Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Fortsetzung der Verrechnung des unpfändbaren Teils von Sozialleistungsansprüchen auf laufende Geldleistungen im Insolvenzverfahren über die insolvenzrechtliche Zweijahresfrist hinaus. Prozessführungsbefugnis eines Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Sozialleistungsträger dürfen die Verrechnung mit dem unpfändbaren Teil von Sozialleistungsansprüchen auf laufende Geldleistungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anspruchsinhabers auch über die insolvenzrechtliche Zweijahresfrist hinaus fortsetzen.
Orientierungssatz
Zur Prozessführungsbefugnis eines Insolvenzverwalters im sozialgerichtlichen Verfahren, in dessen Rahmen um Zahlungsansprüche aus einer Altersrente gestritten wird.
Normenkette
SGB I §§ 51-52, 53 Abs. 3; InsO § 114 Fassung: 2001-10-26
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Januar 2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des beigeladenen Versicherten (Beigeladener zu 1) die Zahlung von 4800 Euro.
Der Beigeladene zu 1 bezieht seit Mai 2006 eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfangs 764,50 Euro von der Beklagten (Bescheid vom 4.4.2006). Die beigeladene BG Bau (Beigeladene zu 2) ist Inhaberin einer bestandskräftig gegen ihn festgesetzten Beitragsforderung über 9271,90 Euro. Mit Schreiben vom 13.4.2006 und 30.10.2006 erneuerte sie ein bereits zuvor gestelltes Verrechnungsersuchen bei der Beklagten. Diese verfügte nach Anhörung des Beigeladenen zu 1, dass die Beitragsforderung der Beigeladenen zu 2 ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt im Umfang von 100 Euro monatlich mit dem Rentenanspruch verrechnet werde, bis die Forderung getilgt sei (Bescheid vom 7.11.2007). Die Verrechnung setzte mit dem Dezember 2007 ein.
Am 28.5.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen zu 1 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Beschluss des AG Neubrandenburg vom 28.5.2008). Er vertrat die Ansicht, die Verrechnung sei nur innerhalb der Zweijahresfrist des § 114 InsO aF zulässig, mithin letztmals im Mai 2010. Die Beklagte war anderer Auffassung und setzte die Verrechnung über Mai 2010 hinaus fort. Mit einem nicht genauer datierten Schreiben aus Oktober 2011 erklärte der Beigeladene zu 1 sein Einverständnis damit, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter bestehende Nachzahlungsansprüche gegen die Beklagte im Namen der Insolvenzmasse geltend mache. Der Beigeladene zu 1 erklärte zudem höchst vorsorglich die Abtretung der Ansprüche auf Nachzahlung der zu Unrecht verrechneten Beträge an die Insolvenzmasse, soweit sie nicht bereits nach §§ 35, 36 InsO in die Masse fielen.
Der Kläger hat am 11.4.2013 eine kombinierte Feststellungs- und Leistungsklage vor dem SG Neubrandenburg erhoben, die an das SG Lübeck verwiesen worden ist. Dem Beigeladenen zu 1 ist ab dem 28.5.2014 Restschuldbefreiung erteilt worden (Beschluss des AG Neubrandenburg vom 1.9.2014). Die Beklagte hat die Verrechnung ab Oktober 2014 eingestellt und das vom Kläger angenommene Teilanerkenntnis abgegeben, die für Juni 2014 bis September 2014 von seiner Rente einbehaltenen Beträge an den Beigeladenen zu 1 zu zahlen. Die verbliebene Klage hat das SG Lübeck abgewiesen (Urteil vom 29.6.2017). Der Kläger hat mit seiner dagegen eingelegten Berufung nur noch die Zahlung von 4800 Euro an den Beigeladenen zu 1, hilfsweise an sich selbst in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter begehrt. Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 20.1.2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20.7.2020 zurückgewiesen. Der Kläger sei prozessführungsbefugt. Jedoch stehe weder ihm noch dem Beigeladenen zu 1 der geltend gemachte Anspruch zu. Die Verrechnung mit den Rentenzahlungen für Juni 2010 bis Mai 2014 sei rechtmäßig erfolgt. Das Insolvenzverfahren habe der Verrechnung nicht entgegengestanden. Die Rente habe im streitbefangenen Zeitraum durchgehend unterhalb der Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen gelegen. Da die Zahlungsansprüche des Beigeladenen zu 1 nicht in die Insolvenzmasse gefallen seien, bestünden weder die Verrechnungshindernisse nach den §§ 95, 96 InsO noch gelte die Zweijahresfrist des § 114 InsO aF. Die Beklagte habe auf den Teil der Rente zugegriffen, der nicht zur Befriedigung anderer Gläubiger zur Verfügung gestanden habe.
Der Kläger rügt mit seiner vom BSG zugelassenen Revision (Beschluss vom 21.10.2020) ua eine Verletzung des § 114 InsO aF und des § 87 InsO. Eine Verrechnung mit Altersrentenbezügen nach Ablauf der Zweijahresfrist fortzusetzen widerspreche dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Insolvenzschuldners wiederherzustellen. Die insolvenzrechtliche Vorgabe, dass Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können, werde durch die sozialrechtlichen Regelungen nicht verdrängt.
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Der Kläger beantragt, |
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die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Januar 2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Juli 2020 und des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Beigeladenen zu 1, hilfsweise an ihn in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beigeladenen zu 1, 4800 Euro zu zahlen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene zu 1 hat sich nicht geäußert. Der Beigeladene zu 2 hält die Berufungsentscheidung für zutreffend. Anträge haben die Beigeladenen nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
A. Nach Schließung des 13. Senats zum 1.7.2021 durch Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 24.6.2021 (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG) ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG nunmehr der 5. Senat zuständig.
