hat zutreffend weiter entschieden, daß die Berufung begründet ist, soweit das SG die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin über den 7. September 1975 hinaus Alg zu gewähren. Wie den Gründen der Entscheidung zu entnehmen ist, hat das LSG insoweit die Klage abweisen wollen. Diese Entscheidung hat das LSG mit zutreffender Begründung getroffen.

Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an der Durchführung des Vorverfahrens. Das Arbeitsamt hat, wie das LSG festgestellt hat, am 10. September 1975 einen ablehnenden Bescheid erlassen. Dagegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. Dezember 1975 Widerspruch eingelegt. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Bescheid der Klägerin bis zum 8. Dezember 1975 bekanntgegeben war. Willenserklärungen sind aber so zu verstehen, wie der Empfänger sie verstehen muß. Die Erklärung der Klägerin, sie bitte um nochmalige Überprüfung der Ablehnung - nämlich der Ablehnung des Alg-Antrages - mußte das Arbeitsamt als Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. September 1975 verstehen. Es hat mit Bescheid vom 24. März 1976 über den Widerspruch vom 4. Dezember 1975 entschieden. Damit ist das Vorverfahren auch hinsichtlich des Bescheides vom 10. September 1975 durchgeführt worden, denn dem Bescheid vom 24. März 1976 kann keine Beschränkung auf den Gegenstand des Schreibens vom 4. Dezember 1975 entnommen werden. Der Widerspruchsbescheid betrifft vielmehr ohne Einschränkung das Vorbringen im Schreiben vom 8. Dezember 1975.

Wenn der Bescheid vom 10. September 1975 auch möglicherweise erst mit seiner Bekanntgabe im gerichtlichen Verfahren wirksam geworden ist, so geht der Senat doch jedenfalls aus prozeßökonomischen Gründen von der Durchführung des Vorverfahrens und von der Zulässigkeit der Klage aus.

Die Klage ist, soweit sie die Zeit ab 7. September 1975 betrifft, unbegründet. Allerdings ergibt sich dies nicht etwa schon aus der Bindungswirkung des Bescheides vom 10. September 1975. Die Klägerin hat diesen Bescheid vielmehr mit ihrem Schreiben vom 8. Dezember 1975 rechtzeitig angefochten. Gem § 84 Abs 1 SGG ist der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe an den Beschwerten einzureichen. Der Bescheid vom 10. September 1975 ist der Klägerin aber, wie das LSG festgestellt hat, nicht vor dem 8. Dezember 1975 bekanntgegeben worden.

Die Klägerin hat für die Zeit ab 7. September 1975 keinen Anspruch auf Alg. Nach § 100 AFG hat Anspruch auf diese Leistung, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Die Klägerin hat der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden, da sie nicht bereit gewesen ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben kann (§ 103 Abs 1 Nr 2 AFG). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin ihre Vermittlungsbereitschaft auf Beschäftigungen als Krankenpflegehelferin beschränkt und es abgelehnt, andere Beschäftigungen, insbesondere solche als Verkäuferin, anzunehmen.

Beschäftigungen außerhalb des Berufs der Krankenpflegehelferin, insbesondere auch Beschäftigungen als Verkäuferin, sind für die Klägerin in der Zeit ab 7. September 1975 zumutbar gewesen. Das LSG geht allerdings in seinem Urteil von einem Begriff der Zumutbarkeit aus, den der Senat nicht für zutreffend hält. Anscheinend meint das LSG, eine Beschäftigung sei nur dann als unzumutbar anzusehen, wenn sie sich nachteilig auf das weitere Arbeitsleben des Betroffenen auswirken kann. Das LSG verlangt damit einen Ablehnungsgrund, wie er früher in § 78 Abs 2 Nr 2 zweite Alternative des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vorgesehen war. Unzumutbarkeit iS des § 103 Abs 1 Nr 2 AFG kann sich darüberhinaus aber schon allein aus der Unterwertigkeit einer Beschäftigung gegenüber dem bisher ausgeübten oder dem erlernten Beruf ergeben.

Grundsätzlich gibt es in der Arbeitslosenversicherung keinen Berufsschutz in dem Sinne, daß der Arbeitslose verlangen könnte, ausschließlich in seinem erlernten, überwiegend oder zuletzt ausgeübten Beruf vermittelt zu werden (BSG SozR 4100 § 119 Nr 3). Der Arbeitslose muß vielmehr von vornherein auch für verwandte und andere zumutbare Tätigkeiten arbeitsbereit sein, bei denen ein beruflicher Nachteil für die Zukunft nicht zu erwarten ist (BSG 3. Juni 1975 - 7 RAr 81/74 -). Für die Zumutbarkeit in diesem Sinne kommt es auf die Gleichwertigkeit an (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 3). Der Arbeitslose darf deshalb bereits bei seiner Arbeitslosmeldung grundsätzlich nicht die Annahme von seinem bisherigen Beruf gleichwertigen Beschäftigungen ablehnen, wenn er dadurch keine beruflichen Nachteile für die Zukunft befürchten muß. Daß für die Klägerin eine solche Befürchtung nicht besteht, hat das LSG bindend festgestellt. Die Klägerin hat pauschal sämtliche anderen Beschäftigungen außerhalb des Bereiches der Krankenpflege abgelehnt. Es bedarf keiner Ermittlungen für die Feststellung, daß sie damit auch gleichwertige Beschäftigungen abgelehnt hat. Nach dem Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe beträgt die Ausbildungsdauer für Krankenpflegehelferinnen ein Jahr. Im Vergleich dazu ist insbesondere auch der Beruf der Verkäuferin mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren nicht unterwertig. Dadurch, daß die Klägerin jede andere, der Krankenpflegehelferin gleichwertige Tätigkeit und somit zumutbare Beschäftigung von vornherein abgelehnt hat, ist sie von dem streitigen Zeitpunkt an nicht verfügbar iS des § 103 AFG gewesen, so daß schon aus diesem Grunde kein Anspruch auf Alg bestand.

Es bedurfte daher keiner Feststellung des LSG darüber, ob die Lage der von der Klägerin gewünschten Arbeitszeit auf dem Arbeitsmarkt für Krankenpflegehelferinnen in nennenswertem Umfange anzutreffen ist. Deshalb greift die von der Klägerin erhobene Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels (§ 103 SGG) nicht durch. Ihr Anspruch ist auch nicht aus Art 6 GG begründet. Nach dieser Bestimmung werden Ehe und Familie geschützt und den Müttern der Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft eingeräumt. Pflege und Erziehung der Kinder werden als natürliches Recht der Eltern anerkannt. Aus diesen Grundrechten kann die Klägerin aber nicht herleiten, daß sie ihre Verfügbarkeit auf Tätigkeiten einer Krankenpflegehelferin beschränken und jede gleichwertige andere Tätigkeit ablehnen dürfte. Die Art der Tätigkeit kann zwar eine besondere Belastung für die Mutter darstellen, aber es ist nicht zu erkennen, daß die Klägerin durch jede andere gleichwertige Tätigkeit mehr belastet und in der Ausübung ihrer Pflichten als Mutter mehr beeinträchtigt würde als durch eine Beschäftigung als Krankenpflegehelferin.

Die Revision ist aus allen diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647219

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