B. Die kraft Zulassung durch das BSG statthafte und im Übrigen zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Soweit mit der Klage neben der Zahlung zunächst auch eine Feststellung begehrt worden ist, hat der Kläger dies bereits im Berufungsverfahren nicht weiter verfolgt. Zutreffend hat das LSG der Berufung des Klägers den Erfolg versagt.
I. Die Klage ist mit dem auf Zahlung an den Beigeladenen zu 1 gerichteten Hauptantrag jedenfalls unbegründet.
1.a) Der Kläger verfolgt sein Begehren zwar zutreffend mit der Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG). Die (echte) Leistungsklage ist statthaft, wenn geltend gemacht wird, es liege ein bindender Verwaltungsakt (§ 77 SGG) vor, der beklagte Leistungsträger die bewilligte Leistung aber nicht oder nicht mehr erbringe (vgl BSG Urteil vom 11.6.1986 - 6 RKa 4/85 - BSGE 60, 122, 122 f = SozR 1500 § 97 Nr 6 S 4; aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 6.11.2018 - B 1 KR 30/18 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 8 RdNr 14; BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 6 KA 10/18 R - SozR 4-7610 § 406 Nr 1 RdNr 20). So ist es hier. Der Kläger behauptet eine fortbestehende Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Beigeladenen zu 1 aus dem bestandskräftigen Rentenbescheid vom 4.4.2006.
b) Es ist aber bereits zweifelhaft, ob der Kläger prozessführungsbefugt ist.
aa) Eine gesetzliche Prozessstandschaft besteht nicht. Der Kläger ist nicht aufgrund seines Amts zur Führung dieses Prozesses im eigenen Namen berechtigt. Das umfassende Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 80 Abs 1 InsO) ist, abgesehen von den hier nicht betroffenen Fällen der §§ 165 f InsO, auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände beschränkt (vgl zB BSG Urteil vom 31.5.2016 - B 1 KR 38/15 R - BSGE 121, 194 = SozR 4-7912 § 96 Nr 1, RdNr 9; BGH Urteil vom 15.5.2003 - IX ZR 218/02 - juris RdNr 12). Die streitbefangenen Zahlungsansprüche aus der zuerkannten Altersrente für Juni 2010 bis Mai 2014 gehörten gemäß § 36 Abs 1 Satz 1 und 2 InsO iVm § 850 Abs 1 ZPO nicht zur Insolvenzmasse, denn sie unterfielen der Zwangsvollstreckung nicht. Ausgehend von der Gesamtheit der für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lagen die Zahlbeträge durchgehend unterhalb der jeweils geltenden Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen (§ 850 Abs 1 iVm § 850c ZPO und der jeweils geltenden Pfändungsfreigrenzenverordnung), deren Höhe im Einzelfall von den gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen abhängt und die seinerzeit bei mindestens 985,15 Euro (bis 30.6.2011); 1028,89 Euro (vom 1.7.2011 bis zum 30.6.2013) bzw 1045,04 Euro (ab 1.7.2013) monatlich lag. Das wird vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt. Eine Zusammenrechnung des in der Revisionsbegründung mitgeteilten Einkommens des Beigeladenen zu 1 aus einer Nebenbeschäftigung mit den verbliebenen Zahlungsansprüchen gegen die Beklagte (§ 36 Abs 1 Satz 2 InsO iVm § 850e Nr 2a ZPO), die den Insolvenzbeschlag erweitert hätte, hat der Kläger auch nach eigenen Angaben schon nicht beantragt.
Dass nunmehr kumulierte Zahlungsansprüche für einen längeren Zeitraum mit einem Zahlbetrag iHv 4800 Euro geltend gemacht werden und damit ein Gesamtbetrag oberhalb aller im streitbefangenen Zeitraum geltenden Pfändungsfreigrenzen, gibt zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass. Maßgeblich für die Berechnung des nach § 850c ZPO pfändbaren Teils einer Sozialleistung ist der Leistungszeitraum, für den sie gezahlt wird (vgl zB BGH Beschluss vom 25.10.2012 - VII ZB 74/11 - juris RdNr 20; Herget in Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, § 850c RdNr 3).
bb) Ob der Kläger eine gewillkürte Prozessführungsbefugnis aus dem Schreiben des Beigeladenen zu 1 aus Oktober 2011 herleiten kann, erscheint fraglich. Die Auslegung des Schreibens (§§ 133, 145 BGB) ergibt zwar, dass der Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung der behaupteten Forderung gegen die Beklagte ermächtigt werden sollte, indem der Beigeladene zu 1 sich damit einverstanden erklärt, dass die behaupteten Zahlungsansprüche im Namen der Insolvenzmasse geltend gemacht werden (vgl zur rechtlichen Konstruktion der häufig mit einer Einziehungsermächtigung kombinierten Prozessführungsermächtigung und ihrer Akzeptanz in der Praxis zB Grüneberg in Grüneberg, BGB, 81. Aufl 2022, § 398 RdNr 32 ff mwN). Es bestehen jedoch Zweifel sowohl an der rechtlichen Wirksamkeit der erteilten Ermächtigung als auch an einem schutzwürdigen Interesse des Klägers, Ansprüche des Beigeladenen zu 1 geltend zu machen.
Für den Zivilprozess ist anerkannt, dass jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgen darf, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog gewillkürte Prozessstandschaft; vgl hierzu aus jüngerer Zeit zB BGH Urteil vom 7.7.2021 - VIII ZR 52/20 - NJW-RR 2021, 1400, 1402, juris RdNr 41; BGH Urteil vom 27.11.2020 - V ZR 71/20 - juris RdNr 10, jeweils mwN; vgl auch Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, Vor § 50 RdNr 38 ff, 40 mwN) und die Prozessstandschaft bereits in den Tatsacheninstanzen offenlegt (vgl zB BGH Urteil vom 7.7.2021 - VIII ZR 52/20 - NJW-RR 2021, 1400, 1402, juris RdNr 44; speziell zur Ermächtigung eines Insolvenzverwalters BGH Urteil vom 15.5.2003 - IX ZR 218/02 - NJW-RR 2003, 1490, 1491, juris RdNr 13 ff). In der Rechtsprechung des BSG ist eine gewillkürte Prozessstandschaft jedenfalls für (echte) Leistungsklagen im Gleichordnungsverhältnis anerkannt (vgl zB BSG Urteil vom 24.9.2002 - B 3 P 14/01 R - SozR 3-3300 § 72 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 23.5.2012 - B 14 AS 156/11 R - SozR 4-4200 § 36a Nr 1 RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 1 KR 18/12 R - BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 10 mwN; BSG Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 27/12 R - BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2019 - B 1 KR 16/18 R - BSGE 128, 300 = SozR 4-2500 § 4 Nr 3, RdNr 11 mwN). Ob eine Prozessführung durch einen Dritten im Einverständnis mit dem Rechtsinhaber auch für (echte) Leistungsklagen in Betracht kommt, die, wie hier, im Kern ein Über- und Unterordnungsverhältnis betreffen, erscheint für das sozialgerichtliche Verfahren nicht abschließend geklärt (vgl zur Problematik BSG Urteil vom 15.8.1991 - 12 RK 25/89 - juris RdNr 19, insoweit in SozR 3-2400 § 26 Nr 4 nicht abgedruckt, wo dies für Anfechtungsklagen offengelassen worden ist; allerdings auch BSG Urteil vom 1.7.1959 - 4 RJ 45/58 - BSGE 10, 131, 134 und BSG Urteil vom 11.12.1973 - 2 RU 252/72 - BSGE 37, 33, 35 = SozR Nr 4 zu § 69 SGG Bl Da 4, wo dies lediglich im Einzelfall verneint worden ist, und BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 15/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 15, wo dies als nicht mehr generell ausgeschlossen angesehen worden ist; vgl auch den Überblick bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 11a). Wollte man eine Prozessführung durch Dritte in gewillkürter Prozessstandschaft auch insoweit grundsätzlich akzeptieren, hinge ihre Zulässigkeit im Einzelfall ua von der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Prozessführungsermächtigung ab. Dem begegnen hier Bedenken.
Die Wirksamkeit einer auf die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gerichteten Ermächtigung setzt grundsätzlich voraus, dass der geltend zu machende Anspruch abgetreten werden kann; eine Ermächtigung zur Geltendmachung eines unabtretbaren Anspruchs ist nur ausnahmsweise wirksam, wenn sie dem Zweck des betroffenen Abtretungsverbots nicht widerspricht (vgl BGH Urteil vom 2.12.2003 - VI ZR 243/02 - NJW-RR 2004, 595, 597; vgl auch Busche in Staudinger, Neubearbeitung 2022, Einl zu §§ 398 ff BGB RdNr 126 mwN). Die von der Erklärung des Beigeladenen zu 1 im Schreiben vom Oktober 2011 erfassten (künftigen) Zahlungsansprüche gegen die Beklagte unterlagen dem Abtretungsverbot aus § 53 Abs 3 SGB I, das dem sozialen Schutz des Leistungsberechtigten (vgl die Entwurfsbegründung zum SGB - Allgemeiner Teil - zu § 53 in BT-Drucks 7/868 S 32) und dem Interesse der Allgemeinheit an dessen Existenzsicherung dient. Nach dieser Vorschrift können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die wie Renten der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind und, wie hier, nicht von Abs 1 und 2 erfasst werden, nur übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen unpfändbaren Betrag übersteigen. Letzteres traf auf die von der Erklärung erfassten Ansprüche nicht zu (s unter B.I.1.b.aa.). In der Erklärung des Beigeladenen zu 1 läge daher eine wirksame Prozessführungsermächtigung nur, wenn die Geltendmachung der Ansprüche durch Dritte, jedenfalls aber durch einen Insolvenzverwalter mit dem Antrag der Zahlung an den Rechtsinhaber, dem Abtretungsverbot des § 53 Abs 3 SGB I nicht zuwiderliefe.
2. Letztlich kann die Prozessführungsbefugnis des Klägers dahinstehen, weil die Klage mit dem Hauptantrag jedenfalls unbegründet ist. Infolge der wirksamen Verrechnung bestehen keine Zahlungsansprüche des Beigeladenen zu 1 gegen die Beklagte mehr. Soweit die Ansprüche für den streitbefangenen Zeitraum nicht durch Auszahlung an den Kläger erfüllt wurden, gelten sie entsprechend § 389 BGB als erloschen.
aa) Die Beklagte war berechtigt, die Beitragsforderung der Beigeladenen zu 2 jedenfalls im Umfang von 100 Euro monatlich mit den Rentenansprüchen des Beigeladenen zu 1 für den streitbefangenen Zeitraum zu verrechnen. Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen nach dem SGB gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung erfüllte die sich daraus ergebenden Anforderungen.
(1) Die Beigeladene zu 2 hatte die Beklagte zur Verrechnung ermächtigt, zuletzt mit Schreiben vom 30.10.2006.
(2) Im streitbefangenen Zeitraum bestand durchgehend eine Verrechnungslage entsprechend den §§ 52, 51 Abs 1 SGB I iVm § 387 BGB. Eine solche ist gegeben, wenn der zur Verrechnung ermächtigende Leistungsträger die ihm gebührende Geldzahlung fordern und der die Verrechnung erklärende Träger die ihm obliegende Geldzahlung bewirken kann. Die Forderung, mit der verrechnet wird (Aktivforderung) muss entstanden und fällig sein; die gleichartige Forderung, gegen die verrechnet werden soll (Passivforderung), muss zwar nicht fällig, aber entstanden und erfüllbar sein (vgl zB BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 4 R 71/06 R - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26; BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 55). Beides war hier der Fall. Ausgehend von den für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die von der Verrechnungsermächtigung der Beigeladenen zu 2 erfasste Beitragsforderung gegen den Beigeladenen zu 1 iHv insgesamt 9271,90 Euro bestandskräftig festgestellt worden (§ 77 SGG). Das reicht für die Annahme einer entstandenen und fälligen Aktivforderung aus (vgl hierzu BSG Urteil vom 24.7.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 15; BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 4 R 71/06 R - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, RdNr 26 f; BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 56). Die Forderungen des Beigeladenen zu 1 aus der mit Rentenbescheid vom 4.4.2006 bindend zuerkannten Altersrente, gegen die verrechnet wurde, waren jeweils am Ersten eines jeden Monats des streitbefangenen Zeitraums entstanden (§ 40 Abs 1 SGB I) und damit erfüllbar, wenngleich Fälligkeit erst am Monatsende eintrat (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGB VI).
(3) Die Beklagte erklärte die Verrechnung entsprechend § 388 BGB, indem sie im Bescheid vom 7.11.2007 verfügte, der Anspruch der Beigeladenen zu 2 iHv 9271,90 Euro werde ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt bis zur Forderungstilgung derart mit dem Rentenanspruch des Beigeladenen zu 1 verrechnet, dass von der laufenden Rentenzahlung monatlich 100 Euro einbehalten und an die Beigeladene zu 2 ausgezahlt würden. Es bestehen keine Bedenken gegen die von der Beklagten gewählte Rechtsform. Die Rechtsfolgen einer Verrechnung dürfen durch Verwaltungsakt geregelt werden (vgl BSG Beschluss vom 31.8.2011 - GS 2/10 - BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 39 ff; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 13.6.2017 - B 13 R 23/16 BH - juris RdNr 7).
Die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 7.11.2011 ist an dieser Stelle nicht weiter zu beurteilen, weil dieser für den Beigeladenen zu 1 und die Beklagte bindend ist (§ 77 SGG). Ihr begegnen aber auch keine Zweifel. Der Beigeladene zu 1 hatte ausgehend von den unangegriffenen Feststellungen des LSG keine die Verrechnung ausschließende Hilfebedürftigkeit nachgewiesen. Der Kläger hat im Übrigen in der Revisionsbegründung Einkommen des Beigeladenen zu 1 aus einer Nebenbeschäftigung aufgelistet, dessen Höhe sich im streitbefangenen Zeitraum zwischen 56,25 Euro und 900 Euro monatlich bewegte. Soweit der Kläger, wie die Beteiligten im Verfahren übereinstimmend mitgeteilt haben, einen Antrag auf Überprüfung des Verrechnungsbescheids vom 7.11.2011 nach § 44 SGB X gestellt hat, ist hierüber von der Beklagten noch abschließend zu entscheiden.
(4) Dass im Wege der Verrechnung auf den unpfändbaren Teil der Rentenansprüche des Beigeladenen zu 1 zugegriffen wurde, steht der Rechtmäßigkeit der Verrechnung nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat den Sozialleistungsträgern mit den Regelungen in den §§ 52, 51 Abs 2 SGB I gerade die Möglichkeit eröffnet, zur Durchsetzung ihrer Beitrags- und Erstattungsforderungen mit diesen auch gegen den unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte und bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialhilferechts aufzurechnen bzw damit zu verrechnen. Die Regelungen bezwecken eine Privilegierung der Sozialleistungsträger, die dem Empfänger einer Geldleistung bestimmte "systemerhaltende" Gegenansprüche (Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen; Beitragsansprüche) des zuständigen oder eines anderen Leistungsträgers entgegenhalten können (vgl BSG Urteil vom 27.3.1996 - 14 REg 10/95 - BSGE 78, 132, 136 = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 18; BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 59 mwN). Bei Verwirklichung dieser Geldleistungsansprüche sind die bei der Pfändung in laufende Geldleistungen für andere Gläubiger geltenden Pfändungsfreigrenzen der ZPO (§ 54 Abs 4 SGB I iVm §§ 850, 850c ZPO) unbeachtlich, weil dies im finanziellen Interesse der Versichertengemeinschaft liegt (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 5 R 36/11 BH - nicht veröffentlicht; vgl auch Pflüger in jurisPK-SGB I, 3. Aufl 2018, § 51 RdNr 84, Stand 13.8.2021).
bb) Die Verrechnung war auch nicht gemäß § 114 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 InsO in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl I 2710 - im Folgenden: InsO aF), der auf das vor dem 1.7.2014 über das Vermögen des Beigeladenen zu 1 eröffnete Insolvenzverfahren noch Anwendung findet (vgl Art 103h Satz 1 EGInsO), in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Die von der Verrechnung betroffenen Forderungen des Beigeladenen zu 1 gegen die Beklagte unterfielen nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der Norm.
§ 114 InsO aF sah vor, dass eine Verfügung, mit der ein Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine künftige Forderung auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge abgetreten oder verpfändet hatte, wirksam war, allerdings nur, soweit sie sich auf die Bezüge für die Zeit vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats bezog (Abs 1). Gegen die Forderung auf die von Abs 1 erfassten Bezüge für den dort bezeichneten Zweijahreszeitraum konnte der Verpflichtete mit einer Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zustand (Abs 2 Satz 1). Zu den gleichgestellten Bezügen iS des § 114 Abs 1 InsO aF gehörte der fortlaufende Bezug von Sozialleistungen wie einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Anspruch dem Grunde nach bestand (vgl BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - BSGE 92, 1 = SozR 4-1200 § 52 Nr 2, RdNr 11, juris RdNr 19; BGH Beschluss vom 24.3.2011 - IX ZB 217/08 - NJW-RR 2011, 1495, 1496, juris RdNr 8 unter Hinweis auf die Entwurfsbegründung zu § 92 InsO-E in BT-Drucks 12/2443 S 136). Die Regelung in § 114 Abs 2 InsO aF erfasste grundsätzlich auch Verrechnungen nach § 52 SGB I (vgl BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 18/03 R - BSGE 92, 1 = SozR 4-1200 § 52 Nr 2, RdNr 9 ff, juris RdNr 17 ff; BGH Beschluss vom 29.5.2008 - IX ZB 51/07 - BGHZ 177, 1 = NZS 2009, 392, 392 ff, juris RdNr 6 ff; zu abweichenden früheren Auffassungen vgl die Übersicht bei Hess in Kölner Komm zur Insolvenzordnung, Bd 2, 2017, § 114 InsO aF RdNr 76).
Sie kam allerdings nicht zur Anwendung, wenn die Verrechnung, wie hier, lediglich den unpfändbaren Teil einer laufenden Geldleistung betraf. Aufrechnungen und Verrechnungen gegen den unpfändbaren Teil von Sozialleistungsansprüchen nach Maßgabe von §§ 51, 52 SGB I blieben vielmehr auch nach Verfahrenseröffnung über die zeitlichen Grenzen des § 114 InsO aF hinaus zulässig (vgl bereits BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 5 R 36/11 BH - nicht veröffentlicht; aus der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung vgl LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 10.3.2015 - L 1 R 425/14 B ER - juris RdNr 39; Hessisches LSG Beschluss vom 3.8.2016 - L 5 R 123/15 - juris RdNr 38; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 1.6.2017 - L 3 R 99/16 - juris RdNr 37). Das ist auch die vorherrschende Auffassung im insolvenzrechtlichen Schrifttum zu § 114 InsO aF (vgl Rein in HK-Privatinsolvenz, § 52 SGB I RdNr 13 iVm § 51 SGB I RdNr 35 f; Ahrens in K. Schmidt, Insolvenzordnung, 20. Aufl 2023, § 114 RdNr 17; Pluta/Heidrich, jurisPR-InsR 1/2014 Anm 4 S 2; Rein, NZS 2018, 723, 728; kritisch hingegen Hess in Kölner Komm zur Insolvenzordnung, Bd 2, 2017, § 114 InsO aF RdNr 82).
(1) Dass § 114 InsO aF keine Aufrechnungen und Verrechnungen gegen unpfändbare (künftige) Forderungen auf fortlaufende Sozialleistungen erfasste, folgte bereits aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit § 91 Abs 1 InsO und der Gesetzeshistorie.
(a) § 91 Abs 1 InsO, wonach Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, erfasst nicht den Rechtserwerb an insolvenzfreien Vermögensgegenständen des Insolvenzschuldners (vgl zB Kayser in Kayser/Thole, Heidelberger Komm zur Insolvenzordnung, 10. Aufl 2020, § 91 RdNr 2) wie die hier betroffenen unpfändbaren (künftigen) Forderungen auf laufende Sozialleistungen. Die Insolvenzmasse umfasst nach der Legaldefinition des § 35 Abs 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Verfahrenseröffnung gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören hingegen nicht zur Insolvenzmasse (§ 36 Abs 1 Satz 1 InsO).
(b) § 114 InsO aF war eine Ausnahmevorschrift zu § 91 Abs 1 InsO, die diesen in ihrem Anwendungsbereich verdrängte (vgl BGH Urteil vom 11.5.2006 - IX ZR 247/03 - BGHZ 167, 363, 367, juris RdNr 9 ff; BGH Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 109/05 - NJW 2007, 81, 82, juris RdNr 9). Sie fand ebenso wenig wie § 91 Abs 1 InsO auf insolvenzfreie Vermögensgegenstände Anwendung.
Die Vorschrift, die bereits in der ursprünglichen Fassung der InsO vom 5.10.1994 (BGBl I 2866) enthalten war, stand im Zusammenhang mit dem zum 1.1.1999 neu eingeführten Rechtsinstitut der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff InsO), mit dem für natürliche Personen erstmals die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs vorgesehen war (vgl hierzu zB Pehl in InsO mit EuInsVO ≪2015≫, 8. Aufl 2020, § 286 RdNr 1 ff). Die Erteilung der Restschuldbefreiung setzte und setzt bis heute voraus, dass während des Restschuldbefreiungsverfahrens (sog Wohlverhaltensphase) von sieben Jahren (ab dem 1.12.2001: sechs Jahre; ab dem 1.7.2014: unter bestimmten Voraussetzungen drei Jahre; seit dem 1.10.2020: allgemein drei Jahre) ua die laufenden Bezüge des Insolvenzschuldners für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen. Vorausverfügungen über laufende Bezüge zugunsten einzelner Gläubiger, die regelmäßig bei später zahlungsunfähigen Arbeitnehmern vorkommen, sollten daher nach dem Willen des Gesetzgebers der InsO "in ihrer Wirksamkeit beschränkt werden" (Entwurfsbegründung zu § 132 InsO-E in BT-Drucks 12/2443 S 150 f). Die Abtretung von (künftigen) Bezügen aus abhängiger Beschäftigung sollte gleichwohl nicht vollständig entwertet werden, weil sie häufig das einzige Mittel zur Kreditsicherung ist, das Arbeitnehmer anbieten können (vgl die Entwurfsbegründung zu § 132 InsO-E in BT-Drucks 12/2443 S 151; vgl zu diesem Aspekt auch BGH Urteil vom 11.5.2006 - IX ZR 247/03 - BGHZ 167, 363, 368, juris RdNr 12).
In der Ursprungsfassung der InsO (BGBl I 2866) wurden beide Anliegen dergestalt berücksichtigt, dass insbesondere Vorausabtretungen und Verpfändungen von Lohn- und Gehaltsansprüchen (nur) für einen Zeitraum von zunächst drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam waren. Die gleiche zeitliche Beschränkung galt für Aufrechnungen gegen Forderungen aus laufenden Bezügen. Durch Art 1 Nr 11a des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl I 2710) wurde mit Wirkung zum 1.12.2001 der Dreijahreszeitraum auf zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verkürzt. Dabei wurde auch der Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit unter den Insolvenzgläubigern berücksichtigt (vgl die Ausschussempfehlung zu § 114 Abs 1 iVm derjenigen zu § 287 Abs 2 InsO in BT-Drucks 14/6468 S 17 f). Der Gesetzgeber des Gesetzes vom 26.10.2001 formulierte nunmehr, nach § 114 Abs 1 InsO (aF) seien Vorausabtretungen von Arbeitseinkommen für einen begrenzten Zeitraum ab Verfahrenseröffnung "wirksam". Als Sinn und Zweck der Vorschrift nannte er weiterhin, die Vorausabtretung von Lohn und Gehalt sei zu privilegieren, weil zahlreiche Verbraucher nur dieses Kreditsicherungsmittel anbieten könnten (vgl die Entwurfsbegründung in BT-Drucks 14/5680 S 17).
Zumindest der Gesetzgeber der InsO schien demnach davon auszugehen, alle von § 114 InsO in der Ursprungsfassung erfassten Vorausverfügungen und Aufrechnungen seien grundsätzlich wirksam und würden durch die darin enthaltene Regelung lediglich in ihrer zeitlichen Wirksamkeit beschränkt. Wie jedoch der BGH in seiner nachfolgenden Rechtsprechung aufzeigte, enthielt die Vorschrift trotz des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte keine Wirksamkeitsbeschränkung. Vielmehr wären die von der Vorschrift erfassten Vorausabtretungen von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt oder Dienstbezüge für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 91 Abs 1 InsO generell unwirksam gewesen, wenn es die Regelungen in § 114 InsO aF nicht gegeben hätte (vgl BGH Urteil vom 11.5.2006 - IX ZR 247/03 - BGHZ 167, 363, 368, juris RdNr 12; BGH Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 109/05 - NJW 2007, 81, 82, juris RdNr 9). Der Gesetzgeber reagierte auf diese Rechtsprechung, indem § 114 InsO aF durch Art 1 Nr 15 des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl I 2379) mit Wirkung zum 1.7.2014 ersatzlos aufgehoben wurde. Damit wollte er auch der weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens Rechnung tragen (vgl die Entwurfsbegründung zum Gesetz vom 15.7.2013 in BT-Drucks 17/11268 S 23).
(2) Der Sinn und Zweck des § 114 InsO aF gebot es auch nicht etwa, die Vorschrift auf Aufrechnungen und Verrechnungen gegen unpfändbare (künftige) Forderungen auf fortlaufende Sozialleistungen anzuwenden. Sie diente nicht dem Schutz und der Erweiterung der Insolvenzmasse. Sie bezweckte eine (zeitlich begrenzte) Privilegierung der Kreditsicherung, die in der Vorausabtretung von Arbeitseinkommen liegt (s oben unter ≪1≫≪b≫); vgl zudem BGH Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 109/05 - NJW 2007, 81, 81 f, juris RdNr 9 unter Hinweis auf die Entwurfsbegründung zum Gesetz vom 26.10.2001). Eine solche Ausnahmeregelung gegenüber § 91 Abs 1 InsO war nicht erforderlich in Bezug auf Forderungen, an denen ein Rechtserwerb über die Verfahrenseröffnung hinaus ohnehin möglich bleibt. Das trifft auf (künftige) Forderungen auf fortlaufende Sozialleistungen zu, die wegen ihres Betrags unterhalb der Pfändungsfreigrenze insolvenzfrei sind (§ 36 Abs 1 Satz 2 InsO iVm § 54 Abs 4 SGB I, §§ 850, 850c ZPO).
Es bestand im Übrigen auch kein Interesse der weiteren Insolvenzgläubiger, den Rechtserwerb an solchen Forderungen zeitlich zu beschränken. Deren Rechtsposition wurde nicht gefährdet, wenn ein Sozialleistungsträger über den Zweijahreszeitraum hinaus eine Aufrechnung oder Verrechnung gegen Forderungen vornahm, die schon nicht dem Insolvenzbeschlag unterlagen (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 5 R 36/11 BH - nicht veröffentlicht).
Soweit der Kläger vorbringt, das Verfahren der Verbraucherinsolvenz ziele auf eine Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Insolvenzschuldners und zu diesem Zwecke müssten auch Verrechnungen und Aufrechnungen gegen unpfändbare Forderungen jedenfalls nach Ablauf des Zweijahreszeitraums des § 114 Abs 1 InsO aF unterbleiben, lässt sich dieser Aspekt der Vorschrift nicht entnehmen. Selbst bei der Vorausabtretung von Forderungen, die § 114 InsO aF unterfielen, verblieb den Insolvenzschuldnern grundsätzlich das Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Soweit diese Grenze durch die Aufrechnung oder Verrechnung eines Sozialversicherungsträgers ausnahmsweise bis zur Grenze der Hilfebedürftigkeit unterschritten wurde, gründete dies in der von den § 51 Abs 2, § 51 SGB I bezweckten, sachlich begrenzten Privilegierung der Sozialversicherungsträger (vgl hierzu grundlegend BSG Urteil vom 19.1.1978 - 4 RJ 47/77 - BSGE 45, 271, 275 = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 6; BSG vom 11.10.1979 - 3 RK 88/77 - SozR 1200 § 51 Nr 5 S 10 f; BSG vom 27.3.1996 - 14 REg 10/95 - BSGE 78, 132, 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17 f; aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 59).
Die Entscheidung des BGH vom 10.7.2008 (IX ZR 118/07) steht diesem Verständnis nicht entgegen. Ihr lässt sich im Gegenteil entnehmen, dass auch nach Auffassung des BGH Verrechnungen gegen Ansprüche auf Sozialleistungen nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I nicht dem Anwendungsbereich des § 114 Abs 2 Satz 1 InsO aF unterfielen. Im dortigen Verfahren war ua darüber zu befinden gewesen, ob ein Insolvenzverwalter, der während des Restschuldbefreiungsverfahrens als Treuhänder eingesetzt wird, pflichtwidrig handelt, wenn er nicht gegen die vom Rentenversicherungsträger nach Verfahrenseröffnung fortgesetzte Verrechnung vorgeht. Es war jedoch in der Vorinstanz nicht festgestellt worden, ob der Rentenversicherungsträger nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I oder nach § 51 Abs 1, § 54 Abs 4 SGB I vorgegangen war. Der BGH verneinte einen Pflichtenverstoß des Insolvenzverwalters in beiden Fällen und führte in Bezug auf eine - unterstellte - Verrechnung nach §§ 52, 51 Abs 2 SGB I aus, der Insolvenzverwalter habe sich von vornherein nicht schadensersatzpflichtig gemacht, weil er in das Rechtsverhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Rentenversicherungsträger nicht eingebunden gewesen sei. Die von der Verrechnung betroffenen Sozialleistungen seien in diesem Fall aus dem freien Vermögen der Insolvenzschuldnerin erbracht worden (BGH Urteil vom 10.7.2008 - IX ZR 118/07 - juris RdNr 17). Die vom Kläger herausgestellte Formulierung, die Verrechnung sei in den von § 114 Abs 2 InsO aF gezogenen zeitlichen Grenzen als solche wirksam gewesen, bezieht sich erkennbar auf eine - alternativ unterstellte - Verrechnung nach § 51 Abs 1, § 54 Abs 4 SGB I (BGH Urteil vom 10.7.2008 - IX ZR 118/07 - juris RdNr 18). Vor dem Hintergrund dieser deutlichen Unterscheidung lässt sich auch der Erwägung des BGH zur Haftungsgrundlage (BGH Urteil vom 10.7.2008 - IX ZR 118/07 - juris RdNr 21) nichts Abweichendes zum Anwendungsbereich des § 114 Abs 2 Satz 1 InsO aF entnehmen.
cc) Ebenso wenig verstieß die streitbefangene Verrechnung gegen den insolvenzrechtlichen Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (vgl hierzu zB BGH Urteil vom 14.1.2010 - IX ZR 93/09 - juris RdNr 10). Nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen, nach § 89 Abs 1 InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Zwar ähneln Aufrechnung und Verrechnung nach den §§ 51, 52 SGB I in ihrer Wirkung für den Insolvenzschuldner einer Zwangsvollstreckung. Die hieraus erwachsende Befugnis der öffentlichen Hand ist aber in der Insolvenz nicht vollständig ausgeschlossen (vgl BGH Beschluss vom 29.5.2008 - IX ZB 51/07 - BGHZ 177, 1, 9, juris RdNr 28). Namentlich gilt das durch §§ 52, 51 Abs 2 SGB I begründete Privileg der mit Beitrags- oder Erstattungsansprüchen aufrechnenden bzw verrechnenden Sozialleistungsträger fort, auf den unpfändbaren Teil des Geldleistungsanspruchs des Insolvenzschuldners zuzugreifen. Es dauert auch während der Wohlverhaltensphase an (vgl bereits BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 64 für das Verfahren nach § 18 Abs 2 Satz 3 der Gesamtvollstreckungsordnung; vgl auch Koch, Der Sozialleistungsanspruch als Dispositionsgegenstand, 2021, S 370 f). Der Zugriff auf diese Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners, die nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen, vermag die übrigen Gläubiger von vornherein nicht zu benachteiligen.
Die ersatzlose Aufhebung von § 114 InsO hat hieran entgegen der Auffassung des Klägers nichts geändert. Im Übrigen dürfte ein Sozialleistungsträger auch unter der aktuellen Rechtslage nicht gehindert sein, bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 52, 51 Abs 2 SGB I gegen die unpfändbaren Ansprüche auf eine laufende Geldleistung zu verrechnen (vgl hierzu zB Bigge/Peters-Lange, ZIP 2014, 2114, 2118 f; Hess in Kölner Komm zur Insolvenzordnung, Bd 2, 2017, § 114 InsO aF RdNr 82; A. Loose/Pieperjohanns, ZFSH 2018, 79, 86; vgl dazu, dass nach Erteilung der Restschuldbefreiung die noch bestehenden Beitrags- und Erstattungsforderungen nicht mehr durchsetzbar sein dürften, BSG Urteil vom 14.3.2013 - B 13 R 5/11 R - SozR 4-1200 § 51 Nr 1 RdNr 45-46).
Eine "doppelte" Befriedigung der Beigeladenen zu 2 stand nicht zu befürchten. Der Kläger könnte eine Aufnahme ihrer zur Tabelle festgestellten Forderung mit dem vollständigen Nennwert in das Verteilungsverzeichnis (§ 188 InsO) verweigern, sobald er eine entsprechende Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) erhebt (vgl hierzu zB BGH Urteil vom 11.12.2008 - IX ZR 156/07 - juris RdNr 12). Alternativ könnte er darauf hinwirken, dass die Beigeladene zu 2 auf eine Vollstreckung aus der Tabelle verzichtet, soweit ihre Forderung bereits im Wege der Verrechnung getilgt ist. Die Abgabe einer solchen Verzichtserklärung kann bei einem öffentlich-rechtlichen Träger grundsätzlich erwartet werden.
dd) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG berufen. Seine Behauptung, die Beklagte verrechne ohne zeitliche Begrenzung gegen unpfändbare Zahlungsansprüche, während sie bei Zahlungsansprüchen oberhalb der Pfändungsfreigrenzen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verrechnung vollständig einstelle, hat der Kläger nicht weiter substanziiert. Die Formulierungen in den verwaltungsinternen Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen (GRA) der Rentenversicherungsträger sprechen im Gegenteil dafür, dass bei einer Verrechnung nach Maßgabe von § 52 iVm § 51 Abs 2 SGB I (stets) auf den unpfändbaren Teil einer Rente zugegriffen werden soll, selbst wenn die Rente insgesamt die Pfändungsfreigrenze übersteigt (vgl Ziff 12.1.2 der GRA zu § 51 SGB I, die insoweit unverändert bereits im streitbefangenen Zeitraum gegeben war: "Für Aufrechnungen nach § 51 Abs. 2 SGB I hat das Insolvenzverfahren keine unmittelbaren Auswirkungen, soweit sie über § 850c ZPO hinausgehend Rentenbeträge erfassen, mit denen nur im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I eine Aufrechnung zulässig ist.").
II. Mit dem auf Zahlung an den Kläger selbst in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gerichteten Hilfsantrag ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
1. Insoweit ist die Klage als Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) zulässig. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den Sozialgerichten ist im Rechtsmittelverfahren nicht zu prüfen (§ 17a Abs 5 GVG). Im Übrigen wäre sie auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu bejahen. Auch soweit der Kläger abgetretene Ansprüche des Beigeladenen zu 1 geltend macht, ist über eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der Rentenversicherung zu entscheiden (§ 51 Abs 1 Nr 1 SGG). Der vom Kläger behauptete Anspruch aus dem Rentenbescheid vom 4.4.2006 verlöre seinen öffentlich-rechtlichen Charakter nicht durch eine Abtretung (vgl dazu, dass eine Abtretung die Rechtsnatur eines Anspruchs unverändert lässt, zB BSG Urteil vom 18.3.1982 - 7 RAr 14/81 - BSGE 53, 182, 183 = SozR 1200 § 54 Nr 5 S 6 mwN; aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 30.9.2014 - B 8 SF 1/14 R - SozR 4-3500 § 75 Nr 5 RdNr 8).
2. In Bezug auf den Hilfsantrag ist die Klage ebenfalls unbegründet. Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht zu. Eine Abtretung (§ 398 Satz 1 BGB) könnte allein durch Annahme der im Schreiben vom Oktober 2011 gegebenen Abtretungserklärung des Beigeladenen zu 1 erfolgt sein. Selbst wenn dieser im Zeitpunkt der (Voraus-)Abtretung an den Kläger über (zukünftig fällige) Zahlungsansprüche gegen die Beklagte für Juni 2010 bis Mai 2014 über jedenfalls 4800 Euro verfügt haben sollte, wäre deren Abtretung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Abtretungsverbot nichtig gewesen (§ 134 BGB). Insoweit unterlagen die Ansprüche dem Abtretungsverbot aus § 53 Abs 3 SGB I (s unter B.I.1.b.bb).
Ungeachtet dessen bestehen die abgetretenen Zahlungsansprüche des Beigeladenen zu 1 gegen die Beklagte nicht mehr. Sie gelten entsprechend § 389 BGB als durch Verrechnung erloschen (s unter B.I.2).
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese keine Anträge gestellt haben. |
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